Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Hartenstein

Textdaten
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Autor: M.
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Titel: Hartenstein
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 29–31
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Hartenstein.


Hartenstein, seit Jahrhunderten das Residenzschloss der Grafschaft und Standesherrschaft Hartenstein liegt auf einem hohen steilen Berge, umgeben von herrlichen Waldungen und romantischen Thälern, in deren einem das Städtchen Hartenstein sich längs der Anhöhe hinauf erstreckt. Das Schloss gewährt mit seinem prachtvollen Thurme einen herrlichen Anblick und bildet in seinem Haupttheile ein Corps de Logis mit zwei Flügeln, welche wieder durch einen offenen, von Säulen getragenen Corridor verbunden sind, wie denn überhaupt die alte Burg in neuerer Zeit vielfache Reparaturen und Verschönerungen erfahren hat. Hinter dem aus mehreren Etagen bestehenden Haupttheile des Schlosses befindet sich ein grösserer Hof mit Nebengebäuden, zu dem ein Vorhof mit einem Zwinger nebst einer Brücke und zwei festen Thoren führt. Oestlich von der Burg, von dieser durch eine Senkung getrennt, steht das Vorwerk und nicht weit davon eine Schäferei. In alter Zeit galt der Hartenstein für eine bedeutende Festung und hatte besondere Schlossvoigte, wie z. B. 1413 einen Ritter von Trebitz, 1503 einen Junker von Ulstädt, 1524 einen von Etzdorf und ausserdem mehrere Trützschler von Eichelberg von dem nahen Schlosse Stein, welche wegen dieses Dienstes wahrscheinlich Stein von den Schönburgen zur Lehn trugen. Aus dieser Zeit werden in der Vorhalle des Schlosses noch mehrere eiserne Rüstungen und Waffenstücke aufbewahrt. Die Rüstkammer der Burg liess Graf Hugo II. von Schönburg 1584 in eine Kapelle verwandeln und Graf Otto Ludwig 1696 restauriren, auch nannte sie Letzterer aus Liebe zu seiner Gemahlin „die Sophienkirche.“ Am 25. Mai des genannten Jahres wurde die Kapelle durch den Waldenburger Superintendenten Stolze neuerdings eingeweiht. Durch seine Verpflichtung, den Gottesdienst in der Schlosskirche zu verrichten, führt der Pfarrer des Städtchens Hartenstein den Titel eines Hofpredigers. Im Jahr 1672 besuchte Churfürst Johann Georg II. das Schloss Hartenstein mit 172 Mann Gefolge und 143 Pferden, und hielt sich hier mehrere Tage auf.

Denkwürdig ist das Schloss Hartenstein in der Geschichte Sachsens auch dadurch geworden, dass einer der aus dem Schlosse zu Altenburg geraubten Sächsischen Prinzen nach seiner Befreiung hier das erste Nachtlager hielt. Während Kunz von Kaufungen mit dem Prinzen Albrecht durch die Leine und den Rabensteiner Forst nach Böhmen zuritt, führten die Ritter von Mosen und von Schönfels den Prinzen Ernst der Abrede gemäss nach dem Frankenlande hin, aber erschreckt durch das Sturmläuten und die Nachricht, dass Kauffungen gefangen sei, suchten sie Zuflucht bei einem Prediger zu Hartenstein. Da dieser nicht zu Hause war, verbargen sie sich in einer nicht weitentlegenen Höhle, damals die Teufelskluft genannt, wo sie nebst dem Prinzen drei Tage lang blos von Wasser und Heidelbeeren lebten. Durch ihre kritische Lage zur Verzweiflung getrieben, schickten sie einen ihrer Knechte an den Amtshauptmann Veit von Schönburg zu Zwickau mit folgendem noch vorhandenen Briefe:

 Edler Herr Haubtman, Er tzu Schönburg
„Uns gehet die Rewe an, daz wir Cordt Kauffungen zu willen gewest gen unsern lyben Herrn vnd sine Sune Fehde zu thun. Weyl aber Hertzogk Friedrich ein sanfmüttiger Korfürst iss, so hoffen wir Gnade vnd fügen euch hiemitte zu wyssen, wie wir den jungen Fürsten Herrn Ernsten vnversehrt, lebendig vnd gesunt um vnser gewarsame bey vnns haben. Wannen ihr vnns nun bei dem Korförsten Gnade vnd Sicherung Leibes, Ehr vnd Gutts zu wege bryngen vnndt schriftlichen daför haften werdet, wollen wir den jungen förstlichen Sun vnnverletzet widerbringen. Wennen man edder uf vnns anziehen wirdet vnns zu fangen, so wollen wir den Korförstlichen Sun erstechen vnd vnns weren dyweil wir mügen, dannen vnns selbst tödten vndt nicht ahn gross Blutverguss yn uiyre Hände fallen, des wollt vnns uiyre schriftliche Andtwort nit perge.“ [30] Der Amtshauptmann von Schönburg ertheilte den Prinzenräubern sofort im Namen des Churfürsten die verlangte Sicherheit und diese brachten das geraubte Kind nach dem Schlosse Hartenstein, wo dasselbe am 11. Juli (1455) frisch und gesund anlangte. Der Herr von Schönburg gab hierauf den reumüthigen Edelleuten einen derben Verweis und gebot ihnen, unverzüglich Sachsen zu verlassen. Beim Abschiede beschenkte Prinz Ernst den Ritter von Schönfels, dessen Pferd lahm geworden war, noch mit einem schönen Rosse, indem er zu ihm sagte: „nun reitet hin und kommet in meines Vaters Land nimmer wieder!“ Ueber Mosens und Schönfels fernere Schicksale ist nichts bekannt geworden, vermuthlich gingen sie in das benachbarte Böhmen. Die noch jetzt vorhandene Höhle, in welcher die Edelleute mit dem geraubten Prinzen Ernst Zuflucht suchten, heisst seit jener Zeit „die Prinzenhöhle“ und war vermuthlich einst ein Stollen, wo man Eisenstein suchte, später aber ein Schlupfwinkel raublustiger Gesellen, um die Waarenzüge, welche damals noch aus dem südlichen Deutschland durch das naheliegende Thal gingen, zu erspähen. Sie ist sechsunddreissig Ellen lang und einige Ellen breit, nach oben zu schmal und nur sehr mühsam zu durchklimmen. Am Eingange hängt eine Tafel mit Inschrift, welche bezeugt, dass Friedrich Albrecht Graf von Schönburg im August 1779 bei Gelegenheit der Vermählung seiner einzigen Tochter mit einem Grafen von Hochburg die Höhle habe reinigen und gangbarer machen lassen. In neuerer Zeit ist noch so Manches zur Verschönerung des wildromantischen Thales gethan worden. Vor einigen Jahren besuchte die Prinzenhöhle Se. Königl. Hoheit der Kronprinz Albert und nahm auf dem Plateau über der Höhle ein heiteres Mahl ein. Die ganze bis Hartenstein ziehende Bergkette, auf der sich die Höhle befindet, heisst der Mehltheuer. Uebrigens lässt der Umstand, dass die nicht weit von hier in Ruinen liegende Eisenburg dem Ritter Kunz von Kaufungen gehörte, der Vermuthung Raum dass die geraubten jungen Fürsten nicht nach Eisenburg oder Riesenburg in Böhmen, sondern hierher in Sicherheit gebracht werden sollten.

Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert war Hartenstein Eigenthum der Burggrafen von Meissen, welche die Grafschaft als Reichslehn inne hatten seit 1336 sich auch Grafen von Hartenstein nannten und auf der Burg ihren Wohnsitz nahmen. Von ihnen kennt man Hermann I., einen gebornen Grafen von Wolfeswarth um 1143, Meinhard I. um 1190, Meinhard II. seit 1232. Meinhard III. seit 1278. Hermann III. seit 1308 zugleich Herr von Frauenstein, kommt noch 1336 urkundlich als Graf von Hartenstein vor; die Brüder Meinhard IV., Berthold und Albert seit 1337; die Brüder Meinhardt V. und Berthold I. seit 1355; von 1355 bis 1388 Meinhard VI. mit seinem Bruder Berthold II. und einen Vetter Berthold, von denen Berthold II. Böhmischer Oberhofrichter in den Jahren 1388 bis 1399 allein regierte, jedoch seit 1390 seinen Neffen Heinrich I. und seit 1399 dessen Bruder Meinhard zu Mitregenten annahm. Heinrich, der letzte Burggraf aus dem Stamme Wolfeswarth, verpfändete 1406 die Herrschaft auf acht Jahre an Veit von Schönburg, da aber nach dieser Zeit die Wiedereinlösung nicht erfolgte, so wurde die Grafschaft, nach völliger Abtretung, von dem Kaiser Sigismund bei Gelegenheit der Kostnitzer Kirchenversammlung Veit von Schönburg zur Lehn gereicht. Heinrich fand seinen Tod 1426 in der Hussitenschlacht bei Aussig und der folgende Burggraf Heinrich Reuss von Plauen wollte gegen seines Vorgängers Heinrich Abtretung der Herrschaft protestiren, da aber Veit von Schönburg seine Tochter heirathete, beruhigte er sich, und überliess ihm seine Ansprüche als einen Theil der Aussteuer.

Seit dieser Zeit befindet sich Hartenstein im Besitze der Familie Schönburg. Nach dem Tode Ernst des Jüngeren von Schönburg, gestorben 1534, kam die Herrschaft unter Vormundschaft und später in Besitz der Brüder Georg, Hugo und Wolf von Schönburg. Bei der stattfindenden Erbtheilung blieb Hartenstein so weit gemeinschaftliches Eigenthum der Brüder, als die Vormünder es nicht an den Churfürsten verkauft hatten, wesshalb auch in dem Familienvertrage vom 2. Februar 1566 gesagt wird: „Wir haben unsere Grafschaft Hartenstein, wiewohl nicht mit unserm guten Willen, sondern aus wissentlichen Ursachen erblich verkauft.“ Churfürst August erkaufte den sogenannten obern Theil der Herrschaft für 146,000 Meissnische Gülden (?) und zwang, wie der Kaufbrief zeigt, die Besitzer zu dieser Abtretung, weil der Theil des Landes ausser vielen Oertern und Waldungen auch siebzehn Hammerwerke enthielt und ihm wegen des Bergbaues sehr erwünscht war. Zwar bemühten sich die Schönburge den Churfürsten drei Jahre lang mit Vorstellungen hinzuhalten, aber endlich mussten sie doch nachgeben.

Die sogenannte niedere Grafschaft übernahm 1556 Hugo Ernst; später erlangte er auch Lichtenstein und Waldenburg. Von seinen drei Söhnen empfing 1582 Hugo ausschliessend Hartenstein und starb 1604 zu Gera. Er hinterliess fünf Söhne, deren einer, Otto Albrecht, ausser Hartenstein auch Grässlitz in Böhmen und Oelsnitz besass. Sein Tod erfolgte 1680; Otto Ludwig aber erbte vom Vater ausser Hartenstein auch Lichtenstein und Waldenburg und starb 1701 als erster Graf von Schönburg oberer Linie. Graf Otto Albert, sein Nachfolger regierte nur bis zum Jahre 1716 und hinterliess die Herrschaft seinem einzigen Sohne Friedrich Albert, welcher 1786 kinderlos starb. Dessen Besitzungen kamen hierauf an den nächsten Lehnsvetter, Grafen Otto Carl Friedrich, der schon Lichtenstein und Waldenburg von seinem Vater geerbt hatte, 1790 zum Fürsten erhoben wurde und 1800 mit Tode abging. Hierauf übernahm die Regierung, als Vormünderin ihrer vier Prinzen, die fürstliche Wittwe Henriette Eleonore Elisabeth, eine geborne Reuss von Plauen zu Köstritz, bis der zweite Prinz, Fürst Friedrich Alfred, kaiserlich Oesterreichischer Kämmerer und Geheimerath, auch Herr auf Stein, in den Besitz von Hartenstein trat. Der jetzige Herr auf Hartenstein ist des vorigen Besitzers Bruder, Sr. Durchlaucht Fürst Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg.

Das Städtchen Hartenstein mit zweihundert Häusern und etwa zweitausend Einwohnern liegt am rechten Ufer des Thierfelder Baches und einem aus Nordwesten kommenden Nebenbächlein an flachem Bergeshange, übrigens auch mit einzelnen Häusern am Fusse anderer Höhen und namentlich des steilen Schlossberges, dessen zunächst stehende Häuser als die zuerst erbauten noch einige Vorrechte geniessen. Hier wurde auch im Jahre 1609 der berühmte Verfasser frommer Lieder, Paul Flemming geboren, dessen Vater Schulmeister und später Diakonus war. Die Stadt litt viel durch den dreissigjährigen Krieg und 1613 durch eine heftige Epidemie. Die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohnerschaft besteht ausser Ackerbau und Viehzucht in Leinweberei und Strumpfwirkerei.

[31] Die Stadtkirche zu Hartenstein ist ein alterthümliches vielfach restaurirtes Gebäude, welches vor der Reformation die Frauenkirche hiess. In derselben ruhen eine Anzahl Personen aus dem Stamme der Schönburge, unter anderen auch Graf Hugo II., welchem die Kirche viele Wohlthaten zu danken hat. An der Stadtkirche lehrt ein Pastor, (welcher den Titel eines Hofpredigers führt,) der zugleich geistlicher Kirchen- und Schulinspector der Herrschaft ist, sowie ein Diakonus, der gleichfalls wegen seiner Amtsverrichtungen in der Schlosskapelle das Prädikat eines Hofdiakonus, wie auch der Cantor das eines Hofcantors führt. Der Cantor ist zugleich Gerichtsschreiber. – Das Amt befindet sich auf dem Schlosse, und unter ihm stehen ausser der Stadt Hartenstein die Dörfer Brutha, Mülsen St. Niklas, Mülsen St. Jakob, Oberaffalter, Niederaffalter, Pfannenstiel, Grüna, Oberhaselau, Raum und Thierfeld, sowie Antheile von den Dörfern Alberoda, Härtensdorf, Lenkersdorf, Niederlössnitz, Oelsnitz und Zschocken.

M.