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Der Amtshauptmann von Schönburg ertheilte den Prinzenräubern sofort im Namen des Churfürsten die verlangte Sicherheit und diese brachten das geraubte Kind nach dem Schlosse Hartenstein, wo dasselbe am 11. Juli (1455) frisch und gesund anlangte. Der Herr von Schönburg gab hierauf den reumüthigen Edelleuten einen derben Verweis und gebot ihnen, unverzüglich Sachsen zu verlassen. Beim Abschiede beschenkte Prinz Ernst den Ritter von Schönfels, dessen Pferd lahm geworden war, noch mit einem schönen Rosse, indem er zu ihm sagte: „nun reitet hin und kommet in meines Vaters Land nimmer wieder!“ Ueber Mosens und Schönfels fernere Schicksale ist nichts bekannt geworden, vermuthlich gingen sie in das benachbarte Böhmen. Die noch jetzt vorhandene Höhle, in welcher die Edelleute mit dem geraubten Prinzen Ernst Zuflucht suchten, heisst seit jener Zeit „die Prinzenhöhle“ und war vermuthlich einst ein Stollen, wo man Eisenstein suchte, später aber ein Schlupfwinkel raublustiger Gesellen, um die Waarenzüge, welche damals noch aus dem südlichen Deutschland durch das naheliegende Thal gingen, zu erspähen. Sie ist sechsunddreissig Ellen lang und einige Ellen breit, nach oben zu schmal und nur sehr mühsam zu durchklimmen. Am Eingange hängt eine Tafel mit Inschrift, welche bezeugt, dass Friedrich Albrecht Graf von Schönburg im August 1779 bei Gelegenheit der Vermählung seiner einzigen Tochter mit einem Grafen von Hochburg die Höhle habe reinigen und gangbarer machen lassen. In neuerer Zeit ist noch so Manches zur Verschönerung des wildromantischen Thales gethan worden. Vor einigen Jahren besuchte die Prinzenhöhle Se. Königl. Hoheit der Kronprinz Albert und nahm auf dem Plateau über der Höhle ein heiteres Mahl ein. Die ganze bis Hartenstein ziehende Bergkette, auf der sich die Höhle befindet, heisst der Mehltheuer. Uebrigens lässt der Umstand, dass die nicht weit von hier in Ruinen liegende Eisenburg dem Ritter Kunz von Kaufungen gehörte, der Vermuthung Raum dass die geraubten jungen Fürsten nicht nach Eisenburg oder Riesenburg in Böhmen, sondern hierher in Sicherheit gebracht werden sollten.

Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert war Hartenstein Eigenthum der Burggrafen von Meissen, welche die Grafschaft als Reichslehn inne hatten seit 1336 sich auch Grafen von Hartenstein nannten und auf der Burg ihren Wohnsitz nahmen. Von ihnen kennt man Hermann I., einen gebornen Grafen von Wolfeswarth um 1143, Meinhard I. um 1190, Meinhard II. seit 1232. Meinhard III. seit 1278. Hermann III. seit 1308 zugleich Herr von Frauenstein, kommt noch 1336 urkundlich als Graf von Hartenstein vor; die Brüder Meinhard IV., Berthold und Albert seit 1337; die Brüder Meinhardt V. und Berthold I. seit 1355; von 1355 bis 1388 Meinhard VI. mit seinem Bruder Berthold II. und einen Vetter Berthold, von denen Berthold II. Böhmischer Oberhofrichter in den Jahren 1388 bis 1399 allein regierte, jedoch seit 1390 seinen Neffen Heinrich I. und seit 1399 dessen Bruder Meinhard zu Mitregenten annahm. Heinrich, der letzte Burggraf aus dem Stamme Wolfeswarth, verpfändete 1406 die Herrschaft auf acht Jahre an Veit von Schönburg, da aber nach dieser Zeit die Wiedereinlösung nicht erfolgte, so wurde die Grafschaft, nach völliger Abtretung, von dem Kaiser Sigismund bei Gelegenheit der Kostnitzer Kirchenversammlung Veit von Schönburg zur Lehn gereicht. Heinrich fand seinen Tod 1426 in der Hussitenschlacht bei Aussig und der folgende Burggraf Heinrich Reuss von Plauen wollte gegen seines Vorgängers Heinrich Abtretung der Herrschaft protestiren, da aber Veit von Schönburg seine Tochter heirathete, beruhigte er sich, und überliess ihm seine Ansprüche als einen Theil der Aussteuer.

Seit dieser Zeit befindet sich Hartenstein im Besitze der Familie Schönburg. Nach dem Tode Ernst des Jüngeren von Schönburg, gestorben 1534, kam die Herrschaft unter Vormundschaft und später in Besitz der Brüder Georg, Hugo und Wolf von Schönburg. Bei der stattfindenden Erbtheilung blieb Hartenstein so weit gemeinschaftliches Eigenthum der Brüder, als die Vormünder es nicht an den Churfürsten verkauft hatten, wesshalb auch in dem Familienvertrage vom 2. Februar 1566 gesagt wird: „Wir haben unsere Grafschaft Hartenstein, wiewohl nicht mit unserm guten Willen, sondern aus wissentlichen Ursachen erblich verkauft.“ Churfürst August erkaufte den sogenannten obern Theil der Herrschaft für 146,000 Meissnische Gülden (?) und zwang, wie der Kaufbrief zeigt, die Besitzer zu dieser Abtretung, weil der Theil des Landes ausser vielen Oertern und Waldungen auch siebzehn Hammerwerke enthielt und ihm wegen des Bergbaues sehr erwünscht war. Zwar bemühten sich die Schönburge den Churfürsten drei Jahre lang mit Vorstellungen hinzuhalten, aber endlich mussten sie doch nachgeben.

Die sogenannte niedere Grafschaft übernahm 1556 Hugo Ernst; später erlangte er auch Lichtenstein und Waldenburg. Von seinen drei Söhnen empfing 1582 Hugo ausschliessend Hartenstein und starb 1604 zu Gera. Er hinterliess fünf Söhne, deren einer, Otto Albrecht, ausser Hartenstein auch Grässlitz in Böhmen und Oelsnitz besass. Sein Tod erfolgte 1680; Otto Ludwig aber erbte vom Vater ausser Hartenstein auch Lichtenstein und Waldenburg und starb 1701 als erster Graf von Schönburg oberer Linie. Graf Otto Albert, sein Nachfolger regierte nur bis zum Jahre 1716 und hinterliess die Herrschaft seinem einzigen Sohne Friedrich Albert, welcher 1786 kinderlos starb. Dessen Besitzungen kamen hierauf an den nächsten Lehnsvetter, Grafen Otto Carl Friedrich, der schon Lichtenstein und Waldenburg von seinem Vater geerbt hatte, 1790 zum Fürsten erhoben wurde und 1800 mit Tode abging. Hierauf übernahm die Regierung, als Vormünderin ihrer vier Prinzen, die fürstliche Wittwe Henriette Eleonore Elisabeth, eine geborne Reuss von Plauen zu Köstritz, bis der zweite Prinz, Fürst Friedrich Alfred, kaiserlich Oesterreichischer Kämmerer und Geheimerath, auch Herr auf Stein, in den Besitz von Hartenstein trat. Der jetzige Herr auf Hartenstein ist des vorigen Besitzers Bruder, Sr. Durchlaucht Fürst Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg.

Das Städtchen Hartenstein mit zweihundert Häusern und etwa zweitausend Einwohnern liegt am rechten Ufer des Thierfelder Baches und einem aus Nordwesten kommenden Nebenbächlein an flachem Bergeshange, übrigens auch mit einzelnen Häusern am Fusse anderer Höhen und namentlich des steilen Schlossberges, dessen zunächst stehende Häuser als die zuerst erbauten noch einige Vorrechte geniessen. Hier wurde auch im Jahre 1609 der berühmte Verfasser frommer Lieder, Paul Flemming geboren, dessen Vater Schulmeister und später Diakonus war. Die Stadt litt viel durch den dreissigjährigen Krieg und 1613 durch eine heftige Epidemie. Die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohnerschaft besteht ausser Ackerbau und Viehzucht in Leinweberei und Strumpfwirkerei.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/054&oldid=- (Version vom 9.5.2017)