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Artikel „Weil, Josef, Ritter von Weilen“ von Alexander von Weilen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 488–490, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weil_von_Weilen,_Josef&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 21:41 Uhr UTC)
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Weil: Josef W., Ritter von Weilen, dramatischer Dichter und Schriftsteller, geboren zu Tetin am 28. December 1828, † zu Wien am 3. Juli 1889. Er stammt aus sehr armer jüdischer Familie, der es nur durch Unterstützung eines reichen Verwandten möglich wurde, den heißen Wunsch des Knaben, studiren zu dürfen, zu erfüllen. Aber die Fortschritte, die der verträumte Schüler auf dem Gymnasium zu Prag machte, waren nicht derartig, daß man große Erwartungen für seine Zukunft hegen durfte. Der Absicht, ihn wieder nach Haus zu nehmen, scheint er sich durch Flucht entzogen zu haben. Als Mitglied kleiner Schauspielertruppen führt er ein elendes Wanderleben in Böhmen und Ungarn, 1848 taucht er in Laibach auf, wo auch ein Stück von ihm, „Die Revolution des 24. Februar in Paris oder Ludwig Philipp König von Frankreich“ zur Aufführung kommt, während der „Illyrische Beobachter“ Gedichte von ihm veröffentlicht. Anfangs 1849 wird er als zweiter Liebhaber an das Josephstädter Theater in Wien engagirt. In den Stürmen der Revolution wird er auf Denunciation nächtlicher Weile aufgegriffen und zum Militär zwangsweise abgestellt. Während des ungarischen Feldzuges gelang es ihm durch rastlose Selbstbildung die Aufmerksamkeit der Vorgesetzten auf sich zu lenken, bald ist er Lieutenant und wird 1852 als Lehrer der Geschichte und Geographie ans Cadetteninstitut in Hainburg berufen, wandert dann nach Krakau, 1854 kommt er als Professor an die Genie-Akademie in Znaim. Nachdem das Drama „Tristan“ seinen Namen bekannt gemacht, gelang es ihm durch kaiserliche Gnade seine militärische Stellung mit der eines Scriptors in der Hofbibliothek zu vertauschen (1861), in der er bis zum Jahre 1873 verblieb. 1862 erhielt er auch die Professur in der Kriegsschule hinzu. Als Lehrer war er auch am Conservatorium für Musik thätig, wo er zusammen mit Mosenthal die Schauspielschule begründete. Seine poetische Wirksamkeit mußte in den späteren Jahren zurücktreten, nachdem er 1883 das Präsidium des Journalisten- und Schriftstellervereins „Concordia“ übernommen und 1886 vom Kronprinzen Rudolf zum Redacteur des cisleithanischen Theiles des Prachtwerkes „Oesterreich-Ungarn in Wort und Bild“ berufen worden war. Diesen vielen Aufgaben widmete er selbstlos alle seine Kräfte, sie gaben ihm aber auch eine verantwortungsvolle Stellung, der nur eine so makellose Persönlichkeit gewachsen sein konnte. Tritt so in den letzten Jahren seines Lebens seine sociale Bedeutung, die auch in der Verleihung des Adels und Hofrathstitels, wie in einer Reihe von Auszeichnungen [489] Ausdruck findet, mehr hervor, so ist doch auch die Rolle, die er in der dramatischen Litteratur Deutsch-Oesterreichs gespielt, nicht gering anzuschlagen. Seine Werke verzeichnet Wurzbach ziemlich vollständig. Die „Fantasien und Lieder“ (1853) zeigen deutlich den Einfluß von Körner’s Leyer und Schwert, sie schlagen Heine’sche und Uhland’sche Töne an, charakteristisch sind dramatische Ansätze. Sie brachten ihn in persönliche Beziehung zu Grillparzer (vgl. Grillparzer-Jahrbuch I, 85 f., 233 f., 236 etc.), mit dem ihn verehrungsvolle Freundschaft bis zu dessen Tode verband. Zeugniß dafür gibt Weil’s Aufsatz über die Sappho in der Gartenlaube 1872, sowie die 1870 erfolgte Redaction der Gedichte in der ersten Gesammtausgabe, zu der W. durch ausdrückliche Testamentsbestimmung Grillparzer’s berufen wurde. Im Sinne Zedlitz’ besingen die „Männer vom Schwerte“ (1855) die Großthaten österreichischer Kriegshelden, voll echter patriotischer Begeisterung. Im Drama beginnt er als Romantiker und Schüler Halm’s: „Tristan“, dem erst eine Probeaufführung in Breslau das Burgtheater erschloß, errang am 19. September 1859 einen großen Erfolg, zum Theil durch Joseph Wagner’s herrliche Leistung. Noch schwelgt der Dichter in Rhetorik, der glückliche Gedanke, die Mutter Isoldens in den Mittelpunkt zu stellen, wird nicht durchgeführt, aber schon hier zeigt sich eine große Begabung, dramatische Situationen auszunützen, die Handlung in effectvollen Steigerungen zu führen. Obwol W., theilweise Immermann folgend, durch die Vertauschung des Trankes mit einem Ringe – eine Aenderung, die Grillparzer nicht billigte – ein neues Motiv zu schaffen suchte, ist es ihm doch nicht recht gelungen, die Liebesleidenschaft zu begründen (vgl. R. Bechstein: Tristan und Isolde in deutschen Dichtungen der Neuzeit. 1876, S. 151 ff.). Im selben Geist ist der „arme Heinrich“ nach Hartmann v. d. Aue (1860) gehalten. Einen großen Fortschritt unter dem Einflusse Laube’s bezeichnet die „Edda“ (1864), in der W. historische Studien, die er zum Theil in Streffleur’s Zeitschrift niedergelegt hatte, verwerthete: die Soldatengestalten sind kräftig gezeichnet, besonders in den humoristischen Partien, dagegen greifen romantische und opernhafte Motive störend in die Handlung ein. Den unbegründeten versöhnlichen Schluß hat nicht W., sondern Laube auf dem Gewissen, der als Theaterpraktiker immer den guten Ausgang predigte. Eine Umarbeitung im J. 1884 hat ihn auch beseitigt. Schon hier findet sich in der Frauengestalt der bestimmende Einfluß der schauspielerischen Individualität Charlotte Wolter’s: ihr brachte er seine nächsten Werke „Drahomira“ (1867), „Rosamunde“ (1869) und später „Dolores“ (1874) dar. Die Rücksicht auf die Effecte der weiblichen Hauptgestalt läßt da die psychologische Führung stark zurücktreten, wenn auch überall die Scenen an und für sich voll dramatischen Lebens sind. In der „Drahomira“ geht W. in sein Heimathland und sucht den Kampf zwischen Christenthum und Heidenthum darzustellen, ohne genügenden Nachdruck auf eine der beiden Parteien zu legen; die „Rosamunde“ behandelt die Alboinsage in allzu freier Ausgestaltung, sie zeigt deutlich Weil’s Wanderung von Halm zu Grillparzer. Mit der „Dolores“, einem Stoffe, den ihm Faust Pachler über Halm hinüber zugetragen, versucht sich W. in Effectstücken, wie sie Mosenthal zu schaffen wußte, dessen Werke er mit schöner Vorrede 1878 herausgab. Seiner vornehmen Art, die sich litterarisch weit über dessen Theatermache erhebt, widerstrebte aber eine derartige Arbeit von vornherein. Mit Recht findet Gottfried Keller, daß W. das eigentliche „kolossale Shakespearehafte Motiv“ vor den Beginn der Handlung verlegt habe (Tagebücher II, 27). Daß W. von den Franzosen zu lernen verstand, bewies er in „Graf Horn“, der am 30. October 1870 aufgeführt, sein größter und wolverdienter Theatererfolg wurde und, wie auch viele andere seiner Dramen, oft übersetzt wurde. Das Stück, merkwürdig an seine Laibacher Jugendarbeit [490] erinnernd, behandelt die Finanzoperationen John Law’s und den in ihnen geopferten Grafen Horn. Verlebendigung der Geschichte ist hier im vollsten Maße erreicht: die Handlung ist wirksam aufgebaut, die Charaktere scharf umrissen bis auf die etwas schattenhaften Frauengestalten. Auch die Begnadigung des Grafen vor dem Schaffotte hat beim Zuschauer wenigstens ihre volle Berechtigung, obwol W. später selbst mit seiner Milde nicht einverstanden war. Lange Jahre dem Repertoire des Burgtheaters erhalten, ist dieses Stück meines Erachtens eines der besten Werke, das die Litteratur dieser Zeit hervorgebracht. Doch trotz dieses Erfolges lockte es W. immer wieder in die historische Ferne zurück, der auch, abgesehen von einigen weniger gelungenen Werken, sein letztes Drama: „König Erich“ (1886) sich wieder zuwendet. Der vielbehandelte Erich XIV. von Schweden ist der Held dieser, fast Hebbelisch angelegten, aber zu lyrisch ausklingenden Tragödie, welcher die verdiente Würdigung nicht zu Theil geworden. Die Hauptschuld mag daran liegen, daß nach dem ersten Acte die Steigerung eine geringe und der große Wahnsinnsausbruch für moderne Begriffe zu wenig pathologisch durchgearbeitet ist. Aber die Exposition ist ein Meisterstück an Stimmung und Technik. Alle Dramen Weil’s sind Situationsstücke: die Handlung ist die Hauptsache, die Charaktere werden erst durch sie geschaffen. Dadurch erhalten sie den Vorzug des Interesses und der Bühnenwirkung, leiden aber fast ausnahmslos in der Motivirung und consequenten Ausgestaltung der einzelnen Figuren. Daß manchmal trotz der ausgezeichneten Bühnengestalten die Wirkung versagt, erklärt sich aus der ängstlichen Scheu Weil’s vor starken Mitteln und äußerlichen Effecten. Doch überall leuchtet der hohe Ernst und die vornehme Gesinnung des Dichters durch, die schon Laube in der Geschichte des Burgtheaters (S. 470) zu rühmen weiß. Ihm steht er auch in seinen besten Werken litterarisch nahe, wie er ihm auch seine dichterische Entwicklung zu danken hat, während sich ihm Dingelstedt schroff gegenüberstellte. Mit seiner Begabung, die dramatische Situation zu erkennen und scenisch zu gestalten, war W. von vornherein der berufene Gelegenheitsdichter, und auf diesem Gebiete kennt er kaum einen Rivalen. „Einen Meister des Festspiels“ nennt ihn L. Speidel. Ich erwähne hier nur den „Tag von Oudenarde“ zur Enthüllung des Prinz-Eugen-Monumentes (1866); „Aus dem Stegreif“ zur Säcularfeier des Burgtheaters (1876); den Epilog und Prolog zur Eröffnung des neuen Burgtheaters (1888). Die beiden Romane „Unersetzlich“ (1879) und „Daniela“ (1889) sind gut erfunden, aber flüchtig erzählt und durchgeführt.

Wurzbach 54, S. 1–8. – Minor in Oest.-Ung. Monarchie in Wort und Bild. Wien, S. 164. – L. Speidel in Wien 1848–1888, II, 372. – R. Zimmermann ebenda S. 188. – Müller-Guttenbrunn, Im Jahrhundert Grillparzer’s. 1893, S. 140 ff. – Von Nekrologen nenne ich nur den L. Hevesi’s im Fremdenblatt 1889, 5. Juli.