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Artikel „Weil, Gustav“ von Adalbert Merx in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 486–488, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weil,_Gustav&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 18:17 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 486–488 (Quelle).
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Weil: Gustav W., einer der befähigtsten Orientalisten seiner Zeit, ist in Sulzburg im badischen Oberlande am 25. April 1808 geboren. Zum Rabbiner bestimmt, wurde er von Jugend auf im Hebräischen, Deutschen und Französischen unterrichtet, vom Ortsgeistlichen lernte er Latein. Zwölf Jahre alt kam er nach Metz, um Talmud zu studiren, dem er aber keinen Geschmack abgewann, so daß für ihn der Aufenthalt in Metz nur wegen des Französischen von bedeutendem Werthe war. Er bezog 1828 die Universität Heidelberg, wo er sich der Philologie und Geschichte widmete, zugleich aber bei Umbreit Arabisch zu lernen begann. Obwol mittellos, da sein Vater das Vermögen verloren hatte, begab er sich doch 1830 nach Paris in die Schule de Sacy’s, und von dort folgte er der französischen Expeditionsarmee nach Algier. Er lieferte von Algier aus Correspondenzen für die Augsburger Allgemeine Zeitung. Seine dort auf die Dauer unhaltbare Stellung gab er im Januar 1831 auf, reiste nach Kairo und hatte das Glück, als Lehrer des Französischen an der aegyptischen Medicinschule zu Abu-zābel angestellt zu werden, und er benutzte die günstige Gelegenheit, [487] unter den vorzüglichen arabischen Philologen Mohammad Ayyâd et-tantâwi und Ahmed et-tûnsi zu studiren. Auch lernte er hier Neupersisch und Türkisch. Mit kurzer Unterbrechung durch eine Reise nach Europa im Mai 1832 blieb er in Aegypten bis zum März 1835. In dieser Zeit kehrte er über Konstantinopel, wo er sich türkischer Studien wegen eine Zeit lang aufhielt, nach Deutschland zurück und versuchte seine Habilitation in Heidelberg zu erwirken, was ihm nicht ohne Schwierigkeiten gelang. W. hatte nämlich gegen Joseph von Hammer in einer Uebersetzung von Samachschari’s goldenen Halsbändern (Stuttg. 1836) polemisirt, was bei dem hohen Ansehen Hammer’s die incompetente Heidelberger Facultät stutzig gemacht hatte. Die Empfehlung de Sacy’s eröffnete ihm aber den Weg, der freilich auch späterhin noch rauh genug sein sollte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er aus seiner Collaboratorstelle an der Bibliothek und wurde dann 1838 fest angestellter Bibliothekar, was er geblieben ist, bis er 1861 zum Professor ordinarius gemacht wurde, nachdem er schon 1836 sich habilitirt hatte. W. veröffentlichte nach seiner Uebersetzung der goldenen Halsbänder die „Poetische Litteratur der Araber“ (Stuttgart 1837), sodann eine Uebersetzung von „Tausend und Eine Nacht“, die ihm indessen sozusagen unter der Feder verdorben worden ist. Der Stuttgarter Verleger ließ nämlich durch August Lewald viele anstößige Stellen umändern, und während W. ein philologisch genaues Werk, welches in vieler Hinsicht wünschenswerth gewesen wäre, zu schreiben vorhatte, machte der Verleger eine gangbare Unterhaltungsschrift daraus, was W. vielen Aerger bereitet hat. Der Leser wolle also diese deutsche Bearbeitung durchaus nicht als eine genaue Wiedergabe des Originals ansehen, ebenso wenig aber auch die Schuld davon W. zuschreiben. Das Buch erschien 1866 in zweiter Auflage.

Eine zweite große Arbeit, die W. beschäftigte, war eine Lebensgeschichte Mohammed’s, bei der er als Erster auf die ältesten in dieser Zeit in Europa erreichbaren Quellen zurückgriff, während erst lange Zeit nachher durch Aloys Sprenger die eigentlichen Urquellen erschlossen worden sind. W. hat hier den ihm zugänglichen Stoff zuverlässig mitgetheilt, eine psychologische Reconstruction zu versuchen, wie es später Sprenger und Muir gethan haben, das lag nicht in seiner Natur, dagegen war er unter den damals lebenden deutschen Orientalisten für eine solche stoffliche Arbeit vermuthlich der am besten vorbereitete. Washington Irving, dessen Lebensgeschichte Mohammed’s durch den Tauchnitzdruck in Deutschland sehr verbreitet ist, benutzte ihn vielfach als Quelle.

Im Verfolg dieser Studien publicirte W. weiter die „Historisch-kritische Einleitung in den Koran“ (Bielefeld und Leipzig 1844 und 1878) als Beigabe zu Ullmann’s Koranübersetzung, und weiter die Uebersetzung der Grundquelle für die Mohammedbiographie: „Das Leben Mohammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, übersetzt von Dr. G. Weil“ (Stuttgart 1864). Die Kosten dieser Publication bestritt, da sich kein Verleger dazu bereit finden wollte, der Basler patricische Professor J. J. Stähelin. Endlich sind noch drei Abhandlungen anzuführen, die eine über Mohammed’s Epilepsie im Journal asiatique Juli 1842, sodann eine Untersuchung über eine Lüge des Mohammed, ebenda Mai 1849, und die dritte, eine Erörterung über die Frage, ob Mohammed lesen und schreiben konnte, in den Acten des Florentiner Orientalistencongresses I, 357. Hierzu kommen noch „Die Biblischen Legenden der Muselmänner“ (Frankfurt 1845), worin er den Einfluß der rabbinischen Legende auf den Islam nachweist.

Das umfangreichste Werk Weil’s ist aber seine „Geschichte der Chalifen“, welche in Wahrheit eine Verarbeitung der arabischen Originalhistoriker ist, die er zum großen Theile aus Handschriften studiren mußte, weil sie meist noch [488] ungedruckt waren. Das fünfbändige Werk, welches auch den spanischen und ägyptischen Chalifat behandelt, erschien 1845–1862. Ihm folgte dann noch die „Geschichte der islamischen Völker übersichtlich dargestellt“ 1866, die bequemste Einführung in die mittelalterliche Geschichte des Orients durch einen gründlichen Kenner. Weil’s akademische Laufbahn war keine glänzende, 1845 zum Extraordinarius ernannt, trat er trotz aller dieser gelehrten Arbeiten erst 1861 in die Facultät ein. Nach 1866 hat er nur noch Recensionen in den Heidelberger Jahrbüchern und in der Jenaischen Litteraturzeitung veröffentlicht, deren Polemik jetzt vergessen werden kann. Bei zunehmender Kränklichkeit wurde er Weihnachten 1888 pensionirt und starb am 29. September 1889 zu Freiburg im Breisgau. Sein Besitz an arabischen Handschriften ist der Heidelberger Universitätsbibliothek geschenkt worden.

Was über diese Lebensnotizen hinaus für Badener und Heidelberger Verhältnisse von Interesse ist, habe ich in v. Weech’s Badischen Biographien, Band IV, mitgetheilt; mehr als dort gesagt ist, ist über Weil’s Leben nicht zu finden. Die Chronologie der Jugendgeschichte habe ich aus halb zerrissenen Reisepässen ableiten müssen, die übrigen Einzelheiten verdanke ich seinen im Verlaufe vieljährigen Umganges gemachten mündlichen Mittheilungen.