ADB:Weikert, Johann Wolfgang
[486] das ihn in den Stand setzte, ein behaglicheres Dasein zu führen und ihn nicht mehr allein auf sein Handwerk, das ihm von jeher wenig Befriedigung gewährt hatte, als Erwerbsquelle hinwies. Damals versuchte er sich zuerst in Gedichten in hochdeutscher Sprache und in Nürnberger Mundart. Schon in seiner Jugend hatte er in gesellschaftlichen Kreisen, deren Mittelpunkt der Nürnberger Volksdichter Konrad Grübel (s. A. D. B. IX, 786) bildete, sich für dessen Dichtungen begeistert. Grübel war und blieb stets sein Vorbild, dem er nachahmte und das er nicht selten erreichte.
Weikert: Joh. Wolfgang W., geboren zu Nürnberg am 14. Juni 1778, erhielt, da seine Eltern in dürftigen Verhältnissen lebten, einen nur mangelhaften Elementarunterricht in einer Armenschule. Seinen Vater verlor er schon früh und so fiel die Erziehung ausschließlich der Mutter zu, die von Noth und Sorgen bedrängt sich wenig seiner Ausbildung annehmen konnte. Dreizehn Jahre alt wurde er einem Schneidermeister in die Lehre gegeben, und als er sie überstanden, begab er sich auf die Wanderschaft, die für ihn bei seinem geweckten und strebsamen Sinn zu einer Schule der Bildung werden sollte. Was er in seinen Kinderjahren ohne seine Schuld hatte versäumen müssen, das brachte er, unterstützt durch tüchtige Naturanlagen, bald wieder ein. Ja, mehr als das, er suchte durch das Studium der Geschichte und Geographie, der Naturwissenschaften, durch das eifrige Lesen der deutschen Classiker und der alten Schriftsteller in guten deutschen Uebersetzungen sich stets zu vervollkommnen und erreichte so einen Grad von Bildung, der über das gewöhnliche Maß weit hinausging. Nach vollendeter Wanderschaft ließ er sich zu Nürnberg als Schneidermeister nieder und verheirathete sich mit einer Tochter des Nürnberger Drechslermeisters Keilpflug. Durch diese Heirath kam er in den Besitz eines ziemlich einträglichen Geschäftes,Weiterhin war seine Stellung, die er längere Zeit zum Nürnberger Theater einnahm, auf seine dichterische Production einigermaßen von Einfluß. Er trat hier in kleineren Rollen auf, erhielt aber auch Gelegenheit, sich in kleineren dramatischen Stücken dichterisch zu bethätigen. Sein mundartliches Lustspiel „Der Hausherr in der Klemme“, in welchem er die Hauptrolle spielte, fand großen Beifall und wurde wiederholt aufgeführt. Zu Konrad Grübel’s hundertjährigem Geburtstag (1836) dichtete er ein Festspiel, in dem er gleichfalls auftrat.
Wenn W. auch in Grübel sein Muster und Vorbild verehrte, dem nachzueifern er als seinen dichterischen Beruf erkannte, so liegt doch seine Eigenart nicht auf dem Gebiete altreichstädtischen Volkslebens, das Grübel mit Virtuosität und „als echter Nürnberger Philister“ pflegte, er schöpfte seine Stoffe aus der eigenen Erfahrung, aus seinen Studien, seiner Lectüre. Der Schwank insbesondere, wozu der Nürnberger Dialekt in seiner derben Art gewissermaßen von selbst einladet, war das Gebiet, wo er sich am heimischsten fühlte, wo er das Beste leistete. So entstanden jene Gedichte, die altclassische Stoffe „in den volksthümlichen Geist und das mundartige Gewand“ umformen, Travestien in der Behandlung des Stoffes und zum Theil auch unter Anlehnung an bekannte Gedichte, wie Der Taucher, Der Handschuh, Phaëtons Sturz, Semele, Die Sündfluth u. s. w.
Seine Gedichte gab W. zunächst in einzelnen Blättern, dann in sieben Heftchen heraus, die längst vergriffen sind. Eine auf fünf Bände berechnete Gesammtausgabe beabsichtigte im J. 1842 Dr. Georg Karl Frommann, der bekannte spätere II. Director des germanischen Museums zu Nürnberg, der damals noch in Coburg weilte. Leider kam diese Ausgabe über den ersten Band, mit Glossen und Anmerkungen, nicht hinaus. Frommann gab dann später (Nürnberg 1857) „Ausgewählte Gedichte in Nürnberger Mundart“ von W. heraus. S. auch Joh. Priem, Konrad Grübel und seine Nachfolger. Nürnberg 1882.