ADB:Stein, Johann Friedrich von und zum

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Artikel „Stein, Johann Friedrich von und zum“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 642–645, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stein,_Johann_Friedrich_von_und_zum&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:05 Uhr UTC)
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Stein: Johann Friedrich Freiherr v. und zum St., ein Bruder des großen preußischen Ministers, hervorgetreten durch seine diplomatische Thätigkeit zur Zeit des deutschen Fürstenbundes, hat ein wechselreiches Leben geführt. Geboren 1749 als der älteste Sohn des kurmainzischen Geheimraths Karl Philipp v. St., besuchte er das Pädagogium zu Halle a. S., unternahm dann ausgedehnte Reisen in vielen Ländern, trat 1766 bei dem holländischen Infanterieregiment Prinz von Nassau-Usingen in Dienste und wurde in diesem 1769 Compagniechef. Wegen seiner verschwenderischen Lebensweise wurde er durch Familienbeschluß vom 2. Februar 1774 von der Erbschaft des väterlichen Vermögens ausgeschlossen. Wie sein Bruder war er ein Bewunderer Friedrich’s II. Als Komtur des deutschen Ordens zu Weddingen (bei Goslar) bot er sich dem König von Preußen zur Errichtung eines Freiregiments an. Friedrich der Große theilte ihm im März 1778 bei Ausbruch des bairischen Erbfolgekrieges mit, daß er nunmehr auf sein Anerbieten, zwei Freibataillone zu bilden, eingehe und sich zur Uebernahme der Werbekosten verstehe. St. sammelte das Regiment entsprechend der Weisung des Königs unter Heranziehung von fremden Officieren in Halberstadt. Laut Rescript vom 4. April 1778 wurde er zum Commandeur des Regiments und zum Oberst von der Armee ernannt. Von seinen Waffenthaten ist uns nichts bekannt geworden. Das Regiment wurde 1779 in Magdeburg reducirt. St. blieb jedoch in preußischen Diensten mit einem Jahresgehalt von 682 Thalern. Im Juli 1779 vermittelte er Verhandlungen zwischen dem König und dem sächsischen Artilleriehauptmann Tielke, der Vorschläge wegen der Bildung einer Artillerieschule machte. Ein praktisches Ergebniß wurde indeß hierbei nicht erzielt. Von neuem suchte St. sich dem König gefällig zu erweisen, indem er ihm (August 1779) das Anerbieten machte, ihn mit Nachrichten aus den Niederlanden zu versehen, was der König dankend ablehnte. Unermüdlich in seinen Gefälligkeiten widmete St. nunmehr den königlichen Forsten und deren Verbesserung seine Aufmerksamkeit, wofür Friedrich sich ihm dankbar bewies. Dem dienstwilligen Freiherrn wurde seit 1780 eine Vertrauensstellung am Hofe eingeräumt, in der er etwa die Functionen eines Ceremonienmeisters zu versehen hatte. Diese Stellung bildete die Brücke zu Stein’s Verwendung im diplomatischen Dienst. Zuerst geschah dies Ende 1780 durch eine Sendung an den Wiener Hof. St. entledigte sich seiner Aufgabe zur großen Zufriedenheit des Königs. Ueber eine von St. eingereichte Denkschrift schreibt der König (14. Dec. 1780): „J’y rencontre partout votre esprit observateur [643] juste et éclairé. C’est un morceau, qui vous fait honneur et je vous sais beaucoup de gré de me l’avoir adressé“, gewiß ein schmeichelhaftes Urtheil aus diesem Munde. Im weiteren lobt Friedrich Stein’s Patriotismus und spricht den Wunsch aus, Deutschland möchte noch viele solcher Patrioten haben. Dies verräth den deutschen Standpunkt Johann Friedrich’s vom St. entsprechend dem seines Bruders Karl. In seinen ferneren Denkschriften aus der Zeit jener Gesandtschaft überzeugte St. den König von den die deutsche Freiheit bedrohenden Plänen Oesterreichs, so daß dieser zum Entschluß kam d’opposer à cette cascade de desseins pernicieux des digues assez fortes pour en arrêter le torrent (eigenhändiges Schreiben an St., Berlin 6. Januar 1781) und St. anwies, mit dem Minister Graf Finckenstein über die Wiener Angelegenheiten zu conferiren. So erscheint der Name St. mit den ersten Anfängen einer preußisch-deutschen Politik verknüpft. Im Zusammenhang hiermit steht die Weisung, die er am 27. Januar 1781 erhielt, die Stimmung der Capitel von Mainz, Würzburg und Bamberg zu erforschen und im preußischen Sinne zu bearbeiten sowie den damaligen mainzischen Statthalter in Erfurt, Karl Theodor v. Dalberg, der von Preußen zum Coadjutor von Mainz ersehen wurde, für Preußen zu gewinnen. Diese in den Anfang des Jahres 1781 (Februar bis Mai) fallende Sendung Stein’s wegen der deutschen Bischofswahlen geschah im tiefsten Geheimniß. St. begab sich unter dem Vorwande, seine Schwester, die Gräfin Werthern zu besuchen, nach Erfurt. Auch bei dieser Gesandtschaft bewies St. seine Gewandtheit, die von Erfolgen begleitet war. Später hat ihn Friedrich II. nicht mehr im diplomatischen Dienst verwandt. Ein feiner Gesellschafter, kam St. bald am Hofe des Thronfolgers zu Einfluß; er trat zu Friedrich Wilhelm in ein sehr vertrautes Verhältniß. Ebenso bildeten sich zwischen ihm und Bischoffwerder cordiale Beziehungen, dagegen scheint Hertzberg St. gegenüber eine gewisse Zurückhaltung beobachtet zu haben. Ein inniges Freundschaftsverhältniß knüpfte St. mit dem Herzog Karl August von Sachsen-Weimar an, der Seele des Fürstenbundes nach Friedrich’s II. Hintritt. Die Gunst Friedrich Wilhelm’s II. fand sofort nach dessen Thronbesteigung ihren Ausdruck in der Ernennung Stein’s zum Hof- und Landjägermeister der Mark (10. Nov. 1786), eine Stellung, für die der stattliche Gehalt von 3000 Thalern ausgeworfen war. St. seinerseits vergötterte fast den neuen Herrscher. Er schilderte den König „thätiger wie seinen unsterblichen Vorfahren, thätiger wie noch je ein König auf Erden war. Ueber das, was geschehe, schlage zuweilen das Herz vor Freuden, bald erschrecke man wieder“ (6. October 1786). Lange versah er jedoch nicht die Obliegenheiten eines Hofjägermeisters. Er wurde wieder zu diplomatischen Zwecken verwandt und zwar entsandte ihn Friedrich Wilhelm im Januar 1787 an den Hof des Kurfürsten von Mainz, Karl’s v. Erthal, wo er im Sinne des Fürstenbundes wirken sollte. St. kam dadurch in einen viel größeren Wirkungskreis und in eine Umgebung, die zwar seinen Neigungen und seinem Temperament entsprach, die indeß nicht förderlich auf ihn einwirken konnte. Neben dem augenblicklich sehr preußisch und fürstenbündlerisch gesinnten ungebildeten Kurfürsten spielten dort die berüchtigte Cudenhoven sowie der Dichter des Ardinghello, Heinse, und der Geschichtschreiber Johannes v. Müller eine Rolle. Mit Müller befreundete sich St. im Laufe der Zeit; er suchte ihm auf Müller’s eigenen Wunsch eine einkömmliche Stellung im preußischen Dienst zu verschaffen und es wird erzählt, daß er 1789 am Krankenlager des Geschichtschreibers die Nächte durchwacht habe. Da der Kurfürst von Mainz wünschte, daß St. ständig mit der Vertretung Preußens in Mainz betraut würde, so wurde St. schließlich nach einigem Hin- und Herreden die Stelle eines Gesandten und bevollmächtigten Ministers am dortigen Hofe übertragen (30. Novbr. 1787). Sein Freund Karl August von Weimar warnte den auf [644] seine Beglaubigung drängenden St. freundschaftlich vor den Mainzer Lockungen, die es vor dem „Sandlande“ voraus habe. „Es dünkt mir, daß Ihr Baum in jenen Kienwäldern eingepflanzt steht.“ Der Briefwechsel zwischen St. und Karl August widerspricht Ranke’s Angabe, daß St. auf Karl August’s Betreiben in Mainz accreditirt wurde. Nachdem St. noch im Sommmer 1787 einige Angelegenheiten in der Verwaltung der königlichen Forsten in Berlin und Potsdam geordnet und im Winter des Jahres Karl August von Weimar besucht hatte, ging er im December auf seinen Posten nach Mainz, auf dem er fünf Jahre geblieben ist. Er entwickelte eine durchaus geschickte Thätigkeit zu Gunsten Preußens und des Fürstenbundes und besaß in den ersten Jahren bedeutenden Einfluß beim Kurfürsten. Er führte einen regen Schriftwechsel mit dem König, Bischoffwerder und dem Ressortminister Lucchesini. Mit dem König und Bischoffwerder war der Briefwechsel sehr vertrauter Natur. Dem Reichsfreiherrn begegnete der preußische General mit bemerkenswerther Achtung. St. richtete es sich am kurfürstlichen Hofe auf das bequemste ein, und als Goethe 1792 hierher kam, konnte er sich dem behaglichen Eindruck des Stein’schen Landsitzes nicht entziehen. Mit dem Aufkommen des preußenfeindlichen Kanzlers Albini begann indeß der Einfluß Stein’s am Mainzer Hofe zu sinken. Als dann die Revolution ihre Wellen auch in die deutschen Kleinstaaten trug, und General Custine seinen Einbruch in das Mainzer Gebiet unternahm, da war es mit den Fürstenbundsideen und damit auch mit Stein’s diplomatischer Thätigkeit aus. St. scheint in Mainz unter den wenigen gewesen zu sein, die beim Herannahen der Gefahr seitens der Franzosen nicht den Kopf verloren. Er rief bereits am 2. Mai, wenngleich vergeblich, den Kurfürsten zu Widerstandsmaßregeln auf. Er rieth Instandsetzung der Festungswerke. Er befürwortete die Ernennung eines Commandanten und die Heranziehung von Artillerie. Er schlug vor, sich mit den landgräflich-hessischen Truppen zu vereinigen. Alles umsonst bei der völligen Stumpfheit dieser Kreise. Als dann Custine die Belagerung begann, traf St. selbst Vorkehrungen zur Vertheidigung. Nach der Uebergabe von Mainz am 21. October 1792 eilte er unter Zurücklassung seiner Habe nach Nassau, von wo er am 23. in Koblenz eintraf. Dort erhoben sich gerade die Bürger gegen die preußischen Heeresbeamten. St. schiffte das große Hospital und einen Theil der Magazine ein und sandte sie nach Wesel. Dann traf er in Gießen mit seinem Bruder Karl und mit Wallmoden zu einer Berathung über die Lage der Dinge zusammen. Ein Ergebniß dieser Besprechung war eine rege Agitation, die St. entfaltete, um eine Vereinigung der Hannoveraner mit den preußischen Truppen zu bewirken. Am 10. November begab er sich mit seinem Bruder zum Heere König Friedrich Wilhelm’s II. Dann entschwindet St. unseren Augen. Der Briefwechsel, den er mit dem König, Bischoffwerder, Karl August u. a. geführt hat, bricht durchweg mit dem Jahre 1793 ab. Es heißt, daß er in dieser Zeit beim König in Ungnade gefallen wäre. Er wird in Adreßbüchern als Viceoberjägermeister fortgeführt, scheint jedoch Preußen bald verlassen zu haben. Ein Nervenschlag raffte ihn im Alter von 50 Jahren am 29. Juli 1799 zu Triesdorf im Fürstenthum Ansbach aus dem Leben. Er hinterließ eine Schuldenlast von 27 000 Gulden. Er war unverheirathet geblieben. Sein schriftlicher Nachlaß wurde von preußischen Beamten versiegelt und die vorgefundenen politischen Papiere wurden dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin einverleibt.

Nicht ohne Geist und diplomatische Gewandtheit, dazu voller patriotischer Ideen und auch wol von guter Arbeitskraft, selbst nicht ohne vortheilhafte Charakterzüge, besaß St. jedoch nicht den inneren Ernst, die sittliche Festigkeit, die Stetigkeit und die leidenschaftliche Energie des Handelns, Eigenschaften durch die sein [645] großer Bruder so wesentlich von ihm absticht. Die Leichtlebigkeit des Weltmannes verhinderte die freie Entfaltung vorhandener guter Anlagen.

Die Quellen sind sehr spärlich. Acten des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin. – Acten der Geheimen Kriegskanzlei im preußischen Kriegsministerium. – Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund, Werke 31. – Pertz, Leben des Ministers vom Stein. – (König), Heldenlexikon, Berlin 1791. – Perthes, Politische Zustände und Personen zur Zeit der französischen Herrschaft. Gotha 1862. – Hurter, Denkwürdigkeiten aus dem letzten Decennium des 18. Jahrhunderts. Schaffhausen 1840.