ADB:Sigwart, Georg Karl Ludwig

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Artikel „Sigwart, Georg Karl Ludwig“ von Bernhard Lepsius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 304–305, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sigwart,_Georg_Karl_Ludwig&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 00:54 Uhr UTC)
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Sigwart: Georg Karl Ludwig S., Professor der Chemie in Tübingen, wurde daselbst am 28. October 1784 geboren, † am 29. März 1864. Wie sein Vater, Aug. Joh. David S. (1747–1834) und sein Großvater, Georg Friedr. S. (1753–1795), beide Professoren der Medicin in Tübingen, – der letztere war Leibarzt des Herzogs Karl Eugen von Württemberg – widmete er sich dem Studium der Medicin und der Naturwissenschaften. Mit guten Sprachkenntnissen ausgerüstet, bezog der kaum 16jährige die Hochschule seiner Vaterstadt. Im ersten Jahre studirte er neben medicinischen Fächern Mathematik und Physik, dann aber interessirten ihn insbesondre Chemie und Botanik. 1808 wurde er zum Doctor der Heilwissenschaft promovirt. Seine Dissertation über die Zeitlose war chemisch-botanischen Inhalts; sie wies in dieser Pflanze „eine chemisch und organisch ausgesprochne Polarität“ nach. Obwohl er sich später mehr der Chemie zuwandte, so blieb ihm die Pflanzenkunde eine Lieblingsbeschäftigung: bis in sein hohes Alter kam er von keinem Spaziergange zurück, ohne einige Pflanzen gesammelt zu haben. Mit vorzüglichen Empfehlungsschreiben seines Lehrers von Kielmeyer und des Kanzlers Schnurrer wandte er sich nach München. Als Mitarbeiter an Gehlen’s Journal für Chemie und Physik und in gemeinsamer Arbeit mit diesem und mit dem Physiker Ritter blieb er dort über zwei Jahre. Kaum nach Hause zurückgekehrt, erhielt er einen Ruf an das von dem berühmten Kliniker Reil in Halle neu begründete anatomisch-zoochemische Institut; aber er hatte in Halle nur Zeit seine Probevorlesung als Privatdocent zu halten: als Reil, der einen Ruf nach Berlin erhalten, das Institut dorthin verlegte, folgte er diesem und wurde unter Fichte’s Rectorat einer der ersten Privatdocenten der neuen Universität. S. besorgte hier die zoochemischen Untersuchungen in der Reil’schen Anstalt, während Meckel, der jüngere, später Professor in Bern, die anatomischen übernahm. Während drei glücklicher Jahre steht er hier in freundschaftlichem Verkehre mit bedeutenden Gelehrten, wie Erman, Hermbstädt, Klaproth, Weis u. A., auch Oken und Steffens lernt er persönlich kennen.

Von der Mannichfaltigkeit der Arbeitsgebiete, wohin ihn seine Untersuchungen führen, zeugen seine Abhandlungen aus München und Berlin: „Ueber die Brechung des Lichts durch einfache und zusammengesetzte Körper“ (1809). „Bemerkungen zu Gay Lussacs Abhandlung über das Verhältniß der Oxydation der Metalle zu ihrer Sättigungskapazität für die Säuren.“ „Ueber die Natur der thierischen Concremente“ (1812) u. s. w. Durch ein unwillkommenes Ereigniß wurde diese erfolgreiche Thätigkeit plötzlich unterbrochen. Der Befreiungskrieg forderte Lehrer und Schüler zu den Fahnen, das fremdländische Joch abzuschütteln. Die Vorlesungen wurden unterbrochen, Reil übernahm die Direction der Lazarethe auf dem linken Elbufer, S. ging im Gefolge der Familie des Ministers von Altenstein nach Schlesien, von wo er mit einem Cabinetspaß ausgerüstet über Böhmen nach Hause reiste. Im Frühjahr 1813 tritt er in Tübingen als Privatdocent auf: mit „der Erlaubniß und der Verpflichtung“ Vorlesungen zu halten wurde er als Assistent Kielmeyer’s angestellt; zugleich erhielt er eine Summe aus der Staatskasse, um für seine Vorlesungen die nöthigen Instrumente anzuschaffen. Mehr als 50 Jahre ist S. hier in ununterbrochner Folge dieser Erlaubniß und Verpflichtung nachgekommen; aber so sehr ihn der Anfang seiner Laufbahn zu großen Hoffnungen zu berechtigen schien, so hat er, der die Kunst, sich geltend zu machen, nicht verstand, sein Leben in stiller und anspruchsloser Pflichterfüllung hingebracht. 1818 wurde er zum außerordentlichen Professor der Arzneiwissenschaft ernannt, aber neben den Botanikern Schübler und dessen Nachfolger Hugo v. Mohl und neben den Chemikern Kielmeyer und Christian Gmelin blieb er unter stets drückenden ökonomischen [305] Verhältnissen auf Nebenfächer angewiesen. 1829 wurde er zum etatsmäßigen außerordentlichen Professor befördert, indem sein Assistentengehalt von 500 Gulden, da er sich inzwischen (1821) verheiratet hatte, auf 600 Gulden erhöht wurde. Nur die wirthschaftliche Tüchtigkeit seiner Frau Luise Friederike geb. Burk, einer Pfarrerstochter aus Weiler zum Stein, machte es ihm möglich mit diesen beschränkten Mitteln durchzukommen. Obwohl es ihm somit nicht beschieden war, eine bedeutende Lehrthätigkeit zu entfalten, hat er doch stets einen kleinen Kreis dankbarer Schüler um sich versammelt. Nach dem Tode Schübler’s übernahm er dessen agricultur- und technisch-chemische Vorlesungen, sowie dessen chemisches Laboratorium. Seine Arbeiten aus der Tübinger Zeit sind physiologischer, chemischer und botanischer Art. Unter den chemischen ist namentlich seiner Untersuchungen einer Anzahl von Mineralquellen zu gedenken. Er analysirte das Wasser von Mergentheim (Tüb. 1830), das Schwefelwasser bei Tübingen (Reutl. 1835) und stellte eine Uebersicht der im Königreich Württemberg und den angrenzenden Gegenden befindlichen Mineralwasser zusammen (Stuttgart 1836). Von andren Untersuchungen seien noch erwähnt: Ueber Gallensteine, über Bewegungen der Mimosa pudica, über Blut und seine Metamorphosen, chemische Untersuchungen eines mennigrothen Leberconcrementes, Bestimmung des kohlensauren Gases in Mineralwassern, über ein Pigment und eine fettwachsartige Materie im Ochsenblut. Seiner Vorliebe für die Pflanzenkunde ist schon gedacht worden. Auch hier hat er sich Verdienste erworben, indem er das neunbändige vollständige Handbuch der Gartenkunst von Noisette aus dem Französischen (mit Zusätzen, Stuttgart 1826–1830) und im Anschlusse daran eine Classification und Charakteristik der Krankheiten der Gewächse von Phil. Ré aus dem Italienischen übersetzte. Ueber die Flora Württembergs hinterließ er ein umfangreiches Manuscript, das jedoch nicht mehr zum Drucke gelangte.

Im Alter von 75 Jahren wurde S. zum außerordentlichen Professor I. Klasse ernannt, indem sein Gehalt, nach mehreren vergeblichen Eingaben an das Ministerium, auf 1000 Gulden erhöht wurde. Er starb im 80. Lebensjahre am 29. März 1864.