ADB:Schulze, Ernst (Philosoph)

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Artikel „Schulze, Ernst (Philosoph)“ von Eugen Kühnemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 776–780, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulze,_Ernst_(Philosoph)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:16 Uhr UTC)
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Schulze: Gottlob Ernst S., gewöhnlich nach seinem Hauptwerk Aenesidemus-Schulze genannt, wurde geboren am 23. August 1761 zu Schloß Heldrungen in Thüringen. Er starb am 14. Januar 1833 in Göttingen. Nachdem er in Wittenberg, wo Franz Volkmar Reinhard sein Lehrer in der Philosophie war, seine Studien beendet, wurde er 1786 zum Diakonus an der Schloß- und Universitätskirche und zum Adjuncten bei der philosophischen Facultät befördert. Er schrieb zunächst einige Dissertationen zur Geschichte der Philosophie: „De cohaerentia mundi partium earumque cum deo conjunctione summa secundum Stoicorum disciplinam“ (Wittenberg 1785); „De ideis Platonis“ (daselbst 1786). Hierauf arbeitete er als erstes größeres Werk ein Compendium für seine Vorlesungen aus: „Grundriß der philosophischen Wissenschaften“ (2 Bände, 1788. 1790). Er behandelt im ersten Bande als Abschnitte der Psychologie auch Logik und Ethik. Der zweite Band enthält die Metaphysik, eingetheilt in Ontologie, natürliche Theologie und transcendentale Kosmologie. Als erstes Element der Erkenntniß nimmt er die Sinneseindrücke an, wodurch also alle Erkenntniß subjectiv, aber im Objectiven gegründet wird. Auch die allgemeinsten Grundsätze der Vernunft wie der Satz des Widerspruchs und die allgemeinen Erfahrungsurtheile wie der Satz des zureichenden Grundes gelten so unbedingt, daß die Skepsis keinen Sinn hat, die ihren objectiven Werth bestreiten wollte. Vermittelst dieser Sätze wird das Material der Sinneseindrücke verarbeitet, und es ist bisher kein Begriff entdeckt, der etwas enthielte, was aus keiner Erfahrung des inneren oder äußeren Sinnes herrühren könnte. Zu den Erfahrungen des inneren Sinnes gehört aber auch die Ueberzeugung vom Dasein Gottes, sowie diejenige von der Bestimmung unserer Natur zur sittlichen Vollkommenheit, welche ihrerseits einen unwiderlegbaren Beweis der Unsterblichkeit [777] abgibt. Gegen die Lehren der neuen kritischen Philosophie Kant’s wird lebhaft polemisirt. In allen Theilen wird eine historische Orientirung über die Ansichten der wichtigsten früheren Philosophen gegeben.

Auf dem Titelblatt des zweiten Bandes konnte sich S. bereits als öffentlichen ordentlichen Professor zu Helmstedt bezeichnen. Er war im J. 1788 an die dortige Universität berufen worden. In zwei Schriften beschäftigte er sich mit dem Zweck der Philosophie: „De summo secundum Platonem philosophiae fine“ (1789) und „Ueber den höchsten Zweck des Studiums der Philosophie, eine Vorlesung“ (nicht Uebersetzung der vorigen; 1789). Im J. 1792 aber erschien anonym und ohne Druckort dasjenige seiner Werke, welches am kräftigsten in die philosophische Bewegung eingriff und ihm seine Stellung in deren Geschichte sicherte: „Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Professor Reinhold in Jena gelieferten Elementar-Philosophie. Nebst einer Vertheidigung des Skepticismus gegen die Anmaaßungen der Vernunftkritik“. Hermias erklärt in einem Briefe seinem Freunde Aenesidemus, daß er aus einem Skeptiker zu einem unbedingten Anhänger der kritischen Philosophie geworden. Aenesidemus greift mit Energie zunächst die neue, vorgeblich festere Grundlage an, welche Reinhold dem Kantischen System gegeben durch die drei Schriften „Versuch einer neuen Theorie des Vorstellungsvermögens“ (1789); „Beiträge zur Berichtigung bisheriger Misverständnisse der Philosophen“ (1. Band, 1790) und „Ueber das Fundament des philosophischen Wissens“ (1791). Aenesidemus prüft einzeln die Paragraphen der Reinholdischen Elementarphilosophie nach der neuen Darstellung in den „Beiträgen“ und bestreitet die Möglichkeit, die Philosophie zu bauen auf den Grundsatz des Bewußtseins: im Bewußtsein wird die Vorstellung durch das Subject vom Subject und Object unterschieden und auf beide bezogen, welchen er durch alle Reinholdischen Wendungen mit scharfen Waffen verfolgt. Dann kehrt er sich aber gegen Kant selbst, indem er Hume’s Lehre von der Causalität gegen dessen Argumente vertheidigt und die Möglichkeit leugnet, durch das Kantische System eine Erkenntniß der Wirklichkeit zu gewinnen. Niemals sei durch Reflexion über unsere Vorstellungen eine Erkenntniß des Daseins, der Dinge zu erwerben. Kant aber setze bei all seinen Erörterungen den Satz voraus: was sich nur auf eine einzige Art vorstellen läßt, kann nur auf diese Art sein. Nach diesem Satz gründe er die Causalität im Gemüthe des Menschen, welches jene den Erscheinungen gibt, daß sie Erfahrung werden. Aber dies sei nur eine hyperphysische Erklärung, bei der das Gesetz der Causalität selbst zuwider der eigenen Lehre Kant’s jenseits aller wirklichen Erfahrung auf etwas Uebersinnliches, das Vorstellungsvermögen angewandt werde. Auch könne man, da nach der Vernunftkritik selbst die Dinge an sich uns völlig unbekannt sind, unmöglich wissen, was sie für Bestimmungen in unserem Gemüth wirken – ein Argument, welches S. bereits im „Grundriß“ vortrug und vermuthlich direct von Jacobi aus dessen Abschnitt über den transcendentalen Idealismus entnommen hat, welcher dem Gespräch „David Hume über den Glauben“ (1787) beigegeben war. Er redet hier auch ausdrücklich im Namen der Gegner Kant’s überhaupt. Ferner findet er den Schluß der Kantischen Moral und Religionslehre aus Geboten der praktischen Vernunft auf die Realität der Bedingungen der Erfüllung, nämlich der Unsterblichkeit und Gottes, verkehrt. Vielmehr lasse sich vernünftiger Weise nur ein Gebot geben, wenn die Möglichkeit der Erfüllung vorher festgestellt ist. Ja, man könne sogar denken, daß durch bloßes Wirken der Naturgesetze in einem anderen Theile des Universums eine Welt zu Stande käme, in welcher der Mensch die Uebereinstimmung von Sittlichkeit und Glückseligkeit fände. So könne selbst die Forderung einer solchen Uebereinstimmung niemals den Schluß auf das Dasein einer höchsten gütigen [778] Intelligenz rechtfertigen. – Aenesidemus hat bei seinen Angriffen auch den ethischen Zweck vor Augen, den Unfehlbarkeitsdünkel der kritischen Dogmatiker zu erschüttern. Hiervor bewahrt nach ihm der Skepticismus, ohne die Wissenschaft unmöglich zu machen oder der Tugend ihre Stütze zu nehmen. Denn der Skeptiker gibt die Gewißheit dessen zu, was unmittelbar im Bewußtsein vorkommt und durch dasselbe gegeben ist. Die moralische Gesetzgebung der Vernunft läßt sich aber so wenig bezweifeln wie die logische.

Daß Aenesidemus die Kerngedanken Kant’s nicht traf, daß er das Wichtigste, die objective Deduction der Kategorieen übersah, braucht heute nicht mehr hervorgehoben zu werden. Damals erregte das Buch vor allem Aufsehen, indem es die Annahme von Gegenständen, welche das Gemüth, genauer die Sinnlichkeit afficiren, als unvereinbar mit den kritischen Principien behauptete. Fichte schrieb an seinen Freund Stephani: Aenesidemus „hat mich eine geraume Zeit verwirrt, Reinhold bei mir gestürzt, Kant mir verdächtig gemacht und mein ganzes System von Grund aus umgestürzt“. Er entdeckte nun ein neues Fundament, aus welchem die ganze Philosophie sich sehr leicht entwickeln ließ, die erste Conception der Wissenschaftslehre, deren Grundgedanken in der ausführlichen Recension des „Aenesidemus“ (Jenaer Allgemeine Litteraturzeitung 1794, Stück 47–49) zu spüren sind. Auch die Vorrede der ersten Darstellung der Wissenschaftslehre von 1794 schreibt dem Aenesidemus und den Maimonschen Schriften das Verdienst zu, Fichte davon überzeugt zu haben, daß die Philosophie noch nicht zum Range einer evidenten Wissenschaft erhoben sei. (Fichte’s Leben und litterarischer Briefwechsel. Von Imm. Herm. Fichte. 2. Aufl. 1862. S. 511, 512. Sommer 1793. Fichte’s Werke. 1. Abth. Bd. I. S. 1 ff., 29.)

Indessen setzte S. die Bemühungen für seinen gemäßigten Skepticismus entgegen der Kantischen Philosophie fort. „Einige Bemerkungen über Kant’s philosophische Religionslehre“ (1795), aus einer Recension der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ in der „Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek“ (Bd. 16, Stück 1) erwachsen, richteten sich vor allem gegen Kant’s Lehre vom höchsten Gut, indem sie mit der energischen Betonung, daß die Rücksicht auf Glückseligkeit niemals in die reine Moralwissenschaft aufgenommen werden könne, zugleich den Widerspruch zwischen dem Beginn und dem Fortgang der „Kritik der praktischen Vernunft“ nachwiesen. Der Beweis für das Dasein Gottes aus der Bestimmung des höchsten Gutes sei also verfehlt. Vielmehr ergebe das Gebot der praktischen Vernunft, das uns zugleich mit der Freiheit unseres Willens bekannt werde, einen moralischen Urheber unserer Natur, da es aus mechanisch wirkenden Kräften nicht abzuleiten sei. Man könne diese Lehre Anthropotheologie nennen. Die übrigen Ausführungen des Buches sind minder wichtig. – All seine Gedanken gegen den dogmatischen Idealismus und seine Gründe für den Skepticismus faßte S. dann zusammen in den zwei starken Bänden der „Kritik der theoretischen Philosophie“ (1801), welche im ersten Bande eine ausführliche Darstellung der Systeme des realistischen und des idealistischen Dogmatismus, vor allem derjenigen Locke’s, Leibnizens, Kant’s gab und die Grundlinien der skeptischen Denkart zeichnete, im zweiten eine ebenso ausführliche Kritik jener Systeme anknüpfte. Ein dritter Band, der Fichte’s Wissenschaftslehre behandeln sollte, blieb ungeschrieben, weil Fichte eine versprochene neue, allgemein verständliche Darstellung nicht herausgab. S. bestreitet hier überhaupt die Gewißheit der Urtheile über die absoluten oder doch übersinnlichen, jenseits der Bewußtseinssphäre gelegenen Gründe des nach den Zeugnissen unseres Bewußtseins bedingter Weise Vorhandenen. Das Werk erfuhr eine umfangreiche Kritik in Schelling’s und Hegel’s „Kritischem Journal der Philosophie“ (Bd. I, Stück 2, 1802, 1–74), welche in ihrer Härte an [779] Grobheit grenzt; S. verfolgte ruhig seinen Weg. In den „Grundsätzen der allgemeinen Logik“ (1802, 5. Aufl. 1831) legte er wiederum den Unterschied der unmittelbaren, in den Sinnesempfindungen bestehenden und der mittelbaren, durch Vorstellungen vermittelten Erkenntniß zu Grunde und gab der Logik, unbekümmert um die neuen metaphysischen Speculationen, die Aufgabe, das der Einrichtung des Verstandes angemessene Verfahren bei der Verbindung der Gedanken über ein einzelnes Ding oder über eine Classe von Dingen zu einem systematischen Ganzen, ferner auch bei Bewahrheitung der Gedanken zu bestimmen. Außer der deductiven Logik behandelte er auch die Methodenlehre und gründete Analogie und Induction auf das Princip der Gleichförmigkeit der Natur. Wie gegen Kant kämpfte er gegen Schelling’s absolutes Identitätssystem in den „Aphorismen über das Absolute als das alleinige Princip der wahren Philosophie, über die einzige mögliche Art es zu erkennen, wie auch über das Verhältniß aller Dinge in der Welt zu demselben“ (Neues Museum der Philosophie und Litteratur, herausg. von Fr. Bouterwek; Bd. I, Heft 2; Leipzig 1803). Indem er hier die Schelling’sche Lehre in ironischer Weise vortrug, ließ er die Verstandeswidrigkeit und Willkürlichkeit ihrer Gedankenverbindungen hervortreten und persiflirte zugleich den Ton der Unfehlbarkeit, mit dem sie sich einführte. In Bouterwek’s Museum (Band 3, Heft 2, Leipzig 1805) erschien gleichfalls „Die Hauptmomente der skeptischen Denkart über die menschliche Erkenntniß“. Noch einmal entwickelte er hier übersichtlich seine Hauptlehren. Es gibt keine vom menschlichen Bewußtsein unabhängige, d. h. objective und allgemein gültige Erkenntniß. Dagegen gibt es für alle Menschen gültige Erkenntnisse in der Mathematik, Physik und Astronomie und den Gesetzen des formalen Denkens. Der Skepticismus will die natürliche unbegreifliche Stimme des Menschen, welche ihm die Unterscheidung des Wahren vom Schein, des Guten und Bösen, des Rechtes und Unrechtes lehrt, gegen Verdrehungen sichern. S. fügt auch hier daran eine Bekämpfung der speculativ dogmatischen Systeme Kant’s, Fichte’s, Schelling’s. Noch während der Helmstedter Thätigkeit steuerte er endlich für die von seinem Collegen Bredow herausgegebene „Chronik des neunzehnten Jahrhunderts“ (1807) eine Abhandlung bei „Ueber Gall’s Entdeckungen, die Organe des Gehirns betreffend“. Jacobi, welcher ihn in dieser Zeit besuchte, erfreute sich an der Geradheit des Mannes und meinte, man könne weit reisen, ehe man noch einen solchen Professor der Philosophie anträfe. (An Fr. Köppen. 24. Juli 1805. Fr. H. Jacobi’s auserlesener Briefwechsel. 2. Band. Leipzig 1827. S. 367.)

Bei der Aufhebung der Helmstedter Universität im J. 1810 wurde S., nachdem er dort 22 Jahre gewirkt, nach Göttingen berufen, wo Schopenhauer einer seiner ersten Schüler war. Die Bücher, welche er noch schrieb, sind fast alle Lehrbücher für seine Vorlesungen und legen im wesentlichen nur seine früheren Gedanken, gesichtet und erweitert, ohne neue bildende Principien auseinander. Einer Wirkung in der Geschichte der Philosophie konnte sich keines mehr rühmen. Er bezeichnet in der Vorrede zur zweiten Ausgabe der „Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften zum Gebrauch für seine Vorlesungen“ (1814, 3. Aufl. 1824) seinen Standpunkt als den natürlichen Realismus, den er bereits, als er den „Aenesidemus“ schrieb, inne gehabt habe. In der gegenwärtigen philosophischen Verwirrung und Mißachtung der Philosophie forderte er eine richtige Theorie über das menschliche Erkennen als Grundlage der Speculation. Ausgehend von der Kenntniß der äußeren und inneren Natur entwickelt die Philosophie in der Metaphysik den Theismus, in der praktischen Philosophie, gestützt auf die Aussprüche des Gewissens, die Idee des Staates als einer gesellschaftlichen Verbindung der Menschen zu einem durch Sittlichkeit veredelten [780] und erhöhten Wohlsein der Bürger. Der dritte Theil der Philosophie ist die psychische Anthropologie, welche in den Untersuchungen über die menschliche Natur auch Metaphysik und praktischer Philosophie zu Grunde liegt, aber diese nicht einfach enthält, weil die Lehre von der Beziehung der Welt auf ihren höchsten Grund und von der Uebereinstimmung des menschlichen Thuns und Lassens mit der Bestimmung des Menschen wissenschaftlich für sich ausgebildet werden müsse. Dagegen sind Logik und Aesthetik nur besondere Lehrstücke der psychischen Anthropologie. Einzelnen Theilen dieser Disposition der Philosophie widmete S. eine besondere Ausführung. In dem „Leitfaden der Entwicklung der philosophischen Principien des bürgerlichen und peinlichen Rechts“ (1813) bezeichnete er im Kampf gegen das Naturrecht die Verordnungen der bürgerlichen und peinlichen Gesetzgebung im Staat als gegründet in der Idee des sittlichen Guten für den Menschen. Es gibt also keine von der Ethik specifisch verschiedene Rechtslehre. Die „Philosophische Tugendlehre“ (1817) bestimmte dies Sittliche als die harmonische Wirksamkeit aller Seelenkräfte, hervorgerufen durch Ideen der Vernunft über die Ausübung der der Eigenmacht des Menschen unterworfenen Kräfte seiner Natur. Sie entwickelte also hiernach das Idealbild des tugendhaften Betragens, nach welchem dann die Pflichten abzuleiten sind als Anweisungen, die menschlichen Unvollkommenheiten zu überwinden, welche jenem Idealbild noch nicht entsprechen. In der „Psychischen Anthropologie“ (1816, 3. Ausg. 1826) versuchte der Philosoph ein vollendetes Bild vom Ganzen des geistigen Lebens aufzustellen. Kurz vor seinem Ende sammelte er seine philosophischen Grundüberzeugungen in der Schrift „Ueber die menschliche Erkenntniß“ (1832), die wiederum die Vervollkommnung der unmittelbaren und mittelbaren auf die Aussprüche des menschlichen Bewußtseins gegründeten Erkenntniß forderte und die Anthropotheologie als gesichert durch die intellectuelle und sittliche Cultur des Menschen verkündigte. Ein letzter Abschnitt blickte hoffnungsvoll auf die Aussichten einer höheren Ausbildung und weiteren Verbreitung der Cultur im menschlichen Geschlechte. – Wir erwähnen schließlich noch eine kleine Arbeit „Ueber die Entdeckung, daß Leibnitz ein Katholik gewesen sey“ (Göttingen 1827), welche in der gediegenen historischen Kenntniß und der Fähigkeit psychologischer Erklärung, schlicht, sachlich und gründlich, die besten Züge des gewissenhaften und bescheidenen Schriftstellers aufweist. Er starb im 72. Lebensjahre an Entkräftung. Die „Göttinger Gelehrten Anzeigen“ (1833, 26. Januar) betrauerten den hochgeachteten Lehrer, den geraden, biederen, unvergeßlichen Freund und rühmten es wesentlich als ein Verdienst seines Unterrichts, wenn die Universität von den philosophischen Verirrungen der neueren Zeit und dem Sectengeist sich frei erhielt. Wir dürfen S. Recht geben in seiner Behauptung, daß sein philosophischer Standpunkt sich seit dem „Aenesidemus“ eigentlich nicht verändert hat. Fortdauernd hielt er an den Aussprüchen des Bewußtseins und den Gesetzen der formalen Logik als den Grundlagen der Erkenntniß fest und fand in jenen auch die sittliche Bestimmung des Menschen und den religiösen Glauben begründet. Nur in der Darstellung traten seine Gedanken mehr auseinander, und die heterogenen Bestandtheile, der Mangel eines systematischen Zusammenhangs, der früher so gut wie später fühlbar ist, wurden nun ganz offenkundig. Auch fürchtete der alt gewordene Philosoph endlich selbst den anrüchigen Namen des Skeptikers und flocht in sein letztes Werk eine Polemik gegen den Skepticismus ein. So konnten für den ersten Anblick die späteren Schriften als ein Abfall von den früheren erscheinen.

W. Tr. Krug, Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften. – Noack, Philosophiegeschichtliches Lexikon. – Schulze’s Schriften.