ADB:Schultz, Johann (Philosoph)

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Artikel „Schultz, Johann“ von Otto Liebmann (Philologe) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 716–717, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schultz,_Johann_(Philosoph)&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 17:52 Uhr UTC)
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Schultz: Johann S., einer der ersten und eifrigsten Anhänger und Vertheidiger der Kantischen Philosophie, geboren am 11. Juni 1739 zu Mülhausen in Ostpreußen, † am 27. Juni 1805 in Königsberg als Hofprediger und Professor der Mathematik. Auf dem Collegium Fridericianum in Königsberg vorbereitet und am 25. September 1756 an der dortigen Universität immatriculirt, wurde er nach Vollendung seiner akademischen Studien Pfarrer zu Starkenberg, dann 1769 Pfarrer zu Löwenhagen, von wo er 1775 als Diaconus bei der Altroßgärtschen Gemeinde nach Königsberg berufen wurde. In demselben Jahre zum Doctor und Magister promovirt, habilitirte er sich (2. August 1775) in der philosophischen Facultät als Privatdocent auf Grund der Dissertation „De geometria acustica seu solius auditus ope exercenda“, hielt dann wiederholt Vorlesungen über reine Mathematik und Astrognosie, wurde 1776 zum Hofprediger an der Schloßkirche und 1786, nach dem Tode Fr. Joh. Buck’s, zum ordentlichen Professor der Mathematik ernannt. Beim officiellen Antritt des ihm verliehenen Ordinariats disputirte er (15. Februar 1787) über den zweiten Theil der Dissertation „De geometria acustica nec non de ratione 0 : 0 seu basi calculi differentialis“, sowie über einige Thesen, in denen die Kantische Lehre von der Subjectivität der Raumanschauung, der synthetischen Apriorität der Geometrie etc. behauptet wird. Schon einige Jahre vorher war seine Schrift „Erläuterungen über des Herrn Professor Kant Kritik der reinen Vernunft“ erschienen (1784), ein Buch, welches nach mehrfachem Zeugniß in weiten Kreisen den Stimmungsumschlag zu Gunsten des anfangs gefürchteten Kriticismus wesentlich befördert hat und bis auf den heutigen Tag lesenswerth geblieben ist. Kant selbst schrieb an S. nach Einreichung des ersten handschriftlichen Entwurfs der Erläuterungen: „Es macht mir ungemein viel Vergnügen, Sie an meine Versuche mit Hand anlegen zu sehen, vornehmlich aber die Allgemeinheit der Uebersicht, mit der Sie allenthalben das Wichtigste und Zweckmäßigste ausheben, und die Richtigkeit, mit welcher Sie [717] meinen Sinn zu treffen gewußt. – – – Nun da sich ein Mann findet, der einen Beweis abgiebt, daß ich verstanden werden könne, und zugleich ein Beispiel, daß meine Aufsätze nicht ganz unwürdig seyen durchdacht zu werden, um sie zu verstehen und hernach allererst ihren Werth oder Unwerth zu beurtheilen: so hoffe ich, es werde die Wirkung thun, die ich wünsche, nämlich die längst zurückgelegte Sache der Metaphysik aufs neue vorzunehmen und zur Entscheidung zu bringen.“ Die „Erläuterungen“ geben in ihrem ersten Abschnitt unter engstem Anschluß an die Kritik der reinen Vernunft einen klargedachten Auszug aus dem schwierigen Werke, während der zweite Abschnitt einige „Winke zur Prüfung“ desselben hinzufügt, die ganz neue und epochemachende Stellung des Kriticismus gegenüber aller bisherigen Metaphysik treffend charakterisirt und speciell den Nachweis liefern will, daß Kant’s System, mit Ueberwindung der antimetaphysischen und zugleich religionsfeindlichen Skepsis David Hume’s, dem moralischen Vernunftglauben einen unangreifbaren Boden ebene und, nach Zerstörung aller Scheinbeweise der dogmatischen Metaphysik, der christlichen Religion eine Freistatt offenhalte. An diesen Ueberzeugungen streng festhaltend veröffentlichte S., nachdem der Kampf um das kritische System in immer weiteren Kreisen entbrannt war, seine „Prüfung der Kantischen Kritik der reinen Vernunft“ (1. Th. 1789; 2. Th. 1792), worin er die Fundamente der kritischen Erkenntnißtheorie, wie die Unterscheidung der analytischen und synthetischen, der apriorischen und aposteriorischen Urtheile und namentlich die Raum- und Zeitlehre Kant’s gegen die sich anhäufenden Angriffe empiristischer und rationalistischer Widersacher, wie Feder, Tittel, Bornträger, Reimarus, Weishaupt, Selle, Stattler, Platner, Tiedemann, Schwab, hauptsächlich aber Eberhard, mit ruhiger Energie und vielem Geschick zu vertheidigen weiß. Seine oft unzweifelhafte Ueberlegenheit in diesem Kampfe beruht vor allen Dingen auf seiner gründlichen Kenntniß der niederen und höheren Mathematik. Was seine sonstige litterarische Thätigkeit anbetrifft, so hat S. außer einigen theologischen Abhandlungen und Predigten eine ganze Reihe mathematischer Schriften publicirt; so eine „Theorie der Parallelen“ (1784), eine „Theorie des Unendlichen“ (1788), „Anfangsgründe der reinen Mechanik“ (1804) u. s. w. Als tüchtige Persönlichkeit stand er in allgemeiner Achtung. J. G. Fichte, der ihn während seines ersten Aufenthalts in Königsberg 1792 aufsuchte, schreibt über ihn in seinem Tagebuche: „Es ist ein eckiges preußisches Gesicht, doch leuchtet die Ehrlichkeit und Gutherzigkeit selbst aus seinen Zügen hervor“. Mehrere Male hat er das Decanat der philosophischen Facultät, und im Sommer 1802 das Rectorat der Universität verwaltet. Bei letzterer Gelegenheit wurde ihm von der akademischen Jugend als Zeichen der Verehrung ein Carmen in feierlicher Weise überreicht.

Dankenswerthe Mittheilungen des Herrn Bibliothekars Dr. R. Reicke in Königsberg. – Meusel’s gelehrtes Teutschland.