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Artikel „Schick, Margarete Luise“ von Heinrich Welti in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 167–169, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schick,_Margarethe_Luise&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Schick: Margarete Luise S. geborene Hamel, die berühmte Schöpferin der Gluck’schen Frauengestalten für die Berliner Bühne, erblickte am 26. April 1773 zu Mainz das Licht der Welt. Ihr Vater Johann Nepomuk Hamel, Fagottist der kurmainzischen Hofcapelle, und die Sängerin Francisca Hellmuth, förderten ihre bedeutenden Naturanlagen schon in frühstem Alter so weit, daß sie mit 10 Jahren dem damals berühmten Gesanglehrer Stephani in Würzburg zur Ausbildung übergeben werden konnte. In dieser Schule, deren Kosten der Kurfürst Friedrich Karl auf sich genommen hatte, blieb Margarete fünf Jahre und vollendete darauf ihre Vorbereitungen zum Künstlerberufe unter der Leitung Vincenzo Righini’s, der 1788–1793 der kurmainzischen Capelle vorstand. Als Lilla in Martin’s „la cosa rara“ machte sie 1791 den ersten glücklichen Schritt auf die Bühne, nachdem sie in Kirche und Kammer schon mehrfach Erfolge errungen und als Hofsängerin mit 500 Gulden Gehalt bereits längere Zeit eine feste Stellung gefunden hatte. Auch drang ihr Ruf rasch über die Grenzen [168] ihres heimischen Wirkungskreises und im J. 1790 erscheint sie bereits unter den auserlesenen Künstlern, welche berufen waren, das Krönungsfest Leopold II. in Frankfurt am Main durch ihre Kunst zu verschönern; bei dieser Gelegenheit soll Mozart sie im Concert gehört und seiner Bewunderung für die vielversprechende Kunstnovize – sie war damals 17 Jahre alt – den höchsten Ausdruck verliehen haben. Thatsache ist, daß Margarete bald darauf in den heitern Rollen Mozart’scher Opern wie Blondchen (Entführung), Zerline, Susanne die schönsten Siege ihrer Frühzeit feierte. Von diesem Gebiete wurde die Künstlerin durch die musikalische Strömung des Tages und hauptsächlich wohl auch durch die Verhältnisse des Mainzer Theaters überraschend früh zum heroischen Fache geführt. Schon in den ersten Jahren ihrer Bühnenthätigkeit wurden ihr Rollen wie Astasia (im Axur von Salieri), Almansaris (in Wranitzky’s Oberon) und sogar Gluck’s Alceste und Piccinni’s Dido anvertraut. Aus diesem schönen Wirkungskreise wurde sie durch die nahende Revolution vertrieben. In Frankfurt a. M. fand sie einen Zufluchtsort und bald auch, nachdem Friedrich Wilhelm II. von Preußen sich persönlich von ihrer künstlerischen Bedeutung überzeugt hatte, den Weg zu einer neuen Lebensstellung. Im J. 1793 wurde sie für die kgl. Oper in Berlin verpflichtet und ging als Kammersängerin in die Dienste des Königs von Preußen. Noch im selben Jahre trat sie in Gemeinschaft mit ihrem ebenfalls nach Berlin berufenen Gatten, dem ausgezeichneten Violinspieler Ernst Joh. Christoph Schick (geb. 1756 in Haag, † am 10. December 1815 in Berlin) die Reise nach dem Norden an, und erschien nach einem Abstecher nach Hamburg, wo sie mehrere Gastrollen gab, am 8. December in der Oper „l’incontro inaspettato“ von Righini zum ersten Male auf der Berliner Bühne. Trotzdem der Erfolg ihr auch hier treu blieb und ihr Gelegenheit geboten wurde, noch in mehreren italienischen Rollen aufzutreten, zeigte es sich doch bald, daß für ihre Bedeutung und Schaffenslust neben einer Primadonna wie Maria Marchetti-Fantozzi kein Raum war; sie trat daher 1794 zu der eben aufblühenden Nationalschaubühne über und wurde binnen kurzem der Stern der deutschen Oper und der Liebling der Berliner. Ihre ersten Darbietungen waren jetzt Astasia (Axur), Klärchen (Dittersdorf: Liebe im Narrenhause), Donna Anna (Don Juan) und vor allem Constanze (Entführung); namentlich ihre Wiedergabe der großen Bravourarie („Martern aller Art“) wird gerühmt und dabei hervorgehoben, daß sie mit einer bewundernswürdigen Sicherheit und Ausdauer das Vermögen eines begeisternden und erschütternden Vortrages verbunden habe. Unter ihren technischen Fertigkeiten erregten besonders ihre ebenso leicht als präcis ausgeführten chromatischen Läufe das Erstaunen der Kenner. Ganz neue Seiten ihrer Künstlerschaft traten aber zu Tage, als die gefeierte Bravoursängerin am 24. Februar 1795 den Berlinern die erste Bekannschaft mit Gluck’s Meisterwerk „Iphigenie auf Tauris“ vermittelte. Ihre ebenso klare als durchempfundene Declamation, die Beredsamkeit ihrer Bewegungen und die Kraft ihrer ganzen Persönlichkeit im Ausdrucke der Leidenschaft überzeugten, wenn auch nicht bei der ersten Aufführung, so doch nach und nach, die bis dahin dem Opernreformator fremd, ja feindselig gegenüber stehenden Berliner Musikkreise von der Schönheit und Bedeutung des Gluck’schen Kunstwerks. Mit der Schöpfung ihrer Iphigenie, die von Zeitgenossen sogar derjenigen der berühmten Schauspielerin Friedrike Bethmann an die Seite gestellt wurde, vollbrachte die S. im Verein mit dem Capellmeister Bernhard Anselm Weber eine künstlerische That von höchster Bedeutung: sie erschloß der „neuen Kunst“ das nördliche Deutschland und half den Boden bereiten für eine lange und wichtige Entwickelung derselben. Selbstverständlich blieb diese That und ihr Erfolg auch auf die Weiterbildung der Künstlerin selbst nicht ohne bedeutsamen Einfluß, zumal als gegen ihr [169] dreißigstes Lebensjahr hin ihre Stimme an Biegsamkeit in der Höhe verlor und dafür an Stärke und Metallklang in der Tiefe und Mittellage – sie reichte nun von a–g“ – gewann. Ihre Begabung wandte sich nun mehr dem dramatischen Gesang zu, dessen Stil sie begründen half, freilich ohne jene Vernachlässigung des Gesangstones, dessen sich spätere Sängergeschlechter schuldig machten. Von ihren späteren Rollenschöpfungen seien genannt: 1797 Myrrha (Winter’s Opferfest), Antigone (Sacchini’s Oedipus), 1799 Dido (Piccinni), 1801 Vitellia (Mozart’s Titus), 1802 Gräfin (Mozart’s Figaro), 1805 Armida von Gluck, 1808 Eurydice, Malvina (Méhul’s Uthal). Besonderes Interesse als Meisterin tragischer Gesangskunst erregte sie in den ihr auf den Leib geschriebenen Rollen der Hero (Monodram von B. A. Weber 1800) und Sulmalle (Duodram v. B. A. Weber 1802). Sie starb am 29. April 1809, mitten im Studium zur Darstellung der Klytemnästra in Gluck’s „Iphigenie in Aulis“, in welcher ihre Tochter Julie als Titelheldin neben ihr wirken sollte. Ihre Büste ziert den Concertsaal des k. Schauspielhauses in Berlin. – Julie Schick gehörte der Berliner Oper von 1807–1811 an; ihre Tochter Pauline v. Schätzel (geb. 1812), die Enkelin der M. Sch., war von 1828–1832 ein sehr beliebtes Mitglied der Berliner Hofoper.

Ueber M. S. vgl. Konrad Levezow, Leben und Kunst der Frau Margarete Luise Schick. Mit dem Bildnisse der Künstlerin. Berlin 1809. – Ledebur, Tonkünstlerlexikon Berlins. S. 501 ff.