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Artikel „Wranitzky, Paul“ von Max Dietz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 554–555, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wranitzky,_Paul&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:14 Uhr UTC)
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Wranitzky **): Paul W., älterer Bruder des Vorigen, ebenfalls zu Neureisch am 30. December 1756 geboren, erhielt in früher Jugend Unterricht im Gesang und Orgelspiel, studirte außer an seinem Geburtsort in Iglau und Olmütz und vervollkommnete sich gleichzeitig im Geigenspiel. 1776 trat er ins kaiserliche Seminar zu Wien ein, um Theologie zu studiren, und übernahm hier zugleich die Function eines Musikdirectors. Der schwedische Componist Josef Krauß, der nachmalige Gatte seiner Nichte Anna, unterwies ihn in der Tonsetzkunst, und bald hatte W. durch mehrere ansprechende Tonstücke eigener Mache Aufmerksamkeit erregt. Zugleich ward er als gewandter Orchesterdirigent bekannt, auch verstand er es durch mannichfache gelungene Vorführungen sowol bei Hofe, als beim hohen Adel sich beliebt zu machen. Fürst Esterhazy nahm ihn in seine von Josef Haydn geleitete Capelle auf, woraus W. 1785 schied, [555] um sein Amt als Orchesterdirector am kaiserlichen Hofoperntheater in Wien auszuüben. Als solcher wirkte er bis zu seinem am 26. September 1808 erfolgten Ableben. Als Componist war er ungemein fruchtbar, ohne irgendwie aus dem Rahmen des Zeit- und Modegemäßen herauszutreten. Besondere Gunst wendete ihm die Kaiserin Maria Theresia († 1807) zu, für deren eigenen Gebrauch er Vieles schrieb. Auch zu Hoffestlichkeiten steuerte er manche Composition bei, wie er denn überhaupt flink im Produciren war und ein Werk nach dem andern aus dem Aermel schüttelte. Als instrumentaler Tonsetzer war er zu seiner Zeit auch im weiten Auslande geschätzt. Etliche seiner Symphonien [worunter „Die Jagd“, eine andere Symphonie caractéristique (anläßlich des Friedensschlusses von 1798) betitelt, eine zur Krönung des Königs von Ungarn, wieder eine zur Krönung Franz’ I. als Kaiser von Oesterreich componirte und zahlreiche andere ohne näher bezeichnende Ueberschrift sich befinden] liefen bei den damaligen Liebhabern selbst denen Haydn’s den Rang ab. Auch seine sonstige Instrumentalmusik (Trios, Quartette, Quintette, Sonaten, Violoncell- und Flötenconcerte u. a. m.) war sehr beliebt. Seine Symphonien sind lustig gestimmt, volksthümlich gehalten und neigen offen zum Bänkelsang hin. Den von Haus aus wenig originellen Melodien ist längst der Reiz der Neuheit abgestreift, die Ausführung erscheint flüchtig, Hausbackenheit waltet darin vor. Da heutigen Tags zudem jene behäbige Gemüthlichkeit, welche den Nährboden für derartige leichtlebige, in der Wiener Luft von anno dazumal gezeitigte Tonproducte abgab, sich längst verloren hat, ist es begreiflich, daß selbe kein Publicum mehr finden, dem sie Genuß verschaffen. Damals lagen die Verhältnisse anders. Selbst die höchste Gattung der Instrumentalmusik, die Symphonie, fand in den weitesten Kreisen eifrige Pflege, und auch das harmlos einfache, in seinen künstlerischen Ansprüchen genügsame Volk wollte seinen Theil daran haben. Solchem Bedürfnisse thaten Leistungen wie die Instrumentalwerke Wranitzky’s, welche die Grundstimmung eines verrauschten Zeitabschnittes wiederhallen und der localen Besonderheit ihres Entstehungsortes genau angepaßt waren, Genüge. Sie dienten ihrer Zeit und sind mit ihr auf immer entschwunden. W. war gewissermaßen ein „Papa Haydn“ in riesiger Verkleinerung, aber eben in dieser Verflachung und Vergröberung vom schalkhaft Humoristischen zu trivialer Lustigkeit für den grobkörnigen Geschmack der breiten Schichten des Biedermeierthums berechnet. Auch in seinen Opern gings recht spaßhaft her, mit Vorliebe pflegte W. die burleske Gattung oder wußte wenigstens mit seiner Musik alle Augenblicke in diesen Ton einzulenken. Außer den Balletten „Zephir und Flora“, „Zemire und Azor“, der Musik zu „Rolla’s Tod“, zum Drama „Rudolf von Felseck oder der Sturm“, „Siri-Brahe“ und „Johanna von Montfaucon“, und der Cantate in zwei Auszügen „Die Fürstenfeier“ schrieb er die Operetten „Der dreifache Liebhaber“, „Die Poststation“, „Merkur der Heirathsstifter“ (1793), „Das marokkanische Reich“, eine seiner beliebteren, „Die gute Mutter“, „Das Fest der Lazzaroni“ (1795), das gleichfalls Anklang fand, und ganz gegen Ende des Jahrhunderts „Die Schreiner“. Den durchgreifendsten Erfolg von allen hatte „Oberon, König der Elfen“, welcher 1790 in Frankfurt bei Gelegenheit der Krönung Leopold’s II. zum deutschen Kaiser unter großem Beifall zur Aufführung gelangte. Die unterhaltliche Zauberposse ward noch am 25. März 1847 in Hamburg gegeben, kam also durch ungefähr 60 Jahre nicht von den Brettern weg. Sie hat sammt ihrer derben Musik noch Anhang gefunden zur Zeit, als C. M. von Weber’s poesievoller Genius in seiner so neuen und charakteristischen Behandlung desselben Stoffes künstlerische Perspectiven entrollte, von deren bloßer Möglichkeit W. in seinem gesammten betriebsamen Schaffen sich nichts träumen ließ.


[554] **) Zu S. 232.