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Artikel „Schaumberger, Heinrich“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 641–643, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schaumberger,_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:48 Uhr UTC)
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Band 30 (1890), S. 641–643 (Quelle).
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Schaumberger: Heinrich S. wurde am 15. December 1843 zu Neustadt a. d. Heide in Thüringen als ältester Sohn des Cantors und Präceptors Fritz S. geboren, der einige Jahre später nach Weißenbrunn versetzt wurde. Hier verlebte der Sohn seine Jugend und empfing unter dem wohlthätigen Einfluß des Vaters seine Erziehung. Da er nur von schwächlicher Körperconstitution war und schon mit dem 15. Jahre zeitweilig an Bluthusten litt, so mochte ihn der Vater nicht den Anstrengungen auf einer gelehrten Schule aussetzen und wandte daher der körperlichen Kräftigung seines Sohnes mehr Aufmerksamkeit zu als der geistigen Ausbildung desselben. Im Mai 1861 bezog S. das Seminar zu Koburg, um sich dem Berufe eines Lehrers zu widmen, und nach Absolvirung desselben erhielt er 1864 die Lehrerstelle zu Einberg bei Oeslau. Zwei Jahre später übernahm er ein Lehramt in Ahlstadt und 1869, nach dem Tode seines Vaters, dasjenige zu Weißenbrunn. Hier wandte er sich mit besonderer Energie in seinen Mußestunden schriftstellerischer Thätigkeit zu, und an dem Pfarrer Oskar Bagge, der unter dem Pseudonym Josias Nordheim als Volksschriftsteller wirkte, fand er einen Freund, der auf seine Entwickelung und Ausbildung als Volksdichter einen wesentlichen Einfluß ausübte. Im Winter 1870 erkrankte S. an einem heftigen Lungen- und Halsleiden, so daß er im [642] Juni 1871 den Kurort Davos in der Schweiz aufsuchen mußte, wo er neun Monate weilte und nur vorübergehende Erleichterung fand. Im August 1872 kehrte er nochmals dorthin zurück, und hier hat am 16. März 1874 der Tod ihn von seinen Leiden erlöst. – Schaumberger’s Leben und Wirken ist ein vollgiltiger Beweis für die Kraft des Geistes, der sich triumphirend über die schwersten Leiden des Körpers zu erheben und wahre Wunder zu vollbringen vermag; denn während dreier Jahre, in denen S. mit Siechthum und dem Tode rang, hat er die Welt mit 9 Bänden von Schriften beschenkt, von denen einzelne für sich allein schon hingereicht hätten, seinem Namen ein bleibendes Gedächtniß in der.Geschichte der Litteratur zu stiften. Es sind Dorfgeschichten und Dorfromane, Volksschriften im besten Sinne des Worts, und in ihnen stellt sich S. den Meistern dieser Gattung, einem Jer. Gotthelf, Joseph Rank, Aug. Silberstein, P. K. Rosegger, Zschokke, ja selbst einem B. Auerbach und F. Reuter ebenbürtig zur Seite. Seine Schriften erschienen als „Gesammelte Werke“ 1875–76 in Braunschweig. Der 1. Bd. enthält eine oberfränkische Dorfgeschichte „Im Hirtenhaus“, unstreitig die beste seiner Erzählungen. Zwar spricht aus ihr ein Realismus des Niedrigen, da S. mit schonungsloser Hand den Schleier von den Armenverhältnissen des Dorfes hebt und zeigt, wie die Armuth auf dem Dorfe behandelt wird. Aber, wer Uebelstände beseitigen will, der darf sie eben nicht verhüllen und mit Schönpflästerchen bedecken, und nach dem Vorbilde Jer. Gotthelf’s wollte S. auch mit diesem Buche Mittel und Wege zeigen, dem leiblichen und geistigen Elende der Armen abzuhelfen. Den 2. und 3. Bd. nehmen die „Bergheimer Musikantengeschichten“ ein, vier kleinere Erzählungen (Umfingen – Gesalzene Krapfen – Glückliches Unglück – Dorfkrieg) aus dem Thüringer Lehrer- und Musikantenleben, voll des köstlichsten Humors und herrlicher Züge echten Volkslebens. Fein ausgeführt, auf etwas breiterer Basis ruhend, folgt im 4. Bde. ein Dorfroman „Zu spät“, der besonders durch treffliche Charakterzeichnung seiner Männer- und Frauengestalten anzieht und uns aus dem einfachen Rahmen der Dorfgeschichte in die große Welt, in das Auswanderertreiben und in die Wälder Nordamerikas versetzt. Der 5. bis 7. Bd. enthält Schaumberger’s umfangreichste Arbeit, seinen Roman „Fritz Reinhardt. Erlebnisse und Erfahrungen eines Schullehrers“. S. schrieb ihn auf dem Sterbebette, oft unter den quälendsten Schmerzen: es fehlte ihm die Zeit, die Feile zur Glättung der Unebenheiten an diese Dichtung zu legen, und daher ist dieselbe trotz großer Schönheiten eine weniger befriedigende Arbeit. Lieblicher klingt die oberfränkische Dorfgeschichte „Vater und Sohn“ im 8. Bde. der „Gesammelten Werke“; sie hat namentlich dazu beigetragen, Schaumberger’s Namen auch in gebildeten Leserkreisen bekannt zu machen. Der 9. Bd. enthält kleinere Arbeiten und Aufsätze, Gedichte und Briefe des Dichters. Was an Schaumberger’s Werken besonders hervorzuheben ist, „ist die außerordentliche Beherrschung der Sprache, eine bewundernswürdige Diction, besonders in den Gesprächen, den Dialogen und Monologen, wodurch manche Capitel sich gleichsam zu anziehenden Scenen eines Drama gestalten, ferner die Anschaulichkeit seiner Sprache und die innere Wahrheit, die allen seinen Gestalten zu einer lebensvollen Wirklichkeit verhilft. Ganz besonders aber verrathen das tief angelegte Dichtergemüth seine vortrefflichen Naturschilderungen und das sinnige Hereinziehen des Naturlebens in die momentane Stimmung oder Situation, wodurch von der belebt erscheinenden Natur mancherlei Reflexlichter auf die Vorgänge in der Geschichte fallen. Die Erfindung der Fabel und die Schürzung des Knotens in seinen Erzählungen ist meist einfach und ungesucht, und ebenso einfach und ungekünstelt die Auflösung; gewaltsame Katastrophen liebt der Dichter nicht, vielmehr weiß er auch die tragischen Momente durch einen wohlthuenden Humor zu mäßigen“.

[643] Beil. 93 der (Augsb.) Allg. Zeitung vom 3. April 1874. – Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht. Jahrg. 1880, S. 258 ff. – Sonntagsblatt der Preußischen Lehrerzeitung, Jahrg. 1882, Nr. 18; Jahrg. 1884, Nr. 6–8; Jahrg. 1889, Nr. 3. – Dr. Friedrich Hofmann, Der nordfränkische Zschokke, Gartenlaube, Jahrg. 1877.