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Artikel „Rank, Josef“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 195–199, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rank,_Josef&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 21:42 Uhr UTC)
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Rank: Josef R., deutschösterreichischer Schriftsteller, geboren zu Friedrichsthal im Böhmerwalde am 10. Juli 1816, wie R. in seinen „Erinnerungen aus meinem Leben“ (1896) selbst angibt (gegen Wurzbach’s Angabe des Geburtsjahres 1815). Rank’s Vater war ein angesehener Hofbauer des Dorfes und besaß auch eine große Niederlage von Bettfedern, mit welchen er einen weithin, sogar bis in die Niederlande reichenden Handel trieb. Trotzdem konnte an eine besonders kostspielige Ausbildung des schon in früher Jugend große Begabung verrathenden Sohnes nicht gedacht werden, da die zahlreiche Familie nach und nach zu noch 14 Geschwistern Rank’s anwuchs. Der Knabe besuchte die Dorfschule und stand unter der Leitung der bäuerlichen aber vortrefflichen Eltern in guter Zucht. Es sei gleich hier angedeutet, daß in den oben erwähnten „Erinnerungen“ R. die Verhältnisse des Vaterhauses und seiner Jugendzeit sowie auch seine spätere Ausbildung und seine Lebensschicksale in sehr anziehender Weise schildert. Der Knabe war bald der beste Schüler in der ländlichen Schule und erhielt sogar, da er auch hiefür Talent zeigte, bescheidenen musikalischen Unterricht. Die schöne landschaftliche Gegend des [196] heimathlichen Bodens trug das ihrige zur Erweckung seiner Phantasie und seines Gemüthslebens bei, wie er auch das eigenartige volksthümliche Leben daselbst schon frühzeitig beobachtete. Die Eltern faßten wegen der Begabung des Knaben und vom Lehrer und Geistlichen hierzu angeregt den Entschluß, ihren Sohn höheren Studien zuzuführen, und als Ziel seiner Laufbahn wurde der geistliche Beruf ins Auge gefaßt. Im J. 1830 kam R. auf das Gymnasium nach Klattau und verdiente sich bald selbst seinen Unterhalt durch Privatstunden, die er minder begabten Kindern ertheilte. Schon damals erweckten seine deutschen Ausarbeitungen bei den Lehrern solche Beachtung, daß ein Gelegenheitsgedicht sogar gedruckt wurde.

Im J. 1836 begab sich der junge Student nach Wien, und zwar machte er mit geringer Baarschaft den Weg zu Fuß in die Residenzstadt, wo er bei einem Bruder, der in der Josefs-Akademie Medicin studirte, wohnte. Das Glück und sein Talent halfen ihm auch hier weiter. Er traf einen Klattauer Mitschüler, dessen Vater, der vermögende Rechtsanwalt R. v. Planer, den jungen Mann als Hofmeister seiner drei jüngeren Knaben aufnahm. R. wurde wie ein Kind des Hauses behandelt und absolvirte zugleich die damals in Oesterreich vor dem Fachstudium nöthigen sogenannten philosophischen Studien. Schon damals lernte er mehrere angesehene Schriftsteller Wiens kennen und hatte Gelegenheit, unentgeltlich die Hoftheater zu besuchen, wodurch seine künstlerischen Anschauungen eine vortreffliche Ausbildung erlangten. Kleine poetische Arbeiten entstanden damals auch schon und wurden gleichgesinnten Collegen mitgetheilt. Durch einen solchen Collegen machte R. die persönliche Bekanntschaft des Vaters, des von ihm so bewunderten dramatischen Künstlers Anschütz. Um jene Zeit versuchte er auch sein Glück und reichte dem Redacteur des „Oesterreichischen Morgenblatts“ L. A. Frankl eine kleine Arbeit ein, die auch angenommen und gedruckt wurde. Frankl selbst ermunterte den jungen Schriftsteller zur Abfassung von Schilderungen aus dem Volksleben seiner Heimath, und so entstanden die rasch zum Abdruck gelangenden und sich großer Aufmerksamkeit erfreuenden Skizzen aus dem Böhmerwalde, für deren Ausgabe als Sammlung der in Wien gerade anwesende Franz Dingelstedt dem Verfasser einen Verleger ausfindig machte, so daß 1842 in Leipzig das erste Buch Rank’s „Aus dem Böhmerwalde“ erschien. R. wurde dadurch mit den hervorragendsten Vertretern des Schriftthums in Wien bekannt, namentlich mit Bauernfeld, Moritz Hartmann, Alex. Schindler, Lorm, Alfred Meißner, Lenau und mit seinem bald berühmt gewordenen Landsmann Adalbert Stifter. Auch zu E. Mauthner, Kürnberger und zu anderen Wiener Schriftstellern trat er in Beziehungen.

Um jene Zeit versuchte er sich auch auf dramatischem Gebiete und verfaßte das in einem Album zum Abdruck gebrachte Drama: „König Manfreds Kinder“. Aber auch R. sollte von den Bedrängnissen der seiner Zeit in Oesterreich so gehässig gehandhabten Censur zu leiden haben. Er wurde wegen Ueberschreitung der Bestimmungen der Censurvorschriften verdächtig und nur seine Flucht nach Preßburg, also auf ungarischen Boden, rettete ihn vor Bestrafung. In Preßburg war er übrigens eifrig litterarisch thätig und insbesondere mit Dr. Neustadt, dem Redacteur der „Preßburger Zeitung“, sowie mit Leopold Kompert befreundet. Anfangs des Jahres 1845 verließ er Preßburg und kehrte nach Wien zurück. Hatte er auch seinen Vorsatz, Geistlicher zu werden, aufgegeben und in Wien sich dem Studium der Rechte zugewendet, so war es nunmehr doch seine Absicht, sich freiem Schriftstellerberufe ganz zu widmen. Um dies ungehindert thun zu können, beschloß er, sich nach Leipzig zu begeben und dort für einige Zeit seinen Aufenthalt zu nehmen. Wieder [197] sollte er dabei mit der Polizei wegen der ihm vorgeworfenen Verletzung der Censurvorschriften in Conflict gerathen, ja in Teplitz wurde R. sogar angehalten, mußte nach Prag zurückreisen und dort sogar eine Zeit im Gefängnisse zubringen. Als er schließlich freigegeben wurde, gelang es R. endlich, durch die Unterstützung des freisinnigen Ministers Grafen Kolowrat, einen Paß nach Leipzig zu erhalten, wohin er nun ungehindert reiste. Dort verkehrte er mit bedeutenden jüngeren und älteren Dichtern und Schriftstellern, befreundete sich mit Berthold Auerbach, Gustav Kühne und lernte den Verleger F. A. Brockhaus kennen, der später mehrere von Rank’s Werken in seinen Verlag aufnahm. Nachdem er in Leipzig eine Zeitlang verweilt und auch litterarisch thätig war, begab er sich wieder nach Wien, wo bald durch den Ausbruch der Märzrevolution des Jahres 1848 ganz andere Verhältnisse geschaffen wurden. Die Censur war aufgehoben, R. trat freiheitsbegeistert der Studentenlegion bei und waltete auch als Redacteur eines populär geschriebenen Blattes „Der Volksfreund“, das sehr beliebt wurde. Schon war sein Ruf als Schilderer des Lebens im Böhmerwalde auch in seiner Heimath verbreitet und als die Wahlen in das Frankfurter Nationalparlament stattfanden, wurde er von seinen Landsleuten am 19. August 1848 in dasselbe gewählt. In der Nationalversammlung nahm R. eine gemäßigt liberale Haltung an und lernte in Frankfurt unter Anderen Ludwig Uhland kennen. Später begab sich R. mit dem Rumpfparlamente nach Stuttgart, wo er mit den Dichtern K. Mayer, Justinus Kerner, Gust. Schwab, mit dem Aesthetiker Vischer und mit Vielen andern geistig hervorragenden Männern zu verkehren Gelegenheit hatte. Noch finden wir ihn um jene Zeit in Baden-Baden, Freiburg, im Schwarzwalde, und als er im Juli 1849 nach Stuttgart zurückgekehrt war, längere Zeit als Gast Uhland’s in dessen gemüthlichem Hause zu Tübingen. Im J. 1851 war R. länger in Frankfurt a. M. anwesend, vermählte sich daselbst 1852 mit der Tochter eines Beamten, zog sodann für einen Sommer (1853) nach Klattau und siedelte 1854 nach Weimar über, wo er das „Weimarer Sonntagsblatt“ gründete und litterarisch reich beschäftigt bis 1859 verblieb. Er vertauschte diesen Aufenthalt darauf mit Nürnberg, in dessen Theater auch sein Schauspiel: „Unter fremder Fahne“ beifällig aufgenommen wurde. Erst 1861 finden wir R. wieder in Wien, wohin er sich stets gesehnt hatte. Er erhielt daselbst die Stelle eines Directionssecretärs der Hofoper und hatte Vorträge über Aesthetik, Geschichte u. dgl. an der Hofopernschule zu halten, auch blieb er fortwährend eifrig schriftstellerisch thätig. Von 1876–1879 bekleidete R. die Stelle eines Generalsecretärs am Wiener Stadttheater unter Laube, begab sich wegen eines Nervenleidens nach Görz, wo er zwei Jahre verblieb, und führte, dazu berufen, von 1882–1885 im Verein mit Anzengruber die Redaction der belletristischen Zeitschrift „Die Heimath“. Hochbetagt ist R. am 27. März 1896 in Wien gestorben.

Die litterarische Thätigkeit Rank’s hat, wie erwähnt, sein Buch „Aus dem Böhmerwalde“ eingeleitet. Eine Gesammtausgabe dieser zumeist volkskundlichen Arbeiten, die durch novellistische Skizzen, welche ebenfalls dem Volksleben des Böhmerwaldes entnommen sind, vermehrt wurden, erschien 1851 bei Brockhaus in Leipzig in 3 Bänden. Nahezu alle übrigen späteren erzählenden Schriften Rank’s haben diesen heimathlichen Hintergrund aufzuweisen, ähnlich wie viele der Novellen seines Landsmanns Stifter. Aber während Stifter die Menschen ideal zeichnet und der feinsinnigen Schilderung des Naturlebens seine besondere Kunstfertigkeit zuwendet, war es R. darum zu thun, die Gestalten und Figuren, welche er dem Leser vorführt, in ihrer [198] vollen Realistik zu gestalten und ganz nach dem Leben vorzuführen. Und gerade in dieser Beziehung besaß R. ein ausgezeichnetes Talent, wenn auch mitunter seine Darstellung mehr in die Breite gezogen erscheint, da er zahlreiche kleine Züge aus dem Leben der von ihm dem Leser Geschilderten erzählt, um den Charakter seiner Dorfmenschen vollständig nach allen Richtungen klarzulegen. Eine Idealisirung derselben liegt dem Verfasser vollständig fern, sie reden und handeln genau wie die markigen Bauern des Böhmerwaldes selbst, deren Art und Leben in dem ersten Böhmerwaldbuche getreu nach der Wirklichkeit mit ihren Sitten, Gebräuchen, Liedern, Sagen und Anschauungen wiedergegeben erscheint. Aus diesem Grunde bleibt auch der mitunter von Kritikern vorgenommene Vergleich der Erzählungen Rank’s mit den Schwarzwälder Dorfgeschichten Berthold Auerbach’s, seines Freundes ein müßiger, da es Auerbach stets darum zu thun ist, seine Schwarzwäldler in gewählter Sprechweise vorzuführen und überhaupt der ganzen Darstellung eine feinere Form zu verleihen. Ein Nachahmer Auerbach’s kann R. schon gar nicht genannt werden, schon deshalb nicht, weil die Schwarzwälder Geschichten nach Rank’s ersten Veröffentlichungen erschienen sind.

Von größeren Romanen und Erzählungen, die übrigens nicht alle gleichwerthig sind, hat R. herausgegeben: „Vier Brüder aus dem Volk“, 2 Thle. (1844), „Der Waldmeister“, 3 Bde. (1846), „Moorgarten“, 2 Thle. (1851), „Schön Minnele“, 2 Thle. (1853), „Florian“, 2 Thle. (1853), „Die Freunde“, 2 Bde. (1854), „Im Klosterhof“, 2 Bde. (1875). – Besonders verdienen die Romane: „Achtspännig“, 2 Bde. (1857) und „Ein Dorfbrutus, 2 Bde. (1860) durch kräftige Charakteristik und fesselnde Handlung große Beachtung. Der erste dieser Romane schildert ein Fuhrmannsleben aus der Zeit, da die ersten Eisenbahnen diesem Stande das Ende bereitet haben, deren Macht aber dieser Fuhrmann, obwohl in seinem Gewerbe geschädigt, schließlich dennoch anerkennen muß.

Im allgemeinen zählen die kleineren Erzählungen zu Rank’s gelungensten Schöpfungen; er bietet darin eine erstaunliche Fülle biederer Bauerngestalten und mit ihnen eine abwechslungsvolle Reihe origineller Volkstypen seiner Heimath. Vielfach ist auch die Handlung dieser Geschichten eine sehr glücklich erfundene und ansprechende, auch weiß er Sagen und Volksmärchen einzuweben, welche den Erzählungen doppelten Werth verleihen. Von den Einzelgeschichten verdient ganz besonders hervorgehoben zu werden: „Das Hoferkäthchen“, worin die Vorzüge von Rank’s Darstellungsgabe zur vollen Geltung gelangen. Zu nennen sind noch von den kleineren Werken und Sammlungen kürzerer Stücke: „Eine Mutter vom Lande“ (1848), „Weißdornblüthen aus dem Böhmerwalde und Wiener Volksleben“, „Geschichten armer Leute“ (1853), „Sage und Leben. Geschichten aus dem Volke“ (1854), „Von Haus zu Haus. Kleine Dorfchronik“ (1856), „Sein Ideal“, Erzählung (1856), „Aus meinen Wandertagen“ (Wien 1863), „Steinnelken. Bilder aus dem Stadt- und Dorfleben“ (1867), „Drei Erzählungen“ (1868), „Der Seelenfänger“ (1876), „Das Birkengräflein. Muckerl der Taubennarr“ (1878). – R. hat in seinen Erzählungen vielfach eigene Erlebnisse aus seiner Heimath, insbesondere aus dem Jugendleben eingeflochten, und so manche der von ihm vorgeführten Gestalten hat in diesem Leben eine Rolle gespielt. Noch seien hier genannt Rank’s außerhalb des Rahmens der Erzählung fallende Arbeiten: „Der poetische Pilger durch Deutschland und die Schweiz“ (1852), das Geschichtsbild „Kaiser Karl der Große“ (1854), „Poetisches Reisealbum“ (1855) und die pietätvolle Darstellung der Stätten, die unser berühmter deutscher [199] Dichter durch seinen Aufenthalt geweiht, in dem Buche: „Schillerhäuser“ (1856).

Ein besonders ansprechendes Werk aber, welches Rank’s Leben behandelt, ist kurz nach seinem Tode als 5. Band der „Bibliothek deutscher Schriftsteller aus Böhmen“ erschienen, welche die so außerordentlich werkthätige Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen herausgibt. Es sind dies Rank’s schon Eingangs erwähnte „Erinnerungen aus meinem Leben“ (1896), in denen der Verfasser ungeschminkt und ohne Rückhalt alle Begebnisse seit seiner Kinderzeit erzählt und den Leser dadurch nicht nur unterhält, sondern auch vor ihm ein Bild des häuslichen Lebens im Böhmerwalde, der Studentenjahre in Wien und der Revolutionsjahre 1848 und 1849 in Wien und Frankfurt a. M. entrollt. Mit der Schilderung des Besuches als Gast Ludwig Uhland’s in Tübingen schließt dieses Memoirenwerk, von dem man nur bedauern kann, daß es nicht in der Zeitfolge noch um 40 Jahre weiter fortgeführt wurde, in denen R. noch so manches erlebt hat, was der Aufzeichnung durch seine gewandte Feder werth gewesen wäre. Eine Gesammtausgabe unter dem Titel: „Josef Rank’s Ausgewählte Werke“ erschien in 11 Bänden von 1859–1862 bei Karl Flemming in Glogau. Die ersten Skizzen aus dem Böhmerwalde sind aber nicht in dieselbe aufgenommen, ebensowenig die verschiedenen von Rank’s Dramen, auf welche er selbst wenig Werth gelegt zu haben scheint.

Die beste Quelle für die Lebensgeschichte Rank’s bis 1849 ist natürlich das oben mehrfach erwähnte Buch „Erinnerungen“. – Eine sehr ausführliche biographische Skizze, offenbar nach Mittheilungen Rank’s selbst, bietet P. A. Klar in dem Prager Jahrbuche „Libussa“ für 1858, S. 285–319. – Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, XXIV (1872), S. 336–346, behandelt R. ebenfalls eingehend und verzeichnet viele bis dahin erschienene Quellen. – Zu vergleichen sind ferner: Unsere Tage, VIII. Bd., Braunschweig 1865, S. 462–464. – Kehrein, Biogr.-literar. Lexikon II, 1868, S. 36. – H. Kurz, Geschichte der deutschen Literatur IV, S. 768 ff. – Brümmer’s Biographie im Biogr. Jahrbuch u. Dtsch. Nekrolog I, 1897, S. 448–449. – Gottschall, Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrh., 7. Aufl. 1902, IV, S. 486 ff. – Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter u. Prosaisten des 19. Jahrh., Bd. II.