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Artikel „Rust, Wilhelm“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 653–654, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rust,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:19 Uhr UTC)
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Rust: Dr. Wilhelm R., Clavierspieler, Chorleiter und Componist, ist am 15. August 1822 in Dessau geboren. Sein Großvater war der als ausgezeichneter Componist und Violinist bekannte dessauische Musikdirector Friedrich Wilhelm Rust (1739–1796 s. A. D. B. XXX, 20), und auch sein Vater, der Stiftungsrath und Regierungsadvocat Carl Ludwig Rust zeichnete sich als geschickter Violin- und Clavierspieler aus. Den ersten Musikunterricht erhielt R. von seinem Onkel Wilhelm Carl Rust, der als Organist in Wien und später als Clavierspieler und Lehrer in Dessau thätig war. Theoretische Studien betrieb er von 1840–1843 bei Friedrich Schneider, dem Componisten des seiner Zeit viel aufgeführten Oratoriums „Das Weltgericht“, und nach zwei Jahren stiller Arbeit fand er dann Stellung als Musiklehrer in der Familie eines reichen ungarischen Edelmannes, bei dem er von 1845–1849 verblieb, des Winters in Budapest oder Preßburg, im Sommer auf dem Lande in der Nähe der Karpathen. Im Jahre 1849 siedelte er nach Berlin über, trat dort als Clavierspieler in die Oeffentlichkeit, wurde Mitglied der Singakademie und des von Georg Vierling 1857 gegründeten Bachvereins, und erwarb sich bald eine ausgedehnte Praxis als Lehrer für Clavierspiel, Gesang und Composition. 1861 wurde ihm die Stellung eines Organisten an der Lukaskirche übertragen, und 1862 trat er aus dem Chor des Bachvereins an seine Spitze und machte in zwölfjähriger Thätigkeit durch eine Anzahl von Concerten das Berliner Publicum mit vergessenen Cantaten und Motetten Bach’s sowie mit Werken Caldara’s, Corelli’s, Eccard’s und anderer, auch neuerer Componisten bekannt.

1850 war in Leipzig die Bachgesellschaft gegründet worden, deren Ziel die Herausgabe von Joh. Seb. Bach’s sämmtlichen Werken bildete. Philologisch geschulte Musiker waren damals nicht gerade im Ueberfluß vorhanden und die [654] Auswahl von Mitarbeitern an dem großen Unternehmen hielt sich in sehr engen Grenzen. R. nun war für diese Aufgabe durch seine Vorbildung besonders befähigt und entfaltete, einmal zu der Arbeit herangezogen, hier seine ersprießlichste Thätigkeit. Hatte er schon zum III. Band der Bach-Ausgabe einen Nachtrag geliefert, so wurde er vom fünften Jahrgang an der Hauptherausgeber; folgende Jahrgänge verdanken wir allein seiner Mühewaltung: 5, 7, 9–13, 15–23 und 25.

Nachdem R. in seiner Berliner Wirksamkeit als Chorleiter, Lehrer, Clavier- und Orgelspieler mannichfache Erfolge errungen hatte – er war 1864 zum kgl. Musikdirector und 1868 zum Ehrendoctor der Universität Marburg ernannt worden und als Lehrer an das Stern’sche Conservatorium berufen – wurde ihm 1878 das Organistenamt an der Thomaskirche in Leipzig übertragen; und als der Thomascantor E. F. Richter 1880 starb, da erschien R., der in der Herausgabe Bach’s einen großen Theil seiner Lebensaufgabe gefunden hatte, als der geeignetste, um an die Stelle zu treten, die seit der Thätigkeit dieses genialsten aller Thomascantoren mit ehrwürdigem künstlerischen Glanz umkleidet ist. Hier hat er in treuer Pflichterfüllung gewirkt bis zu seinem Tode am 2. Mai 1892.

Außer Bach’schen Werken hat R. auch einzelne Stücke anderer alter Componisten herausgegeben. Z. B. Arien von Gluck und Reinhard Keiser, Violinsonaten und Vocalsätze seines Großvaters u. m. dergl. An eigenen Werken sind von ihm erschienen: eine Sonate in C–dur, eine Phantasie in H–dur, mehrere Capricen, ein Trauermarsch, zwei Nocturnes, eine Tondichtung „Beethoven“, sämmtlich für Clavier, ferner eine große Anzahl von Vocalcompositionen, Lieder, Duette, Chöre, darunter viele kirchlichen Charakters. (Verzeichniß in Mendel-Reißmann’s „Musikalischem Conversationslexikon“.)