ADB:Reinesius, Thomas
Taubmann und Balduin, an die er empfohlen war, gütig aufgenommen wurde, ihrem Rathe aber, sich der Theologie zuzuwenden, nicht folgte, angeblich, weil er das R nicht aussprechen konnte. Der Einfluß eines Oheims, der ein bekannter Arzt war, bestimmte ihn für die Medicin, der er zuerst vier Jahre in Wittenberg, dann von 1607 an ihn Jena oblag. Hier begann er auch zu lesen, ehe er noch Magister geworden war; 1608 erlangte er diese Würde. 1610 übernahm er eine Hofmeisterstelle in Prag, ging aber nach kurzer Zeit zur Fortsetzung seiner Studien nach Frankfurt a. d. O. und von dort nach Padua. Hier nahm er die niemals ganz unterbrochenen Sprachstudien mit erneutem Eifer wieder auf und beschäftigte sich mit Vorliebe mit den „raren codices, inscriptiones, marmora et lapides“. Auf der Rückreise besuchte er Basel und wurde daselbst Doctor. In der Hoffnung, durch seinen Verwandten, den berühmten Professor der Medicin Caspar Hofmann in Altorf eine Stelle zu finden, ließ er sich dort 1615 als Arzt nieder, doch erfüllte sich seine Erwartung nicht, obwol er eine Nürnbergerin heirathete. Er siedelte schon 1616 nach Hof über und übernahm das dortige Physicat, nahm aber 1618 eine Berufung als gräflich reußischer Leibmedicus und Inspector und Professor des Gymnasiums in Gera an. 1627 wurde er herzoglich sächsischer Leibmedicus und Stadtphysicus in Altenburg, wurde auch wegen der großen Verdienste, die er sich namentlich zur Pestzeit erworben, zum Bürgermeister der Stadt erwählt; erst 1657 legte er dieses Amt nieder. Zahlreiche Anerbietungen von medicinischen Professuren hatte er ausgeschlagen, anscheinend um seine philologischen Studien nicht aufgeben zu müssen; zuletzt – 1660 – gab er die mühsame Praxis und das Amt in Altenburg ganz auf und verlegte, zum kurfürstlich sächsischen Rath ernannt, seinen Wohnsitz nach Leipzig, wo er die letzten Jahre seines Lebens ausschließlich seinen gelehrten Studien und Liebhabereien widmete. Er starb daselbst im Anfange des Jahres 1667; als Todestag wird der 17. Januar, aber auch der 13. und 14. Februar angegeben. Seine überaus werthvolle Bibliothek kaufte der Herzog von Sachsen-Zeitz; dieselbe befindet sich noch gegenwärtig in der Stiftsbibliothek zur Zeitz. – R. galt schon bei seinen Zeitgenossen für einen Gelehrten von umfassendsten Kenntnissen und ungewöhnlichem Scharfsinn; die große Zahl seiner werthvollen Arbeiten und der ausgedehnte Briefwechsel, meist philologischen Inhalts, sichern ihm eine der ersten Stellen unter den Philologen seines Jahrhunderts. Die Ergebnisse seiner ausgedehnten epigraphischen Studien, die er selbst nur zum kleinsten Theile veröffentlicht hat (u. A. „Aenigmati Patavino Oedipus e Germania. Hoc est marmoris Patavini inscripti … interpretatio“ 1661) wurden nach seinem Tode unter dem Titel: „Syntagma antiquarum inscriptionum“ 1682 herausgegeben. Das Werk enthält eine große Anzahl lateinischer und einige griechische Inschriften, nach den Gegenständen in 20 Classen geordnet, mit gründlichen und gelehrten Erläuterungen, gesunder Kritik und sorgfältigen Indices. An dieses Werk sollte sich ein vollständiges alphabetisches Verzeichniß der in der alten Litteratur und den Inschriften vorkommenden römischen Cognomina, sowie der griechischen und barbarischen Namen mit sprachlichen, historischen, antiquarischen und kritischen Bemerkungen unter dem Titel „Eponymologicum“ anschließen. Das Manuscript dieses großen Werkes war bei Reinesius’ Tode noch nicht abgeschlossen; im folgenden Jahrhundert unternahmen Christian Schöttgen und [30] Christoph Saxius die Fortsetzung und Ergänzung; das Werk ist aber nicht zum Drucke gelangt und befindet sich noch jetzt handschriftlich auf der königl. Bibliothek im Haag (s. u.). Auch seine Ergänzungen und Berichtigungen zu Gerh. Joh. Vossius’ Buche „De historicis graecis“ sind ungedruckt geblieben. Dagegen hat er „Variarum lectionum libri III priores“ 1640 selbst veröffentlicht und in diesem Buche ein glänzendes Zeugniß seines umfassenden Wissens und seines kritischen Scharfsinns abgelegt: nicht nur verbessert er eine große Reihe von Stellen in den verschiedensten griechischen und römischen Schriftstellern; auch Fragen aus der Epigraphik, Litteraturgeschichte, Lexikographie u. a. m. werden in gründlicher und umsichtiger Weise erörtert und durch Heranziehung auch der orientalischen und slavischen Sprachen gelöst. Gegen die „Variae lectiones“ richtete Rivius einen heftigen Angriff in seiner Streitschrift „Lanx satura“, die R. in der „Defensio variarum lectionum“ 1653 beantwortete. – Seine historischen Bemerkungen zu Suidas hat er seinem Exemplare der Ausgabe von Aemilius Portus (s. A. D. B. XXVI, 447) beigeschrieben; dieselbe hat Christ. Gottfr. Müller 1819 herausgegeben: „Th. Reinesii Observationes in Suidam“. Von Bedeutung sind ferner noch sein „῾Ιστοϱούμενα linguae punicae“ 1630, die (dem Minister Colbert zum Danke für eine ihm zugewendete französische Pension gewidmete) Ausgabe des kurz zuvor entdeckten Petronius, 1666, und die nach seinem Tode 1679 erschienene Abhandlung „De Palatio Lateranensi“. – Von Reinesius’ Briefen sind in den Jahren 1660–1700 fünf Sammlungen veröffentlicht worden; seine medicinischen Schriften sind vergessen.
Reinesius: Thomas R., eigentlich Reines, Arzt und berühmter Philologe des 17. Jahrhunderts. Er wurde am 13. December 1587 in Gotha geboren; schon sehr früh zeigte er eine hervorragende Begabung und Neigung zum Studium der alten Sprachen, die er bereits als elfjähriger Knabe soweit beherrscht haben soll, daß er lateinische und griechische Verse verfassen konnte. 1603 kam er auf die Universität nach Wittenberg, wo er von- Brucker’s Ehrentempel, S. 110–115. – Witte, Memor. philos. Decas VIII, S. 461 nach eigenen Mittheilungen von Reinesius. – Jöcher III, 1989 f. – Rotermund VI, 1685 f., wo auch ein allerdings unvollständiges Verzeichniß von Reinesius’s Schriften sich findet. – In neuerer Zeit hat vornehmlich Bursian, Gesch. der klassischen Philologie S. 290–94 u. a. O. auf die Bedeutung von R. aufmerksam gemacht. Ueber das „Eponymologicum“ handelt ein ausführlicher Bericht von L. J. F. Janssen, J. A. C. van Heusde und L. Ph. C. van den Bergh in den Jahrbüchern für classische Philologie 1863, S. 718–727.