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Artikel „Portus, Aemilius“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 447–449, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Portus,_Aemilius&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 19:45 Uhr UTC)
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Portus: Aemilius P. (Emilio Porto), berühmter Philologe des 16. und 17. Jahrhunderts von griechisch-italienischer Herkunft. Sein Vater Franciscus P. (Francesco Porto), am 22. August 1511 in Candia auf der Insel Kreta geboren, war früh nach Italien gekommen und hatte in Padua und Venedig seine Bildung genossen. Am letzteren Orte wurde er Vorsteher der griechischen Schule (ἀρχιδιδάσϰαλος ϰαὶ πρωτοϰαϑηγητὴς τῶν Ἑλλήνων), wurde aber wegen spöttischer Bemerkungen über Fasten und Bilderdienst bald dieses Amtes enthoben, lehrte seit 1537 in Ferrara und später in Modena die griechische Sprache, nahm das reformirte Bekenntniß an und siedelte 1559 aus Furcht vor der Inquisition nach Genf über, wo er eine Professur erhielt. Er starb daselbst am 5. Juni 1581; zahlreiche philologische Arbeiten, namentlich seine Ausgaben von Synesius, Gregorius Naziancenus und andern Schriftstellern, sowie die von seinem Sohne herausgegebenen Commentare zu Pindar und Xenophon u. s. w. haben ihm in der Geschichte der Philologie einen Namen gesichert. Sein Sohn Aemilius P. war in Ferrara am 13. August 1550 geboren; mit dem Vater kam er 1559 nach Genf und erhielt hier durch den Vater vortrefflichen Unterricht; bald war er außer im Französischen und Italienischen auch im Altgriechischen und Lateinischen sicher. Schon 1569 wurde er Lehrer der alten Sprachen am Gymnasium in Genf und blieb in dieser [448] Stellung 12 Jahre lang. In diese Zeit fallen seine ersten Beziehungen zu Deutschland, namentlich trat er mit dem Professor des Griechischen Martin Crusius in Tübingen in Briefwechsel. Die verbreitete Angabe (u. A. auch bei Fabricius), daß in seine Genfer Zeit die Herausgabe des Homer falle, beruht auf Verwechselung mit seinem Vater; dagegen erschien damals – 1581 – eine schwungvolle Nachdichtung der Psalmen in griechischen Hexametern, welche von Is. Casaubonus u. A. lebhaft anerkannt, von anderer Seite, namentlich von Jac. Duporte, ebenso lebhaft angegriffen wurde. In demselben Jahre wurde P. als Professor des Griechischen an die Akademie in Lausanne berufen; neben seinen Vorlesungen und einem ausgedehnten Briefwechsel beschäftigte ihn damals besonders die Herausgabe der hinterlassenen Arbeiten seines Vaters: 1583 erschien der Commentar zu Pindar, 1584 die Prolegomena zu Sophokles, 1586 der Commentar zu Xenophon. Außerdem stammt aus dieser Zeit die allerdings erst 1607 erschienene große Ausgabe des Aristophanes mit den Scholien, für welche er im Wesentlichen die Vorarbeiten des Odoardus Bisetus benutzte, eine Arbeit von verdienstlichem Fleiße, welche freilich durch eine gewisse Willkür in der Behandlung des Textes der Scholien auch vielfachen Widerspruch hervorrief. Ferner die zuerst 1588 erschienene lateinische Uebersetzung des Dionysius von Halikarnaß, der dann auch eine französische folgte. – Aus unbekannten Gründen „propter insperatam temporum malignitatem et invidiam“ (Vorrede zum Thucyd.) gab er im Frühjahr 1592 sein Amt in Lausanne auf und verließ mit seiner Familie die Stadt in der Hoffnung, eine Unterkunft in Oesterreich, wo er Freunde hatte, zu finden. Zunächst ging er nach Basel und blieb hier einige Monate, wendete sich dann aber nach dem Städtchen Frankenthal in der Pfalz, brachte hier seine Frau und seine sechs kleinen Kinder vorläufig unter, und wanderte allein nach Oesterreich zu, um eine neue Heimath zu suchen. In Frankfurt erhielt er von Dufresne Empfehlungsbriefe an Philipp Camerarius in Altorf, fand bei diesem auch freundliche Aufnahme, aber keine Anstellung, ebenso wenig in Nürnberg und in Oesterreich bei dem Baron Joh. Sept. v. Lichtenstein auf Nikolsburg, auf dessen Hülfe er fest vertraut hatte. Er kehrte also nach Frankenthal zurück und lebte hier nun ohne Amt in dürftiger Lage, eifrig mit der Bearbeitung der Ausgabe des Thucydides beschäftigt, welche nebst der Uebersetzung des Laurentius Valla 1594 in Frankfurt erschien. Die Ausgabe ist dem Pfalzgrafen Friedrich IV. gewidmet, dem er vielfache Unterstützung in seiner Noth zu danken hatte. Mit dessen Erlaubniß siedelte P. im Herbst 1593 mit seiner Familie von Frankenthal nach Heidelberg über, um hier Medicin zu studiren. Der Aufenthalt in Heidelberg wurde ein dauernder, wenn auch die medicinischen Studien bald aufhörten; der freundschaftliche Rath des Buchdruckers Joh. Aubrius bewog ihn, seine philologischen Arbeiten wieder aufzunehmen; schon 1595 erschien die neue Ausgabe des Xenophon von Joh. Leunclavius. – Das Jahr 1596 brachte P. wieder in die erwünschte sichere Stellung; er wurde zum Professor der griechischen Litteratur ernannt, nachdem ihm im März die Magisterwürde von der philosophischen Facultät verliehen worden war. Als Professor und Vorsteher des Contuberniums hat er in Heidelberg 12 Jahre lang mit Anerkennung gewirkt; zweimal – 1600 und 1606 – war er Decan der philosophischen Facultät. 1597 erschien seine Euripides-Ausgabe mit dem angeblichen Danae-Fragmente des Codex palatinus, 1599 die Notae zum Euripides, 1598 der Commentar seines Vaters zu Aristoteles’ Rhetorik, 1604 Portus’ eigene Ausgabe dieser Schrift, 1608 die Pindar-Ausgabe mit den Fragmenten anderer griechischer Lyriker. Daneben fand P. noch Zeit zu umfangreichen lexikalischen Studien: 1603 erschienen das „Dictionarium Jonicum graeco-latinum“ und das „Dictionarium Doricum [449] graeco-latinum“, 1606 das „Lexicon Pindaricum“. Auch die Ausgabe und Uebersetzung der Ilias und Odyssee, welche 1609 erschienen, wurde in Heidelberg noch fertig gestellt. Es ist nicht zu verwundern, daß diese Arbeiten, neben denen noch zahlreiche kleinere, wie das Büchlein „De prisca Graecorum compotatione“, und zahlreiche Gedichte an das Licht traten, vielfache Spuren von Uebereilung zeigen, auch sind die eigenen Anmerkungen von P. oft recht unbedeutend; immerhin bezeichnen seine Ausgaben jedoch einen wesentlichen Fortschritt gegen seine Vorgänger und die beigegebenen lateinischen Uebersetzungen haben mancherlei zur Erklärung beigetragen. – Die Heidelberger Thätigkeit nahm 1608 ein plötzliches Ende. P. war mit einem Studenten in Streit gerathen, hatte sich geweigert, die Sache gütlich beizulegen, war dann in eine Geldstrafe von 200 Thalern verurtheilt und hatte dies so übel genommen, daß er am 23. November 1608 seine Entlassung forderte; die Bemühungen des Senates wie der Facultät, ihn zur Rücknahme zu bewegen, waren vergeblich. So zog er im Mai 1609 von Heidelberg fort und wandte sich nach Kassel, wo er bei dem Landgrafen Moritz Unterkunft zu finden hoffte. Der Fürst nahm ihn freundlich auf, konnte aber zunächst nichts für ihn thun; P. mußte suchen, den Lebensunterhalt für sich und die Seinigen durch Stundengeben und als „Notarius imperialis“ zu verdienen. Die schriftstellerische Thätigkeit ruhte; nur der witzige „Tractatus de Nihili antiquitate et multiplici potestate“, welchen er „Nulli“ widmete, erschien damals. Als eine Hülfe in großer Noth erreichte P. damals die Aufforderung des Herzogs Johann Adolf von Schleswig, zu ihm nach Schloß Gottorp zu kommen und das dort befindliche Werk des Proclus über die Theologie des Plato, für welches der Herzog Interesse gefaßt hatte, zu übersetzen. Die Arbeit, welche nach Portus’ Tode mit dem griechischen Texte von Fr. Lindenbrog in Hamburg 1618 auf des Herzogs Friedrich, des Sohnes von Johann Adolf, Kosten herausgegeben wurde, war im Sommer 1610 vollendet; P. kehrte reich belohnt nach Kassel zurück. Hier bot ihm jetzt der Landgraf eine Professur für die alten Sprachen, Französisch und Italienisch am Collegium Mauritianum an, die P. zuerst wegen der geringen Besoldung, sowie wegen seiner mangelhaften Kenntniß des Deutschen, welches dort die Unterrichtssprache war, anzunehmen zögerte, schließlich aber doch im Juni 1611 antrat. Das Amt ließ ihm Zeit, die schon früher begonnene Suidas-Ausgabe weiter zu fördern, die nach seinem Tode 1619 erschien, „eine Arbeit, deren große Mängel wenigstens zum Theil in dem Alter des Herausgebers und in dem Umstande, daß er die Veröffentlichung des wohl nicht ganz druckfertig hinterlassenen Werkes nicht selbst erlebt hat, eine Entschuldigung finden“ (Bursian). Die Thätigkeit an der Kasseler Junkerschule dauerte nicht lange; P. paßte wohl nicht für die Stellung, konnte auch nicht lange an einem Orte seßhaft bleiben. So wanderte er im Herbst 1612 wieder weiter nach dem schaumburgischen Städtchen Stadthagen, um dort die ihm vom Grafen Ernst von Holstein und Schaumburg angebotene Stelle als Professor für Griechisch, Französisch und Italienisch an dem 1610 gegründeten Gymnasium academicum zu übernehmen. Hier ist er 1614 oder 1615 gestorben. – Außer den bereits erwähnten größeren Arbeiten besitzen wir von ihm eine namhafte Anzahl kleiner wissenschaftlicher und anderer Veröffentlichungen, Briefe, Reden und Gedichte, die von dem formalen Geschicke ihres Verfassers ein sehr vortheilhaftes Zeugniß geben. Seine Ausgaben, welche noch immer einen gewissen Werth haben, machen vielfach den Eindruck, daß die Noth des Lebens zu vorzeitiger Herausgabe gedrängt hat.

K. F. Weber, Vita Aemilii Porti, 1854. – Bursian, Gesch. der Philol. S. 232–244. – Schriftenverzeichniß bei Rotermund, VI, S. 692–695.