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Artikel „Rüeger, Joh. Jakob“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 589–591, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCeger,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 08:04 Uhr UTC)
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Rüeger: Joh. Jakob R., geb. am 15. Juli 1548 zu Schaffhausen, † daselbst am 19. August 1606, Chronist von Schaffhausen. Inmitten einer ganzen Gruppe geistig tüchtiger Vertreter verschiedener wissenschaftlicher Richtungen zu Schaffhausen, in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts – Rüeger’s Biograph nennt den Decan Ulmer, einen Schüler Melanchthon’s und Mitarbeiter Bullinger’s in der Leitung der schweizerischen reformirten Kirche, den Dogmatiker Jezler, den Arzt Holzach, einen Correspondenten Konrad Gesner’s, den auch theologisch gelehrten Mediciner Burgauer, außerdem zwei gelehrte Bürgermeister, Meyer und Mäder, aus anderen Gebieten noch den Maler Tobias Stimmer, die durch die astronomische Uhr des Straßburger Münsters berühmt gewordenen technisch bethätigten Brüder Hebrecht –, steht der Theologe und Historiker R. Er war der Sohn des Pfarrers am Münster, Jakob R., welcher seinerseits in Wittenberg und in Zürich seine Studien durchgeführt hatte und selbst wissenschaftlichen Sinn bewies, wie sein Briefwechsel mit Bullinger zeigt, und er studirte in Straßburg und Zürich, wo auch er Bullinger’s Wohlwollen gewann. Auf dessen Empfehlung hin wurde R. 1570 Pfarrer zu Schwanden im Lande Glarus und trat da noch mit Aegidius Tschudi in dessen letzter Lebenszeit in Verbindung. Nur sehr ungerne entließ ihn 1575 die glarnerische Obrigkeit, als ein Ruf an die Stelle des Frühpredigers am Münster aus der Vaterstadt an ihn ergangen war. Hier stieg R. zuerst zum Amte eines Diaconus empor, und 1582 erhielt er die Pfarrstelle zu Büsingen, an der unweit östlich von der Stadt liegenden alten Mutterkirche von Schaffhausen, welche es ihm möglich machte, seinen Wohnsitz in der Stadt zu behalten. 1600 dagegen, nach dem Tode seines väterlichen Freundes Ulmer, rückte er in die Pfarrei am Münster nach, zugleich in den engeren Ausschuß der Geistlichkeit, den Triumvirat. Obschon nun R. auch als Prediger und in der praktischen Thätigkeit, so durch seine Bestrebungen um die Hebung des Schulwesens im Scholarchenrathe, durch seine Bemühungen für den Kirchengesang, allgemeiner Achtung genoß, lag doch die bleibende Bedeutung seines Wirkens auf dem wissenschaftlichen Boden. Zwar zeichnete er sich auch hier durch vielseitige Interessen aus, indem ihn zeitweise mathematische und astronomische Studien, oder seine Blumenliebhaberei in Anspruch nahmen; aber den hauptsächlichsten Fleiß verwandte er in seinen Sammlungen und Forschungen auf Antiquitäten, voran auf Münzen, deren Funde seine vollste Aufmerksamkeit auf sich zogen, und so wurde er auf die historisch-topographischen Forschungen geführt, deren Ergebniß seinem Namen bleibende Achtung verschafft. Zugleich brachten ihn diese Studien mit verschiedenen ähnlich bestrebten Forschern in persönliche Berührung oder eifrig gepflegten Briefwechsel, der R. zur besonderen Lebensfreude wurde. Ganz voran stand hier der gelehrte Numismatiker und Arzt Adolf Occo in Augsburg (s. A. D. B. XXIV, 127), mit welchem sich ein geradezu freundschaftlicher Verkehr entspann; doch auch mit dem Zürcher Theologen und Philologen Wilhelm Stucki, mit Basilius Amerbach in Basel, mit Gabelkover in Stuttgart, Freher in Heidelberg fand mannichfacher Austausch statt. Vorzüglich bemerkenswerth ist aber, daß der reformirte Geistliche R. auch zu mehreren Katholiken in sehr engen Beziehungen stand, so zu Guillimann und dem Solothurner Johann Jakob v. Staal, aber noch mehr zu dem Eichstädter und Augsburger Domherrn Georg v. Werdenstein, einem eifrigen und fein verständigen Büchersammler, und zu dem auf der [590] Burg Randegg unweit von Schaffhausen wohnenden Hans v. Schellenberg, einem verständnißvollen Liebhaber von Alterthümern, sowie zu dem Augsburger Markus Welser. Freilich verschoben sich zu Rüeger’s lebbaftem Bedauern bei der Verschärfung des Gegensatzes zwischen den Bekenntnissen, etwa mit dem Jahre 1600, diese freundschaftlichen Berührungen in ungünstiger Weise, nachdem früher sogar theologische Erörterungen hatten stattfinden können, und die Ahnung, daß ein furchtbarer Krieg nicht ferne bevorstehe, tritt besonders in den mit Occo gewechselten Briefen in beängstigender Deutlichkeit hervor. Alle diese förderlichen Beziehungen aber trugen fortgesetzt dazu bei, R. in den übernommenen historischen Arbeiten zu unterstützen und zu bestärken.

Abgesehen von genealogischen Untersuchungen – so über die Schaffhauser Geschlechter Imthurn, von Fulach – nahm R. auf Schellenberg’s Anregung eine weltgeschichtliche Uebersicht vor, „Synopsis historica“, welche 1595 erschien. Auf sein Hauptwerk jedoch leitete ihn der 1596 erhaltene Auftrag, das Archiv des Klosters Allerheiligen zu ordnen und zu registriren, obschon bereits 1593 die abschnittweise geschehende Ausführung begonnen hatte. Bis 1605 war das große Werk vollendet, dessen Originalhandschrift, in vier Foliobänden, sich auf dem Kantonsarchive befindet. Der Titel lautet: „Schaffhusen. Historische Beschribung der Loblichen und wit verrüembten Stat Schaffhusen an dem Rhin gelegen, ouch irem geistlichen und weltlichen Regiment biß uf unsere Ziten“, mit dem Datum 1606. In sieben Büchern sehr ungleichen Umfanges ist der Stoff behandelt; schon äußerlich treten dabei Buch V., die Topographie von Stadt und Landschaft, und Buch VII., „Von alten und merteils abgangnen edlen und vernambten Geschlechtern“ hervor, welche vorzüglich den sammelnden Fleiß des Verfassers verrathen. In anderen Abschnitten zeigt er die Absicht, seine Geschichte des Klosters Allerheiligen und der Stadt auf der allgemeinen Reichsgeschichte aufzubauen. Ueberhaupt treten die Belesenheit, das gediegene Wissen des Autors überall zu Tage, und daß ihm Geheimnißkrämerei das Rathsarchiv verschloß, lag nicht in seiner Schuld. Unverkennbar ist das Streben nach kritischer Sichtung, nach urkundlicher Sicherheit; gewisse Schwächen, wie das ungeschickte Aussuchen etymologischer Spielereien, waren solche der Zeit überhaupt. Wenn auch die Schilderung, infolge der mehrfachen Abschweifungen vom engern vorliegenden Gebiete, zuweilen in der Breite sich verliert, so ist doch dem Aufbau des Ganzen historische Kunst keineswegs abzusprechen, und anmuthig berührt die einfach bescheidene, ungeschminkte Art, in welcher der Verfasser, seinem innersten Wesen entsprechend, vorträgt, oft mit erfreulicher Wärme, nicht bloß ein eifriger Verehrer seiner Vaterstadt, sondern auch von Anhänglichkeit an die eidgenössische Staatsentwicklung erfüllt, dabei selbstverständlich in religiösen Fragen ein überzeugungstreuer, freilich nicht unbefangener Bekenner des evangelischen Glaubens. Aber das augenscheinlich zur Veröffentlichung bestimmte große Werk blieb bei dem bald nach Vollendung eingetretenen Tode Rüeger’s ungedruckt, nachdem die Erben dasselbe dem Scholarchenrathe zu Händen des Rathes abgegeben hatten; ja, es kam zunächst geradezu hinter Schloß und Riegel des Archives. Später entstanden zahlreiche handschriftliche, doch überwiegend entweder abgekürzte oder erweiterte Copien. Erst der 1856 gegründete historisch-antiquarische Verein in Schaffhausen, welchem 1859 sein Präsident eine erschöpfende Lebensschilderung Rüeger’s widmete, holte die lange versäumte Tilgung der Schuld nach, indem er seit 1880 in einer den wissenschaftlichen Anforderungen der Gegenwart ganz entsprechenden Weise durch Pfarrer C. A. Bächtold die „Chronik der Stadt und Landschaft Schaffhausen“ herausgeben läßt (Schaffhausen 1880 ff.: 1889 wird die Ausgabe abgeschlossen sein).

[591] Vgl. J. J. Mezger, Johann Jakob Rüger, Chronist von Schaffhausen (Schaffhausen 1859), sowie die Einleitung zur Edition, ferner nach Vollendung derselhen einen Aufsatz des Verf. d. Art. in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees.