ADB:Morhard, Ulrich
Melanchthons gedruckt – sondern die Aussicht auf bessere Geschäfte, wie solche ihm die damals einer Presse entbehrende Universitätsstadt bot. M. war nicht mehr der gelehrte Drucker, wie er uns in der Wiegenzeit der Kunst so häufig begegnet; er war auch nicht der Mann, der nach höheren Rücksichten sein Geschäft betrieb; denn obwohl der Sache Luthers zugeneigt, zu welchem er auch bei der Reformation des Landes 1534, wirklich übertrat, fügte er sich doch ohne Anstand darein, als die katholische Regierung der zwanziger Jahre nur katholische Bücher zu drucken erlaubte. Trotzdem ist er schon wegen der Zahl der von ihm herausgegebenen Werke beachtenswerth: 150–160 Drucke – so viel hat seine Presse zu seinen Lebzeiten etwa geliefert – sind für jene Zeit immerhin eine stattliche Anzahl. Und darunter befinden sich manche nicht unwichtige Editiones principes, von denen nur des Lambert von Hersfeld Annalen, 1525, und das weiterhin so oft aufgelegte und so viel gebrauchte Formelbuch des Alex. Hug, 1528, genannt sein mögen. Aber nicht in solchen einzelnen Leistungen liegt der Schwerpunkt von Morhart’s [235] Thätigkeit. Ungleich größere Bedeutung erhielt seine Presse dadurch, daß sie die einzige im Herzogthum Württemberg und dann wieder dadurch, daß sie in ganz Südwestdeutschland die einzige den katholischen Interessen zugängliche Presse war. Dem ersteren Umstand hatte sie es u. A. zu danken, daß die württembergische Regierung noch weit über Morhart’s Tod hinaus (bis 1597) für alle ihre Publicationen ihre Hilfe in Anspruch nahm. Noch wichtiger wurde der andere Umstand. Denn in Ermangelung einer andern ihnen zugänglichen Presse in diesen Gegenden warfen sich die Vorkämpfer der kirchlichen Tradition auf Morhart’s Druckerei und so findet man denn die Schriften der bekanntesten Gegner Luther’s und Zwingli’s, eines Eck und Faber, Cochläus und Köllin, Dietenberger und Vattlin, namentlich aber diejenigen des Franziscanerguardian Schatzger unter den Tübinger Drucken jener Tage zahlreich vertreten. Bildete sonach die Presse Morhart’s in dessen Tübinger Zeit bis 1534 ein Hauptwerkzeug der katholischen Reaction, so fiel ihr gegen das Ende seines Lebens eine ähnliche, noch bedeutendere Rolle zu, nur freilich in entgegengesetztem Sinne. Wir meinen jene denkwürdigen Bestrebungen, welche durch Verbreitung evangelischer Bücher in slavischer Sprache die Sache der Reformation unter den Südslaven, den Slovenen einerseits, den Kroaten, Dalmatinern und Serben andererseits zu fördern suchten, jene Bestrebungen, die von Primus Truber ausgegangen waren und weiterhin von Peter Paul Verger und von dem Freiherrn Hans Ungnad von Sonnegk unterstützt und getragen wurden und denen eben die Presse Morhart’s, nachdem andere sich geweigert, ihre Dienste lieh. In die Zeit des alten Meisters fällt freilich nur das Vorspiel dieser neuen Thätigkeit: im J. 1550 wurden durch ihn ein von Truber in das Windische (Slovenische) übersetzter Catechismus und ein windisches ABCdarium gedruckt. Das eigentliche Werk des „slavischen Bücherdrucks“ begann erst nach seinem Tod, nämlich 1555, als bereits seine Wittwe (die dritte Frau) unter Leitung ihrer Söhne aus erster Ehe, Oswald und Georg Gruppenbach das Geschäft fortführte. Da wurden theils in Tübingen, theils in der zu solchem Zweck errichteten Presse in Urach, die aber auch von den Gruppenbach geleitet wurde, 39 selbständige Drucke in slavischer, sei es slovenischer, sei es kroatischer Sprache hergestellt: Neue Testamente, Catechismen, Bekenntnißschriften, Predigten, Gesangbücher und dgl. Schriften, welche als die ersten Anfänge einer slavischen Litteratur noch heute Bedeutung haben. Die größte Zahl dieser Drucke fällt in die Jahre 1557 bis 1564 (Ungnad’s Todesjahr); was später liegt, sind nur Nachzügler, die aber doch bis 1595 heruntergehen. Slaven, die man eigens zu diesem Behuf hatte kommen lassen, halfen beim Druck. Die Schrift, der man sich bediente, war Anfangs ausschließlich die Antiqua. Als Ungnad die Leitung übernahm, schritt man dazu, auch slavische Alphabete, ein cyrillisches und ein glagolitisches anzuwenden, die von einem Nürnberger Stempelschneider geschnitten, aber durchaus nicht, wie dies Meyer a. u. a. O., S. 74 nachweist, bei dieser Gelegenheit erst erfunden wurden. Diese Alphabete kamen später, wohl als Kriegsbeute, in die Hände Kaiser Ferdinand II. und wanderten als dessen Geschenk in die Druckerei – der Propaganda in Rom. – Zum Schluß seien nur die Druckerzeichen Morhart’s noch kurz beschrieben. Das ältere, von 1540 an gebraucht, stellt das Weltall dar – Sonne, Mond, Sterne und Erde, von einem Kreis umschlossen, – das von einer Hand in Wolken an einer Kette gehalten wird. Darüber liest man: In manu Domini sunt omnes fines terrae. Von 1552 an tritt an dessen Stelle das Lamm mit der Siegesfahne auf dem überwundenen Drachen stehend, darum die Umschrift: Victoria. Dies letztere Signet ging auf Morhart’s Nachfolger – nach der Wittwe und Oswald Gruppenbach’s Tod 1570 bezw. 1571 ist es Georg Gr. allein – nur in vollerer Ausführung über [236] und wurde auch, etwas modificirt, von Morhart’s Sohn Ulrich, wie dieser eine neue Presse in Tübingen errichtete, beibehalten.
Morhart: Ulrich M., ein Buchdrucker in der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Von Augsburg stammend, von wo so mancher bedeutende Typograph in jenen Tagen ausgegangen ist, druckte er zunächst, von 1519 bis 22, in Straßburg, zog dann aber nach Tübingen (inscr. 20. Mai 1523), wo er bis zu seinem 1554 erfolgten Tode unausgesetzt thätig blieb und wo überhaupt mit ihm die Buchdruckerkunst ihren definitiven Einzug hielt. Es war sicher nicht, wie Schmidt (s. u.) meint, das Mißvergnügen über den in Straßburg überhand nehmenden reformatorischen Geist, was ihn von dort forttrieb – denn auch in Tübingen hat er anfangs noch einige Schriften- Vgl. C. Schmidt, Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken u. s. w. in Straßburg, Straßb. 1882, S. 138 f.; des Unterzeichneten Schrift: Der erste Buchdruck in Tübingen, Tübingen 1881; und in Betreff des slavischen Bücherdrucks: Schnurrer, Slav. Bücherdruck in Würtemberg, Tüb. 1799; Sillem, Pr. Truber, der Reformator Krains, Erl. 1861; Kostrenčič, Urkundl. Beiträge zur Geschichte der protest. Litteratur der Südslaven, Wien 1874; Roth, Das Büchergewerbe in Tübingen, Tüb. 1881; F. H. Meyer, Pr. Truber, Hans Freiherr von Ungnad u. Gen. in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels VII. 1882, S. 62 ff.; Elze, Die sloven. protest. Gesangbücher des 16. Jahrh., Venedig 1884 (aus: Jahrb. der Gesellschaft für die Gesch. des Protestantismus in Oesterreich V.).