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Artikel „Menno Simonis“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 362–365, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Menno_Simons&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:59 Uhr UTC)
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Menno Simonis oder Simons (Symons), der bekannte Wiedertäufer, wurde nach dem Resultate der neuesten Forschungen im J. 1492 geboren und starb am Freitage, den 13. Januar 1559. Als sein Geburtsjahr wurde sonst auch das Jahr 1505 angegeben; als Todestag und Jahr zumeist Freitag, der 13. Januar 1561 (so nach Roosen), oder Freitag, der 23. Januar 1559 (so Frau Brons), was beides unmögliche Angaben sind, da die genannten Monatstage in den betreffenden Jahren nicht auf einen Freitag fielen. Sein Geburtsort ist Witmarsum, ein in der Nähe von Franeker in Friesland gelegenes Dorf; andere nennen das benachbarte Pingjum. Sein Vater, der Simon hieß, soll ein Bauer gewesen sein. Auf Klosterschulen soweit vorbereitet, daß er auch nicht ganz geringe Kenntnisse im Lateinischen und Griechischen hatte, wurde er im J. 1515 oder 1516 zum Priester geweiht und alsbald (nach anderer Angabe freilich erst 1524 oder 1528) Vicar in dem schon genannten Pingjum. Zweifel an der Lehre von der Transsubstantiation ließen ihn sich zur Bibel wenden, die er bisher absichtlich, um nicht verführt zu werden, gemieden hatte. Es geschah das am Ende des zweiten Jahres seiner Amtsführung; also wol 1517 oder 1518. Er merkte bald, daß die Lehre von der Brotverwandlung sich nicht im Neuen Testamente finde. Aus Luthers Schriften lernte er dann auch nicht lange nachher, daß Menschensatzungen in Glaubenssachen nicht verbindlich seien. Das Schriftstudium trieb er jetzt so ernst, daß er sich bald den Namen eines „evangelischen Predigers“ erwarb; doch „mit Unrecht“, setzt er selbst hinzu, wo er davon spricht, weil er trotz seiner gewonnenen Erkenntniß noch die Welt liebte und in Eitelkeit wandelte. Als M. gelegentlich der am 20. März 1531 in Leeuwarden geschehenen Hinrichtung eines Wiedertäufers Sicke Freerks (Freericks oder Freerik, auch nach seinem Gewerbe Sicke Snijder genannt) davon zum ersten Male hörte, daß es Zweifel an der Berechtigung der Kindertaufe gäbe, untersuchte er auch diese Lehre; und da er weder in der heiligen Schrift, noch in den Schriften von Luther, Butzer und Bullinger einen ihn befriedigenden Grund für die Kindertaufe fand, vielmehr zu entdecken glaubte, daß die Vertheidiger derselben in ihren Ansichten weit auseinander gingen, so ward er auch betreffs ihrer unsicher. Später berief er sich gerade für seine Lehre von der Taufe der Erwachsenen auf Otto Brunfels (vgl. Bd. III, S. 441); ob er die Schriften desselben aber schon in dieser Periode seines Lebens kennen gelernt hat, muß dahingestellt bleiben. Um diese Zeit (etwa 1531) ward er als Pastor nach Witmarsum, seinem Geburtsorte, versetzt; „aus Gewinnsucht und Begierde eines großen Namens“ habe er diese Beförderung gewünscht, so sagt er später selbst; jedenfalls [363] blieb er noch im Dienste der Kirche, obschon er schon innerlich mit wichtigen Lehren derselben zerfallen war. In der Meinung von der Taufe bestärkten ihn nun einige Wiedertäufer, mit denen er (etwa 1532) zusammenkam. Mit den Ausschreitungen der schwärmerischen Wiedertäufer, die hernach in den Münsterschen Gräueln ihren Höhepunkt erreichten, wollte er jedoch nichts zu thun haben; er hat ernstlich jede Gemeinschaft mit ihnen abgelehnt. Als im December 1533 Schüler Jan Mathyszoons (vgl. Bd. XX, S. 600 ff.) nach Friesland kamen und dann im folgenden Jahre Jan Beukelszoon (vgl. Bd. III, S. 91 ff.) ebenda zu offenem Auftreten gegen die Obrigkeit aufforderte unter Hinweis auf die nahe bevorstehende Wiederkunft des Herrn, warnte M. vor solchen schwärmerischen und aufrührerischen Lehren. Doch umsonst; es kam zum Kampfe, in welchem die Wiedertäufer im April 1535 besiegt wurden; ein Bruder Menno’s verlor dabei sein Leben. Nun bereute M., nicht noch entschiedener gegen diese fanatischen Irrlehrer aufgetreten zu sein, um sie vielleicht für den von ihm damals schon in der Stille als den rechten erkannten Weg zu gewinnen; er gab jetzt (1535) gegen das Buch „Von der Rache“, das den bewaffneten Widerstand gegen die Obrigkeit forderte, eine eigene Schrift heraus, legte am 12. Januar 1536 sein bisheriges Amt nieder und schloß sich nun völlig den milder gesinnten Wiedertäufern an. Wahrscheinlich empfing er um diese Zeit auch die Taufe. Er verlor damit zunächst alle Existenzmittel und trat in ein Leben voll Unruhe und Entbehrung. Anfänglich hielt er sich verborgen und beschäftigte sich vorwiegend mit Lesen und Schreiben. An der Versammlung der Abgeordneten der wiedertäuferischen Gemeinden, die im August 1536 in der Nähe von Bockholt in Westfalen stattfand, nahm er nicht Theil. Es zeigte sich hier, wie weit die Ansichten selbst unter den Wiedertäufern der mehr besonneneren Richtungen auseinandergingen; eine völlige Vereinbarung war nicht mehr möglich; nur gegen die aufrührerischen Wiedertäufer, die Münsterschen sowol als die sogenannten Batenburger, wurde ein Zusammenhalten der übrigen verabredet. Unser M. stand in seinen Ueberzeugungen, die er um diese Zeit fester ausbildete, den sogenannten Obbeniten am nächsten, d. h. derjenigen Richtung, die von Obbe Philipszoon ihren Namen hat; es waren das ohne Zweifel die gemäßigtsten unter allen. Anfänglich standen diese wol den Anhängern des David Joriszoon (vgl. Bd. XIV, S. 552 ff.) nicht feindlich gegenüber; als dieser aber selbst eine Art Vorrang unter seinen Glaubensgenossen beanspruchte (December 1536), sagten sich die Obbeniten von ihm los. Auch mit den Melchioriten, den Anhängern des Melchior Hofmann (vgl. Bd. XII, S. 636) stimmten sie nicht überein, da auch die Lehren dieser über eine neu zu erwartende Ausgießung des heiligen Geistes ihnen nicht einfach und schriftgemäß genug erschienen. Als die Obbeniten nun, um eine festere Ordnung in ihre Gemeinschaft zu bringen und sich diesen anderen Parteien gegenüber zu befestigen, eine Anzahl Aelteste oder Bischöfe anstellten, welche unter ihnen der Lehre warten und die Sacramente verwalten sollten, wandten sie sich durch „sechs, sieben oder acht“ Personen an M. mit der Bitte, ein solches Aeltestenamt bei ihnen anzunehmen; das war im December 1536 oder im Januar 1537. Nach längerem Sträuben ging M. auf ihre Bitte ein. Er wurde dann durch Obbe Philipszoon zu Groningen in dieses Amt eingeführt. Er hat fortan bis an sein Lebensende (von 1537 bis 1559) mit großer Gewissenhaftigkeit und Strenge seines Amtes gewartet; und obschon er in keiner Weise durch seine Stellung dazu berufen war, so hat er doch durch seinen sittlichen Ernst und seine aufrichtige Frömmigkeit einen solchen Einfluß unter ihnen gewonnen, daß diese Gemeinden sich später zuerst in Holland und dann überall am liebsten nach ihm „Mennoniten“ nannten. In den Jahren 1537 [364] bis 1541 stand er in Groningen; hier hat er sich auch verheirathet. Von hier aus besuchte er dann die Gemeinden in Friesland. Als sodann auf Befehl des Kaisers Karl V. vom Hofe in Friesland im December 1542 ein scharfes Edict wider ihn erlassen und ein Preis von hundert goldnen Carolusgulden auf seine Verhaftung gesetzt ward, begab er sich nach Amsterdam. Aber auch in Holland war er bald nicht mehr sicher, und so siedelte er gegen Ende des Jahres 1543 nach Emden über, wohin ihn Johannes a Lasko (vgl. Bd. XVII, S. 736 ff.) zu einer Disputation über die Menschwerdung Christi eingeladen hatte. Doch auch in Ostfriesland konnte er nicht bleiben, weil die Verfolgungen der Wiedertäufer auch hier wieder heftiger wurden, und so entwich er in das Erzbisthum Köln, wo er unter dem Schutze des Erzbischof Hermann von Wied (vgl. Bd. XII, S. 135) in der Stadt Köln wirkte (1545). Ob er damals auch in Bonn und Wesel thätig war, ist nicht sicher; das Gesuch um freies Geleit nach diesen Orten, da er sich erboten hatte, mit den Gelehrten in Bonn und den Predigern in Wesel zu disputiren, ward ihm wenigstens abgeschlagen. Nach der Entsetzung des Erzbischofs im J. 1546 begab er sich nach Holstein, wo er dann bis an sein Ende verweilte, abgesehen von den mehrfachen Reisen, die ihn von hier aus wieder nach Friesland, Holland und an den Rhein führten. Im J. 1554 war er einige Monate in Wismar, wo er im Februar mit Micronius aus Emden wieder über die Menschwerdung Christi disputirte. Während dieser Jahre unternahm er auch vielfach Visitationsreisen in die wiedertäuferischen (mennonitischen) Gemeinden an der Ostsee, die ihn vielleicht bis nach Königsberg und in die Ostseeprovinzen führten; es wird angenommen, daß in diesen Gemeinden damals kaum jemand anders als durch ihn die Taufe erhielt. Er mußte es dann noch erleben, daß in den Gemeinden seines Bekenntnisses ein heftiger Streit über die Bedeutung und Ausübung des Bannes entstand; er selbst hatte sich anfänglich für eine mildere Handhabung dieses äußersten Mittels der kirchlichen Disciplin entschieden, ging dann aber, von andern Aeltesten gedrängt, zu der strengeren Ansicht über. Als er in Folge eines Beschlusses der Städte Hamburg, Lübeck, Wismar, Stralsund, Rostock und Lüneburg gegen die Wiedertäufer im J. 1555 sich nach einem sicheren Aufenthalt umsehen mußte, fand er einen solchen auf dem „Wüstenfeld“, einer zum Gute Fresenburg bei Oldesloe gehörigen Ortschaft. Dieses Gut war seit dem Jahre 1543 im Besitz des Grafen Bartholomäus von Ahlefeldt. Es befand sich hier schon eine kleine Gemeinde seines Bekenntnisses, die während der Verfolgungen in Holland dort Aufnahme gefunden hatte, und die sich jetzt, da Menno’s Anwesenheit dort viele hinzog, sehr vergrößerte. M. richtete sich hier eine eigene Druckerei ein; hier ist er auch gestorben und begraben. – Eine große Wirksamkeit hat M. zu seiner Zeit und bis heute durch seine vielen Schriften ausgeübt. Es sind das zum Theil kleinere Tractate erbaulichen Inhalts, theils aber auch größere polemische Schriften, in welchen er seine Ansichten gegen David Joriszoon, a Lasko, Micronius, Gellius Faber und andere vertheidigte. Er zeichnete sich nicht gerade durch neue, originelle Gedanken aus, vielmehr schließt er sich in seinen Ansichten und Gedankenreihen meist an andere an; aber die Art seiner Ausführungen, seine Treue und sein Eifer, und dann nicht zum mindesten seine bedingungslose Hingabe an die heilige Schrift, wie er sie verstand, verschafften seinen Schriften in den betreffenden Kreisen einen bedeutenden Erfolg. Die ersten Drucke derselben sind jetzt äußerst selten; und die Sammlungen, deren letzte und vollständigste Amsterdam 1681 in Folio erschien, lassen sehr viel zu wünschen übrig; aus ihnen kann man, weil seine Werke in ihnen nur in einer schlechten Übersetzung ins Holländische vorliegen, nicht einmal über seinen Stil urtheilen; dabei sind sie theilweise auch verstümmelt. – Man hat ihm mitunter einen Vorwurf daraus [365] gemacht, daß er sich immer geschickt den Nachstellungen seiner Feinde entzogen und so nicht, wie so viele begeisterte Führer der Wiedertäufer, sein Leben für seine Überzeugung gelassen habe. Aber an Aufopferungsfähigkeit und Leidenswilligkeit hat es ihm nicht gefehlt; wie er denn, seitdem er sich einmal entschieden den Wiedertäufern zugewandt, für seinen Glauben Verfolgungen und Armuth erduldet hat. Und gerade seine größere Besonnenheit hat doch andererseits es zu Wege gebracht, daß diejenige Richtung unter den Wiedertäufern, der er angehörte, sich weiter ausgebreitet und in der alten und zumal auch in der neuen Welt erhalten hat.

Die vorstehenden Ausführungen schließen sich im Wesentlichen an die von de Hoop Scheffer in der theologischen Realencyklopädie von Herzog, Plitt und Hauck, 2. Aufl., Bd. IX, S. 560 ff., veröffentlichten Resultate seiner Forschungen; von demselben Forscher sind noch weitere Aufschlüsse über Menno’s Leben in den Dooptgezinde Bijdragen zu erwarten. – Menno’s eigne Schrift über seinen Ausgang aus dem Papstthum und seine Bekehrung lag dem Unterzeichneten nur in einer sicherlich sehr mangelhaften und fehlerhaften deutschen Ausgabe, Frankfurt u. Leipzig bei Abraham Jerischer, s. a. (85 S. kl. 8°), vor. Die erste ausführliche Lebensbeschreibung Menno’s findet sich bei Moller, Cimbria literata II, p. 835 bis 842, unter dem Schlagwort Simonis; vgl. auch Jöcher, Bd. IV, Sp. 610. – A. M. Cramer, Het Leven en de Verrigtingen van Menno Simons, Amst. 1837. Berend Carl Roosen, Menno Symons den Mennoniten-Gemeinden geschildert, Leipzig 1848; wieder abgedruckt in Amerika: Mitford Square, Pa., 1874. Max Goebel, Geschichte des christlichen Lebens u. s. f. I, S. 191 ff. – [Frau] A. Brons [geb. Cremer ten Doornkaat], Ursprung, Entwickelung und Schicksale der Taufgesinnten oder Mennoniten, Norden 1884. – Über Menno’s Geburts- und Sterbejahr vgl. Mennonitische Blätter, herausg. von H. van der Smissen, 29. Jahrgang, 1882, Nr. 9, S. 66 ff.