ADB:Joris, David
Arnold Houbraken berichtet in seiner (holländisch geschriebenen) Großen Schaubühne der niederländischen Maler: „Noch heute (1718) bewahren Liebhaber Zeichnungen von seiner Hand. Vier solcher Handzeichnungen besaß der Kunstfreund Jacob Moelaart zu Dordrecht: die Findung des Moses, die Darstellung des gelobten Landes, Petrus empfängt die Himmelsschlüssel und der Hauptmann über Hundert. Sie sind mit der Feder gezeichnet, mit dem Pinsel ausgeführt und erinnern in der Behandlung an Lucas van Leiden.“ 1524 heirathete er Dirckgen Willems (Theodorica Guilielmi) zu Delft. Die religiöse Gährung seiner Zeit ergriff ihn gewaltig; mit brennendem Eifer richtete er seine offenen Briefe wider „die falschen Heuchler, Mönche und Pfaffen, den Antichrist (den Papst) und den weißen Gott“ (das Sacrament). Als er 1528 sogar persönlich gegen eine Procession mit der Hostie auftrat, wurde er eingezogen, auf einem [533] Schaffot gegeißelt, man durchbohrte ihm die Zunge und verbannte ihn auf drei Jahre aus der Stadt. Von da an schwebte J. fortwährend in Lebensgefahr. Die nie rastenden Verfolgungen beschleunigten nur seinen Uebertritt zum Anabaptismus, nur blieb er ein entschiedener Gegner der Münster’schen Partei. 1536 bekam er Visionen und glaubte seitdem an seine unmittelbare Erleuchtung und an sein Prophetenamt. Er vertrat die bekannte Mystik der drei Weltalter im Gottesreich, die im jüdischen Tabernakel vorgebildet sein sollten: 1) der Vorhof = Periode des Alten Bundes (Gott-Vater); 2) das Heilige = Periode des Neuen Testamentes (Gott-Sohn); 3) das Allerheiligste = Periode des heiligen Geistes. J. war der Prophet dieser neuen Offenbarung, der geistige Christus David, im Gegensatz mit dem (noch fleischlichen) Christus Jesus, mit dem (das blos äußerliche) Wort und Sacrament aufhören sollten. Im J. 1544 zog J. mit Weib und Kindern nach Basel, und lebte dort unangefochten bis 1556; er führte den Namen Johann (auch dieser Name war ihm als Kind beigelegt worden) von Brügge (diese Stadt war der Geburtsort seines Vaters). Indem er in Basel unerkannt lebte, blieb er schriftstellerisch thätig, denn sein Anhang war zahlreich und weit verbreitet; viele der „Joristen“, auch seine eigene Mutter (schon 1538) bewährten ihren Glauben als Märtyrer. Joris’ Schriftstellerthum, ausschließlich in holländischer Sprache, umfaßt den Zeitraum 1529–1556. Seine zahlreichen Schriften, die den ungenannten Druckern öfter gefährlich wurden, enthalten Lieder, Inspirationen, Ermahnungen zu einer mystischen Ascese (die Polygamie nicht ausschließt), allegorisirende Schrifterklärungen etc. – sind aber alle miteinander weitschweifig, ermüdend, langweilig, sehr wenig geistreich. Für sein Hauptwerk erklärt er selbst das „Wunderbuch“ (1542 und 1551 gedruckt) „in dem offenbart wird, was von der Welt Anfang verschlossen war“. Schöner als der unendliche Wortschwall (die zweite Ausgabe bildet einen stattlichen Folianten), sind darin ein paar sinnliche Zeichnungen von J. selbst, u. A. das Bild „des neuen himmlischen Adam, des wahrhaften Gottesmannes“ (= David Joris). Ein zweiter Foliant, „Das Buch der Schöpfungen“, enthält eine phantastische Erklärung der mosaischen Schöpfungsgeschichte. Drei Jahre nach seinem Tode, 1559, wurde der Sektenstifter von einem Schwiegersohn bei der evangelischen Geistlichkeit zu Basel denuncirt, auf Befehl der Obrigkeit (unter Anwendung jüdischer und römischer Gesetze) wieder ausgegraben und sein Leichnam vom Henker verbrannt. Noch ein Jahrhundert später wurden „Joristen“ in Holstein verfolgt.
Joris: David J. (eig. Joriß, d. h. Joriszoon, Georgs Sohn) ist im J. 1501 oder 1502 zu Delft in Holland geboren; seine Eltern waren Joris de Koman (d. h. Georg der Kaufmann oder Krämer) und Maria de Gorter. Das nicht unbedeutende Zeichentalent des Knaben führte ihn auf die Erlernung der Glasmalerei, sodaß er u. A. im J. 1522 auf Kosten der Zünfte für die Hauptkirche zu Enkhuizen (Nordholland) etliche Fensterscheiben malte. Der Maler- Vgl. meine Studien im Bibliophile belge. 1865, p. 137, 158; 1866 p. 129 ff. – 57 Schriften über David Joris und über 250 Schriften von ihm habe ich in meiner bibliographischen Monographie David Joris (Haag 1867, gr. 8.) zusammengestellt; ein Zusatz von Emil Weller findet sich im Serapeum 1869, S. 253.