Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lasko, Johann“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 736–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Laski,_Johannes&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 10:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Lasker, Julius
Nächster>>>
Laspeyres, Adolph
Band 17 (1883), S. 736–739 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johannes a Lasco in der Wikipedia
Johannes a Lasco in Wikidata
GND-Nummer 118726633
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|736|739|Lasko, Johann|Julius August Wagenmann|ADB:Laski, Johannes}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118726633}}    

Lasko: Johann L. (Laski Jan, wie der Name polnisch lautet, Johannes a Lasco, wie er selbst gewöhnlich lateinisch sich nennt), polnischer Edelmann, Humanist und Theolog des 16. Jahrhunderts, Reformator von Ostfriesland, ist zwar in Polen geboren und gestorben (geb. 1499, † 1560), hat aber so lange in Deutschland gelebt und auf die Reformation und Organisation deutscher Kirchen einen so bedeutenden, zum Theil bis heute dauernden Einfluß geübt, daß ihm auch in einer deutschen Biographie eine Stelle gebührt. Abstammend aus einem der reichsten und vornehmsten polnischen Adelsgeschlechter, Sohn des Wojewoden Jaroslaw, Erbherrn auf Lask, Palatin von Sieradz († 1523), Neffe des Erzbischofs Johannes von Gnesen († 1531), wurde er als mittlerer von drei Brüdern um 1499, wahrscheinlich auf der Stammburg seiner Väter, zu Lask bei Petrikau in Großpolen (nach anderen Angaben 1496–97 zu Warschau oder Krakau) geboren. Frühe schon für eine geistliche Laufbahn bestimmt, genoß er seine erste Erziehung und Bildung unter den Augen seines Oheims zu Krakau, begleitete denselben 1513 auf einer Reise zum Lateranconcil in Rom, trieb dann 1514 ff. mehrere Jahre lang humanistische, theologische und kanonistische Studien auf der Universität Bologna, wurde in seiner Heimath mit verschiedenen geistlichen Pfründen begabt und 1521 zum Priester geweiht. Von entscheidendem Einfluß aber auf seine geistige Entwickelung und Lebensrichtung wurde eine zweite Studienreise, die er 1524 unternahm: erst nach Basel, wo er des Erasmus Schüler und Hausgenosse wird und von ihm „den ersten Unterricht in der wahren Religion“ erhält, und von wo aus er auch mit Zwingli, Oekolampad, Amorbach, Pellikan, B. Rhenanus, Glareanus und andern Männern des Erasmischen und Zwingli’schen Kreises persönlich bekannt wird, – dann nach Paris und Venedig, von wo er 1522 nach 2½jähriger Abwesenheit nach Polen zurückkehrt. Nachdem er durch einen feierlichen Reinigungseid vor dem Bischof von Krakau (bei Kuyper II, 547) von dem auf ihm ruhenden Verdacht ketzerischer Meinungen sich gereinigt und dem heiligen Stuhl in allen erlaubten und ehrbaren Dingen lebenslänglichen Gehorsam gelobt hatte, eröffnete sich ihm eine glänzende kirchliche Laufbahn in seinem Vaterlande: er wurde zum Decan und Propst in Gnesen, zum Archidiakonus in Warschau ernannt, ja noch 1528 vom polnischen König Sigismund zum Bisthum Cujavien vorgeschlagen. Unterdessen aber hatte sich ganz allmählich in ihm eine längst vorbereitete religiöse Wandlung vollzogen: plötzlich verließ er sein Vaterland 1538 mit Urlaub und Empfehlungsbriefen des polnischen Königs, aber zugleich in der bestimmten Absicht, unter Verzicht auf alle seine Titel, Würden und Pfründen aus der römischen Kirche zu scheiden, um hinfort als armer Knecht seines Herrn Christus die Lehre des Evangeliums zu verkündigen und der Kirche Christi nach seinem ganzen Vermögen zu dienen (Kuyper II, 569, 583). Er lenkte seine Schritte zuerst nach Frankfurt a. M., wo er mit Albert Hardenberg (s. Bd. X, 558) bekannt wurde, dann über Mainz, wo beide eine Zeitlang verweilten, nach Löwen, wo er an eine evangelische Gemeinde sich anschloß und mit einem braven Mädchen bürgerlichen Standes sich verheirathete. Um ein stilles Asyl zu finden, wandte er sich 1540 nach Ostfriesland und ließ sich zuerst in Emden, dann auf einem kleinen Landgut Abbingwehr in der Nähe von Emden nieder. Nachdem er hier eine Zeitlang als Privatmann gelebt, übernahm er auf den dringenden Wunsch der verwittweten Gräfin Anna, der damaligen Regentin von Ostfriesland (Bd. I, [737] S. 468) im J. 1543 die Leitung aller Kirchen des Landes. In dieser Stellung als erster Generalsuperintendent in Ostfriesland, verhalf er der evangelischen Lehre in der ganzen Grafschaft zum Sieg theils durch Kämpfe mit den Franziscanern und anderen Vertheidigern der alten Kirche, theils durch Verhandlungen mit den aus den Niederlanden gekommenen Wiedertäufern und ihren beiden damaligen Häuptern Menno Simonis und David Joris, theils durch Einführung neuer kirchlicher Ordnungen für die unter eigenthümlichen Verhältnissen entstandene, der einheitlichen Organisation noch ermangelnde evangelische Kirche Ostfrieslands (Anordnung einer Kirchenvisitation, Einführung von Gemeindeältesten, Errichtung des sog. Coetus oder der Predigersynode, Abfassung eines Katechismus, Entwurf einer Lehrorduung unter dem Titel „Epitome doctrinae eccl. Frisiae Orient.“). In Folge des Interims aber sah er sich 1549 genöthigt, sein Amt wenigstens zeitweilig aufzugeben und Ostfriesland zu verlassen. Er begab sich zuerst nach Bremen zu seinem Freund Hardenberg und von da 1550 nach England, wo er bei Erzbischof Cranmer und den andern Freunden der evangelischen Lehre, die er schon zuvor bei einem Besuch kennen gelernt hatte, offene Aufnahme fand. Sein vornehmstes Streben ging dahin, die damals in London zahlreich vorhandenen Protestanten fremder Zunge (Franzosen, Niederländer und Deutsche, Italiener und Spanier etc.) zu einem kirchlichen Organismus zusammen zu schließen und ihnen zu einem geordneten Gottesdienst und Kirchenwesen zu verhelfen. Durch königlichen Erlaß vom 4. Julius 1550 wurde ihnen eine Kirche in London, die des alten Augustinerklosters Austin Friars, zugewiesen und an derselben L. als Superintendent mit 4 Geistlichen angestellt (Superintendens et Minister ecclesiae Germanorum et aliorum peregrinorum in civitate London). Ueber die Einrichtungen dieser Gemeinde berichtet L. in einer ausführlichen Denkschrift („Forma et ratio tota eccl. ministerii etc.“ bei Kuyper II, 1–277), deren Abfassung er noch in England kurz vor dem Tode König Eduards VI. begann, aber erst später c. 1556 beendete (s. Dalton S. 377 ff.). 1553 nöthigt ihn die Thronbesteigung der blutigen Maria, England mit seiner Fremdlingsgemeinde zu verlassen (17. Septbr.). In Dänemark, wohin er zuerst sich wandte, und ebenso in den strenglutherischen Seestädten Wismar, Lübeck, Rostock, Hamburg wegen Ketzerei, d. h. wegen Annahme der schweizerischen Abendmahlslehre abgewiesen, ging er wieder nach Ostfriesland, um hier bei seiner früheren Gönnerin, der Gräfin Anna, und in der Stadt Emden, „der Herberge der Lieblinge Gottes“, für sich und seine Flüchtlingsgemeinde eine Zufluchtsstelle zu finden. Er selbst trat in seine frühere kirchliche Stellung wieder ein und suchte mit dem alten Feuereifer für die Sache des Evangeliums zu wirken. Aber nicht Allen, zumal am gräflichen Hofe, war der kraftvolle Mann genehm: sie wünschten einen schmiegsameren Superintendenten. Während Lasko’s Abwesenheit war eine Partei mächtig geworden, der theils aus politischen Rücksichten, theils aus dogmatischen Gründen sein Einfluß ein Dorn im Auge war und die schließlich auch die Gräfin gegen ihn einzunehmen oder wenigstens soweit einzuschüchtern wußte, daß sie in seine Entlassung willigte. Er verließ Emden im April 1555, wenn auch vorerst noch in der Hoffnung, zu günstigerer Zeit nach Ostfriesland, an dessen Kirche er sich gebunden fühlte, zurückzukehren. Zunächst reiste er mit Zurücklassung seiner Familie über Köln nach Frankfurt a. M., wo ein Theil seiner früheren Londoner Fremdlingsgemeinde (Engländer, Franzosen und Niederländer) sich niedergelassen und vom Rath eine Kirche zu gemeinsamer Benutzung erhalten hatte. Unterdessen aber war der Abendmahlsstreit zwischen deutschen und schweizerischen Theologen mit erneuter Heftigkeit ausgebrochen: lutherische Eiferer wie Westphal in Hamburg und Timann in Bremen suchten die calvinische Lehre als schriftwidrig darzustellen und den Anhängern derselben als im Widerspruch [738] mit der Confessio Augustana stehend das Recht auf Duldung innerhalb des deutschen Reiches zu bestreiten. Dagegen lag nun L. Alles daran, sein und seiner Gemeinden wesentliche Uebereinstimmung mit dem Augsburgischen Bekenntniß zur Anerkennung zu bringen. Zu diesem Zweck schrieb L. 1555 seine „Purgatio eccl. peregrinorum“, Francof., die er an Calvin übersandte und dem Frankfurter Rath überreichen ließ. Im Mai 1556 aber reiste er, einer Einladung des Herzogs Christoph von Württemberg folgend, nach Stuttgart, um hier mit Johann Brenz ein Religionsgespräch zu halten. Dieses fand am 22. Mai statt in Gegenwart der Stuttgarter Geistlichen und zweier weltlichen Räthe. Es kam zu keiner Einigung, da Brenz auf seiner Ubiquitätslehre beharrte und erklärte, daß L. im Artikel vom Abendmahl von dem Augsburger Bekenntniß vollständig abweiche. Unverrichteter Dinge, aber vom Herzog mit freundlichen Versprechungen entlassen (s. Kuyper II, 730), kehrt L. nach Frankfurt zurück. Hier fand er eine Botschaft aus Polen, die ihn dringend in seine Heimath zurückrief. Da auch weitere Versuche Lasko’s, unter den deutschen Protestanten eine Einigung über die Abendmahlslehre herbeizuführen, erfolglos blieben, so verläßt er endlich Frankfurt den 21. Octbr. 1556 und reist über Kassel, wo er mit Landgraf Philipp, und über Wittenberg, wo er mit Melanchthon verhandelt, nach Polen, wo er im December 1556 nach 18jähriger Abwesenheit anlangt – ein 60jähriger Greis, aber voll jugendlicher Schaffenslust. – In Polen hatte unterdessen während der Regierung des Königs Sigismund August seit 1548 die reformatorische Bewegung unter dem Volk wie beim Adel große Fortschritte gemacht. Trotz der Gegenwirkung des päpstlichen Nuntius Lipomani, des Bischofs Stanislaus Hosius von Ermeland und einer von ihnen geleiteten römischgesinnten Partei findet L. Eingang, wird 1557 zum Superintendenten der reformirten Gemeinden in Kleinpolen gewählt und ist bis zu seinem Tod unermüdlich thätig für Ausbreitung der reformirten Lehre, Leitung der Gemeinden, Herstellung einer polnischen Bibelübersetzung, Bekämpfung der sich dort einnistenden Antitrinitarier, vor Allem aber für friedliche Einigung der drei evangelischen Religionsparteien, der Reformirten, Lutheraner und mährischen Brüder, – eine Einigung, die dann freilich erst 10 Jahre nach Lasko’s Tod durch den Vergleich von Sendomir 1570 erreicht wurde. – Wir besitzen von L. mehrere Bilder: die kräftige, gedrungene Gestalt, das ernste und doch milde Gesicht mit dem tief auf die Brust herabwallenden Bart zeigen den würdigen Gottesmann wie den polnischen Edelmann; die Rechte hält die Bibel, die Linke ein Blatt Papier mit seinem Wahlspruch: Nulla piis patria in terris superna quaerentibus. Und in der That hat sein Leben und Wirken in einem Maß wie kaum bei einem andern der Reformatoren etwas Internationales und Interconfessionelles: fast alle europäischen Culturländer hat er lernend oder lehrend durchwandert, Einigung der Bekenntnisse oder doch friedliches Sichvertragen auf dem gemeinsamen Fundament der apostolischen Lehre war das Ziel seines Strebens und Hoffens. In seinem Heimathland Polen sind, wie sein Geschlecht, so auch die Spuren seines Wirkens untergegangen; dagegen haben in Deutschland, besonders in Ostfriesland, die Früchte seiner kirchlichen Thätigkeit zum Theil bis in die Gegenwart sich erhalten: durch seine Kirchenordnungen, die auch anderen Kirchen zum Vorbild dienten, sowie durch seinen Emdener Katechismus, eine wichtige Vorarbeit für den Heidelberger, ist er einer der Hauptbegründer der deutschreformirten Kirche, durch seine irenische Stellung innerhalb der confessionellen und theologischen Gegensätze und Kämpfe ist er ein Vorläufer der Union geworden. Lasko’s Schriften, die zum Theil zu den größesten litterarischen Seltenheiten gehören, sowie seine Briefe an viele der hervorragendsten Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts sind zum erstenmal gesammelt und mit werthvollen Einleitungen herausgegeben von dem holländischen Prediger Kuyper [739] unter dem Titel: „Joannis a Lasco Opera tam edita quam inedita“, Amsterdam 1866 in 2 Bänden. Sie zerfallen in drei Sektionen: I. Opuscula dogmatica et polemica: 1) de coena 1544, 2) epitome doctrinae 1544, 3) de incarnatione adv. Mennonitas 1545, 4) de fugiendis papisticis sacris 1546, 5) Summa controversiae de coena 1551, 6) de Sacramentis 1552, 7) Confessio de communione Christi 1554, 8) de recta ecclesiarum instit. ratione 1556, 9) purgatio ministrorum 1556, 10) resp. ad Hosium 1559, 11) resp. ad Westphalum 1560; II. Opuscula liturgica et symbolica: 1) Confessio Londinensis 1551, 2) Catechismus Londin. 3) brevis fidei exploratio 1553, 4) Catechismus Emdenus 1554, 5) Forma et ratio eccl. ministerii in peregrinorum ecclesia Londinensi 1555; III. Epistolae ad diversos, 126 Briefe aus den Jahren 1526–60.

Monographische Darstellungen seines Lebens haben gegeben Schwekendiek 1847, Bartels 1860, Thelemann in der theol. RE. 2. A. VIII. 1881, besonders aber H. Dalton, Johannes a Lasko. Beitrag zur Reformationsgeschichte, Gotha 1881 (wo auch ein ausführliches Verzeichniß der übrigen Quellen und Bearbeitungen S. XXI–XXVII gegeben ist).