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Artikel „Hardenberg, Albert Rizaeus aus“ von Wilhelm Krafft in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 558–560, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hardenberg,_Albert&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:12 Uhr UTC)
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Hardenberg: Albert Rizaeus aus Hardenberg in der holländischen Provinz Overyssel, gewöhnlich H. genannt, während sein Familienname Rizaeus zurücktritt; geboren im J. 1510, in der Schule des Brüderhauses zu Groningen ganz im Geiste der Brüder des gemeinsamen Lebens erzogen. Er setzte seine Studien seit dem J. 1527 im Kloster Aduard bei Groningen unter Leitung seines Verwandten, des gelehrten Abtes Joh. Reekamp, fort, die den Classikern, Kirchenvätern und vor Allem der heiligen Schrift gewidmet waren. Im J. 1530 bezog H. die Universität Löwen, die gegen Luther und die Reformation, ja auch gegen Erasmus sehr feindselig auftrat, aber gerade dadurch H. zur eifrigen Beschäftigung mit ihren Schriften antrieb und für sie geneigt stimmte. Als Baccalaureus verließ H. die Universität Löwen und ging nach Mainz, wo er wahrscheinlich zum Doctor der Theologie promovirt wurde (1537?). Hier schloß er Freundschaft mit Joh. a Lasko. H. kehrte dann mit diesem nach Löwen zurück, wo H. mit großem Freimuth die paulinische Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben vortrug. Trotz des Beifalls, den er bei den Studenten und Bürgern fand, mußte er in Folge von Anklagen seiner Gegner mit a Lasko Löwen verlassen. Dieser wandte sich nach Emden, H. fand zu Aduard einen Zufluchtsort, wo er drei Jahre, bis zum J. 1542, eine Lehrerstelle bekleidete. Während dieser Zeit machte er auf Veranlassung des evangelisch gesinnten Bischofs von Münster, Franz von Waldeck, eine Reise nach Bonn zu dem Kölner Erzbischof, Hermann von Wied, und knüpfte die Beziehungen an, die später seinen Eintritt in die Dienste dieses geistlichen Fürsten herbeigeführt haben. H. trat damals auch in Verbindung mit Melanchthon, auf dessen Wunsch er sich nach Wittenberg wandte und sich von der römischen Kirche nun offen lossagte. Im J. 1543 ist H. in Wittenberg inscribirt worden. H. hat gewiß Luther dort kennen gelernt, ohne daß er bei der Verschiedenheit der Naturen in ein näheres Verhältniß zu ihm getreten ist. Mit Melanchthon aber knüpfte H. ein engeres Freundschaftsband an, das, wie der fortgesetzte Briefwechsel beweist, bis zum Tode Jenes fortbestanden hat. Im J. 1544 begab sich H., von Melanchthon empfohlen, zu dem Erzbischof Hermann von Köln, der zur Durchführung der eben begonnenen Reformation und zur Vertheidigung derselben eines tüchtigen Theologen bedurfte. Auf mehreren Reichstagen, zu Speyer 1544 und zu Worms 1545, stand H. ihm hülfreich zur Seite und [559] leistete ihm wesentliche Dienste. Zur Durchführung der Reformation in Kurköln ernannte Hermann seinen treuen Gehülfen H. zum Pastor von Kempen. Diese Stelle legte H. erst nieder (im J. 1547), als nach der Amtsniederlegung Hermanns die Erzdiöcese zum Katholicismus zurückkehren mußte. – H. trat dann 1547 als Feldprediger in die Dienste des Grafen Christoph von Oldenburg, früheren Canonicus zu Köln, der mit Albrecht von Mansfeld das von Magdeburg, Braunschweig und Hamburg zur Befreiung Bremens aufgebotene Heer befehligte. In der Schlacht bei Drakenborg (Mai 1547), in der Bremen befreit wurde, zeichnete sich H. aus und als Verwundeter zog er mit dem siegreichen Heere in Bremen ein. Auf den Vorschlag des Bremer Domcapitels, das lange der Reformation widerstanden, damals aber schon fast ganz lutherisch war, wurde er zum Domprediger ernannt. Als solcher stand er nicht unter der städtischen Obrigkeit, dem Rath; hatte auch keine eigene Gemeinde und brauchte keine Amtshandlungen zu verrichten; außer zwei Predigten sollte er theologische Vorlesungen halten, daher er den Titel „Professor“ führte. – H. stand anfangs mit den Bremer Pfarrern, unter denen Jakob Probst und Johann Timann die angesehensten waren und sich für die Einführung der Reformation große Verdienste erworben hatten, im besten Einvernehmen. Dies wurde noch befestigt durch den Kampf gegen das Interim, in dem H., trotz seiner Freundschaft mit Melanchthon, fest zu seinen Bremer Collegen stand. Das Bewußtsein ihrer Einigkeit war damals so lebendig, daß H. mehrfach im Auftrag der Bremer Pfarrer theologische Gutachten verfaßte. Erst durch den nach Luther’s Tode erneuerten Abendmahlsstreit, den Joh. Westphal; Pfarrer zu Hamburg, seit 1552 durch Angriffe gegen Calvin u. A., unter denen Melanchthon mitgemeint war, anstiftete, änderte sich Hardenberg’s Stellung zu den Bremer Predigern. Man legte auch in Bremen der lutherischen Abendmahlslehre immer größeres Gewicht bei und Joh. Timann übernahm es, sie gegen ihre Widersacher zu vertreten. Er verfaßte eine Schrift „Farrago etc.“, in welcher die von Luther’s Lehre abweichende Ansicht seines Collegen H., der mit seinem Freunde Melanchthon übereinstimmte, bekämpft wurde. H. und seine Freunde nahmen an der Timann’schen Schrift besonders Anstoß, weil die Ubiquität des verklärten Leibes Christi darin vertheidigt wurde, und diese Lehre, nicht die Lehre vom Abendmahl selbst, bezeichneten sie als den eigentlichen Gegenstand des Streits. Als Timann forderte, daß alle Bremer Pfarrer, um ihre Einigkeit in der Lehre zu bezeugen, die „Farrago“ unterschreiben sollten, weigerte sich H. mit zwei anderen Pfarrern und es brach nun der Bremer Abendmahlsstreit offen aus (1556). Vergebens suchte der Rath den Streit durch ein Colloquium zu schlichten. Er wandte sich, da die Bürger an der Sache immer lebhafteren Antheil nahmen, nach Wittenberg um ein Gutachten (vom Januar 1557), das der Ansicht Hardenberg’s vom Abendmahl nicht entgegen war. Die Gutachten der Ministerien anderer Städte dagegen, wie Braunschweig, Magdeburg, Hamburg und Lübeck, die man von Bremen eingefordert hatte, lauteten anders. Sie warnten den Bremer Rath vor aller Gemeinschaft mit den Sacramentirern und die Mehrzahl des Rathes neigte sich zu der Ansicht, daß H. entfernt werden müsse, um den kirchlichen Frieden wieder herzustellen. Die Einzelnheiten des weiteren Verlaufes des Streites, in dem sich beide Partheien immer mehr gegen einander verbitterten, brauchen hier nicht angeführt zu werden. – Endlich faßte der sächsische Kreistag den Beschluß (8. Februar 1561), daß das Bremer Domcapitel H. innerhalb 14 Tagen seines Amtes entlassen und aus dem niedersächsischen Kreise ausweisen sollte. H. verließ in Folge dieses Beschlusses (18. Februar) Bremen. Nach seinem Fortgange trat bald ein Umschwung ein. Als man dem Bürgermeister, Daniel v. Büren, dem Freunde Hardenberg’s, im [560] Rathe der Stadt den ihm von rechtswegen gebührenden Vorsitz streitig machen wollte, erzwang er sich denselben mit 4000 Bürgern (19. Januar 1562) und eine größere Anzahl Pfarrer, mit dem Superintendenten Musäus an der Spitze, mußten die Stadt verlassen und ihre Stellen wurden mit Männern von Hardenberg’s Richtung wieder besetzt. So wurde Bremen für die Melanchthonische Sache damals gewonnen und bald ganz reformirt gesinnt. H. selbst kehrte nicht wieder nach Bremen zurück. Er brachte die Zeit bis zum J. 1565 im Kloster Rastede bei Oldenburg zu, mit litterarischen Arbeiten beschäftigt. Im J. 1565 folgte er einem Rufe des Grafen von Knyphausen als Pfarrer nach Sangwarden und zog dann zwei Jahre später (1567) als Pfarrer nach Emden, wohin er früher wiederholt berufen war. Unter Hardenberg’s Einfluß hat die Emdener Kirche, die sich schon früher der reformirten Richtung hingeneigt, in dieser sich immer bewußter befestigt. Nach segensreicher Wirksamkeit starb H. daselbst am 18. Mai 1574. In der großen Kirche wurde ihm ein Epitaphium gesetzt. Seine Bücher befinden sich noch auf der dortigen Bibliothek. –

Die Schriften Hardenbergs im Bremer Streit hat D. Gerdes in seiner Geschichte desselben, Bremen 1756, 4°, genau aufgeführt. Vgl. auch H. W. Rotermund, Lexikon aller Gelehrten, die seit der Reformation in Bremen gelebt haben, 1. Theil, Bremen 1818 (Verzeichniß aller bekannten Schriften Hardenberg’s). Neuerdings Bernhard Spiegel, Dr. Alb. Rizaeus Hardenberg, Bremen 1869, eine Monographie von großem Werthe, da neue handschriftliche Quellen benutzt worden sind.