ADB:Hardenberg, Friedrich August von

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Artikel „Hardenberg, Friedrich August von“ von Rudolf Goecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 560–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hardenberg,_Friedrich_August_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 00:14 Uhr UTC)
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Hardenberg: Friedrich August v. H., am 30. October 1700 zu Ober-Wiederstedt in der Grafschaft Mansfeld geboren, zeichnete sich als hervorragender Verwaltungsbeamter und Minister dreier kleinstaatlicher Fürstenhöfe aus. Nachdem er seine erste Bildung auf dem Francke’schen Pädagogium zu Halle empfangen, bezog er 1719 die Universität Leipzig, um Jura und Cameralia zu studiren. Im Herbst 1722 bereiste er, nach der Weise damaliger junger deutscher Edelleute, die Niederlande, Frankreich und England, berührte auch Stuttgart, wo er Gefallen an einem Fräulein Maria Anna Elisabeth von Gemmingen fand, welche nachmals (28. März 1728) seine Gemahlin wurde. Sein Vater, der in braunschweigischen Diensten gestanden hatte, vermochte dem jüngeren Sohn kein bedeutendes Vermögen zu hinterlassen; indessen beerbte derselbe bald einen Oheim mütterlicherseits aus dem rheinischen Geschlecht der Eltz, woher sich das Gut Schlöben im Hardenberg’schen Familienbesitze schreibt, dessen Bewirthschaftung H. stets ein Gegenstand sorglichster Mühe und zugleich Freude war, wenn er sich unbefriedigt aus dem Staatsdienst, zeitweise gänzlich, zurückzog. Als Kammerjunker hatte er denselben 1725 am Hofe Ludwig Eberhard’s von Württemberg ernstlich begonnen, in zwei Jahren war er Regierungsrath, in wiederum zwei Jahren Kammerpräsident. Das Regiment der berüchtigten Grävenitz hatte in jenen Tagen nicht mehr so offenes Spiel; größere Schwierigkeiten für die Stellung Hardenberg’s erhoben sich unter dem 1733 zur Regierung gelangenden, zum Katholicismus übergetretenen Herzog Karl Alexander. Es war die Zeit des polnischen Erbfolgekrieges, im Lager des Prinzen Eugen von Savoyen befindet sich der zum Wirklichen Geheimen Rath und Obermarschall avancirte 34jährige Finanzmann noch in der vollsten Gunst seines Herrn. Im Winter desselben Jahres 1734 erhielt er seinen (durch den Juden Sueß veranlaßten?) Abschied in ungnädigster Form. Eine glänzende Genugthuung hierfür ward ihm nach einer Muße von vollen 7 Jahren zu Theil, indem er 1741 zum zweiten Mal in württembergische Dienste und in den Obervormundschaftsrath für die Söhne desselben Herzogs, welcher ihn vertrieben hatte, nach Beseitigung des ganzen unreinen Gelichters am Stuttgarter Hofe, berufen wurde. Jetzt richtete [561] er sein Hauptaugenmerk darauf, den jungen Herzog Karl Eugen in preußische Kriegsdienste zu bringen und mit einer evangelischen Gemahlin zu verheirathen, um denselben dem Protestantismus und damit dem kräftig aufblühenden deutschen Norden mehr zu nähern. Beides gelang bekanntlich, aber ohne Nachhalt. Der durch Verwendung Friedrichs des Großen schon 1744, als 16jähriger, für mündig erklärte Fürst verband sich zwar mit der Prinzessin von Baireuth, aber seine Soldatenspielerei und andere Luxusneigungen machten seinem ernsten und sparsamen Minister den Stand oft recht schwer. Während Karl Eugen für sein Schloß Ludwigsburg 88,000 Reichsthaler von den Landständen zu erzwingen gedachte, schoß der landfremde H. aus seiner Privatkasse armen Gemeinden unverzinsliche Darlehen vor. Während der schlesischen Kriege war es seine Maxime gewesen, die vorderen Reichskreise bei einer Neutralität zu erhalten, die den Leiden des Krieges doch einigermaßen einen Damm entgegensetzte. Der Hinweis auf ein Zusammengehen mit Preußen findet sich wiederholt und trug auch im Aachener Frieden seine Früchte. Aber nachdem das katholische Gefühl des Herzogs auf einer Romfahrt 1753, wo ihn sein Minister begleitete, nicht gerade erheblich gestärkt war, fanden sich andere Gründe, mehr oder minder offen mit dem geschäftskundigen, peinlich vornehmen und auch wol etwas pietistischen Mentor zu brechen. Klar ist dieser Punkt nicht. Auch fand das Verhältniß zu Württemberg erst im Juni 1755 seine definitive Lösung. In die Dienste des Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel als Wirklicher Geheimer Rath und Minister im Steuer- und Finanzfach folgenden Jahres übertretend, fand er dort fast ebenso verwickelte Familienverhältnisse vor. Der Erbprinz Friedrich war zum Katholicismus übergetreten, von seiner Gemahlin, einer englischen Prinzessin, getrennt, unter deren Vormundschaft seine Söhne gestellt wurden. Der Ausbruch des siebenjährigen Krieges erforderte eine bestimmte Stellung zwischen den feindlichen Gegensätzen, welche H. mit seinem ganzen Jahrhundert in dem confessionellen Unterschied der großen Mächte sah. Eine bewaffnete Neutralität, ein Subsidienvertrag mit England und eine evangelische Union, wie sie von Friedrich II. vorgeschlagen, mit Münchhausen in Hannover durchberathen, zuletzt aber dort eine kalte Aufnahme fand, – war Hardenberg’s Programm für Hessen. In der That aber war sein größtes Verdienst um das bald von den Franzosen besetzte Land, daß er nach der Convention von Kloster-Zeven die hessischen Hülfsvölker, mißtrauisch auf die Abmachungen des Herzogs von Cumberland und des Duc de Richelieu, nicht in ihre Heimath zurückkehren ließ, indem sie dort unzweifelhaft gefangen genommen worden wären. Der alte Landgraf weilte während seiner wiederholten Vertreibungen 1757 und 1758 in Stade und Bremen. Inzwischen wurden Millionen von Steuern, Rationen etc. von den französischen Marschällen in Kassel erpreßt, worüber Frau v. H. in überaus verständiger Weise mit ihrem Gemahl correspondirte, welcher im November letztgenannten Jahres nach England zu gehen bestimmt war, um Hessen die Stellung einer gleichberechtigten partie contractante und zugleich Erhöhung der Subsidiengelder zu erwirken. Ein Vertrag hierüber kam am 31. Jan. 1759 zu Stande, der auch vom Erbprinzen mitunterzeichnet wurde, welchen man als zweiten Commandanten von Magdeburg an das preußisch-englische Lager zu fesseln gesucht hatte. Nach dem Tode des Landgrafen Wilhelm am 1. Februar 1760 schien sich anfangs das gute Verhältniß Hardenberg’s zu seinem neuen Herrn fortsetzen zu wollen. Er folgte dem Landgrafen Friedrich wie seinem Vater ins Exil, nach Celle und Lüneburg, als Marschall Broglio Kassel abermals überfiel. Dann im Frühjahr des folgenden Jahres, nach Abwickelung mancher verdrießlichen finanziellen Geschäfte, verlangte der launische Gebieter, daß sich Hardenberg in die Residenz zurückbegebe; zu [562] oft erprobte Sicherheitsbefürchtungen für seine Person ließen dies nicht zu und darüber kam es zum Bruch. Am 8. Juli 1761 waren auch die hessischen Dienste Hardenberg’s abgeschlossen. Eine Gratification seitens Englands hatte er ausdrücklich abgelehnt, seitdem er sah, daß der Landgraf in der bisher eingeschlagenen politischen Richtung schwerlich verharren würde. Nach zwei Jahren der Ruhe trat der kinderlose Mann noch einmal wieder an das so undankbare Steuerruder eines kleinen Staates, diesmal Kurbraunschweigs, als Vorsitzender der Kriegskanzlei in Hannover mit Ministerrang, nach langen vorausgegangenen Verhandlungen. Die Seele des im Wesentlichen von England aus regierten Landes blieb aber hier nach wie vor Münchhausen. In stiller aufbessernder Thätigkeit der durch den Krieg geschlagenen Wunden, andererseits in angenehmer, erheiternder Geselligkeit verbrachte H. den Rest seines Lebens an der Seite seiner hochgeschätzten Frau. Nachdem ihm letztere im Mai 1767 im Tode vorausgegangen war, beschloß auch er seine Laufbahn ein Jahr darauf, am 15. September 1768, nach Stiftung eines Seniorats, das seinem jüngsten Bruderssohn an erster Stelle zufiel, dessen nächster männlicher Nachkomme später der Dichter Novalis wurde.

Ein kleinstaatlicher Minister des 18. Jahrhunderts. Leben und Wirken Friedrich August’s, Freiherrn v. Hardenberg, hrsg. von einem Mitglied der Familie, Leipzig 1877. – Vgl. hierzu Sybel’s histor. Zeitschr. Bd. XXXVI, S. 183.