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Artikel „Eberhard Ludwig, Herzog von Würtemberg“ von Paul Friedrich von Stälin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 561–563, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eberhard_Ludwig&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 20:48 Uhr UTC)
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Eberhard Ludwig, Herzog von Würtemberg, geb. den 18. September 1676, † den 31. October 1733, Sohn des Herzogs Wilhelm Ludwig von Würtemberg und der vortrefflichen Magdalene Sibille von Hessen-Darmstadt. Noch nicht einjährig folgte er den 23. Juni 1677 seinem Vater in der Regierung zunächst unter einer Vormundschaft, welche nach längeren Zwistigkeiten der Herzog Friedrich Karl von Würtemberg-Winnenthal leitete. In diese Periode fallen die Drangsale, welche die Raubkriege König Ludwigs XIV. von Frankreich dem Lande bereiteten: schrecklich hausten in demselben die französischen Heerschaaren, namentlich gegen Ende des J. 1688 (tapferer Widerstand Schorndorfs gegen den Mordbrenner Melac, herbeigeführt durch die Weiber der Stadt, unter Leitung der Gattin des Bürgermeisters Künkel[1]), und wiederum als der im Kampfe gegen die Franzosen thätige Herzog-Administrator im September 1692 bei Oetisheim in Gefangenschaft gerathen war, erfolgte alsbald darauf grausame Plünderung und zum Theil Verbrennung der Städte Vaihingen, Liebenzell, Calw und des Klosters Hirschau. In Folge des Unglückes seines Obervormundes wurde E. L., noch nicht 17 Jahre alt, den 20. Januar 1693 vom Kaiser für volljährig erklärt, mußte aber alsbald sein ganzes Land wieder von den Franzosen mißhandelt und gebrandschatzt, auch insbesondere seine Hauptstadt Stuttgart besetzt sehen und bekam trotz seiner eifrigen Bemühungen im Ryswicker Frieden von 1697 keine Entschädigung, ja ein Artikel jenes Vertrages ermöglichte es König Ludwig XIV., in Mömpelgard gewaltsam den katholischen Gottesdienst einzuführen. Im spanischen Erbfolgekrieg (1701–14) hielt der Herzog mit einem, über seine Verpflichtung als Reichsstand hinausgehenden und für sein Land großen Aufwand von Truppen und Geld, daher auch unter steten Protestationen der Stände, welche zur Unterhaltung einer so großen Truppenmacht sich nicht herbeilassen wollten, unermüdlich eifrig und auch in eigener Person mit Auszeichnung zum Kaiser gegen die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Baiern. Am 15. Mai 1702 Reichs-Feldmarschall-Lieutenant, [562] am 26. Mai 1704 General der Cavallerie, nach dem Tode des Markgrafen Ludwig von Baden am 25. März 1707 Feldmarschall der schwäbischen Kreistruppen, am 20. Juni d. J. kaiserlicher Feldmarschall, nach dem Tode des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Baireuth am 10. Dec. 1712 Reichs-General-Feldmarschall geworden, in den J. 1710 ff. insbesondere für den am Niederrhein thätigen obersten Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen wiederholt mit dem Oberbefehl über das, freilich jämmerliche und zu kräftigen Unternehmungen untaugliche Reichsheer am Oberrhein betraut, zog er mehrere Jahre nach einander in den Krieg. Mit Feldherrntalent begabt, persönlich muthig und tapfer – wie er denn in der Schlacht bei Höchstädt am 13. Aug. 1704, den rechten Flügel im zweiten Treffen commandirend, sich tief ins Handgemenge wagte – erreichte er auf den verschiedenen Punkten des südwestdeutschen Kriegsschauplatzes manchen Vortheil, während freilich im J. 1707 ein Einfall der Franzosen dem Lande wieder großen Schaden that. Zudem erhielt er nach dem unrühmlichen Frieden, welchen der Kaiser im J. 1714 zu Rastatt ohne Rücksichtnahme auf den Vortheil des Reiches abschloß und welchem das letztere zu Baden im Aargau beitrat, zur Belohnung dafür, daß er in diesem Krieg „dreimal sich und sein Land für das allgemeine Beste aufgeopfert hatte“ und nach der Berechnung der Stände die Summe dessen, was das Land bis zum J. 1709 durch Lieferungen, Quartiere, Durchzüge und die feindlichen Einfälle verloren hatte, sich auf mehr als 15 Millionen Gulden belief, nichts als den Wiederbesitz Mömpelgards nach den Bedingungen des Ryswicker Friedens. – Auch noch nach dem Kriege kostete E. Ludwigs Neigung für das Militärwesen und seine Vorliebe für ein prächtiges Leben schwere Summen und gab zu mancherlei Verwicklungen Anlaß, aber namenloses Unheil brachte er über Würtemberg insbesondere dadurch, daß er, eine sinnliche Natur, seit dem Jahre 1706 in die Hände, man kann sagen, in die Knechtschaft der Christiane Wilhelmine v. Grävenitz aus Mecklenburg gefallen war. Diese gewandte und in den Künsten der Koketterie erfahrene, von Herrschsucht und Habgier allein geleitete Person wurde, von ihrem Bruder, dem würtembergischen Kammerjunker Friedrich Wilhelm v. Grävenitz herbeigerufen, um sein Glück am Hofe des Herzogs zu machen, dessen Maitresse, im Juli 1707 aber ihm wirklich heimlich angetraut, sowie auch vom Kaiser in den Reichsgrafenstand erhoben. Alle Vorstellungen, welche nach Veröffentlichung der Trauung gegen diese Doppelehe – der Herzog war seit dem J. 1697 mit der zwar guten, aber fesselnder Reize baaren Johanne Elisabethe von Baden vermählt – von Seiten des Landes sowohl als fremder Fürsten erhoben wurden, blieben erfolglos, indem E. L. erklärte, er sei als protestantischer Fürst Niemand als Gott über Gewissensfälle Rechenschaft schuldig, und erst strenge Befehle des Kaisers, welcher von der Herzogin und ihren Verwandten bestürmt wurde, nöthigten ihn im J. 1710 nach längerem Widerstreben sich von seiner Geliebten zu trennen. Allein so stark hatte sie ihn gefesselt – man glaubte damals fest, sie habe ihn durch Zaubermittel an sich gekettet – daß er schon nach einigen Wochen ihr wieder nachreiste und ein Mittel ausfindig machte, sie wieder ins Land zu bringen. Er vermählte sie an den böhmischen Grafen v. Würben, welcher sich verpflichten mußte, die Ehe nicht zu vollziehen und im Auslande sich aufzuhalten, dafür auch eine bedeutende Entschädigung in Geld und den Titel eines Landhofmeisters, Geheimen Raths und Kriegsrathspräsidenten erhielt. Hierauf kam die „Landhofmeisterin“ wieder nach Würtemberg und führte nunmehr, da auch der Kaiser durch geschickte Unterhandlungen vermocht wurde, sich um die Sache nicht mehr zu bekümmern, volle 20 Jahre lang eine unumschränkte Herrschaft über den Herzog und das Land. Während sie die alten treuen Diener meist unter Anwendung [563] harter Maßregeln zu entfernen wußte, verschaffte sie ihrem Anhang die wichtigsten und einträglichsten Stellen und ließ aus ihren Creaturen das geheime Cabinet errichten, in welchem alles Wichtige entschieden wurde. Durch schamlose Mittel jeglicher Art (Verkauf von Titeln, Aemtern, Gnadenbezeugungen, Feilheit des Rechts, Erhebung falscher Beschuldigungen zum Zweck der Gelderpressung etc.) erwarb sie große Reichthümer und sog, wie den Herzog, welcher für sie den prächtigsten Hofhalt herzustellen hatte, so das Land und die Unterthanen aus. Da die Herzogin durch ihr beständiges Verbleiben in Stuttgart ihr den dortigen Aufenthalt entleidete, erbaute E. Ludwig in den J. 1708 ff. ihr zu Gefallen eine ganz neue Stadt, Ludwigsburg, welches sofort an der Stelle des verödeten Stuttgart zur Residenz und weiteren Hauptstadt des Landes erhoben wurde. Erst als sie beinahe 50 Jahre alt und völlig reizlos, wol aber in ihrer Herrschsucht und in ihren Launen immer unerträglicher geworden, wurde der Herzog kühler gegen sie, und da sich nunmehr auch ihre Gegner erfolgreich erheben konnten, wurde sie nach längeren Verhandlungen (1731–33), während welcher sie zeitweilig in Urach gefangen saß, und nach einem in pecuniärer Hinsicht für sie sehr günstigen Vergleiche außer Landes gebracht. Der Herzog söhnte sich zwar jetzt mit seiner Gemahlin wieder aus, starb jedoch schon nach 2 Jahren, kurz nach dem Tode seines einzigen Sohnes, des Erbprinzen Friedrich Ludwig, weshalb die Regierung jetzt an den Herzog Karl Alexander von der Winnenthaler Linie des Hauses kam. – Mochte übrigens auch dem Herzog, welchem wol an sich Einsicht und eine gewisse Willenskraft nicht abgesprochen werden kann, der aber, dem Sinnengenuß fröhnend, ganz durch seine Buhlerin geknechtet wurde, das Gefühl der Regentenpflicht überhaupt fehlen oder allmählich immer mehr geschwunden sein, so waltete doch zur Zeit seiner Regierung in den verschiedensten Zweigen der Staatsverwaltung eine nicht unbeträchtliche Thätigkeit; es wurde z. B. im J. 1684 (somit allerdings schon während der vormundschaftlichen Regierung) das Gymnasium zu Stuttgart, im J. 1710 ein Zucht-, Waffen- und Armenhaus daselbst gegründet, am 11. Decbr. 1722 die Confirmation im Lande eingeführt, sowie entgegen dem bisherigen ausschließlich lutherischen Charakter der Landeskirche flüchtigen Waldensern und französischen Reformirten die Aufnahme im Herzogthum zu Theil. Endlich wurde im J. 1723 nach dem Aussterben der Mömpelgarder Linie des Hauses die Grafschaft Mömpelgard wieder mit dem Herzogthum vereinigt.

Vgl. Sattler a. a. O. Thl. 11–12 (Ulm 1780–83). Pfaff a. a. O. Thl. 4. S. 65 ff. und die psychologische Studie von G. Rümelin in den Würt. Jahrbüchern Jahrg. 1864. S. 277–283.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 561. Z. 18 v. u. l.: Walch (st. Künkel). [Bd. 26, S. 825]