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Artikel „Probst, Jakob“ von Johann Friedrich Iken in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 614–617, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Probst,_Jakob&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:50 Uhr UTC)
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Probst: Jakob P., vielgenannter Prediger und Superintendent zu Bremen in der Reformationszeit, auch Freund von Luther. Der Name wird auch Propst geschrieben und lateinisch Praepositus. Daß er aber mit eigentlichem Zunamen Spreng oder Sprenger geheißen und jener Name sein Amt bezeichnet haben soll, ist erst eine spätere und ungerechtfertigte Annahme, daraus wohl entstanden, daß seine Zeitgenossen ihn mehrfach nach seiner Vaterstadt Ypern in Flandern Yperensis (Hyperensis) nannten. P. ist nach einer Kölner Matrikel 1486 geboren (schriftliche Mittheilung von Pastor D. Krafft in Elberfeld). Ueber seine Eltern und Jugendzeit ist nichts bekannt, auch die öfter sich findende Notiz, daß er in Erfurt ein Zellbruder Luther’s gewesen, läßt sich nicht nachweisen. Sicher ist, daß er früh in den Augustinerorden eingetreten war und schon vor 1519 als Schüler von Luther in Wittenberg verweilte. In eben diesem Jahre aber ward er in seiner Heimath als Prior des erst kürzlich gegründeten Augustinerklosters zu Antwerpen (Antorf) angestellt. Hier predigte er in reformatorischem Sinne, aber in maßvoller Weise, seinem Charakter entsprechend, nur auf Christum verweisend, wie besonders Erasmus in einem Briefe an Luther (vom 30. Mai 1519) hervorhebt. 1521 finden wir ihn wieder in Wittenberg, wo er seine Studien fortsetzt und dabei das Baccalaureat und die Licentiatur erwirbt. In demselben Jahre auf seinen Posten in der Heimath zurückgekehrt, findet er hier über die evangelische Sache die Verfolgung ausgebrochen. Auch in Antwerpen war das Wormser Edict angeschlagen, Luther’s Schriften verboten und verbrannt, und verschiedene Männer eingezogen. Bald traf es auch ihn, da er wegen seiner Stellung und seines Einflusses besonders gefährlich zu sein schien. Um ihn sicher zu fangen, erschien am 5. December dieses Jahres ein Mitglied des kaiserlichen Raths bei ihm und lud ihn freundlich ein, nach Brüssel zu kommen und nichts zu fürchten. Trotz mehrfacher Warnung ging P. in die Schlinge und beruhigte sogar das Volk, das ihn mit Gewalt zurückhalten wollte. In Brüssel ward er in einem Minoritenkloster gefangen gehalten. Man behandelte ihn gut und bot Alles auf, ihn zum Widerruf zu bewegen, viele hervorragende Männer kamen zu ihm, wie des Kaisers Beichtvater Glapio, die Pariser Doctoren Quintana und Coronel u. A., unterredeten sich eingehend mit ihm und drohten schließlich mit dem Feuertode. P., weich und nachgiebig in seinem Wesen, vermochte zuletzt nicht mehr zu widerstehen und erklärte sich zum Widerruf bereit. [615] Am 9. Februar 1522 erfolgte derselbe vor einer großen Versammlung in der St. Goedelekirche, in Gegenwart des päpstlichen Nuntius Aleander. Die Gegner triumphirten und sandten das Actenstück von seinem Widerrufe weit umher, die Evangelischen aber, vor allem Luther, waren tief darüber bekümmert. Am meisten niedergeschlagen war aber P. selber. Bald sollte es auch ans Licht treten. Man brachte ihn nach seiner Vaterstadt Ypern und ließ ihn in einem dortigen (nicht zur „sächsischen Congregation“ gehörigen) Augustinerkloster, unter gewisser Aufsicht der Franciscanermönche, bleiben. P. hielt sich anfangs ruhig, bald aber begann er wieder vom Evangelium zu zeugen. Obgleich das ohne Polemik geschah, schöpfte man doch Verdacht, und da er die kirchlichen Heilmittel nicht empfehlen wollte, ließ ihn der kaiserliche Inquisitor Franz v. d. Hulst wiederum gefangen setzen (Mai 1522) und zuerst nach Brügge, dann nach Brüssel bringen. Neue lange Untersuchungen stellten hier seinen ungebrochenen Ketzersinn klar und er ward als Rückfälliger zum Scheiterhaufen verurtheilt. Man sperrte ihn in einen dunklen Kerker und das Gerücht von seinem Tode erfüllte bereits seine Freunde mit neuem Schmerz (s. versch. Stellen in Luther’s Briefen jener Tage). Aber durch die Hülfe eines Klosterbruders ward er gerettet und floh nach Wittenberg. Hier verkehrte er aufs Herzlichste mit den Reformatoren und half ihnen in vielen Stücken (Reise zum Grafen Edzard in Ostfriesland, Herausgabe von Luther’s Vorlesungen über die erste Johannesepistel u. s. w.) Auch verfaßte er hier die Geschichte seiner Gefangenschaft, welche ein schmerzliches Bekenntniß seines Abfalls enthält, und ließ ebenso ein offenes Schreiben an seine früheren Zuhörer, besonders in Antwerpen, drucken, worin er seine Sünde beklagt und sie zur Standhaftigkeit ermuntert. Zugleich gründete er sein Hauswesen, indem er sich mit einer in Luther’s Hause befreundeten Jungfrau vermählte. Bald aber sollte er auf den eigentlichen Schauplatz seiner Lebensthätigkeit berufen werden. Seit November 1522 hatte Luther’s Freund und Ordensbruder Heinrich v. Zütphen mit dem günstigsten Erfolge zu Bremen gewirkt, und da man nach Jahresfrist ihn um weitere Prediger anging, hatte er auf P. hingewiesen. Infolge dessen ward dieser nach Bremen eingeladen und erhielt hier das Predigtamt an der U. Liebfrauenkirche (Mai 1524). Es war das um so wichtiger, als Heinrich nach einem halben Jahre Bremen wieder verließ, um einer Aufforderung zufolge im Lande Ditmarschen das Evangelium zu verkündigen, wobei er den Märtyrertod fand (s. Artikel Heinrich von Zütphen, A. D. B. XI, 642). P. war tief erschüttert von dieser Kunde und schrieb darüber eine ergreifende Epistel an Luther, in welcher er ihn auch um eine Trostschrift an die Bremer bat. Luther ging darauf ein und empfahl dabei den Bremern aufs Angelegentlichste ihren Prediger P. (1525). Damals hatte die Stadt schon angefangen, noch andere evangelische Prediger anzustellen. P. zeigte sich hierbei sehr rührig. Er wußte viele tüchtige Männer herbeizuschaffen. er verfaßte eine evangelische Gottesdienstordnung, unter seinen Auspicien wurde das Schul- und Armenwesen völlig umgestaltet. Freilich trat nun bald eine Wendung ein, welche seinem Wirken hätte verderblich werden können. 1530 brach nämlich in Bremen eine sociale Revolution aus, in welcher das Volk bei Gelegenheit der vielen Neuerungen auch seine vorgegebenen Rechte von der Obrigkeit erringen wollte. Hierbei ward unter Anderem auch die noch päpstliche Domkirche gestürmt und P. auf die Kanzel gesetzt, wo er über die Austreibung der Krämer und Wechsler aus dem Tempel Jerusalems predigte. Als aber die Wogen der Bewegung höher gingen und der Rath sich genöthigt sah, aus der Stadt zu fliehen, zog auch P. mit seinem Collegen Timann fort (Ostern 1532). Luther empfahl ihn damals dem Rath zu Soest, welcher einen gelehrten und frommen Superintendenten suchte (30. April 1532). Doch hatte jener nicht nöthig, darauf einzugehen, da [616] in Bremen gleich darauf die Revolution zum Stillstand kam und alle Ausgewiesenen zurückkehren konnten. Bei der nun nothwendigen neuen Regelung aller Verhältnisse kamen auch die kirchlichen Dinge in der Stadt und deren Gebiete zum Abschluß durch die „Bremische Kirchenordnung“ von 1534, welche der genannte Timann verfaßte und die in Wittenberg ihre Billigung fand. P. hatte von nun an, neben seinem Dienst an der erwähnten Kirche, das Amt eines Superintendenten der bremischen Kirche.

Seither hat derselbe noch eine lange Reihe auf seinem Posten wirken dürfen. Sein Amt war kein leichtes. Er hatte mehrere Male in der Woche zu predigen, dazu noch einmal besonders für die Armen, an der Schule für Jedermann den Katechismus zu lehren, dreimal die Woche eine lateinische Vorlesung für die Gelehrten zu halten u. s. w. Wichtig ist in seinem Leben vor allem sein fortgesetzter Briefwechsel mit Luther. Wir besitzen davon noch 12 Briefe von Letzterem an P. aus den Jahren 1527–1546. Sie sind sehr anziehend und bekunden ein liebliches Freundschaftsverhältniß beider Männer. Luther berichtet darin von vielen Ereignissen, erzählt von seinen Kämpfen und Leiden, erwähnt allerlei häusliche Erlebnisse, fügt köstliche Scherze bei und bittet den Freund immer wieder um seine Fürbitte, wie er ihn denn auch in verzagten Stimmungen mit kräftiger Zurede aufrichtet. 1534 ersucht er ihn, die Pathenschaft bei seiner jüngsten Tochter Margarethe (mit dem Fürsten Joachim von Anhalt[WS 1]) zu übernehmen. Noch einer der allerletzten Briefe des Reformators ist an P. gerichtet (vom 17. Januar 1546). Auch mit Melanchthon stand dieser in Briefwechsel. Erwähnenswerth ist hier weiter noch die Geschichte von jenem spanischen Märtyrer Francisco San Romano, der bei seinem Aufenthalte zu Bremen 1540 vom evangelischen Glauben ergriffen, hernach in den Niederlanden gefangen ward und später durch Karl V. zu Valladolid in Spanien den Feuertod erlitt (nach Crocius’ Märtyrerbuch). Es scheint, als ob die Bekehrung dieses Mannes vorzugsweise auf P. zurückzuführen ist. Aus seinem häuslichen Leben erfahren wir, daß er sich in seinen späteren Jahren noch einmal verheirathet habe (1549). Gegen sein Lebensende trat wiederum eine Wendung für ihn ein. Nachdem nämlich durch den schmalkaldischen Krieg der Prediger Hardenberg an den Bremer Dom gekommen war, begannen 1555 dessen Streitigkeiten mit dem Prediger Timann über die Ubiquität und die Abendmahlslehre, die für Bremen so bedeutungsvoll werden sollten. P., damals bereits ein Siebziger, konnte die Dinge nicht mehr mit fester Kraft regieren, doch stand er ganz auf Seiten Timann’s und wollte von der milden Richtung des Melanchthonianers Hardenberg nichts wissen. Man rieth in jener Zeit den Bremern (auf dem Hansetage zu Lübeck am 24. August 1559), die Leitung der bremischen Kirche in die Hände eines Jüngeren zu legen und schlug ihnen dazu Tilemann Heßhusius in Heidelberg vor, der anfangs auch annahm, aber dann doch nicht kam, weßhalb man Simon Musäus in Braunschweig erwählte. Damit trat P. von seinem Wirkungsplatze ab und durfte sich auch mit Ehren zurückziehen. Freilich mußte ers noch erleben, daß die Dinge eine völlig unerwartete Wendung nahmen. Denn nachdem zuerst das strenge Lutherthum in Bremen triumphirt hatte und Hardenberg vertrieben war, siegte im Januar 1562 die entgegenstehende Partei, wodurch die Melanchthonianer ans Ruder kamen und worüber fast alle Prediger und Rathsherren die Stadt verließen. P. mag wenig erfreut davon gewesen sein, doch mochte er bei seiner Milde sich vielleicht darin finden. Er starb am 30. Juni desselben Jahres 1562 und ward im Chore der U. Liebfrauenkirche begraben. – Außer den erwähnten Schriften scheint er keine Bücher verfaßt zu haben, vor allem keine gelehrten Sachen; er war ein Mann des praktischen Lebens, und auch seine uns erhaltenen Licentiatsthesen tragen diese Art. Aber auch [617] im praktischen Wirken tritt er nicht groß und charaktervoll hervor, doch ist er von großer Thätigkeit, Treue und Zuverlässigkeit, sodaß ihn alle, auch die Besten seiner Zeit, hochgeschätzt haben.

Janssen, Jacobus Praepositus, Luthers Leerling en Vriend (Amsterdam 1862). – Iken, Die erste Epoche der Bremischen Reformation (Brem. Jahrbuch VIII, 40 ff.). – Briefe von und an Probst (Brem. Jahrbuch II. Serie, I S. 241 ff.). – Stammbuch von Jakob Probst auf der Bremer Stadtbibliothek. – Iken, Artikel über Probst in Herzog’s Realencyclopädie (neueste Auflage). – Spiegel, Dr. Albert Rizäus Hardenberg (Brem. Jahrbuch IV, 1 ff.).


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