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Artikel „Hosius, Stanislaus“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 180–184, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hosius,_Stanislaus&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 14:40 Uhr UTC)
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Hosius: Stanislaus H., geb. 5. Mai 1504 in Krakau, † als Bischof vom Ermlande, Kardinal der römischen Kirche und Groß-Pönitentiar des Papstes zu Capranica bei Rom am 5. August 1579, stammte aus einer aus Süddeutschland in Polen eingewanderten Familie Hosen: sein Vater, Ulrich H., im Dienste des Königs von Polen zum Procurator von Schloß und Stadt Wilna emporgestiegen, hatte in dieser Stadt in der Begründung eines Hospitals und eines Dominicanerklosters ein Denkmal seiner Frömmigkeit hinterlassen. Auch der Sohn, in religiöser Devotion erzogen und nur mit Mühe seinem Entschluß, [181] Dominicaner zu werden, abwendig gemacht, verband, indem er sich dem geistlichen Stande widmete, mit dieser Richtung eine lebhafte Neigung für die humanistischen Studien, welchen er nacheinander in Krakau, Padua und Bologna oblag, auf welcher letztern Hochschule er um 1532 Doctor beider Rechte wurde. Durch diese Studien, sowie durch seinen Aufenthalt in Italien, im Umgange mit geistvollen Lehrern und Freunden, namentlich dem gelehrten Humanisten Lazarus Bonamicus, dem Engländer, nachmaligen Kardinal Reginald Pole und dem Dr. Hugo Buoncompagni, nachmaligem Papste Gregor XIII., ward auch er in jene litterarisch-religiöse Bewegung hineingezogen, welche als Nachwirkung der deutschen Ereignisse damals in allen denkenden Köpfen Italiens Zweifel an den vorhandenen kirchlichen Zuständen erweckte. Aber alle diese Anregungen und selbst die Lectüre andersgläubiger Schriften, mit denen er sich aufs sorgfältigste, wie er sagt, bis zur Beunruhigung seines Gewissens beschäftigte, konnten ihm seine Ueberzeugung an der Vollkommenheit und alleinigen Berechtigung der römischen Kirche nicht erschüttern, ließen ihn vielmehr in den dogmatischen Streitigkeiten der Evangelischen, „der Eigenwillischen“ einen Beweis von der Nichtigkeit ihrer Bestrebungen finden und erfüllten ihn mit begeistertem Eifer dafür, seine Kirche, vornehmlich durch Bekämpfung und Bekehrung der Irrgläubigen in ihrer Alleinherrschaft wieder herzustellen. Und darin sieht er fortan die Aufgabe seines Lebens. Wenn er nach seiner Rückkehr aus Italien, seit 1533, an den polnischen Hof befördert, seit 1538 als Geheimsecretär des Königs, eine Zeit lang 1549 als Gesandter am Kaiserhofe die übertragenen Geschäfte mit diplomatischem Geschick behandelt, wenn er daneben nacheinander zu hohen geistlichen Aemtern, 1539 zum Domherrn in Krakau, 1549 zum Bischof von Culm und 1551 zum Bischof des Ermlandes emporsteigt, mit welchem letztern Amte auch das Präsidium im preußischen Landesrathe verbunden ist, so fühlt er sich durch alle jene Beschäftigungen nicht befriedigt und sieht selbst das Episcopat als eine von seinen Obern ihm aufgenöthigte Last an, gegen deren Uebernahme er sich jedes Mal sträubt. Alle Zeit, die er seinen Berufsarbeiten abmüßigen kann, ist neben frommen Uebungen jenen allgemeinen kirchlichen Zwecken gewidmet: den Predigten, die er in deutscher, lateinischer und polnischer Sprache ausarbeitete, um sie durch begabte geistliche Redner vortragen zu lassen, seinem nach allen Ländern der Christenheit bis nach Portugal verzweigten Briefwechsel, seinen zahlreichen Streitschriften gegen die Irrgläubigen und seiner bedeutendsten litterarischen Leistung, der „Confessio fidei catholica christiana“, die er dem augsburgischen Bekenntnisse entgegenstellt, und die noch bei seinem Leben fast in allen christlichen Sprachen, sogar, wie er hört, in der armenischen, im ganzen 32 Mal herausgegeben ward. Bei solcher Ansicht von seinem Berufe folgt er, ohne Rücksicht auf seine Pflichten gegen Vaterland und Diöcese, der Aufforderung des Papstes Pauls IV., der ihn 1558 zunächst zur Berichterstattung über die Zustände der Kirche in Polen, zu sich berufen hat, und tritt seit 1559 in den unmittelbaren Dienst der römischen Curie. Schon im nächsten Jahre (1560) sendet ihn der neue Papst Pius IV. als Nuntius nach Wien, um am Kaiserhofe für die Wiedereinberufung des seit 8 Jahren unterbrochenen öcumenischen Concils nach Trient thätig zu sein. H. entledigt sich seines schwierigen Auftrages in zufriedenstellender Weise, indem er nicht nur die Abneigung König Ferdinands I. gegen die vom Papste dabei verfolgten Absichten beseitigt, sondern auch, wie er versichert, den bereits dem protestantischen Irrglauben verfallenen Thronerben, Erzherzog Maximilian, durch seine Belehrung zur Kirche zurückführt. Erfreut über diesen Erfolg, ernennt der Papst (26. Febr. 1561) den noch in Wien abwesenden zum Kardinal und zugleich zu einem der fünf Legaten, welche in seinem Namen das im April zu eröffnende Concil leiten sollen. Wohl weiß [182] H., daß er ohne Genehmigung seines Landesherrn die Kardinalswürde nicht annehmen darf und diese nur schwer erlangen werde. Aber selbst auf die Gefahr, sein Bisthum zu verlieren, unterwirft er sich nach kurzem Bedenken (25. März) dem Willen seines Oberhirten. Nachdem er darauf in den beiden nächsten Jahren zur glücklichen Beendigung des Concils wesentlich beigetragen hat, erbittet er sich zwar im December 1563 die Erlaubniß, seine Diöcese zu besuchen; doch beschäftigte er sich während der fünf Jahre, die er hier zubrachte, hauptsächlich nur damit, die Tridentiner Schlüsse in Polen und im polnischen Preußen zur Geltung zu bringen. Sodann kehrte er im August 1569, den preußischen Landesrath, dem er vorsteht, in den schwersten Bedrängnissen zurücklassend, nach Rom zurück, um hier bis an seinen Tod seinen Oberhirten in dessen über ganz Europa ausgedehnten Reactionsbestrebungen mit aller Energie zu unterstützen. In der That war das ganze Wesen dieses Mannes bei der Richtung des damaligen Zeitgeistes in hohem Maße geeignet, in den Kreisen seiner Confessionsverwandten Achtung und Vertrauen zu erwecken; in den Kreisen der Wissenschaft die Eleganz seiner classischen Diction und die Gründlichkeit seiner theologischen Studien – er hieß der Augustinus seiner Zeit, Papst Pius V. hat ihn die Säule der Religion genannt – unter den Glaubenseifrigen die gewissenhafte Erfüllung der von der Kirche gebotenen guten Werke, sowie der freiwillig übernommenen geistlichen Uebungen – er geißelte sich selbst täglich und seine Pagen an jedem Freitage mit eisernen Ketten und spitzigen Dornen – in den Kreisen seiner Unterthanen seine Sorgfalt für ihr materielles und geistiges Wohl, wie er sie in den Spenden an Nothdürftige, Kranke und Leidende und in der geistlichen Bildungsanstalt in Braunsberg, die noch jetzt seinen Namen trägt, kundgibt, in den höheren Kreisen der Höfe endlich eine seltene, keinerlei Verlockung des Geldes und der Ehre zugängliche Uneigennützigkeit, die ihm in Verbindung mit der Energie und Consequenz seines Handelns, namentlich über den schlaffen polnischen König Sigismund August und die meist in sittlicher Versunkenheit und Gleichgültigkeit gegen ihre Interessen dahin lebenden polnischen und preußischen Prälaten ein so bedeutendes Uebergewicht gab, daß er im Tone eines Mentors und selten wirkungslos ihre Maßnahmen regeln und berichtigen durfte; wir dürfen es seinem Secretär Reczka glauben, daß auf dem Lubliner Reichstage (1569) der König mit dem gesammten katholischen Theile des Reichssenates vor dem eintretenden H. ehrerbietig mit entblößtem Haupte aufgestanden sei. In der leidenschaftlichen Erregtheit jedoch, mit der H. diese mehr confessionelle, als religiöse Richtung verfolgte, liegt die Erklärung, warum ein so begabter Mann allen denen, die irgendwie seinen Zwecken entgegentraten, ein nicht blos furchtbarer, sondern auch hassenswürdiger Gegner erschien: hassenswürdig, insofern er ihnen einen Fanatismus entgegenkehrte, der sich berechtigt hielt, um seiner Zwecke willen jede andere sittliche Rücksicht, Gesetz und Recht, Treue, Redlichkeit und die Pflichten der Nächstenliebe mit Füßen zu treten, ja selbst die Waffen der Hinterlist und schlauer Verschlagenheit nicht verschmähte. Solche Erfahrung machten zunächst die westpreußischen Stände an ihm. Daß er als ein Nicht-Eingeborener mit Verletzung eines der wesentlichen Rechte, auf welchen die Selbständigkeit des Landes Polen gegenüber beruhte, Bischof von Culm und darauf, als Bischof von Ermland, Präsident des preußischen Landesrathes geworden, entschuldigte er damit, daß ihm sein Amt nur aufgenöthigt worden wäre, und er beruhigte seine Mitstände beide Male mit einem Eidschwur, in welchem er die Pflichten seines Präsidentenamtes wahrzunehmen, die Landesrechte zu schützen und insbesondere Vorsorge zu tragen verhieß, daß das Beispiel seiner Wahl sich nicht wiederhole. Das hielt ihn jedoch nicht ab, während der Jahre 1568 und 69 die Intrigue, durch welche man von Polen aus das bisher nur [183] durch Personal-Union verknüpfte selbständige Preußen in eine polnische Provinz umzuwandeln gedachte, zu unterstützen; ohne Hehl erklärte er denen, welche ihm Vorwürfe machten, die Sache der Religion gehe ihm über jede weltliche Rücksicht; wenn die preußischen Stände ihre Pflicht gegen die Kirche erfüllten, werde er auch seiner Präsidentenpflicht nachkommen. An dem entscheidenden 16. März 1569, wo die vor den Lubliner Reichstag geforderten preußischen Abgeordneten sich gegenseitig verpflichtet hatten, wofern der König etwas fordere, was ihre Privilegien verletze, insgesammt den Reichstag zu verlassen, war es der Kardinal, der der Aufforderung des Königs, als polnischer Senator an den Berathungen theilzunehmen, sofort Folge leistete und durch sein Beispiel eine Anzahl schwachmüthiger preußischer Deputirten zu gleichem Verrathe und zur Genehmigung des die Selbständigkeit Preußens vernichtenden Lubliner Ediktes bestimmte. Bald danach beschloß H. seine ständische Laufbahn mit einem neuen Treubruch, indem er unbekümmert um den Widerspruch des Landes und seines eigenen Domcapitels den Polen Martin Kromer, einen offenkundiger Feind der Preußen, zu seinem Coadjutor ernannte. Noch fanatischer äußert sich diese Gesinnung im unmittelbaren Conflict mit Andersgläubigen. Aus dem Grundsatze seiner Kirche, daß der wahre Glaube und die ewige Seligkeit nur innerhalb ihres Verbandes zu gewinnen seien, und aus der Verpflichtung, die der Erlöser den Hütern seiner Heerde auferlegte, zieht H. den Schluß, Gewissens- und Religionsfreiheit gebe es nur für Juden und Heiden; demjenigen, der einmal der christlichen Heerde angehöre, wäre bei Verlust des Seelenheils kein Zweifel, viel weniger Austritt gestattet, vielmehr unabweisliche Pflicht der geistlichen und weltlichen Hirten den Widerspenstigen durch Strafen unschädlich oder gesund zu machen. Es gibt keine härtere Grausamkeit, sagt er einmal, als einen Menschen in des Teufels Stricken zu lassen. Darum ist ihm Ketzerhaß die wahre echte Menschenliebe und eine Obrigkeit um so menschenfreundlicher, mit je schwereren Strafen sie die Ketzer belastet. Wie freut er sich über die Niederlagen, die sie in Frankreich erleiden. Gehen auch Katholiken dabei zu Grunde, immerhin! Diese verlieren doch nur ihren Leib: die Hugenotten haben zugleich auch ihre Seele verloren. Die Nachricht vom Tode Coligny’s, der ihm der giftigste Mensch ist, den die Erde hervorgebracht hat, gibt ihm den süßesten Trost bei dem Kummer, in den ihn der Tod seines Königs 1572 versenkt hat, und er preist den Papst Gregor XIII. (19. Septbr. 1572) glücklich, daß die Ketzerei in Frankreich bei dieser Gelegenheit ohne den Tod eines einzigen Frommen vernichtet sei; er wünscht, daß Polen ihm bald eine ähnliche Freude bereiten möchte. Solche Freude ward ihm bei seinem Leben freilich nicht zu Theil. Ungeachtet aller seiner Gegenbemühungen erstarkte vielmehr während seiner letzten Lebensjahre die evangelische Kirche wie in Polen, so auch in Preußen, hier hauptsächlich dadurch, daß die jenem so verhaßten deutschen Bürgermeister und mit ihnen eine Zeit lang noch vereinigt der deutsche Adel die in Polen seit 1572 eingetretenen Thronveränderungen benutzte, an die Anerkennung der zwiespältig gewählten Könige von Polen die erneuerte Bestätigung und Erweiterung des Rechts der augsburgischen Confession zu knüpfen. Jedoch schon in dem Vereinzelten, was ihm gelang, streute H. eine Saat aus, welche noch vor Ablauf des Jahrhunderts zu schwerer Schädigung ebensosehr der nationalen als der religiösen Interessen Westpreußens emporwucherte. Indem er nämlich zunächst seine eigene Diöcese, das Ermland, durch Belehrung, Ermahnung, Drohung und, wo das nicht fruchtete, durch Vertreibung der Widerspenstigen aus dem Lande, für Jahrhunderte von jeder Ketzerei reinigte, auf den so vorbereiteten Boden seit 1564 Mitglieder des Ordens Jesu verpflanzte und ihnen zugleich Gelegenheit verschaffte, in Braunsberg in einer Hochschule (Collegium) und einem Priesterseminar den Geist ihrer Schüler zugleich [184] mit der gewonnenen wissenschaftlichen Bildung in den engen Kreis der confessionellen Anschauungen der römisch-katholischen Kirche einzuzwängen, reizte er durch sein Beispiel auch die übrigen polnischen und preußischen Bischöfe um so mehr zur Nacheiferung, je mehr es ihm gelungen war, sie zur Einsicht zu leiten, daß nur ein enger Anschluß an Rom ihre Gewalt und ihren Einfluß zu sichern, andererseits aber nur ein verstärkter Eifer für die römischen Interessen ihre bisherige Lauheit in Vergessenheit zu bringen vermöge. Erfreut vernahm der greise H. in Rom, wie erfolgreich bereits in den meisten Bisthümern Polens und im Ermlande die Brüder Jesu in ihren Collegien und durch ihre über das platte Land verbreiteten Missionäre für ihre Zwecke thätig, daß binnen einem Jahre einmal 600 Edelleute von ihnen bekehrt seien; er durfte hoffen, daß solche Erfolge auch auf die evangelischen Preußen nicht ohne Wirkung bleiben würden, namentlich wenn weltliche Vortheile den Uebertritt unterstützten. In diesem Sinne drang H. mit Nachdruck in die polnischen Könige, einen Beweis ihrer Glaubenskraft darin kund zu geben, daß sie die von ihrer persönlichen Ernennung abhängigen Aemter nur an Katholiken ertheilten. Die Ersprießlichkeit dieses Rathes leuchtete denselben alsbald ein, als sie bei der Vorbereitung und Ausführung des Lubliner Edikts die evangelischen Bewohner Preußens als die eifrigsten Vertheidiger ihrer alten auf deutscher Sitte und Gesinnung fußenden Verfassung erkannten. Indem sie nun hier des gegebenen Rathes eingedenk die Verwaltungsämter Preußens neben geborenen Polen vorherrschend solchen preußischen Edelleuten verliehen, welche durch ihren Uebertritt zur katholischen Kirche, dem in der Regel bald auch die Umwandlung des deutschen Namens in einen polnischen folgte, Gewähr dafür leisteten, daß sie mit ihrer deutschen Vergangenheit zu brechen entschlossen seien, gewannen sie im Verlauf der Zeit in diesen polonisirten Katholiken einen Stamm in der Bevölkerung, welcher eifriger als die Polen selbst auf die Ausrottung deutschen Lebens und „deutscher“ Religion hinarbeitete. Indem nur wenige Corporationen, in so weit sie ihre Freiheiten zu schützen im Stande waren, Glauben und Nationalität bewahrten, verbreitete sich über das übrige Land eine Verwilderung, welche mit dem deutschen Leben vollständig brechend, auch von den Eigenthümlichkeiten des slavischen Lebens hauptsächlich die schlimmen Seiten sich aneignete. Erst nach 200 Jahren übernahm das hohenzollernsche Haus die schwierige Aufgabe, das Land von diesen Uebeln zu befreien. So mag die katholische Kirche H. als ihren Förderer rühmen, die deutsche Nation hat nicht leicht einen verderblicheren Gegner zu verzeichnen.

Hosii Opera, Colon. 1581, 2 Tom. Rescius, Vita Hosii. Fleißige Sammlung des Materials bei Eichhorn, Stanisl. Hosius, 2 Bde., Mainz 1854. Meine Geschichte d. S. Marienkirche in Danzig, Th. 2, S. 68 ff.