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Artikel „Mörlin, Joachim“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 322–324, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%B6rlin,_Joachim&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 22:19 Uhr UTC)
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Mörlin: Joachim M., lutherischer Theolog des 16. Jahrhunderts, geb. 6. April 1514 zu Wittenberg, † 23. Mai 1571 zu Königsberg. Sein Vater, M. Jodocus M. (Möhrle, Mohr), aus Süddeutschland stammend, Professor der Philosophie in Wittenberg, seit 1521 Pfarrer zu Westhausen bei Koburg, hatte seinen Sohn Anfangs wegen Armuth und zahlreicher Familie zur Erlernung des Töpferhandwerks bestimmt, entschloß sich aber doch später, ihn studiren zu lassen. Er ging nach Marburg, von da nach Constanz, 1531 nach Wittenberg, wo er unter Luther, Melanchthon, Bugenhagen, dem Studium der Theologie sich widmete und durch Fleiß und Wohlverhalten die Liebe seiner Lehrer, besonders die Zuneigung Luther’s gewann, zu dessen treuesten und eifrigsten Anhängern er dann auch lebenslang gehörte. Nachdem er 1536 Magister geworden, wirkte er an verschiedenen Orten als Prediger, kehrte aber 1539 nach Wittenberg zurück als Luther’s Caplan und Diaconus und erhielt 1540 die theologische Doctorwürde. [323] Noch in demselben Jahr wurde er auf Empfehlung Luther’s, der seine einfache, populäre und eindringliche Predigtweise schätzte, vom Grafen Günther von Schwarzburg zum Superintendenten in Arnstadt ernannt, wo er mit Eifer des Predigtamts, der Schule und Seelsorge sich annahm. Seine freimüthigen Predigten verwickelten ihn bald in Streitigkeiten, die Gegner verklagten ihn beim Grafen und erwirkten seine Absetzung 1543. Zu Anfang des folgenden Jahres 1544, erhielt er die Stelle eines Pastors zu St. Johannis, Superintendenten und Schulinspectors in Göttingen. Gewissenhaft erfüllte er, wenn auch nicht ohne neue Anfechtungen und Kämpfe, die Pflichten seines geistlichen Berufs und betheiligte sich am Unterricht der Jugend in der lateinischen Stadtschule, wo er Rhetorik nach Erasmus lehrte und Melanchthon’s loci theologici erklärte. Der Kampf um das Interim setzte seiner Wirksamkeit ein plötzliches Ende. Trotz eines herzoglichen Edicts und einer Warnung des Magistrats, trat M. in Predigten und Schriften gegen das kaiserliche Glaubensedict als einen unbefugten Eingriff in Glaubenssachen auf. Herzog Erich II.[WS 1] verlangte vom Rath seine sofortige Ausweisung, und trotz der Verwendung des Rathes und der Anhänglichkeit der Bürgerschaft, mußte M. mitten im Winter 1550 Göttingen verlassen. Er fand ein Asyl beim Grafen von Henneberg in Schleusingen und wandte sich von da nach Preußen, wohin ihn die Herzogin Elisabeth von Braunschweig an ihren Schwiegersohn Herzog Albrecht empfohlen hatte. Von diesem aufs freundlichste aufgenommen und zum Pfarrer und Inspector am Kneiphof’schen Dom in Königsberg ernannt, wurde er bald in den kurz zuvor ausgebrochenen Osiandrischen Streit verwickelt. Anfangs stellte er sich freundlich zu Andreas Osiander und versuchte auf des Herzogs Wunsch eine friedliche Beilegung des Streites. Bald aber fand er selbst Osiander’s Lehre verdächtig und es kam zum Bruch. M. trat an die Spitze der Gegner Osiander’s: Mörlinisten und Osiandristen standen sich in wildem Haß gegenüber. Auch Osiander’s Tod (17. Oct. 1552) machte dem Streit kein Ende. Da M. ein herzogliches Mandat, das den Parteien das gegenseitige Verdammen verbot, ein Teufelsmandat nannte und von der Kanzel herab seine Zuhörer zum Ungehorsam gegen dasselbe aufforderte (Februar 1553), erhielt er seine Entlassung und wurde aus dem Herzogthum Preußen ausgewiesen. Er zog nach Danzig und von da, nachdem alle Verwendungen für seine Rückberufung vergeblich geblieben, nach Braunschweig, wo er das Amt des ersten Predigers und Stadtsuperintendenten übernahm (Juli 1553), und von wo aus er, in Gemeinschaft mit seinem Collegen und Coadjutor Martin Chemniz (s. Bd. IV, 116 ff.), an allen damals die lutherische Kirche bewegenden Fragen und Streitigkeiten einen sehr thätigen und einflußreichen Antheil nahm als einer der Hauptvorkämpfer der sog. gnesiolutherischen Partei, bemüht gegenüber von allen Abweichungen zur Rechten und Linken die Linie des ächten Lutherthums einzuhalten. Er setzt nicht blos den Kampf gegen die preußischen Osiandristen durch eine Reihe von Streitschriften (1554–1558) fort, sondern betheiligt sich auch an dem Streit mit Schwenkfeld (1556), am Hardenberg’schen Abendmahlsstreit (1556 ff.), an dem adiaphoristischen Streit zwischen Flacius und Melanchthon 1557, an der sog. Roswicker Handlung (Jan.), am Wormser Colloquium (Sept. 1557), wo er den Philippisten als Hauptfriedensstörer erscheint, am Lüneburger Convent und dessen Protest gegen den Frankfurter Receß und den Naumburger Fürstentag 1561, an dem Protest der niedersächsischen Lutheraner gegen das Lüneburger Kreismandat 1562 etc., stets darauf dringend, daß nicht Geistliches und Weltliches vermengt, das geistliche Amt nicht vom weltlichen Regiment unterdrückt werde. Aber auch mit seinem ultralutherischen Parteigenossen Flacius entzweit er sich besonders wegen der Erbsündenlehre und tritt den extremen Lutheranern mit der Warnung entgegen, man möchte doch nicht durch [324] unnöthiges Zanken die Wahrheit selbst verlieren. Nach dem Sturz der Osiandrischen Partei in Preußen (October 1566), wird M. nach Königsberg zurückberufen, zuerst um gemeinsam mit Chemnitz eine neue Lehr- und Kirchenordnung (Repetitio corporis doctrinae christianae, das später sog. Corpus D. Prutenicum, Königsberg 1567) auszuarbeiten, dann 1567, nach kurzer Rückkehr nach Braunschweig, um als Bischof von Samland die Leitung des evangelischen Kirchenwesens im Herzogthum Preußen zu übernehmen. Aber nur noch 3 Jahre dauerte hier seine Wirksamkeit: er starb im 58sten Lebensjahr an den Folgen einer unglücklichen Steinoperation, nachdem er seinen Freund und Gesinnungsgenossen Tilemann Heßhus (XII, 314) als seinen Nachfolger bezeichnet hatte. Seine Gegner jubelten über den Tod „des Papstes M., des Abgottes der Flacianer“; befreundete Zeitgenossen aber preisen ihn als einen „vortrefflichen, eifrigen Theologus“, der durch Klugheit und Beredtsamkeit, Eifer und Treue die braunschweigische wie die preußische Kirche in guten Stand gebracht, seinem Amt mit Ernst und Feuer vorgestanden, scharfe Straf- und Streitpredigten gehalten, dabei aber seine Gemeinde und Kirche aufrichtig geliebt und den höchsten Ruhm darin gesehen habe, die christliche Lehre recht einfältig vorzutragen. Wie Luther liebte er Gesang und Musik und war gern fröhlich im Kreis der Freunde; sein eigener Wahlspruch und seine Mahnung an junge Prediger war: „Arbeite redlich, meine es treulich, bete fleißig: so gibt Gott seinen Segen reichlich“!

Seine Schriften sind besonders Streitschriften und Predigten; von letzteren erschienen nach seinem Tode noch mehrere Sammlungen, eine Postille 1587 und Psalterpredigten 1576–80; Briefe von ihm sind an verschiedenen Orten gedruckt, andere handschriftlich vorhanden in Wolfenbüttel, Braunschweig, Königsberg etc. Sein Bild und Wappen (Mohrenkopf und Bischofsstab) in Fortges. Sammlungen 1733. Ein Lebensbild von ihm geben 2 Arnstädter Gymnasialprogramme von Walther 1856. 63; W. Beste, Kanzelredner I, S. 398 ff.; und mein Artikel in der theol. Real-Enc. 2. Aufl., Bd. X., 135 ff., wo auch die weitere Litteratur verzeichnet ist.


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