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Artikel „Lang, Heinrich“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 547–553, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Heinrich_(Maler)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Lang: Heinrich L., Pferde- und Schlachtenmaler, geboren am 24. April 1838 zu Regensburg, † am 8. Juli 1891 in München. Erst für die Studien bestimmt, besuchte L. das Gymnasium seiner Heimath, ebenso aber die Reitschule des Fürsten von Thurn und Taxis, wo er sich nicht allein im Reiten, sondern auch im Pferdezeichnen übte. Seine Bildung muß eine ziemlich gründliche gewesen sein; er liebte, später noch, gutsitzende Citate aus griechischen und lateinischen Autoren anzubringen. Selbstverständlich wurden Schulhefte und Bücher mit Marginalstudien verkritzelt – ebenso wie Graf Platen in die freien Blätter seines „Aristophanes“ allerlei lyrische Empfindungen einschrieb, deren eine mit dem gewiß tiefgefühlten Seufzer: „Ach! will es noch nicht vier Uhr schlagen!“ – das Exemplar, aus welchem Freiherr v. Völderdorff als Autographensammler den Namen des Dichters herausschnitt, befand sich noch [548] vor 60 Jahren in der kgl. Pagerie. Dann hörte der erst siebzehnjährige L. an der Universität zu Berlin philosophische Vorlesungen, hospitirte aber nebenbei die Anatomie und das Atelier von Karl Steffeck; die Folge davon war, daß die Lust zur Malerei als Lebensberuf nur deutlicher hervortrat. Deshalb begab sich L. frohgemuth nach München, doch fesselte ihn daselbst mehr als die Akademie die Veterinärschule, wo er nach gesunden und kranken Pferden zeichnete; entschiedene Förderung bot der Verkehr mit dem Thiermaler Friedrich Voltz (s. A. D. B. 1896, XL, 276) und insbesondere mit dem feurigen Franz Adam (s. A. D. B. 1900, XLV, 693). Kurze Zeit stand L. bei der Artillerie, unter dem nachmaligen General v. Lutz; die Scenen eines Uebungslagers bei Ingolstadt mit Märschen, Paraden, Lagerleben boten reichlichen Stoff für das erste militärische Skizzenbuch unseres Malers. Neue Anregung brachte der Besuch der kgl. Gestüte zu Stuttgart, wo auch Theodor Horschelt kurz vorher prachtvolle Araber und andere Vollblutthiere malte. Schon damals verstand L. sein Auge und sein Gedächtniß so zu schärfen und zu trainiren, daß er die flüchtigsten Bewegungen fest und klar sich einprägte. Um das Pferd im natürlichen, wilden, ungebändigtsten Zustand und in fesselloser Freiheit kennen zu lernen, unternahm L. 1858 eine Reise nach Ungarn. In Wien durch Franz Adam an den Chef der k. k. „Spanischen Hofreitschule“ Oberst v. Nadassy und den Oberststallmeister Graf Grünne empfohlen, bildete er sich nicht nur zum eleganten Reiter, sondern erhielt auch durch seine Gönner Einladungen auf die berühmtesten Pferdezüchtereien reicher Guts- und Rennstallbesitzer, wo er gastliche Aufnahme und ermuthigende Aufträge zu Pferdeporträts erhielt, die seinen Künstlernamen begründeten. Seine übrigen Eindrücke verarbeitete er zu packenden kleinen Bildern von „Pferdetransporten an der Zagyva“, „Pferde im Schilf“, „Rosse einfangende Czikos“, auch zu „Ungarischen Wirthshöfen“, Haideschenken und Zigeunerscenen à la Lenau: Alles packend, farbig, hinreißend. Die weitere Ausbildung seiner Technik leitete ihn instinctiv nach Paris (1866), von wo ihn aber der Ausbruch des Krieges nach Deutschland zurückführte. Hier kam er freilich zu spät, um überhaupt erhebliche Ausbeute zu finden. Deshalb ging L. gleich im nächsten Jahre abermals in die Seinestadt zu Adolf Schreyer (geboren am 9. Juli 1828 zu Frankfurt a. M., † am 29. Juli 1899), der seinen congenialen reichbegabten Scholaren in kürzester Zeit mächtig förderte und zu einem artistischen Sportmann bildete: Eine echt chevalereske Figur mit einem gewinnenden, warm colorirten Antlitz, scharfsprühenden grauen Augen, langen, prächtigen Haaren und röthlich blondem Vollbart, ein schmuckes Jüngelchen, das nicht nur bei den Longchamprennen, sondern auch mit seinen Bildern im „Salon“ sich sehen ließ. Die über weite Pußten dahinsausenden Czikos, die „Pferdetriebe“, „Marktscenen“ und die aus den gehetzten Rudeln ihre Opfer herausfangenden Rossebändiger machten Glück in Frankreich und Deutschland. Ihm galt das Pferd nicht als Lastthier und Rennsport, sondern „als der geschätzte, werth gehaltene Lebensgenosse und unentbehrliche nützliche Diener, der uns die rasche Fortbewegung zu Krieg und Jagd zu befriedigen hilft“. Das Pferd spielt im Leben wie in der Kunst eine überraschend große, meist unbeachtete Rolle. Abgesehen von den antiken und mittelalterlichen Bildhauern und Malern sei hier nur an die wechselvolle Behandlung neuerer Maler erinnert, wie beispielsweise Fr. Krüger, Adolf Menzel, Peter Heß, die ganze Familie der Adam, Montin, Bürkel, Klein, Kotzebue, Horschelt, Pettenkofer, Hartmann, Schreyer, Rocholl u. s. w., deren Jeder diesem Thiere eine eigene, neue Seite, Behandlung und Darstellung im Kriege, Feldlager, Manöver, auf dem Gutshof, auf den Gassen und Straßen, am Markt, auf der Post und in Stallwagenremise, zuletzt noch durch unsern L. im [549] Circus und bei der Gauklerbande, zuwendeten. Nachdem L. in wenigen Jahren zweimal Paris und dreimal Ungarn besucht hatte, kam ihm, wie allen seinen Collegen, der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im höchsten Grade erwünscht. Glücklicher als manch Anderer – Horschelt war z. B. nur auf Wunsch des russischen Kaisers für Straßburg zugelassen, Franz Adam unbegreiflicher Weise zuerst sogar abgewiesen, dann nachträglich nach Orleans gesendet – wurde L. gleich rechtzeitig als Maler mobil gemacht, wozu der damalige Kronprinz Friedrich persönlich die Wünsche des Künstlers förderte, welcher dem Stabe des II. bairischen Armeecorps (General Hartmann) folgte. Was L. in dieser Zeit schaute, hat er mit Wort und Bild zum wahrhaftesten Ausdruck gebracht. Und was hat der Glückliche alles erlebt: Er war, um nur einige Momente zu erwähnen, bei Weißenburg und Sedan, wo er den „riesigen Pèle-mêle“ der Chasseurs d’Afrique auf die dünnen Infanterielinien sah, welche trotzdem die todesmuthigen Reiter zum Sturz brachten, die weltberühmte Attacke bei Floing, er kam dem Hügel nahe, von wo der „Schlachtendenker“ Moltke inmitten des König Wilhelm, des eisernen Kanzlers und aller Paladine das grandiose Kesseltreiben dirigirte, belauschte vom Imperial eines Postwagens durch großgünstigsten Zufall die Zusammenkunft des exkaiserlichen Gefangenen mit dem deutschen Sieger im Schlößchen Bellevue, war Zeuge der Capitulationsverhandlungen vor dem Thore zu Sedan und durchwanderte am folgenden Tage die schauderhaften Schlachtfelder. Welche Ausbeute, immer den Stift in der Hand! Dann der Vormarsch nach der Hauptstadt, die Belagerung von Paris und der Einzug daselbst. Die Hauptereignisse verarbeitete L. in großen historischen Bildern, in einem kleineren Cyclus von vierzig Oelgemälden (Nat.-Galerie in Berlin) und in Illustrationen zu den zweibändigen „Erinnerungen eines Schlachtenbummlers“ (München 1887 u. 1888), worin er bei echter Vornehmheit der Gesinnung, manneswürdiger Freiheit und – wie schon der Titel andeutet – mit liebenswürdigem und schalkischem Humor sich mit der Feder ebenso bewährte, wie mit dem Stift, dem Pinsel und der Palette. Vom ersten Tage an hatte L. aller Officiere Achtung erworben, die, nachdem L. durch ein schmuckes Beutepferd, ein köstliches Berberschimmelchen, beritten war und der Maler sich als ein schneidiger, unerschrockener Reiter bewährt hatte, in wahre kameradschaftliche Herzlichkeit übersprang. Er war aber auch ein unermüdlicher „Freund Ubique“: In den Quartieren, im Biwak, auf dem Marsch, bei den Flußübergängen, in den Batterien und Schanzen, mit den angreifenden Truppen vordringend, im feindlichen Feuer, bei den Vorposten, auf den Schlachtfeldern und Verbandplätzen, vor den belagerten Festungen, in der Umgebung der Höchstcommandirenden – Alles beobachtend, schauend, festhaltend in seinen Erinnerungen und Skizzenbüchern. Und in dieser ganzen Zeit, vom Ausbruch des Krieges bis zum Einzug in Paris, sammelte er nicht nur eine unschätzbare Fülle von Zeichnungen, sondern war keine Stunde krank, freilich mit Ausnahme einer langwierigen Prellung des Daumens an der rechten Hand, weshalb L. wochenlang den Stift nur mit dem zweiten und dritten Finger dirigiren mußte. Welch’ einen Schatz von kleinen Zeichnungen, die insgesammt durch ihre urkundliche Treue als eine actenmäßige Illustration der ganzen Kriegszeit dienen, hatte er eingeheimst. Das gesammte Material wurde aus Lang’s Nachlaß glücklicher Weise vom Münchener Kupferstichcabinet erworben. Begabt mit einem wunderbar treuen, sozusagen ganz photographischen Gedächtniß, gelang es ihm, alle diese Actionen und Eindrücke in den sichersten Umrissen meist vom Sattel aus festzuhalten und in jedem freien Ruhepunkte nachzutragen und zu ergänzen.

[550] In München ging L. an die Ausführung einiger Bilder mit den Hauptbegebenheiten des Krieges; sie kamen theilweise in Privatbesitz. Der Künstler sah sich übrigens in seinen Erwartungen getäuscht, denn große Bestellungen, wie man selbe nach so ruhmwürdigen Thaten hätte erwarten können, trafen auch bei den übrigen Collegen Lang’s nur langsam ein. Anders dachte man in Frankreich, wo zur Restaurirung der verschwundenen „Gloire“ die besten Kräfte, wie Alphonse de Neuville, E. Detaille, Dupray und die übrigen „Peintres Militaires“, vollauf in Anspruch genommen wurden. Vergebens überbot sich Fr. Pecht in doctrinären Zeitungsartikeln mit sehr imaginären Projecten, z. B. die leeren Flächen der „Feldherrnhalle“ mit Bildern auszuzieren oder eine neue Arcadenreihe an der Süd- und Ostseite um den Hofgarten zu bauen und deren Wände mit fortlaufenden Fresken aus der jüngsten Kriegsgeschichte zu schmücken – nachdem die zerstörende Macht der klimatischen und anderweitigen Einflüsse so gräßlich an Rottmann’s Landschaften sich bethätigte. Man möchte auch fragen, in welchem Format die „Floing-Attaque“ auszuführen wäre, um einen mit Lindenschmit’s „Schlacht an der Kirche zu Sendling“ adäquaten Eindruck hervorzurufen. L. nahm noch 1871 diesen selbst geschauten Stoff vor, wie der wüthende Choc an der eisernen Ruhe des 95. und 83. Regiments zerschellte (in kleiner Reproduction als Titelblatt zum ersten Bande des „Schlachtenbummler“ und in Pecht’s „Gesch. der Münchener Kunst“ 1888, S. 410), darauf folgte (1872) die Darstellung der „Großen Batterie des II. bair. Armeecorps vor Sedan vom 1. September 1870“, sodann 1873 die „Batterie Prinz Leopold von Baiern im Gefecht bei Villepion (Sedan)“ und im selben Jahre noch die „Verfolgung der Franzosen durch bair. Chevauxlegers gegen Reichshofen am 6. August 1870“ (reproducirt in der „Illustr. Ztg.“ und im III. Bd. der „Meisterwerke der Holzschneidekunst“ und im kleinen Format als Titelbild zum II. Bd. des „Schlachtenbummler“, 1888). Erst 1876 vollendete L. die „Episode aus dem Gefecht bei Plessis-Piquet vom 19. September 1870“ und 1879 die Episode mit französischen Spahis „An der Loire 1870“; 1879 die „Attaque der Brigade Bredow in der Schlacht von Vionville vom 16. August 1870“. Nachdem schon früher Prinzregent Luitpold, immer ein huldvoller Gönner Lang’s, mehrere kleinere Bilder bestellt hatte, wurde der Künstler 1882 mit zwei größeren Darstellungen auf Staatskosten für die Neue Pinakothek betraut: „Aus der Schlacht bei Fröschweiler“ und „Uebergang des II. bair. Armeecorps über die Seine bei Corbeil“. Beide sind aus der persönlichen Anschauung und den an Ort und Stelle entstandenen Skizzen geschaffen, trotzdem trieb L. die Gewissenhaftigkeit und Treue so weit, daß er außer den zahlreichen Porträts der dabei betheiligten Persönlichkeiten (die sich unterdessen natürlich merklich geändert hatten), noch eingehende Correspondenzen einleitete, um die damaligen Bildnisse mit historischer Treue zu erreichen und andere, immerhin nicht unerhebliche Kleinigkeiten, wie etwaige Bärte oder besondere Adjustirungen und andere Zufälligkeiten festzustellen, welche dem Laien kaum bemerkbar, doch zur Diplomatik des Ganzen unbedingt beitrugen. So machte z. B. der Maler wochenlang am Lechfeld die Pontonnirübungen mit, nur um die auf seinem Bilde befindliche Schiffbrücke bis ins kleinste Detail genau darzustellen.

Eine ihm absonderlich liebe Auswahl aus den in seinen Skizzenbüchern festgehaltenen Wahrnehmungen und Erinnerungen, welche zu einer weiteren Ausarbeitung besonders reizten, gestaltete L. – man könnte sagen in freien Augenblicken oder regelmäßigen Pausen – in Oelbilderform, alle in gleichem Format: eine eigentliche Galerie, die sich bis auf vierzig Tableaux steigerten, welche nach langer Wanderung endlich ihre gebührende und bleibende Stellung [551] in Berlin fanden. Eine Auswahl von 218 eigenhändigen Durchzeichnungen seiner Skizzenbuchblätter stiftete der freigebige L. in das kgl. Handzeichnungs- und Kupferstichcabinet (1877). Seine letzte große Arbeit behandelte einen Moment aus der Schlacht von Fröschweiler (Wörth): das entscheidende Eintreffen der Baiern. Dieses im Auftrage des Staates gemalte, leider nicht mehr ganz vollendete Bild war der Schlußstein seiner historischen Thätigkeit, die freilich nur einen Theil seines vielseitig verzweigten Schaffens umfaßt. – Da die größeren Bestellungen nach dem Kriege bisweilen ziemlich lange warten ließen, so benutzte L. die unfreiwillige Muße zu neuen Nachlesen und Excursionen nach Frankreich und seinem lieben Paris, oder nach Ungarn und den Donaufürstenthümern, wobei ein längerer, sehr fruchtbringender Aufenthalt in Constantinopel und ein Abstecher nach Griechenland erfrischenden Wechsel boten. Schon 1871 erschien ein „Militärtransport in Ungarn“, ein „Marsch durch die Puszta“ (1872), eine „Ungarische Wirthshausscene“ (1873), dann kamen 1875 Motive aus dem „Markt von Pera“, türkische Wasserverkäufer, orientalische Brunnen mit reichen Frauenstaffagen, von den „Süßen Wassern bei Constantinopel“ und das buntfarbige Menschengewimmel „Auf der Brücke zwischen Galata und Stambul“, wobei dem Maler und Beschauer die fesselnde Abwechselung von morgenländischen Trachten, Eselfuhrwerken, Kameeltreibern, Melonenhändlern, von goldglänzenden Wagen, verschleierten Weibern zu statten kam – eine sinnbethörende Lebensmannigfaltigkeit, welche mit den blauen Uniformen, Raupenhelmen, Tornister- und Gewehrreihen, mit Pulverdampf und Granatwölkchen gefällig und anregend contrastirte. Man sah um so deutlicher, mit welcher Bravour L. in Krieg und Frieden zu Hause war und die schwierigsten Stoffe als echter Künstler bewältigte. Ebenso wohlthätig überraschten die Bilder vom Bosporus, aus Kandilli, Brussa, Scutari, Syra, die „Motive mit einer Lokanda bei Eleusis“, vom „Denkmal des Lysikrates“ und der sonstigen landschaftlichen „Umgebung Athens“, worüber L. eine nicht mehr zum Abschluß gebrachte Publication plante. Dann brachte der sein dankbares Publicum immer in Spannung haltende Maler neue Scenen mit den ihre jungen angstgepeitschten Pferde mit sichergeworfenen Schlingen einfangenden Czikos, schläferig durch die Haide hinziehende Marktfuhrwerke, berittene Gendarmen, Panduren und Zigeunervolk und ähnliches, immer malerisches Gesindel (1878). Dazwischen wurden Stallbilder und rassige Pferdeporträts gewünscht, die durch Gegensätze ihre Vorzüge und Charaktereigenschaften steigerten, wie z. B. ein „Irisches Jagdpferd und russischer Traber“ (1881), ein „Pinzgauer Hengst und belgisches Zugroß“ oder der Araber „Blondel“ (aus dem Circus „Renz“) und der echte Türke „Soliman“ aus dem Circus „Wulff“, auch die beiden hochedlen „Isabella“ und „Almansor“ im Stalle und dann vier Schimmel und ein Quartett Rappen in freier Vorstellung und mit den Vorderhufen auf der Barrière der Manège marschirend vorgeführt. Damit sind wir bei einer neuen Nummer von Lang’s entzückender Vielseitigkeit angelangt, wobei ihm seine blitzschnelle Thätigkeit des Skizzirens und die geradezu phänomenale Auffassungs- und Erinnerungsgabe abermals die Hand führte. Schon die nächtliche Ankunft und Exparquirung eines solchen Eisenbahnzuges reizte das Interesse des Malers, der am frühesten Morgen darauf mit seinem Skizzenbuch und einer riesigen Zuckerdüte im Circusbau erschien, kameradschaftlich von allen Zugehörigen als alter Freund begrüßt, worauf ungesäumt die Studien im Wetteifer seiner zeichnenden Collegen und sonstiger hohen und allerhöchsten Herrschaften mit rastlosem Eifer schon während den frühzeitigen Proben und abendlichen Vorstellungen begannen. Die Resultate davon verwerthete L. weniger in Bildern, mehr in Holzschnittzeichnungen für illustrirte [552] Zeitungen. Eine besondere Auswahl dieser deliciösen Blätter sammelte der Künstler in Albumform als „Circusbilder“ (auf 25 Lichtdrucktafeln bei Ackermann, kl. 4°.) und „Kunstreiter und Gaukler“ (28 Blätter ebendas.). Ernst und Humor, Grazie, Eleganz, Kautschukkünstler und Schlangenmenschen, muthwillige Clowns mit ihren vierfüßigen circusfähigen Bestien wechseln mit „Ikarischen Spielen“, Voltigen, Quadrillen, Fahrschulen und Schulreitern, wirklich pudelnärrischen Einfällen und gruseligen Excentriks, kurz: Ein wahres Vademecum für Reiter und Pferdefreunde, welche an den modernen Nachkommen des alten „Fahrenden Volkes“ ihre Freude haben. Auch zu den weltbekannten „Münchener Bilderbogen“ von Braun und Schneider lieferte L. Zeichnungen „Pferde und Fuhrwerke“ (mit Lossow, Nr. 243), „Zigeuner“ (293), „Bilder aus Ungarn“ (206), „Reiter“ (345), „Verschiedene Fuhrwerke“ (368 u. 389) und „Pferde-Raçen“ (409); ebenso zu der Vierteljahrsschrift „Sport“ (bei Schickhardt und Ebner in Stuttgart) mit Emil Adam, O. Fikentscher, E. Volkers, L. Voltz, G. Wie u. A. Am längsten blieb L. dem Oelbilde getreu, unter seinen größeren Leistungen eine neue Scene aus der Wiener „Spanischen Reitschule“ und ein „Allgemeiner Salut bei dem Caroussel zum 200jähr. Jubiläum des k. b. Chev.-Rgmts. in Dillingen“. – Während der Ausführung der Episode „Aus der Schlacht von Fröschweiler“ zeigten sich die ersten Vorboten von der Krankheit des kerngesund scheinenden Malers, der durch unausgesetzte Anstrengungen seinen kräftigen Organismus erschöpfte. Vergebens bot die Kunst der Aerzte und die Pflege seiner edlen Gattin (er hatte nach dem schon 1877 erfolgten Ableben seiner ersten Frau Antonie Meggendorfer einen zweiten, beglückenden Ehebund mit der ihm so geistverwandten Landschaftsmalerin Tina Blau 1884 geschlossen) wetteifernd alles auf, das gefährdete Leben zu retten; er starb nach schweren Leiden an den Folgen einer mit unbeachteter Influenza begonnenen Tuberkulose. L. war nicht allein ein hervorragender, tiefdenkender, für exacte wissenschaftliche Ergebnisse sehr empfänglicher Denker und fein empfindender, höchst liebenswürdiger, hochachtbarer Mensch. Als – warum sollte hier eine Andeutung nicht erlaubt sein, die ein so schönes Streiflicht auf den treuen und dankbaren Sohn wirft – die väterlichen Vermögensverhältnisse eine unerwartete Trübung erlitten, sprang der edle Heinrich in die Lücke, überbrückte und glättete den klaffenden Riß in dem freudigen Bewußtsein, ohne daß der alte Herr eine Ahnung bekam, dessen reiche Liebe zu vergelten und dessen Wege zu ebnen. Es gab noch viele andere herrliche Züge dieser Art. Seine wahre Courtoisie, seine gesellige Veranlagung, welche ihn zum Mittelpunkt eines jeden Salons befähigte, trat nie aufdringlich, aber immer angenehm fühlbar hervor. Se. k. Hoh. Prinzregent Luitpold schätzte ihn deshalb nach Gebühr und zog ihn gerne zu seinen abendlichen, cordialen Symposien. Obwol im vollen Lichte der Huld, dachte er niemals daran, etwas für sich anzustreben oder zu erreichen, war aber stets bereit, offenmüthig für die Interessen jedes Collegen oder für allgemeine Kunstangelegenheiten einzutreten, selbst dann, wenn er wußte, daß eine andere Ansicht beliebt war – eine Charaktereigenschaft, welche gewiß beitrug, den Künstler in den höchsten Kreisen nach voller Berechtigung zu schätzen und werth zu halten. König Ludwig II. hatte ihm den Civilverdienstorden der bair. Krone erster Classe verliehen. Für die Verhältnisse der Künstlergenossenschaft brachte L. große Opfer an Zeit und Mühe. Die Feder führte er gewandt mit dem ihm immer verfügbaren, unverwüstlichen Humor, der nie die sehr nahe liegende Grenze der Satire berührte. Mit großer Bravour betrieb er die Anfertigung von Rauchtellerbildern; fröhlich rühmte er sich, „in Frankreich zum Ergötzen gütiger Gastfreunde viele Service dadurch verdorben [553] zu haben“; in seinem Atelier standen immer Kisten mit Materialvorräthen en gros, worauf regelmäßig berühmte Pferdeköpfe paradirten, die er großmüthig verschenkte. Sich selbst ironisirend, rühmte er sich der besonderen Gewandtheit, bestimmte Typen auch mit geschlossenen Augen hergestellt zu haben. In heiterer Laune gestaltete er auf einem marmorirten Umschlagdeckel mit wenig Zuthat einen prächtigen Apfelschimmel. Daß er ehedem zu den Zierden und Bahnbrechern „Jung-Münchens“ zählte, war selbstverständlich. Die nachfolgende Generation brachte für diese schöne, in adäquate Form gegossene Seele keine Veränderung.

Vgl. A. Rosenberg, Münchener Malerschule, 1887, S. 50, u. dessen Gesch. der Modernen Kunst, 1889 u. 1894, III, 97 ff. – Pecht, Gesch. der Münch. Kunst 1888, S. 411. – Nekrolog in Nr. 194 d. Allg. Ztg. v. 15. Juli 1891. – Münchener Kunstvereinsbericht f. 1891, S. 92. – L. Pietsch in „Die Kunst unserer Zeit“, 1892, III, 81–92. – H. v. Berlepsch in Lützow’s Zeitschrift, N. F., 1892, III, 273 ff. – Fr. v. Bötticher, 1895, I, 802 ff. – Singer, 1896, II, 438 (12 Zeilen!). – Jos. Kerschensteiner, „Ein Erinnerungsblatt an einen Münchener Künstler“, in Nr. 450 d. M. Neuesten Nachrichten v. 3. Oct. 1897 (Lang im Circus). – Eine sehr humorvolle Schilderung aus Lang’s Feder mit Illustrationen: Ein Tag aus meiner Sommerfrische, in „Kunst für Alle“ 1886, I, 112 ff.