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Artikel „Keil, Ernst“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 530–532, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Keil,_Ernst&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 12:14 Uhr UTC)
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Band 15 (1882), S. 530–532 (Quelle).
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Keil: Ernst K., Buchhändler, Verleger und Schriftsteller zu Leipzig. Sein Geburtsort ist das Städtchen Langensalza in Thüringen, wo er am 6. December 1816 als der Sohn eines in Ruhestand getretenen Gerichtsbeamten geboren ward. Nachdem er das Gymnasium in Mühlhausen besucht, trat er als Lehrling in die Hoffmann’sche Hofbuchhandlung zu Weimar, wo nicht blos die Erinnerungen an eine entschwundene Blüthe deutschen Geistes Einfluß auf seinen Bildungsgang gewannen, sondern auch die durch Börne, Gutzkow, Laube u. a. hervorgerufene litterarische Bewegung des sog. jungen Deutschlands eine mächtige Anziehungskraft auf das Gemüth und die Denkungsart des jungen Mannes übte, eine Zeit, welche entscheidend ward für die fernere Richtung seiner Anschauungen, seines Charakters und seines von Natur aus allem Unfrischen und Pedantischen abgewendeten Formensinnes. Nach Beendigung seiner Lehrzeit genügte er seiner preußischen Militärpflicht zu Erfurt, und auch hier widmete er den größten Theil seiner Mußestunden litterarischen Studien und Beschäftigungen und nach Ablauf dieser Frist wurde er Gehülfe in der Weygand’schen Buchhandlung zu Leipzig, welche Stadt er seitdem fast niemals wieder verließ und die für die jungdeutsche Bewegung, als deren eifriger Jünger er sich fühlte, damals im gewissem Sinne ein Mittelpunkt war. Gerade der Journalismus aber war dasjenige Feld, welches dem jugendlichen Neuling auf dem Boden der alten Buchhändlermetropole schon als Knabe in die Seele geleuchtet und jederzeit als das erstrebenswertheste aller Ziele vorgeschwebt hatte. Schon in Weimar und Erfurt, ja schon auf dem Gymnasium hatte sein Drang zu eigenem Schaffen mannigfach nicht unglücklich sich versucht, unter den Anregungen Leipzigs jedoch und der inneren Fortbildung, die es ermöglichte, wuchs erst der Muth, sich wirklich damit herauszuwagen. Seine geschäftsfreie Zeit widmete der Buchhandlungsgehülfe schriftstellerischer Thätigkeit, indem er für Journale kritische und reflectirende Aufsätze schrieb und ein besonderes Talent namentlich für die novellistische Behandlung frisch aus dem Leben gegriffener Scenen und Bilder offenbarte, die er mit warmen Gemüthstönen zu durchhauchen und mit allen Reizen munterer und anmuthiger Stilfärbung auszustatten wußte. So ist ein Bändchen gesammelter „Liebes-Novelletten“ von K. unter dem Titel „Melancholie“ 1845 bei Schlüssel in Bautzen erschienen. Alle diese Leistungen erwarben ihm Freunde und lenkten die Aufmerksamkeit auf ihn, so daß ihm schon 1838 die Redaction der Zeitschrift „Unser Planet“ (später „Wandelstern“ betitelt) anvertraut wurde, die er neben der pflichtgetreuen Ausfüllung seiner Comptoirstellung mit ernster Hingebung geleitet hat. Das Blatt war unter der Redaction Keil’s eines der gelesensten jener Tage, bis ihm die Polizei, ihrer damaligen Befugniß gemäß, sowie geschäftliche Bedenken die weitere Führung derselben unmöglich machte. Acht Jahre lang hatte er so als Buchhandlungscommis mit schriftstellerischer Nebenbeschäftigung (zuletzt als Geschäftsführer des Hauses Naumburg) zu Leipzig gelebt, als er dieser abhängigen und kein hinreichendes Auskommen gewährenden Lage müde, am 3. August 1845 zur Gründung eines eigenen Verlagsgeschäftes sich entschloß. Zunächst gab er das von ihm redigirte Monatsblatt „Der Leuchtthurm“, dessen erste Nummer schon ein Jahr nach seiner Etablirung (1846) in seinem Verlage erschien, heraus, ein Organ, bemerkenswerth in der Geschichte des bis dahin immerhin dürftig gewesenen vormärzlichen Journalismus, dessen Eintritt als ein Ereigniß ersten Ranges und eine eingreifend bedeutsame Wendung hervorragt und ein journalistisches Unternehmen, welches eine für die damaligen Verhältnisse ganz ungewöhnliche Verbreitung fand. Denn von der glücklichen Hand und dem gesunden Urtheile [531] seines talentvollen Redacteurs wurde es so erfolgreich geleitet, daß die hervorragendsten Stimmführer der liberalen Bewegung, Männer wie Robert Blum, Johann Jacoby, Wislicenus, Uhlich u. a. sich ihm als Mitarbeiter anschlossen und die neue Zeitschrift immer mehr und mehr zu einem Ausdrucke des erwachten Befreiungsdranges auf politischem und religiösem, wie auch socialem und litterarischem Gebiete ward. Aber bald wurden die Regierungen mißtrauisch gegen die Tendenz des Blattes, und es mußte während der kaum zweijährigen Periode seiner vormärzlichen Existenz nicht weniger als sechsmal den Verlagsort wechseln, um endlich auch aus dem liberaler regierten Braunschweig hinausgesetzt zu werden, als plötzlich der große Umschwung von 1848 heraufzog. Nun konnte der hartgeprüfte Herausgeber sein Journal nach Leipzig herübernehmen, es wurde in eine Wochenschrift verwandelt, stellte sich sofort auf die entschiedenste Seite der Volksbewegung und aus seinen Spalten brausten alsbald die heißen Gedankenströme jener wunderbaren Tage. Aber über dem Haupte des Herausgebers hing fortwährend das Schwert der Untersuchungen und Preßprozesse, bis er endlich im April 1852 Weib und Kinder und das bereits in Blüthe gekommene, aber einzig und allein auf seiner Arbeitskraft beruhende Geschäft verlassen mußte, um als Staatsverbrecher in Hubertusburg hinter Schloß und Riegel zu sitzen. Von den neun Monaten, auf welche das Urtheil lautete, wurden ihm drei erlassen. Der „Leuchtthurm“ freilich hatte schon 1851 von Leipzig weg auf die Wanderschaft sich begeben und endlich nach mühseligem Umherschleppen erliegen müssen. Denn mit seiner ganzen Haltung und seinem Beiblatte, das erst „Die Laterne“, sodann „Reichsbremse“, nachher „Spitzkugeln“, „Wespen“ und zuletzt „Schildwacht“ hieß, war das Blatt unter den veränderten Strömungen und Verhältnissen ganz unmöglich geworden, K. selbst aber, von Neuem vor Gericht gestellt und zur Gefängnißhaft verurtheilt worden, aus welcher er die Redaction des seit 1851 bei ihm erscheinenden und bereits in 22 000 Exemplaren verbreiteten „Illustrirten Dorfbarbier“ besorgte.

Ungebeugt nach verbüßter Haft in sein Haus zurückgekehrt, brachte er einen Gedanken mit, der seit Monaten seine ganze Seele erfüllt hatte: den besseren Geschmacksrichtungen und berechtigten Anforderungen der jeweiligen Zeitperiode und ihres besonderen Publikums gerecht zu werden. Mit diesem Gedanken sich tragend faßte er in der Einsamkeit des Gefängnisses den Entschluß zu der Großthat seines Lebens, zu der Gründung des Blattes, dem er bei der am 1. Januar 1853 erfolgten Ausgabe der ersten Nummer den unscheinbaren Namen „Die Gartenlaube“ gab, und da K. seinen Namen als Redacteur auf Grund der Anordnungen des Preßgesetzes nicht geben konnte, so liehen Stolle und Diezmann die ihrigen dazu her. Das Unternehmen jedoch gedieh schnell und es sind die überraschenden Erfolge jedem bekannt. Im J. 1853 mit 5000 Exemplaren debütirend, hatte das Blatt 1863 157 000 Abonnenten. Da traf „die Gartenlaube“ in Folge eines unüberlegten Artikels ein Verbot in Preußen, wodurch die Abnehmerzahl auf 100 500 fiel, sie stieg jedoch 1864 wieder auf 125 000 und 1866 auf 142 000. Die Besetzung durch die Preußen im J. 1866 brachte der Zeitschrift eine zweite Katastrophe, die leicht vernichtend hätte werden können. Das Erscheinen der Gartenlaube wurde verboten, aber diese Maßregel, auf den Antrag Bismarck’s zurückgenommen, wendete sich nun zum Segen für das Unternehmen: nach Verlauf von wenigen Wochen hatte die „Gartenlaube“ 177 000 Abonnenten und 1881 zählte sie 378 000. Der Papierverbrauch aber beläuft sich jährlich auf 4300 bis 4500 Ballen, in der Druckerei arbeiten 60–70 Leute, in der Buchbinderei 40–50, das Geschäftspersonal beträgt 25 und bei der Herstellung des Blattes sind 18 Schnellpressen und 4 Satinirmaschinen in Thätigkeit. Das Erscheinen dieser Zeitschrift aber ist geradezu ein epochemachendes Ereigniß im [532] Buchhandel und ihr Einfluß auf die Bildung und den nationalen Gedanken ein ganz außerordentlicher geworden. Sie schenkte fast ausschließlich dem deutschen Leben und Streben Berücksichtigung und die Arbeiten von Bock, Temme, Karl Vogt, Roßmäßler und Brehm trugen ihr Bestes dazu bei, die Verbreitung zu fördern, sowie später die von H. Schmid, Ruppius, L. Schücking, Storm, E. Marlitt u. A. Und sie blieb bis heute (1881) eine Volkszeitung im wahren Sinne des Wortes und wird von den Vornehmsten so gut wie von den Geringsten, von den Gelehrten eben so gern, wie von dem einfach Gebildeten gelesen. Sehr Vieles hat dieses Blatt auch beigetragen, die Deutschen im fernen Auslande in geistiger Verbindung mit dem Mutterlande zu halten. Aber auch von einer andern Seite betrachtet, steht die „Gartenlaube“, ein Werk, welches fast doppelt so viele Schnellpressen in ununterbrochener Bewegung hält, als ganz Leipzig im Jubeljahre 1840 aufzuweisen hatte und das Resultat der Ausdauer, tüchtigen Gesinnung und Geschicklichkeit eines armen Buchhändlergehülfen, als ein weit leuchtendes Beispiel da, welche enormen, alle Vorausberechnungen über den Haufen werfenden Erfolge mittelst der wieder in Deutschland heimisch gewordenen Verbindung von Wort und Bild erreicht werden können, wenn sie mit richtigem Verständnisse für die geistigen Bedürfnisse des Volkes benutzt wird. Diese Zeitschrift ist geradezu maßgebend für die ganze Litteratur der illustrirten Unterhaltungsblätter geworden, aber die meisten der Nachfolger haben es nur zu einer äußeren Aehnlichkeit gebracht, ja kein anderes Land hat ein ähnliches Beispiel aufzuweisen, daß ein wohlfeiles Unterhaltungsblatt eine Macht geworden, deren Ausspruch oft wirksamer war, als der manchen Gebieters, aber nur deshalb, weil diese Macht nie für private oder unwürdige Zwecke gemißbraucht wurde. K. starb am 23. März 1878. Die Kunde von seinem Tode ging wie ein Lauffeuer durch ganz Deutschland und in die überseeischen Länder, es war, als hätte Jeder einen ihm nahe stehenden Freund verloren, obwol K. vielleicht Wenigen persönlich bekannt war, da er, früher gezwungen, später grundsätzlich von allen öffentlichen Angelegenheiten sich frei hielt. Trotz seiner glänzenden Verhältnisse lebte er einfacher als mancher schwach honorirte Gehülfe, wenn es aber galt zu helfen, da war er bereit, sobald er sich selbst überzeugt hatte, daß die Hülfe angebracht war. Von seinen sonstigen Unternehmungen seien erwähnt: Ferdinand Stolle’s, Ludwig Storch’s, Hermann Schmid’s und E. Marlitt’s Schriften, Bock’s berühmtes „Buch vom gesunden und kranken Menschen“, welches zwölfmal aufgelegt, in über 200 000 Exemplaren verbreitet wurde und Roßmäßler’s Bücher der Natur. – Eines Buchdruckers Rupertus K. zu Zeitz gedenkt Geßner in seiner Buchdruckergeschichte für das J. 1677 und eines G. C. Keil in Magdeburg † 1807 die Zeitschrift „Gartenlaube“ 1881, 168.

Nach verschiedenen Nekrologen und zerstreuten biographischen Notizen in Zeitschriften und Büchern aus dem J. 1878.