ADB:Joël, Franz (1508 bis 1579)

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Artikel „Joel, Franz“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 112–114, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jo%C3%ABl,_Franz_(1508_bis_1579)&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:05 Uhr UTC)
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Joel: Franz J., im Verlaufe des 16. Jahrhunderts der hervorragendste Lehrer der Medicin an der Universität zu Greifswald, war am 1. September 1508 zu Szöllös (Solochium) bei Stain am Anger (Sabaria) in Deutsch-Ungarn als Sohn eines Schmiedes geboren. Auf den Schulen genannter Stadt, sowie zu Olmütz und Wien gebildet, wandte er sich seit 1526 zu Neustadt unter der Leitung eines Apothekers, dann seit 1538 auf den Universitäten zu Leipzig und Wittenberg, unter Auerbach und Fendius, der Arzneimittellehre und Heilkunde zu, und wurde zugleich durch Luther’s Predigt ein begeisterter Anhänger der Reformation. Nachdem er dann kürzere Zeit in Berlin als praktischer Arzt gewirkt hatte, wurde er von Herzog Albert von Mecklenburg (1503–47) als Hofapotheker nach Güstrow berufen, wo er sich 1543 mit Barbara, einer Tochter des Münzmeisters Andreas Schacht, vermählte. Bald darauf nach Stralsund übergesiedelt, übte er dort eine ausgedehnte Praxis, wurde aber in die theologischen [113] Streitigkeiten verwickelt, welche der Erlaß des Interims 1548 zur Folge hatte, bei denen er sich der Partei des Superintendenten Frederus (s. d. Art.) anschloß. Hierdurch zog er sich die Feindschaft des Bürgermeisters Christoph Lorbeer (s. d. Art.) zu, der, gemäß seinem vermittelnden diplomatischen Charakter, die Annahme des Interims begünstigte. Aus diesem Grunde begab J. sich, gleich Frederus, nach Greifswald, wo dieser eine theologische Professur, J. aber das Stadtphysikat erhielt. Sein religiöser Eifer bewog ihn dann 1550 noch gegen Frederus’ Nachfolger, Al. Dume, in einer polemischen Schrift aufzutreten, in welcher er eine strengere Sonntagsfeier verlangte. In der Folge 1559 erhielt er eine ordentliche Professur der Medicin, in welchem Amt er einerseits ein Compendium der Medicin und Melanchthon’s Buch „De Anima“ erklärte, andererseits mit seinen Schülern botanische Wanderungen und Studien unternahm. Mit diesem lehrenden und praktischen Wirken als Professor und Arzt verband er zugleich eine schriftstellerische Thätigkeit von einer so großen Ausdehnung, daß dieselbe das ganze Gebiet der Heilkunde umfaßte. Wenn wir die große Quartausgabe seiner Werke, von denen Band I–IV von Math. Bacmeister, Hamburg von 1616–22, Band V–VI von seinem Enkel Franz J. III., Rostock 1629 bis 1631 redigirt wurden, überschauen, so ist kaum ein Gebiet seines Faches unberührt geblieben und man erstaunt, daß der Geist Eines Mannes eine Fülle von Stoffen zu bewältigen wußte, welche jetzt die Kräfte einer ganzen Facultät in Anspruch nehmen. Außer dieser großen Sammlung veröffentlichte er selbst ein Buch „De morbis hyperphysicis“, das ebenso, wie seine 1571 gehaltene Disputation „De Paracelsicis quaestionibus“, gegen die abergläubischen und alchymistischen Schriften Leonhard Thurneisser’s gerichtet war und dessen Vertheidigung hervorrief. Außerdem sind von seinen gedruckten Schriften sein „Methodus medendi“, seine „Wundarzenei“, Nürnberg, 1680, und eine Abhandlung über die Pest; von seinen Manuscripten „Liber experimentorum“ zu erwähnen, welche außer der Medicin auch die Physik und Oekonomie betreffen. Andere Arbeiten beziehen sich auf verschiedene Arzneimittel, u. A. China und Sarsaparilla, auf Bienenzucht, auf die „Pharmacopoea Lubecensis“, während mehrere Universitätsreden die Schäden des menschlichen Lebens zu begründen und die Pflichten eines christlichen Arztes zu entwickeln suchen. Nachdem er 1561 seine erste Gattin durch den Tod verloren hatte, vermählte er sich 1562 in zweiter Ehe mit Katharina Temel, deren Mutter der uralten Stralsunder Patricierfamilie Swarte entstammte. Diese Verbindung hatte zur Folge, daß ihn der Stralsunder Rath zur Uebernahme des dortigen Stadtphysikats einlud, was J. jedoch ausschlug, und, vom Herzog zum Hofarzt ernannt, in seiner Greifswalder Stellung bis zu seinem Tode am 20. October 1579 verblieb, nachdem er wiederholt das Rectorat geführt und durch Lehre und Schriften, wie durch Leben und werkthätige Hülfe einen unsterblichen Namen erlangt hatte. In diesem Sinne feierte ihn besonders sein Zeitgenosse Johann Seckervitz in einer Elegie im 5. Buche der Pomeraneiden, sowie die Grabschrift auf seiner Gruft in der Nikolaikirche. Sein Bildniß ist in der Universität aufgestellt. Aus seiner ersten Ehe stammten zwölf Kinder, von welchen die Mehrzahl vor ihm starb, aus seiner zweiten Ehe mit Katharina Temel, die nach seinem Tode den Greifswalder Rector Lucas Taccius (s. d. Art.) heirathete, entsprossen zwei Söhne und eine Tochter, unter ihnen Franz J. II., geb. 1564, Anfangs in Stettin als Kaufmannslehrling, dann mit Unterstützung des herzoglichen Rathes Lucas Hagemeister (s. d. Art.)[WS 1] seit 1577 Student der Medicin in Greifswald und Basel, später Stadtphysikus in Stralsund und Hofarzt des Herzogs Philipp Julius, † 1601. Aus seiner Ehe mit Anna Eddelink, einer Tochter von M. Peter E., Präpositus in Colberg, und Anna, einer Nichte von Lucas Hagemeister (Bd. X S. 331), [114] stammt: Franz J. III., geb. 1595 in Stralsund, studirte 1612–17 in Greifswald, Wittenberg und Marburg unter Seidel und Tandler Medicin und wurde nach seiner Heimkehr Hofarzt bei Herzog Philipp Julius und nach dessen Tode (1625) bei Bogislaw XIV. Als Wolgast im 30jährigen Kriege von Zerstörung bedroht war, flüchtete er Anfangs nach Stralsund, nahm aber dann 1629 eine Professur in Greifswald an, in welcher er, wenn ihn sein ärztliches Amt an den Hof berief, von seinem Genossen Joh. Schöner vertreten wurde. Von den Pflichten dieser doppelten Stellung und den Schrecken des Krieges erschöpft, starb er schon im 36. Jahre, Ostern 1631. Aus seiner Ehe mit Hedwig Heun, einer Tochter des Rathsherrn und Hofapothekers Joachim H. und Anna Neumann (1619), stammen drei Söhne und drei Töchter, von welchen jene, unter dem Namen v. Ornestedt in die schwedische Ritterschaft aufgenommen, nebst zahlreichen Nachkommen, zu hohen Aemtern und militärischen Würden gelangten, während diese mit angesehenen Familien: v. Boltenstern, v. Pommeresche und in späterer Descendenz mit den F. Mevius, Rehnschild, Tessin, Netzow in Verbindung traten.

Scheffel, Vitae professorum medicinae in ac. Gr., 1756. Kosegarten, Gesch. der Univ., I. 203. Mohnike, Joh. Frederus’ Leben, Thl. III, 1840, S. 8, 35, wo „Summa Scoticae concionis de sanctificatione sabathi, per Fr. Joelem excerpta“ erwähnt ist. Dinnies, Stemmata Sundensia, Fam. Swarte.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Dieser Lucas Hagemeister wird erwähnt im Artikel seines Vaters Johannes Hagemeister.