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Artikel „Jaumann, Ignaz (von)“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 730–733, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jaumann,_Ignaz_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:39 Uhr UTC)
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Jaumann: Ignaz (von) J., katholischer Theologe und Alterthumsforscher, geb. den 26. Jan. 1778 zu Wallerstein, † den 12. Jan. 1862 in Rottenburg a. N. J. war der jüngste Sohn eines Bäckermeisters, dem die auf fürstliche Kosten gestiftete lateinische Lehranstalt der Piaristen in Wallerstein Gelegenheit gab, von seinen fünf Söhnen vier studiren zu lassen. Durch ein früh hervortretendes Talent zur Musik seinem Landesfürsten Kraft Ernst besonders werth [731] geworden, erhielt der Knabe an dem originellen Hofe mancherlei Anregung zu Kunst und Wissenschaft. Unter der Leitung eines Bruders, der als Chorvicar am Dom in Augsburg angestellt war, setzte er seine Studien in dieser Stadt fort, kam von da in das Priesterseminar Pfaffenhausen und erhielt im J. 1801 die Priesterweihe. Von diesen Jugendjahren, sowie von seinem Vicariate in Marktoffingen, seinem Kaplandienst in Schwendi (1803–1805) und seinem Pfarramt in Großschaffhausen (1805–1814) giebt er in dem Büchlein: „Geschichte einer Gemäldesammlung“, München 1855, eine idyllische, auch als Zeitbild werthvolle Schilderung. Ein Freundschaftsbund mit dem ausgezeichneten Theologen Seb. Drey (vgl. Bd. 5. S. 403 ff.) war für die Erhaltung seines wissenschaftlichen Strebens in dieser ländlichen Vereinsamung von großer Bedeutung. Mit seinem ehemals öttingischen Pfarrdorfe Großschaffhausen, erst badisch, dann württembergisch geworden, erhielt er im Jahre 1814 einen größeren Wirkungskreis als Dekan und Stadtpfarrer in Rottenburg a. N. Er nahm dort an der Reorganisation des städtischen Schulwesens und an der Bekämpfung der Hungersnoth von 1817 einen rühmlichen Antheil. Der württembergischen Regierung aber leistete er erhebliche Dienste bei der Verlegung des katholischen Generalvicariats und des Priesterseminars von Ellwangen nach Rottenburg, wofür er im December 1817 zum Generalvicariatsrathe ernannt wurde. Er erwarb sich dabei das Vertrauen des Ministers Freih. von Wangenheim und als dieser im März 1818 zu einer kirchenpolitischen Conferenz der kleineren protestantischen Staaten Deutschlands nach Frankfurt a. M. ging, wählte er sich J. als theologischen Beirath; die ausgesprochen josephinische Gesinnung dieses Begleiters schien den Zielen jener Conferenz ganz besonders zu entsprechen. Während dieses Aufenthaltes, der bis zum Januar 1821 dauerte, hatte J. im Umgang mit hervorragenden Männern jeder Art Gelegenheit, sich weltmännische Gewandtheit zu erwerben und in allen Stücken, wie er sagt, „vieles zu erfahren und zu lernen“. Mit seinem württembergischen Landsmanne, dem französischen Bundestagsgesandten, Graf Reinhard, entspann sich eine engere Bekanntschaft, welche durch brieflichen Verkehr und wiederholte Besuche Reinhard’s in Rottenburg bis zu dessen Tode erhalten blieb. Bei den späteren Verhandlungen über die neugeschaffene oberrheinische Kirchenprovinz und die Besetzung der dazu gehörigen Bisthümer kam er auch mit dem Freiherr von Wessenberg in nähere Berührung, woraus bald eine dauernd freundschaftliche, durch vielfachen Briefwechsel belebte Verbindung entstand. Nach der Gründung des Bisthums Rottenburg im J. 1828 wurde J. von dem ersten Bischof, von Keller, als Domdecan in das Domcapitel gezogen, dessen Vorsitz er zu führen hatte. In dieser Stellung trug er viel zur friedlichen Weiterbildung der katholischen Kirchenverhältnisse Württembergs bei und bewährte seine gemäßigte Gesinnung namentlich in dem Kirchenstreite von 1841. Der greise Bischof, welcher nach der Landesverfassung Sitz und Stimme in der zweiten Kammer hatte, brachte dort in Form einer Motion an die Regierung eine Reihe von, zum Theil allerdings nach heutiger Anschauung nicht unberechtigten Beschwerden gegen die damalige Kirchenverfassung und die Ausübungsweise des staatlichen Oberaufsichtsrechtes durch den katholischen Kirchenrath zur Sprache. Er that dies besonders in einem Nachtrage zu dieser Motion in schroffem Tone und mit bitteren Angriffen auf den Minister des Kirchen- und Schulwesens, Schlayer. Uebrigens glaubte man, daß er nicht aus eigenem Antriebe handele, sondern gedrängt von der päpstlichen Curie und von einer kleinen ultramontanen Partei im Lande. J., der gewählte Vertreter des Domcapitels in jener Versammlung, folgte seinem Bischof auf diesem Wege nicht, sondern bewirkte durch seine eigene besonnene Haltung und einen geschickt formulirten Vermittlungsantrag, daß die [732] Motion selbst von dem überwiegenden Theile der katholischen Abgeordneten abgelehnt wurde. Auch in anderen Stücken erwarb er sich als Kammermitglied (vom J. 1826–1851) bleibende Verdienste. So gelang es z. B. der württembergischen Regierung in den Jahren 1836–1839 hauptsächlich durch seine Unterstützung bei den sparsamen Landständen den Bau eines „Museums der bildenden Künste“ durchzubringen. Dabei wurde wesentlich durch seine Bemühung auch dem sogenannten Lapidarium, einer schon von Herzog Ludwig im 16. Jahrhundert gegründeten Sammlung von in Württemberg gefundenen römischen Bild- und Inschrift-Steinen, eine würdige Unterkunft bereitet. Vom Jahre 1845–48 stand J. nach dem Tode des Bischofs von Keller als Kapitularvicar dem Bisthume Rottenburg vor. Noch in seinem 72. Lebensjahre (1850) machte er eine Reise nach London und Paris und beschrieb dieselbe in einem eigenen Büchlein (1851), welches schöne Zeugnisse für den überall offenen Sinn und die humane Denkungsart des alten Herrn enthält. Mit großen Ehren beging er im J. 1851 sein 50jähriges Priesterjubiläum, bei welcher Gelegenheit ihm die Stadt Rottenburg das Ehrenbürgerrecht, König Wilhelm von Württemberg das Großkreuz des Friedrichsordens und die Universität Tübingen das Diplom eines Doctor juris canonici verliehen. Noch aber gab es eine Seite seiner Thätigkeit, von welcher er selbst sich mehr bleibenden Nachruhm versprechen mochte, als von allen andern – seine archäologische. Und gerade diese allein fand einen minder rühmlichen Abschluß. J. hatte schon seit dem J. 1820 angefangen, sich der in Rottenburg a. N. zu Tage kommenden römischen Alterthümer anzunehmen, indem er theils bei zufälligen Aufdeckungen und Funden, theils bei kleinen Ausgrabungen, welche er auf eigene Kosten machen ließ, Münzen, Broncen, Gefäßscherben, Steininschriften u. dergl. sammelte. Bald versuchte er auch die Topographie und Geschichte der alten Römerstadt – Sumelocenna oder – ae war ihr Name – festzustellen und glaubte sich in diesem Bemühen auf Scherben mit Stempeln und solche mit eingeritzten Inschriften stützen zu können, welche er selbst fand oder zugetragen erhielt. Durch liberalste Vorzeigung seiner Schätze und gewandt geschriebene Fundberichte (vgl. Württemb. Jahrbücher von 1830, 1833 und 1836) erwarb er sich in Süddeutschland den Ruf eines geachteten Archäologen und gewann trotz anfänglicher Bedenken des Stuttgarter Professors Pauly, des Herausgebers der bekannten Real-Encyklopädie des klassischen Alterthums, den württembergischen Verein für Vaterlandskunde zur Herausgabe seines ziemlich umfangreichen und mit vielen lithographirten Tafeln ausgestatteten Buches: „Colonia Sumlocenne. Rottenburg am Neckar unter den Römern. Mit Rücksicht auf das Zehentland und Germanien überhaupt. Ein antiquarisch-topographischer Versuch“, 1840. Dieses Werk fand in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften eine günstige Beurtheilung, seine Resultate wurden von anderen Gelehrten angenommen und Mittheilungen über weitere Rottenburger Funde fanden in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande (vgl. die Jahrgänge 1844, 1846, 1850 und 1852) eine willige Aufnahme. Um so größeres Aufsehen in der gelehrten Welt machte es, als auf einmal im Jahre 1852 Theodor Mommsen in der Fortsetzung seiner epigraphischen Analekten (Berichte über die Verhandl. d. k. Sächs. Gesellsch. d. wissensch. Bd. 4. S. 188 ff.), ohne Jaumann’s Sammlung je gesehen zu haben, aus inneren Gründen die Unächtheit der meisten von diesem veröffentlichten Inschriften und Stempel nachwies und die Schwächen seines archäologischen Dilettantismus unbarmherzig bloslegte. Jaumann’s eigene Entgegnungen (s. Jahrbücher d. Ver. v. Alterthumsfr. im Rheinl. H. XXI. S. 143 ff.) und die zwei Nachträge zu seinem Buche, vom J. 1855 und 1857, konnten die Sache so wenig retten, als die ihm unglücklicher Weise geliehene Unterstützung des Tübinger Archäologen [733] Chr. Walz (vgl. Nr. 185 und 186 d. Jahrgangs 1853 der Allgem. Zeitung). Bei der fünften Versammlung der deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher zu Ulm im J. 1855 (vgl. H. XXV. S. 209 d. gen. Jahrb.) wurden von einer hierzu niedergesetzten Commission die vorgelegten Stücke geprüft und 15 Stempel nebst sämmtlichen auf (übrigens ächten) Gefäßscheiben eingeritzten Inschriften für unächt erklärt. Er selbst, dessen Persönlichkeit von vornherein jeden Verdacht eigener Fälschung ausschloß, soll erst in seinen allerletzten Lebensjahren sich überzeugt haben, daß er von einem Spaßvogel (oder von mehreren?) mit über 100 gefälschten Stücken fast 30 Jahre lang genarrt worden war. Freilich war er, wie sich das auch an seiner Gemäldesammlung und deren oben erwähnter Beschreibung zeigte, – weder überhaupt von Haus aus kritisch angelegt, noch in historischen und archäologischen Dingen geschult genug, um gegen solche nichtswürdige Schelmenstreiche gedeckt zu sein. Seine Sammlung, worunter sich neben diesen corpora delicti doch auch viele ächte Münzen und Anticaglien, namentlich aber mehrere werthvolle römische Bild- und Inschriftsteine befanden, vermachte er den Stuttgarter Staatssammlungen. Außer den schon genannten Schriften Jaumann’s sind noch zu verzeichnen: „Größerer Katechismus der christkatholischen Lehre“, 1834 und (2. Aufl.) 1838 und „Kleinerer Katechismus der christkatholischen Lehre“, 1834 (1. und 2. Aufl.) und 1838 (3. Aufl.).

Vgl. Ritter, Das Leben und Wirken des Herrn Domdecans von Jaumann, Schw. Gmünd und Rottenburg a. N. 1862. Longner, Beiträge zur Geschichte der Oberrhein. Kirchenprovinz, Tübingen 1863. Golther, Der Staat und die katholische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1874. Brambach, Corpus inscript. rhenan. p. 363 sq.