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Artikel „Hellwig, Johann Christian Ludwig“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 498–499, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hellwig,_Johann&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:57 Uhr UTC)
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Hellwig *): Johann Christian Ludwig H., Mathematiker und Naturforscher, geb. zu Garz in Pommern am 8. November 1743, † 1831; studirte auf der Universität zu Frankfurt a./O. Mathematik und Naturwissenschaften, wurde nach Beendigung seiner akademischen Studien im J. 1766 zum Begleiter des Prinzen Wilhelm Adolf von Braunschweig, des am 18. Mai 1745 geborenen fünften Sohnes des Herzogs Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, ernannt, mit dem er eine Reise nach Südrußland unternahm. Als sein fürstlicher Zögling am 24. August 1770 im Lager vor Oczakow an einer Halsentzündung starb, empfahl dieser auf dem Sterbebette seinen bewährten Begleiter der Fürsorge seines Vaters. H. brachte die Leiche des Prinzen nach Braunschweig, wo sie am 12. December in dem herzoglichen Erbbegräbnisse beigesetzt wurde. Im J. 1771 zum Lehrer der Mathematik und der Naturwissenschaften an den beiden Gymnasien in Braunschweig ernannt, promovirte er im J. 1773 an der Universität Helmstedt zum Doctor der Philosophie und wurde später zum Pagenhofmeister in Braunschweig ernannt. Im April 1790 erhielt er den Charakter als Professor und im J. 1802 wurde er mit dem Titel Hofrath als ordentlicher Professor in der Mathematik und der Naturwissenschaft am Collegium Carolinum zu Braunschweig angestellt. Während der westfälischen Regierungsperiode war H. an der Militärschule in Braunschweig, in welche das Collegium Carolinum umgewandelt war, Lehrer der Mathematik, bis es im J. 1814 seiner früheren Bestimmung zurückgegeben wurde. Bis zu seinem Tode blieb er unausgesetzt und unermüdet thätig. Er starb am 10. September 1831 im fast vollendeten 88. Lebensjahre, nachdem er 60 Jahre in braunschweigischen Diensten gestanden und dem herzoglichen Hause 65 Jahre gedient hatte. Weniger durch seine schriftstellerische als durch seine rastlose Lehrthätigkeit übte er auf seine Schüler einen belebenden Einfluß aus; er hat in den von ihm vorgetragenen Wissenschaften tüchtige Zuhörer gehabt, durch deren Heranbildung er, ein glücklicher Beobachter der Naturerscheinungen, ein scharfsinniger Erforscher ihrer Gesetze und ein geistreicher Bildner der äußeren Form der Naturgeschichte, sich bleibende Verdienste um die Wissenschaft erworben hat. – Sein naturwissenschaftliches Hauptfach waren Entomologie und Mineralogie. In diesem Zweige sind als Schüler von ihm zu nennen der Entomologe Karl Wilhelm Illiger, gestorben als Professor der Naturgeschichte und Director des zoologischen Gartens zu Berlin am 10. Mai 1813, bekannt durch sein Magazin für Insektenkunde, und der Mineraloge Gottlieb Peter Sillem, beide seine Schwiegersöhne, letzterer auch sein Nachfolger als Lehrer der Naturwissenschaften am Collegium Carolinum, † am 12. Mai 1852; ferner der bekannte Naturforscher Graf v. Hoffmannsegg. Von H. ist die Insekten-Sammlung gegründet, welche nach ihrer Vereinigung mit der Illiger’schen und Hoffmannsegg’schen die Grundlage der berühmten Insekten-Sammlung der Universität zu Berlin bildet. Um systematische wissenschaftliche Anordnung und um die Entdeckung von Mitteln, solcher der Zerstörung leicht ausgesetzten Sammlung längere Dauer zu sichern, hat H. sich vielfach verdient gemacht. – Bedeutender noch war die Zahl der Mathematiker, welche [499] durch dessen Lehre und Unterricht auf dem Collegium Carolinum herangebildet, später als seine Schüler sich zum Theil großen Ruf als Mathematiker erworben haben, so der früh verstorbene Joh. Jos. Ide, Conrad Diedrich Stahl, Professor in Jena, dann in Landshut und später in München, Karl Bartels, Staatsrath und Professor in Dorpat, Brandan Mollweide in Leipzig, der durch populäre Schriften nicht unbekannte Astronom A. H. Chr. Gelpcke in Braunschweig, unter den jüngeren Fr. Wilh. Spehr in Braunschweig, Karl Graeffe in Zürich und vor Allem der König der mathematischen Wissenschaften für alle Zeiten, K. Fr. Gauß in Göttingen, dem H. in seiner Bescheidenheit rieth, seine Vorträge nicht weiter zu besuchen, da er bei ihm nichts mehr lernen könne. Alle haben laut und gern anerkannt, was sie ihrem Lehrer verdankten. – H. war auch Erfinder des bekannten, seiner Zeit sehr beliebten „Kriegsspiels“, einer Abart des Schachspiels. („Versuch eines auf das Schachspiel gebauten taktischen Spiels“, Leipzig 1780–82.) Um das braunschweigische Land hat er sich große Verdienste erworben durch Stiftung des Sterbecassen-Instituts und der braunschweigischen allgemeinen Wittwenkasse, jetzt in eine allgemeine Lebensversicherungsanstalt für Wittwenpensionen, Ueberlebens-, Leib- und Altersrenten, Lebensversicherungen, Aussteuer- und Alters-Kapitalversicherungen erweitert, welche auf die von H. aufgestellte Wahrscheinlichkeitsrechnung gestützt, sich einer großen Solidität und Sicherheit erfreut. Herzog Karl II. sprach H. in einem diese Stiftung betreffenden Schreiben den Wunsch aus, „daß der Himmel ihn noch lange erhalten möge, damit er auf das Gedeihen des Instituts noch ferner nach Kräften einwirken könne und an der Wahrnehmung der gesegneten Folgen seiner Stiftung die süßeste Belohnung für seine menschenfreundlichen und uneigennützigen Bemühungen genießen möge.“ Hellwig’s Porträt ist von K. Schröder in Kupfer gestochen. Sein Sohn ist der bekannte Freischaarenführer in den Kriegen von 1813 und 1814 (s. u.).

Zeitgenossen. – Neuer Nekrolog der Deutschen. – Meusel.

[498] *) Zu Bd. XI S. 700.