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Artikel „Hell, Maximilian“ von Karl Christian Bruhns in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 691–693, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hell,_Maximilian&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 22:10 Uhr UTC)
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Hell: Maximilian H. (eigentlich Höll), geb. am 15. Mai 1720 in Schemnitz in Ungarn, gestorben am 14. April 1792. Sein Vater Matthias Cornelius war Mathematiker und Oberkunstmeister der dortigen Bergwerke und seine Brüder Ignaz Cornel und Joseph Karl waren ebendaselbst Beamte. Die Gelegenheit, welche sich darbot, täglich künstliche Maschinen zu sehen, erweckten in dem jungen Maximilian H. jene Anlage zu mechanischen Kunstgriffen und Erfindungen, die man an ihm so oft in seinen spätern Jahren wahrnehmen konnte. Nachdem er die elementaren Studien zu Schemnitz und die höheren zu Neusohl beendet hatte, trat er 1738 zu Trentschin in Ungarn in den Orden der Gesellschaft Jesu. Nach überstandenen Probejahren wurde er nach Wien geschickt, um daselbst drei Jahre Philosophie und mathematische Vorlesungen zu hören und erhielt bald bei dem Astronomen an der damaligen Jesuiten-Sternwarte zu Wien,P. Joseph Franz, die Stelle als Gehilfe. In dieser Zeit gab er „Johannis Crivelli Arithmetica numerica et literalis“ mit vielen Verbesserungen heraus. Nachdem er noch als Lehrer an den lateinischen Schulen zu Leutschau in Ungarn von 1746 an thätig gewesen, kehrte er mit Ende des Jahres 1747 wieder nach Wien zurück, um die Laufbahn seiner theologischen Studien zu betreten. Hier erhielt er auf Begehren des Hofkammer-Präsidenten Grafen von Königseck den Auftrag, zehn junge Adelige, die in ungarische Bergstädte kommen sollten, vorzubereiten. Er ließ zu dieser Zeit sein „Adjumentum memoriae manuale chronologico-historicum“ erscheinen, ohne sich als Verfasser desselben zu nennen. Im J. 1752 vollendete H., den Regeln seines Ordens gemäß, sein drittes Probejahr zu Neusohl und erhielt hierauf den Auftrag, zu Tyrnau in Ungarn eine neue Sternwarte anzulegen. Allein, eben als er nach seinem neuen Bestimmungsorte abgehen wollte, bekam er Gegenbefehl, mußte nach Klausenburg in Siebenbürgen, um den Bau des neuen Collegiums und der Sternwarte dort zu leiten und zu gleicher Zeit als Lehrer der Mathematik öffentliche Vorlesungen zu halten. Hier beschäftigte er sich mit Untersuchungen über die Wirkungen der Electricität und war erfreut, alle seine gemachten Erfahrungen durch die Schriften Franklins, Beccarias u. a. bestätigt zu finden. Er gab zu dieser Zeit die „Elementa Arithmeticae numericae et literalis“ zum Gebrauch seiner Schüler heraus und wollte alle Theile der Mathematik nach und nach auf gleiche Weise bearbeiten, wurde aber daran durch den Ruf nach Wien, den er 1755 erhielt, verhindert. Johann Jacob Marinoni, Hofastronom und Mathematiker zu Wien, war mit Tode abgegangen und dadurch alle astronomischen Instrumente, mit denen er beobachtet, dem Hofe, der sie hatte verfertigen lassen, anheimgefallen. Auf allerhöchsten Befehl wurden dieselben der Universität übergeben, welche auf Anrathen des Cardinal Fürsten Trautsohn beschloß, eine Sternwarte zu errichten. Die Anordnung des Baues derselben ward dem P. Joseph Franz, damaligem Director der philosophischen Studien, aufgetragen und dieser schlug zum Vorsteher der neuen Sternwarte den P. H. vor, welchen Vorschlag der Hof bestätigte. In Wien übernahm H. trotz der vielen Geschäfte, die ihm die Einrichtung der neuen Sternwarte verursachte, noch das Lehrfach der populären Mechanik, wodurch dem Staate geschickte Künstler und Handwerker herangebildet werden sollten. H. gab aber nach einem Jahre diesen Lehrstuhl ab, weil der erhaltene Auftrag, jährlich Ephemeriden nach dem Muster der Pariser herauszugeben, seine ganze Zeit in Anspruch nahm.

Er hatte fast zehn Jahre der Wiener Sternwarte mit Ruhm vorgestanden, als sich die Aufmerksamkeit der damaligen astronomischen Welt auf den im J. 1769 zu erwartenden Vorübergang der Venus vor der Sonnenscheibe richtete, welche Erscheinung für die Wissenschaft von größter Wichtigkeit war, da durch die Beobachtung derselben zu einer genauen Bestimmung der Entfernung der Sonne von der Erde zu gelangen ist. Um aber diesen Zweck zu erreichen, muß die Erscheinung zu [692] gleicher Zeit auf möglichst von einander entfernten Punkten der Erde beobachtet werden. Mit einer Munificenz, die astronomische Beobachtungen wol nur selten zu erfahren das Glück haben, wurden zur Beobachtung des Venus-Vorüberganges von 1769 von fast allen Akademien, Universitäten u. s. w. berühmte Astronomen auf die, durch Rechnung bereits voraus bestimmten, angemessensten Orte geschickt. Eine solche günstige Lage hatte unter andern auch die Insel Wardöhus an der Küste von Lappland, damals zum Königreiche Dänemark gehörig. Der damals regierende König Christian VII. befahl seinem Minister des Aeußern, Grafen von Bernstorff, durch den Grafen Bachof, k. dänischen Gesandten am Wiener Hofe, den P. H. einzuladen, auf dänische Kosten die Reise nach Wardöhus zu unternehmen und dort das Phänomen zu beobachten. Am 5. September 1767 eröffnete Graf Bachof dem P. H. die königliche Entschließung, worüber H. sich, wie er selbst erzählt, sehr wunderte, da er mit Niemandem in Dänemark in gelehrtem Briefwechsel stand, vielmehr glaubte, daß sein Name dort ganz unbekannt sei. Er hielt es aber für des Himmels ausdrücklichen Willen, daß er als ein Mitglied der Gesellschaft Jesu zu dieser Reise auserkoren würde, sagte also, nachdem verschiedene Gegenstände formaler Natur geordnet waren, zu und wählte als Gefährten zur Reise den P. Johannes Sajnovics S. J., seinen frühern Mitarbeiter auf der Wiener Sternwarte, der damals Adjunct der Sternwarte in Tyrnau war. Die Beobachtung des Venusvorüberganges zu Wardöhus gelang, wie man aus dem hinterlassenen Fragmente seines astronomischen Tagebuches sehen kann, an und für sich vollständig. Es fiel aber dieser Umstand auf, denn von allen übrigen nördlichen Beobachtungsstationen hatte wegen ungünstiger Witterung keine die Erscheinung vollständig, ja die meisten gar nicht gesehen, dazu kam, daß P. H. noch durch die späte Bekanntmachung seiner Beobachtungen (sie wurden erst über ein halbes Jahr, nachdem die Beobachtungen angestellt waren, dem Drucke übergeben) die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich richtete, und als man nun gar die schlechte Uebereinstimmung der bekannt gemachten Daten seiner Beobachtungen mit denen anderer Astronomen entdeckte, wurde die Aechtheit der Hellschen Mittheilung allgemein bezweifelt. Man beschuldigte ihn offen der Erdichtung oder wenigstens der Veränderung seiner Beobachtungszahlen. In ersterem ist man zu weit gegangen; letzteres hat sich bestätigt, denn C. v. Littrow fand das Tagebuch, das P. H. an Ort und Stelle über seine astronomischen Beobachtungen geführt hatte, und hat einige corrigirte Zahlen wieder auf die ursprünglichen zurückgeführt, wodurch Encke seine abgeleitete Sonnenparallaxe von 8,5" auf 8,57" verbesserte.

Bald nach seiner Rückkehr aus Wardöhus erhielt P. H. den Auftrag, den Bau und die Einrichtung einer neuen Sternwarte, die von dem Bischofe Grafen Carl Eszterhazy zu Erlau errichtet werden sollte, zu leiten. Außerdem stellte er mit Meßmer (s. d.) Untersuchungen über Magnetismus an und arbeitete längere Zeit an einem Werke, das die vollständige Beschreibung seiner Wardöhuser Reise enthalten und unter dem Titel: „Expeditio literaria ad Polum arcticum“ erscheinen sollte. Der Plan zu diesem Werke, den er in der den Wiener Ephemeriden für 1771 beigegebenen Abhandlung: „Observatio Transitus Veneris Wardoehussii facta“ bekannt gemacht hatte, war zu weitschweifig und er konnte denselben nicht ausführen, weil er anfangs nur 300, später 700 Gulden Gehalt erhielt und weder Vermögen noch Zuschüsse hatte und ließ, als auch sein Orden aufgehoben war, die Sache fallen. Sein hoher Beschützer, König Christian VII. von Dänemark, ließ ihm in Ansehung der beschwerlichen und gefahrvollen Reise, die er im Interesse der Wissenschaft an die äußerste nördliche Spitze des dänischen Staates unternommen hatte, zwar eine jährliche Pension von 1000 Gulden antragen, H. aber, als von einem fremden auswärtigen Hofe kommend, schlug dieselbe aus. – H. erhielt den Auftrag, zu einer Akademie der Wissenschaften, die in [693] Wien errichtet werden sollte, den Plan zu entwerfen. Er erfüllte diese Weisung mit seiner gewöhnlichen Pünktlichkeit, arbeitete die Sache bis in das Kleinste aus, schlug aber unter andern für die zu creirenden Akademikerstellen fast lauter Jesuiten vor, so daß die Kaiserin Maria Theresia den Plan mit der trockenen Unterschrift: „Ich halte den P. Hell für zu schwach zur Ausführung eines solchen Geschäftes“ zurückwies.

H. zog sich darauf fast ganz von der Welt zurück und beschäftigte sich nur mit der Herausgabe der „Ephemerides astronomicae ad meridianum Vindobonensem“, welche er für die Jahre 1757 bis 1793 leitete. Er war correspondirendes Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften zu Paris und wirkliches Mitglied der Akademien zu Kopenhagen, Göttingen, Stockholm, Drontheim und Bologna. Von Charakter menschenfreundlich, kam er jedem mit Liebe und Wohlwollen entgegen und hatte Wohlgefallen daran, andern zu dienen. Dabei war er tolerant, patriotisch und äußerst wohlthätig gegen die Armen, denen er beinahe sein ganzes Vermögen vermachte. Im März 1792 erkrankte er an einer Lungenentzündung, starb am 14. April 1792 und ist auf dem Friedhofe von Enzersdorf, dem Gute seines Freundes Freiherrn von Pengler beerdigt.

Vgl. Paintners Historia Scriptorum Societatis Jesu olim Provinciae Austriacae, Hungaricae etc. Viennae 1855. Littrow: P. Hell’s Reise nach Wardoehus bei Lappland, Wien 1835. Jahns Wöchentl. Unterhaltungen für Dilettanten und Freunde der Astronomie, 3. Jahrgang 1849.