ADB:Littrow, Joseph Johann Edler von

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Artikel „Littrow, Joseph Johann von“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 1–2, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Littrow,_Joseph_Johann_Edler_von&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 15:08 Uhr UTC)
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Littrow: Joseph Johann v. L., Astronom, geb. am 13. März 1781 zu Bischofteinitz in Böhmen, † am 30. Novbr. 1840 zu Wien. Ihn prädestinirte gewissermaßen schon der Umstand zum Astronomen, daß er in derselben Nacht geboren ward, in welcher William Herschel den Uranus entdeckte. Gleichwol brauchte er längere Zeit, um sich über seine Bestimmung klar zu werden; bald dachte er an das juristische, bald an das theologische Studium, wie er denn sogar nahe daran war, sich in ein Kloster aufnehmen zu lassen, dann wiederum schien er sich der Litteratur zuwenden zu wollen, zu deren Förderung er in Prag mit gleichgesinnten jungen Leuten die Zeitschrift „Propylaeen“ begründete. In Wien, wo er eine Hauslehrerstelle angenommen hatte, ließ er sich von dem Realschuldirector J. Hall endgültig auf die richtige Bahn bringen, so daß er nach rasch absolvirten Studien bereits im J. 1807 einem Rufe als Professor und Sternwartendirector nach Krakau Folge leisten konnte. Allda verheirathete er sich mit Karoline v. Ullrichsthal, der Tochter eines k. k. Kreishauptmanns in Galizien; vier Söhne aus dieser Ehe sind noch am Leben, während ein fünfter, dem ein besonderer biographischer Artikel gewidmet ist, vor noch nicht langer Zeit erst aus demselben schied. Während seines Krakauer Aufenthalts änderte der Vater seinen Familiennamen, der ursprünglich Littroff lautete, in die jetzt gebräuchliche Form um. Das J. 1810 führte ihn als Director der Sternwarte nach Kasan, allein es gelang ihm nie, in den dortigen Verhältnissen recht heimisch zu werden, und so kehrte er denn schon 1816 als Mitdirector der Ofener Sternwarte (neben dem alten Pasquich) nach Oesterreich zurück. Bald darauf starb Triesnecker, der Vorstand der Wiener Sternwarte, und L. folgte ihm 1819 in dieser Eigenschaft nach. Als Beobachter vermochte er freilich in Wien nicht so viel zu leisten, als er gewünscht und vermocht hätte, denn, wie sich ein competenter Beurtheiler ausdrückt, „die Verhältnisse der alten Sternwarte, die, auf dem Dache eines Hauses in der inneren Stadt sich erhebend, rings von Schornsteinen, Kirchen und Thürmen eingeengt und in den Dunstkreis einer stark bevölkerten Stadt gehüllt, der Beobachtung zu Zeiten unüberwindliche Hindernisse entgegenstellte, gestatteten wesentlich nur die Beschäftigung mit jenen Phänomenen, die sich der Observation auch an anderen Punkten darboten“. Um so thätiger war v. L. – der Adel datirt aus der Wiener Periode – als akademischer Lehrer und als Schriftsteller. Wissenschaftlich am werthvollsten, wenigstens als Originalabhandlung betrachtet, ist wol die in Bode’s Jahrbuch für 1824 abgedruckte „Neue und genaue Methode, aus den beobachteten Höhen des Polarsternes außer dem Meridiane die Polhöhe zu finden“. In Schumacher’s Astron. Nachrichten (1823) stehen von L. mehrere Aufsätze über die Bestimmung von Längendifferenzen mit Hülfe von Signalen. Da derselbe [2] auch Vorlesungen über reine Mathematik zu halten hatte, so verfaßte er für seine Lehrzwecke mehrere von pädagogischem Tacte zeugende Unterrichtsbücher, von denen wir die „Analytische Geometrie“ (1823), die „Elemente der Algebra und Geometrie“ (1827) und die „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ (1832) besonders hervorheben. Die „theoretische und praktische“ Astronomie (3 Bde., 1821–27), sowie die zweibändigen „Vorlesungen über Astronomie“ waren damals in Deutschland so ziemlich die einzigen Compendien, welche weiter strebenden Studirenden in die Hand gegeben werden konnten. Drei Specialschriften, in welchen astronomische Nebendisciplinen eine so abgerundete und praktische Darstellung erfahren haben, daß ihnen noch heutzutage kaum etwas besseres an die Seite gesetzt werden kann, sind die „Kalendariographie“ (1828), die „Gnomonik“ (1831) und die „Chorographie“ (Anweisung zum Entwerfen von Landkarten), (1833). Die Gelegenheitsschrift „Ueber den gefürchteten Kometen von 1832 und über Kometen überhaupt“ (1832) hatte wirklich den großen Erfolg, das durch thörichte Ausstreuungen in Furcht vor dem Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde gesetzte Publicum wieder zu beruhigen. Aeußerst lebhaftes Interesse nahm L. an der geschichtlichen Seite seiner Wissenschaft; nicht nur in seinen theoretischen Schriften versäumte er keine Gelegenheit, dem historischen Elemente sein Recht angedeihen zu lassen, sondern er rückte auch in seinem trefflichen „Kalender für alle Stände“ (Wien, vom J. 1833 an fortlaufend) viele bezügliche Aufsätze ein und schenkte den Deutschen eine gute, mit Zusätzen reichlich ausgestattete, Uebersetzung von Whewell’s „Geschichte der inductiven Wissenschaften“ (3 Bde., 1840 bis 1841). Als populär-astronomischer Schriftsteller errang L. unbestritten die Palme, denn seine „Wunder des Himmels“ verdienten nicht nur im J. 1834, in welchem sie zu Stuttgart erschienen, den Vorzug vor allen gleicher Tendenz huldigenden Schriften, sondern auch heute noch, wo deren sechste Auflage vorliegt, haben sie sich ihren Leserkreis zu erhalten gewußt. Eine ungemein rührige Thätigkeit entwickelte der rastlose Mann ferner, als er nach Brandes’ Tod dazu berufen ward, als Bearbeiter der astronomischen, optischen und mechanischen Artikel sich bei der Herausgabe der 2. Auflage von Gehler’s „Phys. Lexikon“ zu betheiligen. Insbesondere bethätigte er sich hier als kundiger und energischer Analytiker, der nur vielfach die so wichtige geometrische Versinnlichung hinter den gehäuften Formeln, über welche er freilich mit Meisterschaft disponirte, zurücktreten ließ. Erwähnen wir noch der 22 Bände „Annalen der k. k. Sternwarte in Wien“, welche unter Littrow’s Aufsicht (1821–43) erschienen sind, so glauben wir ein ausreichendes Bild von dem rastlosen Schaffensdrang des trefflichen Astronomen entworfen zu haben.

v. Littrow, Vermischte Schriften, Stuttgart 1846 (darin seine Biographie aus der Feder seines Sohnes Karl). – Wolf, Geschichte der Astronomie, S. 754 ff.