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Artikel „Gregor“ von Bernhard von Simson in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 627–629, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gregor&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 12:51 Uhr UTC)
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Gregor, Verwalter des Bisthums Utrecht, geb. um 703, † am 25. August 775. G. stammte aus edlem fränkischen Geschlechte. Sein Vater hieß Albrich; die Mutter des letzteren, Abdula oder Adela (s. d.), war angeblich eine Tochter Dagobert’s II., also eine Angehörige des merovingischen Königshauses, Gregors Geburtsjahr steht nicht fest, muß jedoch in den Anfang des 8. Jahrhundert fallen; sicher ist, daß er älter war als Lull von Mainz. Der Knabe scheint in dem Hause seines vornehmen und reichen Vaters eine frohe Kindheit verlebt, seine weitere Ausbildung am Hofe erhalten zu haben. Für sein Leben entscheidend wurde, daß er in seiner Jugend zufällig die Bekanntschaft des Bonifatius machte. Als Bonifatius sich von Friesland, wo er mehrere Jahre als Mitarbeiter Willibrords gewirkt hatte, nach Oberhessen begab (722), kam er, so wird erzählt, nach dem Nonnenkloster Pfalzel an der Mosel unterhalb Trier, welchem Gregors Großmutter Abdula als Aebtissin vorstand. Als man nun bei Tisch jemand zum Vorlesen aus der heiligen Schrift brauchte, fügte es sich so, daß dazu der junge G. genommen wurde. Derselbe war kürzlich aus der Hofschule zurückgekehrt und zu seiner Großmutter gekommen. G. las für sein Alter gut, und Bonifatius fand Vergnügen an der geistigen Regsamkeit des begabten Jünglings. Nach vollendeter Lection lobte er ihn, fragte ihn jedoch, ob er das Gelesene auch verstehe. Mit knabenhafter Zuversicht bejahte G. dies. Als Bonifaz ihn aber aufforderte, den Inhalt frei in seiner Muttersprache wiederzugeben, mußte er sein Unvermögen gestehen. Da begann Bonifaz selbst eine Rede über den Text, welche auf Gregor solchen Eindruck machte, daß er sich ihm mit ganzer Seele und für immer hingab. [628] Noch zur selben Stunde, so heißt es, gab G. seiner Großmutter, der Aebtissin, seinen Vorsatz kund, mit diesem Manne weiter zu ziehen und dessen Jünger zu werden. Vergeblich war ihr Bemühen, ihn davon zurückzuhalten. Er erklärte, wenn sie ihm kein Pferd geben wolle, werde er zu Fuß mitgehen. Sie mußte nachgeben. Seitdem war G., den Schilderungen seines Biographen zufolge, der unermüdliche Begleiter des Bonifaz, der Genosse seiner Arbeiten, Entbehrungen und Gefahren, namentlich in Thüringen und Hessen. Auch nach Rom (wohin Bonifaz um das J. 738 zum dritten Male reiste) soll er ihn begleitet haben. – Nach dem Märtyrertode des Bonifatius wurde G. von dem Papste Stephan III. und dem König Pippin mit der Predigt in Friesland beauftragt. Wir besitzen einen Brief Lull’s aus dieser Zeit (755–57) an ihn, worin ihm derselbe zu seiner Beförderung Glück wünscht, zugleich aber die damit verbundene Trennung von dem alten, theuern Genossen beklagt. Indessen wurde G. nur mit der Verwaltung des Bisthums Utrecht betraut; er blieb stets Presbyter, die bischöfliche Würde erhielt er nicht. Die Quellen bezeichnen ihn gewöhnlich als Abt; auch Lull erwähnt in dem angeführten Schreiben seine doppelte ehrenvolle Stellung als Presbyter und Abt. Wenn eine Urkunde Karls des Großen vom 1. März 769, worin der König dem Martinsstift in Utrecht auf Gregors Bitte den demselben bereits von seinen Vorgängern geschenkten Zehnten bestätigt, G. dennoch den Bischofstitel beilegt, so kann das nur auf späterer fälschlicher Einschaltung beruhen, obschon es voreilig war, deshalb die ganze Urkunde als unecht zu verwerfen. Diese eigenthümliche Stellung Gregors hing mit einem Streite zusammen, welcher schon bei Lebzeiten des Bonifatius zwischen diesem und dem Kölner Stuhl über das Bisthum Utrecht schwebte. Der Bischof von Köln nahm, gestützt auf eine Schenkung Dagobert’s I., Utrecht für sich in Anspruch; Bonifaz verwies auf die Weihe Willibrord’s durch Papst Sergius I. und dessen Verdienste um die Bekehrung der Friesen. Auch hatte Bonifaz früher, im Auftrage Karlmann’s, einen Bischof von Utrecht ordinirt, den Eoban, welcher dann mit ihm zugleich den Tod fand. Die Thatsache, daß G. unter Pippin und Karl dennoch nicht zur bischöflichen Würde gelangte, wollen Einige, aber wol kaum mit Recht, mit der Abstammung desselben von der entthronten früheren fränkischen Dynastie in Verbindung bringen. – Die Schule zu Utrecht stand unter G. in hoher Blüthe und sein Wirken wurde namentlich dadurch von Bedeutung für die folgenden Zeit, daß es die Bekehrung der Sachsen zum Christenthum vorbereitete. Mitglieder verschiedener Völker, Franken und Angelsachsen, auch bereits Friesen und Sachsen, ferner Baiern, Schwaben etc. saßen zu seinen Füßen. Manche seiner Schüler gelangten zu hervorragender Stellung und Bedeutung, wie der Friese Liudger, der spätere erste Bischof von Münster. Ein Angelsachse, Namens Aluberht, der, um an der Glaubenspredigt theilzunehmen, zu G. gekommen war, empfahl sich ihm durch seinen Charakter und sein Wissen so, daß G. ihn zum Gehülfen bei der Verwaltung des Bisthums zu haben wünschte. Aluberht ging auf diesen Vorschlag unter der Bedingung ein, daß G. ihn in Begleitung einiger Brüder nach seiner Heimath zurücksende, damit er und diese dort von dem Erzbischof von York ordinirt würden. So geschah es. Die Begleiter Aluberht’s waren Liudger und Sigibod; der Erzbischof von York weihte jenen zum Bischof „für die alten Sachsen“ (ad Ealdsexos), Sigibod zum Presbyter und Liudger zum Diaconus (767). Ein Jahr lang blieben sie dort – es war die Zeit, wo Alkuin die Domschule zu York leitete. Ein anderer Angelsachse, der zu Gregor nach Utrecht kam, war der Presbyter Liafwin oder Lebuin. Diesen sandte G. in Begleitung des Marchelm, welcher ein Schüler Willibrord’s und ebenfalls Angelsachse war, an die Yssel; denn dort, an der Grenze zwischen dem fränkischen Reich und den Sachsen, wollte Liafwin wirken. Der Erfolg [629] fehlte der Thätigkeit dieser Glaubensboten nicht; westlich von der Yssel entstand die Kirche zu Wilp, östlich die zu Deventer. Freilich blieb die letztere nicht lange von den Feuerbränden der Sachsen verschont und Liafwin mußte zu G. zurückkehren, aber später konnte er die Kirche in Deventer wieder aufbauen und wurde auch dort bestattet, als er (noch vor G.) starb. G. verfiel drei Jahre vor seinem Tode in schweres Siechthum; er wurde auf der linken Seite gelähmt. Den letzten Athem hauchte er in der Utrechter Salvatorskirche selbst aus und in dieser (nicht im Kloster Süstern) scheint er auch begraben worden zu sein. Sehnsüchtig wünschte man, als Gregors Hinscheiden bevorstand, die Ankunft seines Neffen Alberich herbei, auf welchen das ganze Stift große Hoffnungen setzte, der sich jedoch damals im königlichen Dienst in Italien befand. Wenige Tage vor dem Ableben Gregors traf Alberich unerwartet ein. Er ward sein Nachfolger in der Leitung des Stifts und erscheint als solcher in einer Schenkungsurkunde Karls des Großen vom 7. Juni 777; etwas später erfolgte dann seine Bischofsweihe, und zwar zu Köln. Kein Geringerer als Gregors Schüler Liudger hat sein Leben aufgezeichnet, mit viel Pietät, aber leider mit wenig historischem Sinn. Die Schrift sollte nur erbaulichen Zwecken dienen; die Darstellung ist in hohem Grade verworren, fehlerhaft und unzuverlässig. Auch ist darin fast mehr von Bonifaz als von G. die Rede. Werthvoll sind dagegen die G. betreffenden Angaben in Liudger’s eigener, von Altfrid verfaßter Biographie, welche auch der erst im 10. Jahrhundert geschriebenen Vita Lebuini von Hucbald von St. Amand als wichtigste Quelle gedient hat.