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Artikel „Dietrich, Wendel“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 692–694, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dietrich,_Wendel&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:03 Uhr UTC)
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Dietrich: Wendel D., ein Schreinermeister, welcher in Augsburg zuerst „auf welsche Art“ arbeitete und, nach neuerer Annahme, auch als Baumeister an der Michaelskirche zu München sich bethätigte. Das Jahr seiner Geburt (1535?) ist unbekannt, ebenso der Gang seiner Entwicklung. Das Augsburger Steuerregister enthält 1557 zuerst seinen Namen, bald darauf heirathete er die Ursula Sturm, kaufte 1562 ein Haus und richtete dort seine Schreinerwerkstätte ein, kam in demselben Jahre noch in Untersuchung wegen seiner Neigung zur Genossenschaft der Wiedertäufer, welchen er alsbald wieder entsagte. In der Zeit von 1567 bis 1587 bekleidete er als besondere Auszeichnung öfters das Amt eines „Geschaumeisters und „Vorgehers“ der Innung. Zu Ende der 70er Jahre decorirte er für den Stadtpfleger Marx Fugger alle Innenwände, nebst den Thüren, Portalen und Decken eines Hauses, welches 1875 in den Umbau des Gasthofes zu den „Drei Mohren“ gezogen wurde, bei welcher Gelegenheit größere Reste von alten Holzarbeiten zu Tage traten, darunter ein schöner, wohlerhaltener Plafond, der jetzt die Decke des Vorsaales zum großen „Drei Mohren“-Saal bildet. Anfangs 1582 betraute [693] ihn Kaiser Rudolf mit einer größeren, bis jetzt unbekannten Arbeit. Im Herbste desselben Jahres begann D. für Hans Fugger, den Bruder des vorgenannten Marx Fugger, die Innenräume des neuerbauten Schlosses zu[WS 1] Kirchheim an der Mindel zu decoriren; darunter befand sich auch der prächtige Holzplafond in dem sog. Cedernsaal, eines der schönsten Werke deutscher Renaissance, welches durch Baurath Leybold (in Ortwein’s „Deutsche Renaissance“, Augsburg, 2. Liefg., Tafel 11–14) zu weiterer Kenntniß und Würdigung gelangte. D. hatte über der Ausführung den Neid seiner engherzigen Zunftgenossen erregt, welche ihn durch allerlei Handwerkerbestimmungen inbetreff der Aufnahme weiterer Gesellen behindern wollten, doch erlaubte ihm ein Rathsbeschluß vom 27. September 1582 so viele Extragehülfen auf ein Jahr anzunehmen, als er für diese Arbeit bedürfe, ein Conclus, welcher noch mehrmals, zuletzt am 10. December 1585, erneut wurde. Wahrscheinlich fertigte D. 1586 die Pläne zu einem Schlößchen „in welscher Manier“, welches der Patricier Marx Rehlinger zu Inning erbaute. Im folgenden Jahre trat D. mit einer Besoldung von jährlich 300 Gulden als Baumeister an der Michaeliskirche in die Dienste des kunstliebenden Herzogs Wilhelm V., mit welchem er schon seit 1583 von Augsburg aus in Beziehung stand; er übersiedelte 1587 nach München. Wie weit seine Thätigkeit als Architekt sich erstreckte, ist schwer ersichtlich. Während Einige gerne bereit scheinen, ihm als Architekt eine weittragende Leistung einzuräumen, bescheidet sich der treffliche Leopold Gmelin zu der ruhigeren Ansicht, D. habe „den ungefähren Ideen des Italieners Sustris eine praktisch ausführbare Gestalt verliehen“. Der Meister, welcher bei der eigenhändigen Schreibung seines Namens zwischen Wendel Diettrich und Dietrich (niemals aber „Dieterlin“) schwankt, bekennt sich als den Verfertiger des imposanten, im Herbste 1589 aufgerichteten Hauptaltars und des herrlichen Chorgestühls – vielleicht war er auch der Architekt der übrigen Seitenaltäre und der südlichen Hauptfaçade. Ob D. eine baugeschäftliche Werkstätte zu München hatte, ist fraglich, vielleicht besorgte die Ausführung in Augsburg sein Sohn Jacob, welcher seit 1585 zu Augsburg eine Meistergerechtigkeit als Schreiner besaß und am 26. Mai 1589 vom Rathe die Vergünstigung erhielt, vier Extragesellen aufzunehmen, dieweil Herzog Wilhelm von Baiern ihn mit einer größeren Lieferung begnadet hatte. Daß Wendel D. inzwischen immer noch mit seiner Heimath verkehrte, beweist der Umstand, daß der Meister zu der für den Sommer 1593 in Aussicht genommenen Aufstellung des „Augustusbrunnen“ nach Augsburg berufen wurde, um mit Hubert Gerhard, dem berühmten Bildner der Figuren, den Platz für das monumentale Werk zu bestimmen. Zu Ende 1597 schied D. aus Herzog Wilhelm’s Diensten und übersiedelte in seine Vaterstadt, wo er in seinem Hause an der mittleren Schloßmauer noch über ein Vierteljahrhundert, vielleicht in gemeinsamer Arbeit mit seinem Sohn Jacob verbrachte, welcher als Kunstschreiner sich eines bedeutenden Namens erfreute und seit 1615 und in den folgenden Jahren den feinen Ausschmuck der beiden östlichen Fürstenzimmer des Augsburger Rathhauses leitete. Wendel D., der einen großen Einfluß auf Elias Holl übte, starb hochbetagt, angeblich über 80 Jahre alt, zwischen Ende October 1621 und dem 23. Februar 1623. Er hinterließ drei Söhne und zwei Töchter; diese hatten Goldschmiede (Paulus Hiebner, † 1614 und Jakob Thurnhofer, † 1597) geheirathet, waren jedoch bei ihres Vaters Tode längst verwittwet. Von seinen Söhnen widmete sich Wendel der Goldschmiedekunst und wanderte frühe von Augsburg; Paulus und der schon mehrfach erwähnte Jacob wurden Schreiner. Der Erstere soll sich zu München niedergelassen haben. Der so vielfach gerühmte Jacob verarmte [694] infolge der Drangsale des dreißigjährigen Krieges, gab 1636 sein Bürgerrecht auf und zog, wie ehedem der alte Holbein, aus der Vaterstadt in die unbekannte Fremde. Diese Familie verklingt tragisch, wie ehedem die vielberühmten Vischer zu Nürnberg.

Vgl. Sighart, Gesch. d. bildenden Künste in Baiern. 1863, S. 683 u. 687 . – Reber, Bautechn. Führer durch München. 1876, S. 39. – L. Gmelin, Die St. Michaelshofkirche (Sep.-Ausg. von Ortwein’s Deutsch. Renaissance). Lpz. 1883 und Gmelin’s neue Arbeit über diese Kirche, 1890. – A. Buff, Urkundl. Nachrichten üb. Wendel Dietrich, sein Leben u. seine Thätigkeit, i. d. Zeitschr. d. Histor. Vereins f. Schwaben-Neuburg 1888. XV, 89–149. – A. Buff in Nr. 206 d. Münch. Neuesten Nachr. v. 4. Mai 1890 und Buff, Augsburg in d. Renaissance. 1893. – W. Vogt, Elias Holl. 1890, S. 16 ff. – Alb. Schulz, Gesch. d. Michaelskirche. 1897, S. 23 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage:  u