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Artikel „Holl, Elias“ von Robert Dohme in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 744–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holl,_Elias&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 09:23 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 744–746 (Quelle).
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Holl: Elias H., geb. den 28. Februar 1573 in Augsburg, † daselbst den 6. Januar 1646, Architekt. H. stammte aus einer Familie, deren Häupter nachweislich schon seit drei Generationen das Bauhandwerk betrieben (Jacob H., † 1487, Sebastian H., Johann H., † den 1. Januar 1594). Das aus einer Abschrift des vorigen Jahrhunderts noch erhaltene, von H. ausgearbeitete Familiengedenkbuch nennt von Johann H. dem Vater mehr als 60 ausgeführter Bauten, meist Bürgerhäuser in Augsburg. Er war zweimal verheirathet und besaß aus beiden Ehen zusammen 13 Söhne und 7 Töchter; Elias war das erste Kind der zweiten Ehe. Den Zwölfjährigen nahm der Vater als Lehrling in das Handwerk auf und beschäftigte ihn zunächst an den Bauten für Jacob Fugger. Dieser gewann den geschickten Knaben lieb und wollte ihn mit seinem eigenen Sohne Georg nach Italien senden, doch weigerte Johann H. hierzu die Erlaubniß. Eine zweite bald nach dessen Tode geplante Italienfahrt des Sohnes unterblieb gleichfalls, da er damals ein wohlhabendes junges Mädchen, Maria Burckhart, kennen lernte, mit der er sich verlobte, um sie am 2. Mai 1595 heimzuführen. Ein Jahr später machte er sein Meisterstück und war von nun an als selbständiger Meister zunächst für Private thätig. Einer seiner Bauherrn, Antoni Garben, nahm ihn im J. 1600 mit sich nach Bozen und von da nach Venedig. Ende Januar 1601 war er wieder in Augsburg. Im Sommer desselben Jahres erhielt er seinen ersten Auftrag seitens der Stadt: den Neubau des vor Kurzem abgebrannten Gießhauses; wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß er in Venedig das dortige Gießhaus besichtigt und an demselben [745] gelernt haben müsse. – 1602 wird er zum Stadtbaumeister ernannt. In demselben Jahre errichtet er das „Beckenhaus“ (Innungshaus der Bäcker) und gibt dem Kirchthum von St. Anna ein geschweiftes Dach an Stelle des bisherigen gothischen spitzen. Es ist dies der erste jener zahlreichen Zwiebelkuppel-Thürme, die H. in Augsburg aufführte. Das erste Beispiel dieser Deutschland eigenthümlichen Form sind wahrscheinlich die Münchener Frauenthürme vom Ende des 16. Jahrhunderts. Es folgt nun eine ungemein reiche Thätigkeit, die sich auf alle Theile der Baukunst erstreckt. Eine kurze Aufzeichnung seiner sämmtlichen Arbeiten findet sich in seinem obenerwähnten Gedenkbuch, heute im städtischen Archiv zu Augsburg (herausgeg. von Chr. Meyer in den Schriften des hist. Vereins f. Schwaben u. Neuburg 1871/72). 1609 vollendet er das Schlachthaus, 1614 wird zuerst der Plan zum Neubau des Rathhauses, des Werkes, welchem er hauptsächlich seinen Ruhm verdankt, gefaßt. Es scheint, daß Holl’s Baulust von wesentlichem Einfluß auf den Entschluß des Magistrates war. Zunächst überträgt er ein auf dem alten Rathhause angebrachtes „Schlagwerk“ auf den benachbarten von ihm zu diesem Zweck ausgebauten und erhöhten Perlachthurm. Noch während dieser Bau im Gange ist, wird am 25. August 1615 der Grundstein zum neuen Rathhause gelegt; fünf Jahre später ist das ganze Werk fertig. Nach Art der ähnlichen großen Anlagen in Norditalien (Basilika zu Vicenza, Palazzo della ragione zu Padua) hat H. den Hauptaccent bei diesem Bau auf den großen Festsaal gelegt. Zwei noch erhaltene, vermuthlich von seiner eigenen Hand herrührende erste Modelle (bei einer anderen Gelegenheit berichtet er ausdrücklich, daß er selbst das Modell aus Birnbaumholz gefertigt) zeigen jedesmal eine zweigeschossige Anlage, die unten nur große offene Hallen und darüber den Festsaal hat. Die Treppe ist jedesmal in einem besonderen Anbau dem großen Rechteck des Saalbaues angefügt; die Fassadenbildungen sind reicher als sonst irgendwo bei H., rein italienisch gedacht und stehen völlig unter dem Einfluß Serlio’s. Nach Verwerfung beider Projecte fertigte er ein drittes, welches in zwei unteren Geschossen Räume für die Verwaltung und dann erst darüber den großen Festsaal mit vier sich anschließenden sogenannten Fürstenzimmern enthielt. Die äußere Durchbildung des auf allen Seiten freistehenden Baues ist ein Charakteristikum des Holl’schen Stiles überhaupt. In drei und einem halben Geschoß steigt der Bau auf, im Mittelkörper aber auf allen vier Seiten noch um zwei weitere Halbgeschosse mehr, die an der Hauptfront ein Giebel, an der Schmalseite ein höher hinaufsteigender achteckiger, mit Zwiebelhaube gedeckter Thurm abschließt. Die Fensterumrahmungen sind äußerst einfach, fast nüchtern, die Ecken werden durch Quaderung betont. Ein einziges Gurtgesims gliedert über dem Erdgeschoß die Putzflächen: nirgends findet sich eine Spur von Ornament. Die Portale sind durch dorische Säulen geschmückt. – Einfach, nüchtern, aber groß gedacht und in ihrer ruhigen Klarheit imponirend sind überhaupt die sich vielfach ähnlich sehenden Holl’schen Bauten. Im großen Saal dagegen hat H. gezeigt, was er als Decorateur zu leisten vermochte. Dieser Saal ist bekanntlich die reichste derartige Anlage in Deutschland. – Auswärtige Fürsten nehmen den vielbeschäftigten Augsburger Stadtbaumeister gleichfalls mannichfach in Anspruch. Mehrfach berufen ihn die Pfalzgrafen bei Rhein nach Neuburg, um sein Gutachten zu hören; dem Grafen von Schwarzenberg erbaut er das Schloß Scheinfeld in Mittelfranken, gleichfalls ein Schloß dem Fürstbischof v. Eichstädt (1609), während die für diesen Fürsten außerdem geplante Heilige Grabeskirche nicht zur Ausführung gelangt; Kaiser Rudolf II. ließ sich von ihm die Zeichnungen von vier seiner Bauten in Augsburg (Zeughaus, Siegelhaus, Beckenhaus, Schlachthaus) nach Prag senden. – Sein letztes großes Werk im Dienste der Stadt war der Bau des Spitales seit 1630. Kurz vorher hatte die Gegenreformation in [746] Augsburg Fuß gefaßt – in Folge deren auch der evangelische H., als er nicht übertreten wollte, seiner Dienste am 30. Januar 1631 entlassen wurde. Von seinem gesammten bei der Stadt deponirten Vermögen im Betrage von 12,000 Guld. konnte er nur nach langem Verhandeln ungefähr die Hälfte erlangen, während ihm sein Gesuch um Erlaubniß zur Auswanderung abgeschlagen wurde. Im folgenden Jahre zogen die Schweden in Augsburg ein; sie riefen H. wieder in sein früheres Amt zurück, der nun in ihrem Interesse viel an den Befestigungen der Stadt arbeiten mußte. Als letztere 1635 dann wieder in die Hände der Kaiserlichen kam, mußte H. so schwere Strafeinquartierungen über sich ergehen lassen, „daß es einen Stein hätte erbarmen können“, wie er selbst schreibt. Hiermit schließen seine eignen Aufzeichnungen, und so ziemlich die Nachrichten über sein Leben. – Außer jenen Familienaufzeichnungen hat er noch einen Band gr. Fol., handschriftliche Aufzeichnungen aus dem Gebiet der angewandten Mathematik, namentlich allerlei Recepte zu Constructions-Hülfsmitteln, dann überhaupt fachmännische Notizen aller Art enthaltend, hinterlassen. Diese Notizen wurden begonnen in der Zeit unmittelbar nach Vollendung des Rathhausbaues; sie befinden sich heute ebenfalls auf dem städtischen Archiv in Augsburg. Ferner ist erhalten sein „Häuserschätzungsbuch“, amtliche Baubeschreibungen, die er in Gemeinschaft mit anderen Stadtbaubeamten in den J. 1602–1634 vorgenommen. Verloren dagegen scheint ein Buch mit Aufzeichnungen über „Sachen, die Stadt Augsburg betreffend“, in der er u. A. ausführlich über die Grundsteinlegung zum Rathhausbau berichtet hatte. – H. hat in seiner mehr als dreißigjährigen Dienstzeit eine außerordentliche Thätigkeit entfaltet; er ist es, der dem heutigen Augsburg seinen architektonischen Charakter aufgeprägt hat, wie denn sein Name noch heute in der Stadt durchaus populär ist. Der Charakter seiner Kunst ist eine verständige, ja selbst nüchterne Uebertragung der einfachen italienischen Hochrenaissanceformen auf die veränderten deutschen Verhältnisse. Selbst die Säulenordnungen wendet er als Fassadenmotiv nur selten an (Beckenhaus, einzelne ihm zugeschriebene Erker); das altdeutsche Giebeldach überträgt er auch auf seine ganz unter italienischem Einfluß stehenden Fassaden, gelegentlich, wie am Rathhaus, in eigenartiger Verbindung mit dem flachen italienischen Dach. Wie es im Charakter der italienischen Spätrenaissance liegt, verzichtet er auf jeden ornamentalen Schmuck, die architektonischen Mittel auf die Wirkung der Verhältnisse und Profilirungen beschränkend; und auch letztere sind bei ihm meist sehr einfach. Gerade aber die monumentale Einfachheit und Klarheit seiner Bauten war es, die dem Geschmack der Zeit zusagte und, wie sie ihm eine Fülle von Aufträgen verschaffte, so auch seinem Namen im Gegensatz zu den Vertretern der älteren mehr spielend decorativen Richtung den noch heut wachen Ruhm in seiner Vaterstadt zeitigte.

Acten des Augsburger Stadtarchives.