ADB:Dalberg, Wolfgang Heribert Freiherr von
J. Ch. Brandes’ (s. d.) Autobiographie II. 266 f., aus Iffland’s theatralischer Laufbahn, namentlich aber aus Koffka’s „Iffland und Dalberg“ kennen lernen. Dalberg’s persönliche Leitung war übrigens, wenn auch nicht ohne Verdienst, so doch ziemlich cavaliermäßig; er verfuhr ohne Plan und System und ließ heute fallen, was er gestern mit lebhaftem Eifer ergriffen hatte. Freilich mochten ihm mancherlei Rücksichten auferlegt sein. So hatte er z. B. noch bei Lessing’s Lebzeiten den Plan, den Nathan aufzuführen, mußte ihn aber angesichts des Widerstandes der Geistlichkeit fallen lassen. Besonders gehoben ward das Theater dadurch, daß D. die Hauptmitglieder des gothaischen Hoftheaters, welches sich 1779 auflöste, an sich zu ziehen wußte, unter ihnen Iffland. Auch bedeutende Gastspiele, wie namentlich Schröder’s, verliehen der Mannheimer Bühne Glanz. Vor allem aber ist er in ein bedeutsam gewordenes Verhältniß zu Schiller getreten, dem er in einer sehr mißlichen Lage, ja [709] recht eigentlich im Wendepunkt von dessen Leben fördernd entgegenkam, ein Verdienst, das ihm reichlich durch das Gedächtniß der dankbaren Nachwelt vergolten ward und wird, denn schwerlich hätte seine sonstige Bedeutung ausgereicht, ihn zu einem so vielgenannten Mann zu machen. Bekanntlich ermöglichte er, wenn auch nicht sofort und ohne Bedenken, die Aufführung der Schiller’schen „Räuber“ (später auch die von „Fiesco“ und „Cabale und Liebe“) und gab Schiller die Idee zur Bearbeitung des Don Carlos. Jene Aufführungen mußten übrigens von Schiller theilweise mit schweren, nicht materiellen, wol aber geistigen Opfern erkauft werden, indem er sich gegen sein besseres poetisches Wissen zu mancherlei Aenderungen in der dramatischen Scenerie verstehen mußte, welche der gestrenge Herr Theaterintendant (gewöhnlich nicht zum Vortheil der Stücke) von dem jungen Dichter verlangte. Auch war Dalberg’s Entgegenkommen nicht immer der Art (z. B. bei „Fiesco“), daß Schiller sich dadurch ermuntert fühlte, im Gegentheil, hätten nicht andere, Mannheimer und sonstige Freunde und Gönner (in erster Linie der Buchhändler Schwan in Mannheim) Muth zugesprochen und Unterstützung gewährt, so hätte der Dichter, wenn auch nicht an sich, doch an der Welt verzweifeln müssen. Andererseits darf man, um auch D. gerecht zu werden, nicht vergessen, daß dieser, als erfahrener Hofmann, durch nothwendige Rücksichten gegen den würtembergischen Hof verhindert war, den flüchtigen der Strafe verfallenen Dichter ohne weiteres mit offenen Armen zu empfangen und gleichsam mit Ostentation warm zu betten: Für Schiller aber und dessen gerechte Würdigung war es jedenfalls ein großer Vortheil, daß gerade das Mannheimer Theater sich ihm öffnete, eines der vorzüglichsten Deutschlands, das dem Hamburger (unter Schröder), dem Wiener (mit Schröder), dem Berliner (unter Engel) in nichts nachstand. Auch auf andere dramatische Dichter und Componisten hat D. anregend gewirkt, auf Gemmingen, Gotter, Jünger, Iffland, Törring, Beck, Klinger, Brömel, Schröder, auf Gluck, Mozart, Benda, Schweizer u. s. w. Ebenso förderte er dramaturgische Schriften, wie Gemmingen’s ihm gwidmete „Mannheimer Dramaturgie“ (1780) und das „Tagebuch der Mannheimer Schaubühne“ (1786 und 1787). Aber auch er selbst hat für sein Theater als Dichter gewirkt, wenigstens als Umdichter und Nachdichter. Einen mehr selbständigen Charakter scheinen blos die beiden Dramen „Walwais und Adelaide“ (1778) und „Cora“ (1780) zu haben, das übrige ist Nachbildung aus dem Englischen, außer der „Electra“, einer „Declamation mit Musik“, 1780; wir nennen: „Julius Cäsar“, Trauerspiel nach Shakespeare (1785), „Der Cholerische“, Lustspiel nach Cumberland (1786); „Die Brüder“, ebenfalls: nach Cumberland (1786); „Der Mönch von Carmel“, Drama nach Cumberland (1787), ein Vorläufer der Schicksalsstücke; „Oronocko“, Trauerspiel nach dem Englischen (1786), dessen Hauptcharakter ein „farbiger“ Held, endlich „Montesquieu, oder die unbekannte Wohlthat“, Schauspiel (1787), worin, nach französischem Vorgang, ein bekannter Zug des Edelmuths aus dem Leben des französischen Denkers dramatisirt erscheint. Auch „Der weibliche Ehescheue“ (1785) scheint fremden Ursprungs zu sein. In seinen letzten Lebensjahren litt D. an einer Gehirnerweichung, so daß er (1803) von der Leitung der Bühne entfernt werden mußte. König Ludwig I. von Baiern ließ ihm vor dem Mannheimer Theater neben Schiller und Iffland ein ehernes Denkmal errichten.
Dalberg: Wolfgang Heribert v. D., kurpfälzischer geheimer Rath und Kämmerer, Hofkammervicepräsident, Präsident des Oberappellationsgerichts und der kurpfälzisch-deutschen Gesellschaft, endlich – wodurch er allein für die Culturgeschichte von einiger Bedeutung geworden ist – Intendant des Mannheimer Nationaltheaters, war geboren 13. Nov. 1750 zu Hernsheim und starb 27. Sept. 1806 zu Mannheim als großherzogl. badischer Oberhofmeister und Staatsminister. Als 1778 der kurpfälzische Hof nach München übergesiedelt war, wandte sich D. in einem Schreiben an den Grafen Hompesch, um ihm vorzustellen, daß Mannheim durch den Wegzug des Hofes zu veröden drohe und daß nothwendig etwas für die Stadt geschehen müsse. Dies, indem es auch zu einer Subvention für das Mannheimer Theater führte, ist der Keim zu der Blüthe dieser unter Dalberg’s Leitung mit Recht so gerühmten Bühne geworden. D. gab dem Institut eine gewisse demokratische Institution mit Ausschüssen etc. Man kann die etwas weitläuftige Maschinerie aus- Fr. Schiller’s Briefe an den Freih. Herib. v. Dalberg in den Jahren 1781–1785. Ein Beitrag etc. Carlsr. und Baden 1819. Koffka, Iffland und Dalberg, Geschichte der classischen Theaterzeit Mannheims. 1865. Jördens, Lex. d. Dichter und Prosaisten. Bd. 6. Supplem. 1806–1811. O. Jahn, Mozart II. 326 ff.