Zwei Beschreibungen Dresdens vom Ende des 16. Jahrhunderts

Nachträgliches über Hofbaumeister Thormeyer Zwei Beschreibungen Dresdens vom Ende des 16. Jahrhunderts (1897) von Viktor Hantzsch
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Der Kreuzthurmbrand im Jahre 1669
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Zwei Beschreibungen Dresdens vom Ende des 16. Jahrhunderts.
Mitgetheilt von Dr. Viktor Hantzsch.

Nicht nur für die Geschichte, wie erst kürzlich in diesen Blättern durch Dr. Ludwig Schmidt[WS 1] nachgewiesen wurde, sondern auch für die Topographie der sächsischen Städte fehlt es namentlich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts fast gänzlich an einigermaßen ausführlichen zeitgenössischen Darstellungen. Während beispielsweise der Geschichtsschreiber der großen oberdeutschen Reichsstädte auf Grund des reichlich fließenden Quellenmaterials in den allermeisten Fällen in der Lage ist, die Oertlichkeiten, auf denen sich die lokalgeschichtlichen Vorgänge abgespielt haben, topographisch genau festzulegen, ist der sächsische Lokalhistoriker nicht selten im Unklaren über wichtige topographische Einzelheiten von entscheidender geschichtlicher Bedeutung. Auch die Forschungen zur Dresdner Lokalgeschichte werden in vielen Fällen wesentlich durch den Umstand erschwert, daß wir aus der älteren Zeit nur sehr wenige einigermaßen zuverlässige Stadtbeschreibungen besitzen. Leider ist nur geringe Hoffnung vorhanden, daß sich noch irgendwo hervorragendes, bisher unbekanntes Quellenmaterial dieser Art auffinden ließe. Nur ein Fundort, der in den letzten Jahren namentlich für die Kenntniß der älteren Topographie der ehemaligen schwäbischen und rheinischen Reichsstädte ausgenutzt worden ist, dürfte auch für die früheren lokalgeographischen Verhältnisse Dresdens noch einige Ausbeute ergeben, nämlich die Kosmographien, Reisebeschreibungen und Reisehandbücher vergangener Jahrhunderte. Wir besitzen zwar aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die hier namentlich in Frage kommen, viele Hunderte derartiger Bücher, doch erwähnen nur verhältnißmäßig wenige Dresden, und eine noch geringere Zahl enthält einigermaßen ausführliche Beschreibungen unserer Stadt. Ich habe mich bemüht, alle Schilderungen Dresdens, die mir in älteren geographischen Werken vorgekommen sind, zu sammeln. Im Folgenden theile ich eine längere und eine kürzere Probe aus dieser Sammlung mit. Beide entstammen dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die erste aus dem Jahre 1592 ist insofern wichtig, als sie von einem Dresdner Stadtkinde, dem Bürger und Rechtskonsulenten Johann Frenzel herrührt. Derselbe veröffentlichte im genannten Jahre ein umfang- und inhaltreiches kosmographisches Werk, das den Titel führt: „Synopsis Geographica, Oder Kurtze vnd Eigentliche Beschreibung des gantzen Erdkreis, wie derselbe zu vnsern Zeiten in seine Lender vnd Herrschafften abgetheilet wird. Darinnen aller fürnemesten Königreiche vnd Landschafften, Haubtstedte, sambt derselben fliessenden Wassern, Bergen, Vohrgebirgen, Item, den Meeren, Seen, Vfern, Meerwinckeln, halben vnd gantzen Insuln des Oceanischen vnd Mittel Meeres, Auch einer jeden Nation alten vnd nawen Sitten, Trachten, Gewonheiten vnd dergleichen, auffgezeichnet zu befünden. Alles in eine richtige Ordnung, dergleichen zuuor nie in deutscher Sprache gesehen, aus den bewertesten Alten und Nawen Authoren mit allem Fleiß zusammengezogen und dem Leser zum besten an Tag gegeben. Von M. Johann Frenzeln. M. D. XCII.“ Das Werk stellt sich den großen Kosmographien des 16. Jahrhunderts würdig zur Seite. Es ist fleißig und gewissenhaft gearbeitet, von patriotischem und religiösem Geiste durchweht, klar und verständlich geschrieben, doch nicht frei von Aberglauben und verschiedenen [35] groben Unrichtigkeiten. Die Beschreibung von Dresden, die namentlich in ihren historischen Angaben manche Irrthümer aufweist, findet sich auf Blatt 72–76.

Kürzer und unbedeutender ist die zweite, ursprünglich lateinisch geschriebene Schilderung unserer Stadt aus dem Jahre 1600. Sie entstammt dem Itinerarium Germaniae, Galliae, Angliae, Italiae des schlesischen Juristen Paul Hentzner, einem der verbreitetsten Reisehandbücher aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Ausgaben Norib. 1612. Wratisl. 1617. Norib. 1618, 1620, 1623, 1629. Lips. 1661). Sie ist trotz ihrer Kürze insofern nicht ohne Interesse, als sie zeigt, welchen Eindruck Dresden zu jener Zeit (Hentzner besuchte die Stadt im Juni 1600) auf einen anspruchsvollen Fremden machte, der bereits den größten Theil Europas gesehen hatte.

I.

„Dreßden lieget auff einem ebenen Boden, welche zu ringes mit Bergen, vnd gegen Mitternacht mit Wälden vmbgeben, vnd ist in jhrer Refier fast viereckicht erbawet, darfür an dem einen Theil, nemlich bey dem Zeugkhaus vnd Schlosse, die Elbe gar nahe an der Vestung hinweg leuffet. Man helt aber darfür, das Dreßden anfenglichen die Wenden erbawet, vnd derselben, das sie eine Burgk oder Warte sein sollen, nach jhrer Sprache den Namen geben. Bis sie entlichen Anno Christi 1250 zum Hause von Sachsen kommen, welche Bischoff Bernhart, einer von Canitz, dem Marggraffen zu Meissen, mit vohrbewust des gantzen Capittels, vmb eine gewisse Summa Geldes vorkauffet.

Diese Stadt nun wird in jhrer Ringmawer, fürnemlich in die Alte vnd Nawe Stadt (ich meine jetzt nicht Alten Dreßden vber der Elbe) abgetheilet. Inn der Alten Stadt stehet die Pfarrkirche, von welcher man schreibet, als Anno Christi 1270. die Fürstin Constantia, eine Hertzogin aus Osterreich, Marggraff Heinrichs Gemahel, gegen Dreßden ein zimlich stücke vom heiligen Creutz gebracht, das sie an den Ort, da zuuor die Capell zu S. Claren gestanden, diese Kirche zur Ehre Gottes fundiert, vnd jhr von dem heiligen Creutz den Namen geben, dahin förder eine grosse Wahlfart gewest. Folgenderzeit, als Anno Christi 1491. Mittewoch nach Viti, der halbe Theil der Stadt sambt der Pfarr-Kirchen, abgebrant, vnd man dasselbe wieder zierlich angerichtet, hat Anno 1499. Montag nach Elisabeth, Bischoff Johan von Salhausen, diese Kirche von nawem geweihet. Wie dann ermelte Kirche, Anno 1573 Renouiret, vnd mit einem herrlichen, von Steinen vnd etlich Marmolstücken, vorsetzten Altar, darzu der Graff von Oldenburgk, welcher darinnen begraben lieget, eine zimliche Summa Geldes vortestiert, gezieret worden. Inmassen hernach Anno 1579. ein Erbar wolweiser Rath, den alten Kirchen Thurm oben abnemen, vnd denselben mit Quadrat Steinen viereckicht auff füren, die drey nawe Zinnen aber, oder Spitzen, mit Kupffer bedecken, darzu zwene von Stein ausgehawene Gänge vbereinander, mit grossem vncosten, Anno 1583. vorfertigen lassen, Von welchen Schantzen zwar im fall der noth, die Stadt vor den Anlauff der Feinde, mit Geschütz sich zimlichen wehren köndte.

Das Nonnen Kloster, so zu Dreßden gestanden, ist von dannen gegen Seislitz bey Meissen transferiret worden, Vnd solches nach der zeit, als dis wunderbarliche geschicht sich zugetragen, das ein hültzern Creutz, von Soths vnd Lawen (Saaz und Laun) auff der Eger inn die Elbe, gegen Dreßden geschwummen kommen, vnd man dasselbe mit sonderlichen Proceß in die Nonnen Kirche getragen.

Inn der Creutzgassen an dem Nawen Thor, ist ein herrlich Fürstlich Hauß erbawet, darinnen Churfürst Christian, höchstmilder gedechtnüs, vor empfahung der Chur, beneben seinem Christmilden Gemahel, Frawen Sophien, eine zeitlang Hoff gehalten.

Den alten Marckt anlangendt, ist derselbe ein schöner weiter vnd viereckichter Platz, an welchem die Heuser von Steinen ordentlich nacheinander, beneben dem Rathause, auffgebawet zu sehen.

Auch wird das Kloster, S. Francisci Ordens, noch zur alten Stadt gerechnet, welches bey Hertzog Georgens zeiten in grossem ansehen gewesen, wiewol die Münche alleine, wie jhr Orden mitte bringet, des Bettelns sich beholffen, so haben auch die grosse vnd kleine Brüdergasse des mehren theils von den München den Namen bekommen. Dieses Kloster aber ist Anno 1406. gar ausgebrandt, vnd hernach wieder naw erbawet worden, deren Gebew etliche, sonderlich die Kirche, noch stehen.

In der nawen Stadt, die man vor zeiten zur Vohrstadt gerechnet, ist erstlichen die Pfarrkirchen gestanden, die aber hernach, wie gemeldet, vorsatzt, vnd an derselben stadt auff dem nawen Marckt, vnser lieben Frawen Kirche, beneben der Stadt begrebnüs, vnd einem Frawen Spital, kommen. Sonsten ist auff dem nawen Marckt auch ein feiner weiter platz, an welchem, neben des nawen Stalles Gebewden, das Gewandhaus vnd Jüdenhoff stehet, Wiewol die Juden vorlangest, nemlichen Anno 1430. aus dieser Stadt sich backen müssen.

Das Schloß vber dem finstern Thore bey der Cantzeley, hat Hertzog George der Bärtige genant, Anno 1519. erbawet, So wol er vmb die Stadt zu ringes einen Graben vnd Wahl mit einer Mawern, Anno 1520. füren lassen, welcher Baw Anno 1529. vollzogen worden, Wiewol Churfürst Moritz diesen Baw viel anders vnd fester angefangen, vnd von nawem die Stadt, beneben dem Schlosse befestiget.

[36] Auch hat Churfürst Augustus ein stadtlich Werck, gegen dem Schlosse der Elbe zu, mit eitel Quadrat steinen vorfertiget, zu welchem der Graff von Linar Bawmeister verordnet gewesen. Entlichen so ist von Churfürst Christian mercklichen diese Vestung, an Wählen, Schantzen, Katzen, Rundelen, Brustwehren vnd Pasteien, durch den Zeugkmeister Paul Buchnern, gebessert worden, Sonderlich aber an der Elbe, do man von Pirn runder anfehrt, an welchem ende es vor der zeit für den anlauff gantz vbel vorwahret, vnd das Zeugkhaus fast blos gestanden. Wie man auch ein nawes Thor gegen der Pirnischen Strassen, mit starcken Munitionen, zu bawen angefangen. Desgleichen ist der nawe Stall vnd Rüsthaus, welches Churfürst Christian mit schweren vncosten zu zieren angeordnet, sambt dem Zeughause, ein herrlich Gebewde, vnd mit vorwunderung anzusehen.

Ausserhalb der Stadt seind die Vohrstedte in einer zimlichen Refier vmbfangen, inn deren eine ein Erbar Rath nicht weit vom Nawen Thore, ein fein Begräbnüs auffrichten, vnd dasselbe mit einer Capell bessern lassen.

Vor dem Wilstorffischen Thore ist im Jahr Christi 1537. das grosse Spital zu Sanct Jacob (darinnen in die sechtzig alte vorlebete, oder auch gebrechliche Mannes personen teglichen mit zimlichen vnterhalt vorsehen werden) beneben dem Frantzosen Hause bey S. Bartholomaei, von nawen erbawet worden, deren ein jedes seine sondere Kirchen hat.

Die Kirche zu S. Annen vor ermeltem Thore, hat etwa vor zwölff Jahren, durch gnedigste anordnung vnd stifftung Frawen Annen, Churfürsten Augusti, beyder Christmilder gedechtnüs, Gemahl, jhren Anfang genommen, Wie man auch auff erwehneter Churfürstin, vnd gemeiner Stadt vncosten, einen Spital vor diejenigen, welche mit der bösen Seuche behafft, von steinen auffrichten lassen.

Die Brücke, so von Naw Dreßden bis gen Alt Dreßden langet, vnd die zuuor höltzern gewesen, ist Anno Christi 1070. gantz feste mit steinen vnd Pfeilern, von vier vnd zwantzig Schwiebogen, auch mit wolgeordneten Zinnen, künstlich vnd wercklich mit Eysen klammern an einander zufügen, von Marggraff Conraden zu Meissen, von dem reichen Bergkwerg zu Freibergk, angefangen und hernach 1119. follents dem gemeinen Nutz zum besten vollendet worden. Man hat aber dieselbe anfänglichen auff 800. gemeine schritte, oder neuntzig Ehlen gerechnet, Bis derselben wegen der Vestung vnd des Schlosses, vnd dann von den grossen Wasserfluten, fünff Bogen abgangen. Am Ende der Brücken lieget Alt Dreßden, in welcher vor der zeit das Kloster, Einsiedler Ordens, vnter der Regul Augustini, in zimlichen beruff gestanden, wie sie dann die Pfarrkirchen daselbst zu den heiligen drey Königen versorgen müssen, darvon sie mit Weinbergen vnd etlichen Dörffern vorsehen gewesen. So hat auch Hertzog Moritz seliger gedächtnüs, vmb Alt Dreßden eine starcke Vestung zu bawen angefangen, die er auch des meisten theils halb auffgeführet, hernach aber wichtiger vrsach halben nicht vollzogen worden.

Vor der Stadt Dreßden fleusset die Elbe, desgleichen hart darunter die Weißritz sich darein ergeust, welche beyde Wasser dann an Barmen, Gründeln, Carpen, Fohren, Hechten, Berschken, Bratfischen, vnd dergleichen, sehr Fischreich sein.

Lieget demnach ermelte Stadt in einer rechten schönen Flur vnd Anger, auch in gantz fruchttrechtiger Landart, die viel Dörffer, Weinberge, lustige Brunnen, Heiden, Wildt Jagten, Gehöltze, Refieren, Gärten, Berge, vnd Wasser, in sich begreiffet, das sie also zu einem Fürstlichen Hoflager nicht vngeschickt. So ist auch die Lufft wegen der Elbe temperiert vnd fast gesundt.

Sonderlich ist Dreßden wegen der Churfürstlichen Regierung, an welche des gantzen Landes Unterthanen gewiesen werden, beneben dem wolbestalten Regiment, in grossem ansehen.

Die Bürger nehren sich eines theils von jhrem Ackerbaw, Weinbergen, oder Kauffmans händeln, die andern treiben jhre Handwerge, vnd warten jhres beruffs.

Vnd diese Stadt ist im Jahre Christi 1430. von den Hussiten zu Alten Dreßden belagert worden, die aber von Marggraf Friederichen, welcher eine Schantze zur Gegenwehr auff die Brücke auffgericht, mit dem grossen Geschütze vbel entpfangen, vnd entlichen jhr Lager, welches in der Badstuben gewesen, mit Puluer angestecket worden, das sie also vnuorrichter sachen abziehen müssen. Anno 1521. nach Trinitatis, hat man das wasser, die Weißritz genant, gegen Dreßden gewiesen, vnd darbey die Mülen vor gemeinen nutz gebawt, darinnen vmb die Zeit auch am ersten gemahlen worden.“

II.
(Uebersetzung.)

Dresden, eine Stadt in Obersachsen, ragt unter allen Ortschaften Meißens durch Schönheit der Lage und des Anblicks, durch starke Mauern, breite Gräben und feste Bollwerke gegen den Angriff der Feinde, durch zierliche Ausführung seiner öffentlichen und privaten Gebäude hervor. Es wird vom Elbstrom durchflossen, dessen Ufer eine wegen ihrer Länge bewundernswerthe Brücke aus härtestem Gestein verbindet. Sie führt nach dem stark bevölkerten Altendresden hinüber. Ihre Berühmtheit verdankt die Stadt nicht nur ihrer [37] reinen und gesunden Luft, der Fruchtbarkeit ihrer Umgebung und der milden Witterung, sondern auch den Herzögen und Kurfürsten von Sachsen, welche sie den vielen anderen Ortschaften ihres Landes vorgezogen und zu ihrem dauernden Wohnsitz erhoben haben. Von Gebäuden sind sehenswerth die Hauptkirche der Stadt, dem heiligen Petrus geweiht, das Schloß, nach dem Urtheile aller, die es sahen, zu den schönsten überhaupt vorhandenen zu zählen, aus viereckigen, regelrecht behauenen Steinen mit großem Aufwande erbaut und mit Schutzwehren und Vertheidigungsgeräthen wohl versehen, sowie die kurfürstliche Schatzkammer, in welcher Kostbarkeiten von künstlicher Ausführung und hohem Werthe, Uhren verschiedenster Art, Gemälde und Bildwerke aufbewahrt werden. Sie alle aber werden an Werth bei Weitem überragt von dem Gehörn eines Einhorns, das im dritten Zimmer an einer goldenen Kette von einem Balken der Decke herabhängt. Von den übrigen Gebäuden ist namentlich das kurfürstliche Zeughaus merkwürdig wegen der darin aufbewahrten reichen Vorräthe an Waffen, Maschinen, Kugeln und Pulver.

Anmerkungen (Wikisource)