Vom Schmuck der heiligen Orte

Textdaten
Autor: Wilhelm Löhe
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Titel: Vom Schmuck der heiligen Orte
Untertitel: Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60.
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Herausgeber: Wilhelm Löhe
Auflage:
Entstehungsdatum: 1857/58
Erscheinungsdatum: 1859/60
Verlag: Diaconissenanstalt
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Erscheinungsort: Nördlingen
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: 1859:Commons=MDZ München
1860:Commons=MDZ München
Kurzbeschreibung: Der Text wird heute „als theologische Grundlagenschrift für die Erneuerung der evangelischen Paramentik in der Mitte des 19. Jahrhunderts“ bezeichnet.
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Vom Schmuck der heiligen Orte.
§. 1.

 Als jenes Weib das köstliche Gefäß voll Narde über den Leib des Erlösers goß, sagte Judas, der Dieb, es sei ein Unrath, oder wie man es in jetzigem Deutsch übersetzen würde, eine Verunräthsung, ein verschwenderisches Verderben großen Werthes. Dabei redete er sich auf die Armen aus, als wäre denen entzogen, was das Weib zu Ehren Christi verwendet hatte. Wie christlich mild und barmherzig klingen da die Worte des Geizes. So klingen sie. Der HErr aber verwirft sie doch, und weit entfernt, mit Judas das Weib zu tadeln, verspricht Er ihr vielmehr ein Andenken bis ans Ende der Welt und nimmt also die große Ausgabe in Schutz. Daher hat die Kirche von Anfang her ihre Kinder gelehrt, von den irdischen Gütern für sich selbst und das eigne Bedürfnis den geringsten Gebrauch zu machen, dagegen aber für den HErrn und Seine Ehre und Seine Armen so freigebig und aufopfernd als möglich zu sein. Der Arme und die Ehre Christi theilen sich in das irdische Gut des Frommen. So geht denn auch in einem Diaconissenhause neben dem Unterricht, der zum Dienste der Armen und Leidenden anleitet, auch ein Unterricht, welcher die Diaconissin unterweist, wie sie im Hause Gottes wandeln und ihre Narde zur Ehre JEsu ausgießen könne.

§. 2.

 Wenn man nun aber von dem Schmuck des Heiligtums und dem Aufwande zur Ehre Christi redet, so wird es vor allen Dingen nöthig sein, daß man den hl. Raum und die hl. Geräthe kennen lerne, weil sich der gesammte Unterricht, den wir jetzt geben, an diese Kenntnis anschließen muß.

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§. 3.

 Der hl. Raum ist die Kirche mit ihren Vorhöfen und dem Gottesacker, auf welchen die Leiber der Christen als Samenkörner für eine ewige Ernte gelegt werden.

§. 4.

 Die Kirche und ihre Vorhöfe kommen hier nicht rücksichtlich ihrer Bauart in Betracht, sondern rücksichtlich ihrer Ausschmückung durch Frauenhand. Wir werden also nicht von der Mauer und Pforte des Vorhofs, nicht von den Hallen, die sich um die Mauer ziehen können, nicht von der Höhe der Thürme und Länge der Kirchen und von den verschiedenen Arten des Baustyls reden, sondern im Vorhof würde, wenn man wollte, allenfalls die Anlage des freien Platzes, der Schmuck durch Bäume und Blumen, wol auch um der Verwandtschaft willen die Aufstellung von Kreuzen und Statuen zu berühren sein. Das Aeußere der Kirche wird man gar nicht besprechen, wol aber ihre liturgische Einrichtung, und auf diesem Wege wird man dann zum Schmuck gelangen. Ebenso wird man beim Cömeterium, d. i. beim Schlafsaal der christlichen Leiber, weniger die Gestalt der Mauer, kaum der Pforte, kaum des Kreuzgangs, mehr aber die der Gräber, ihrer Monumente und ihres Schmuckes abzuhandeln haben.

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§. 5.

 Die Kirche hat 3 Teile: den Vorplatz innerhalb ihrer Mauern, das Schiff und das Presbyterium oder den Chor. Im ersten Teile links vom Eingang, auf der mitternächtlichen Seite, ist die liturgische Stellung des Taufsteins, weil die Taufe des Christen Eingang ist in die Kirche Gottes. Im Schiff der Kirche versammelt sich die Gemeinde, und im Schiff oder da, wo Chor und Schiff sich scheiden, steht die Kanzel, von der herunter der Seelsorger die bereits gewordene Gemeinde der Heiligen mit dem Worte Gottes speist. Im Chor steht der Altar, zweifelsfrei am richtigsten Ort in der ganzen Kirche, und um den Altar her sind die Sitze der Diener des göttlichen Wortes. Es ist eine liturgische Sünde, die Kanzel in den Chor und über den Altar zu stellen; sie sollte aller Orten ausgerottet werden. Wenn eine Kirche außer der Orgelbühne noch Emporen haben muß, so ist es nach dem Urteil der Alten schicklicher, wenn auf den Emporen die Frauen, als wenn die Männer daselbst ihren Sitz haben. Eben deshalb hatten aber auch die alten Emporen Vorhänge, die zum Kirchenschmuck gehörten.

§. 6.

 In der alten Zeit hatte man die Taufsteine zum Teil innerhalb der Kirchen, zum Teil aber gab es eigene Baptisterien. Diese Baptisterien waren rund gebaut und aus ihnen entwickelte sich der runde oder Kuppelbaustyl, wie er sich besonders im Morgenlande ausbildete, während sich im Abendlande mehr der oblonge, der Kreuzbaustyl verbreitet hat. Wo nun der Taufstein in einem eigenen Gebäude steht, also nicht im besondern Zusammenhang mit einem Altare, versteht es sich von selbst, daß dasjenige, was wir vom Schmuck des Taufsteins zu sagen haben werden, nicht angewendet werden kann.

 Der Altar steht in den Kirchen, namentlich des Abendlandes, immer im östlichsten Teile der Kirche, während er in der Stiftshütte und im Tempel nach Westen stand, oder wenigstens an seiner Stelle dasjenige, was ihn vertritt, nemlich das Allerheiligste. Das Abendland schaut immer nach Osten, dem auf Golgatha gekreuzigten, nach der Tradition westwärts schauenden Christus ins Angesicht. Ob der Pfarrer vor oder hinter dem Altare steht oder sitzt, das ist völlig gleichgiltig. Der Thron des Bischofs stand in der ältesten Zeit gern hinter dem Altar, so daß zwar die ganze Gemeinde nach Osten, der Bischof aber als Bote dessen, welcher ist der Aufgang aus der Höhe, und als sein Repräsentant nach Westen sah. Auf den Schmuck des Altars hat diese Stellung allerdings einen Einfluß, wie sich das zeigen wird, denn je nachdem die eine oder die andere Stellung gewählt wird, je nachdem steht der Altar entweder frei, oder er kann an der östlichen Mauer des Chors stehen, oder selbst eine Rückwand haben.

§. 7.

 Es ist eine sehr verbreitete Ansicht, daß die ersten Christen immer nur sehr schmucklose Kirchen-Locale und wertlose hl. Gefäße gehabt hätten; aber vernünftig ist diese Ansicht nicht. Die ersten Christen lebten im Ueberschwang des hl. Geistes und werden deshalb ohne Zweifel ein tiefes Gefühl für alles schickliche und schöne gehabt haben, jede natürliche Beziehung zu dem Herrn und seinem Heiligtum wird sich bei ihnen mehr als bei uns Geltung verschafft haben. Nun erscheint es gewis der neuen Creatur oder Natur des Menschen ungeziemend, z. B. das gesegnete Brot auf einen unreinen Tisch niederzulegen oder an einen Ort, der sonst zu ganz anderen, geringen Dingen dieses Lebens dient. Dagegen aber ist es für die neue Natur des Christen recht natürlich, die heiligsten Gegenstände, welche es auf Erden geben kann, auch durch den Ort und das Geräthe zu ehren. Gewis haben die ältesten Christen dies Gefühl am stärksten gehabt, und daraus entsprang ihnen der Sinn für alle hl. Zier und allen Schmuck der Kirche, sonderlich aber des Altars. Das finden wir auch durch die Geschichte bezeugt bis zurück in das graue Altertum. Der Christen Sinn für das schöne und schickliche im Hause Gottes machte sich immer geltend, wo es möglich war und nicht z. B. durch Verfolgung gehindert wurde. Es geschah das um so mehr, als ja das Christentum mit Ehrerbietung auf den alttestamentlichen Cultus zurücksah, welcher deshalb, daß er der Schatten war dessen, das kommen sollte, nicht das Gegenteil, sondern ein Abriß gewesen sein muß von dem, das kommen sollte, so daß also der Christ sich vielmehr gedrungen fühlen muste, das schöne darin nachzuahmen, als es zu vernachläßigen und zu übersehen.

§. 8.
 Was zuerst den Altar anlangt, so bediente man sich in der ersten Zeit eines einfachen hölzernen, dann mehr und mehr eines steinernen Tisches. Im Verlauf der Zeit verlor der Altar die Gestalt des Tisches je länger je mehr. Die Christen hatten so gerne das Sakrament über den Gräbern gehalten, daß sie späterhin nach dem Grundsatz verfuhren: Das Grab ein Altar, jeder Altar ein Grab. Man begrub die Gebeine der Märtyrer und anderer hl. Personen in oder unter den Altären und dachte dabei an jene wunderbare Stelle der hl. Schrift (Offenb. 6, 9.), da die Seelen der abgeschiedenen Blutzeugen Jesu als unter dem himmlischen Altare befindlich dargestellt werden. Der Altar selbst bekam in der Folge der Zeit einen Ueberbau; auf 4 Säulen hob sich ein Dach, von welchem herunter gerne das Bild einer Taube hieng, die innen hohl war und in welcher man die Brote zum Sakrament aufbewahrte. Die Flügel der Taube konnten gehoben werden, um die Brote herauszunehmen. Zwischen den Säulen hiengen kostbare Vorhänge, und was wir jetzt auf den Altar stellen – Crucifix, Blumen, Leuchter und Lichter, das stand damals auf dem Dache. Der Ort des Sakraments war verhüllt, weil kein Katechumen und kein Heide an den hl. Geheimnissen| Teil hatte und auch nicht mit dem Blick die Aeußerlichkeiten derselben erreichen sollte. Mit dem Unterschied des zweiteiligen Gottesdienstes der Katechumenen und der Gläubigen fielen diese Hüllen hin und der Altar wurde frei, behielt aber oftmals seine Bedachung. Oft fiel dieselbe allerdings auch weg, und er stand dann frei, oder bekam in viel späteren Zeiten seine eigene mit Altarbildern geschmückte Hinterwand. Als allgemein geltende Sitte ist anzunehmen, daß ein Altar, der recht sein soll, wenigstens ein Crucifix (schwarz mit silbernem Leib) und zwei Leuchter haben müße.
§. 9.

 Unter dem Namen Altarbekleidung versteht man nicht bloß die Bekleidung mit gewobenen Zeugen, sondern im Grunde alles, was man zur Ueberdeckung, Umhüllung und Ausschmückung des hölzernen oder steinernen Altargerüstes gebraucht hat. So liest man z. B. häufig in alten Urkunden: der und der Kaiser oder Pabst habe der oder jener Kirche einen Altar zum Geschenk gemacht, und das will dann nicht heißen, er habe das Gerüst eines Altars gegeben, sondern entweder die Tafel über dem Altar oder die Umhüllung desselben, die Bekleidung. Zur Bekleidung des Altars gehört aber zunächst das Antipendium oder Frontale. Dieses Antipendium kann aus Metall, von Holz oder von gewobenen Zeugen bestehen und hatte für die Zeit, in welcher es noch keine Altarblätter und Altarwände gab, insgemein vier Stücke, wie der Altar vier Seiten. Das Antipendium ist derjenige Gegenstand oder Teil des Altars, an welchem sich die weibliche Kunst am meisten verherlichen kann, und nicht bloß die weibliche Kunst, sondern je nach dem Stoffe auch jede andere. Wenn das Antipendium von gewobenem Zeug gefertigt wurde, so konnte es entweder die Form von Vorhängen haben, die an Ringen und einer Stange zurückgeschoben werden konnten, oder der Zeug war ausgespannt; sehr häufig wurde auch die Rückwand des Altars mit demselben Zeug wie das Frontale bedeckt, wie denn überhaupt die Wände der alten Kirchen, namentlich an Festen, mit kostbaren Zeugen, gewobenen und gestickten Teppichen bekleidet wurden. – Was die Zeuge zum Frontale anlangt, so bestehen sie in der alten Zeit im Gegensatz zu den Altarkleidern im engeren Sinne oder den Decken nicht aus Leinwand, sondern aus schweren Seidenzeugen, die mit Gold und Edelsteinen etc. durchwoben oder bestickt waren. Wenn der Altar Aufsätze hat, so sollen diese nicht auf seiner Platte stehen und die Bedeckung nicht hindern, sondern hinter derselben ein eigenes Gerüst haben, auf dem sie ruhen. Die Römischen machen einen Unterschied zwischen Altären, auf denen das Sanktissimum ausgestellt wird, zwischen solchen, in denen Reliquien ruhen, und solchen, die bloß zur Zier und zum Gebet an verschiedenen Orten aufgestellt werden. Für die Protestanten hat dieser Unterschied keine Bedeutung und ebensowenig eine Einwirkung auf den Schmuck oder die Bekleidung. Unser Altar ist und bleibt in allen Fällen nichts anderes, als der Ort, an welchem sich mit den Elementen des Abendmahls der Opferleib und das Opferblut des Herrn vereinigt und von welchem uns diese wunderbaren Gaben gereicht werden. Der Altar ist uns der Ort der höchsten Offenbarung Gottes im neuen Testament. Dieser Gedanke aber ist groß und stark genug, um unsere Herzen zum Altar zu ziehen und ihn mehr als alle Orte in der Welt zu ehren, zu lieben und zu pflegen; daher der kunstfertigen Frauenhand aller Altarschmuck, insonderheit aber das Antipendium oder Frontale allerdings zu empfehlen ist.

§. 10.
 Die eigentlichen Altardecken oder Mappen waren zu verschiedenen Zeiten verschieden an Zahl. Sie haben miteinander das gemein, daß sie alle von Leinen sein müßen, weil sie sämmtlich die Grabtücher unsers Herrn darstellen, in die sein Leichnam beim Begräbnis gewickelt wurde und welche am Morgen der Auferstehung mit kenntlicher Absicht durch unsichtbare Hände zusammengelegt und an verschiedenem Platze (Joh. 20, 6. 7.) gefunden wurden. In der griechischen Kirche legte man auf die vier Ecken des Altars eigene Tücher, die mit den Zeichen der 4 Cherubim oder der Evangelisten bestickt waren, über diese 4 Tücher reichen andere in verschiedener Zahl herab. Spitzen hatte von diesen Tüchern keines, wol aber gab man hie und da einem Tuche Fimbrien oder Fransen von verschiedener Farbe. Gegen Weißstickerei, auch wol Stickerei mit rothem, blauem oder grünem Garn wehrte man sich nicht, nemlich was die Ueberhänge der Mappen betraf. So stickte man gerne wie in die Ecken die Cherubim, so in die Mitte des Ueberhangs die Mutter Jesu, wie sie der Kirche ihr Kindlein zeigt. Das oberste Tuch heißt: εἰλητόν oder corporale (auch sindon, Matth. 27, 59.). Dieses oberste Tuch kommt nur dann auf den Altar, wenn das Sakrament gehalten wird, und hat keinen Ueberhang, sondern ist gerade so groß, als die Tafel des Altartisches; es wird weggenommen, so wie das Sakrament vorüber ist. In der alten Zeit wurde ein Teil des corporale genommen und über den Kelch geschlagen, nicht bloß über die Brote. Späterhin machte man für den Kelch ein eigenes Deckchen von demselben Zeuge, welches dann auch corporale oder späterhin palla hieß und immer zusammengelegt und zwar vierfach zusammengelegt auf den Kelch gedeckt wurde. Vor dem corporale hatte man übrigens eine so große Achtung, daß man eine eigene Hülle für dasselbe hatte, welche nicht von Leinwand sein muste, sondern von kostbarem Stoffe sein durfte und, wenn die Kirche dazu nicht zu arm war, je nach der Festzeit die Farbe wechselte; diese Hülle heißt bursa oder pera. Da man späterhin das corporale nicht mehr zusammenschlug und doch vor und nach dem Sakrament die hl. Gefäße bedecken wollte, so wurde dazu ein eigenes Tuch bestimmt, welches velum heißt, die liturgische Farbe trägt je nach der Festzeit und von Seide sein darf. Für uns Protestanten wird es wol immer gut sein zu merken, daß ein Altar, der wol bestellt sein soll, drei Mappen haben solle: ein| Unterkleid ohne Schmuck, in der Absicht, von den schöneren Gewanden Schaden abzuhalten, ein Oberkleid mit Ueberhang, welcher Zierde verträgt, und das corporale sammt der palla diese alle sollen von reiner Leinwand sein. Ueber die Gefäße gehört ein seidenes Velum von derselben Farbe wie der Umhang des Altars.
§. 11.

 Da wir von den Gewanden des Altars gesprochen und gesagt haben, daß einige von ihnen eine gemeinschaftliche Farbe je nach der Festzeit haben sollen, so wollen wir hier gleich die kirchlichen Farben und deren Anwendung auf die verschiedenen Feste benennen. Im 4. Jahrhundert war die in der Kirche herrschende Farbe das Weiß; im 12. Jahrhundert treten bereits mehrere liturgische Farben wenigstens im Abendlande hervor. Sie sind folgende:

 1. Die weiße, anzuwenden an den Festtagen des Herrn, seiner Mutter, wo diese gefeiert werden, sowie der Bekenner von beiderlei Geschlecht; auch bei der Todtenfeier kleiner Kinder ist die Kleidung des Altars die weiße als Abzeichen größerer Reinigkeit und Unschuld;

 2. die rothe, anzuwenden auf das Fest der Sendung des hl. Geistes, zur Andeutung des Feuers seiner Liebe; dieselbe Farbe wird auch für die Gedenktage der Apostel und Märtyrer angewendet;

 3. die schwarze, angewendet für den Todestag des Erlösers und für alle Tage, die ihn vorbereiten, also von Septuagesima bis zum grünen Donnerstag; desgleichen für die Adventszeit, für alle Fasttage und für die Todtenfeier;

 4. die grüne, als Symbol der christlichen Hoffnung für alle gewöhnlichen Sonn- und Feiertage des Jahres;

 5. die blaue, die aber später erst in Anwendung kam und dann in der Adventszeit und in der Septuagesima, sowie in den gefasteten Vigilien und Quatembern mit Ausnahme der von Pfingsten an die Stelle der schwarzen Farbe trat. Auch der Festtag der unschuldigen Kindlein, wenn er nicht auf einen Sonntag fällt, hatte die blaue Farbe.

§. 12.

 Da wir nun das Nötige von dem Gewande des Altars vorgetragen haben, so wollen wir noch einige kleinere Sachen anführen, welche zu diesem Kapitel gehören:

 1. Beim Crucifix, das auf keinem Altare fehlen soll, gibt es eine verschiedene Darstellung. Entweder trägt das Crucifix ganz die Gestalt des schweren Leidens Jesu, oder aber die Kreuzigung erscheint mehr als Symbol, während der ganze Leib als der des großen Siegers und Löwen aus Juda dargestellt wird. Beide Darstellungsweisen sind, wie es sich von selbst versteht, zu dulden; die beziehungsreichere ist jedoch die letztere.

 2. Was die Leuchter anlangt, so sind die gar so hohen und großen Leuchter ein Zeichen der neuesten Zeit. Die romanische Zeit liebte kleine Leuchter, deren Fuß über die Hälfte der Höhe einnahm und dreieckig war, deren Schaft sich je weiter nach oben desto mehr verjüngte, zuletzt in eine glatte Kugel ausgieng, aus welcher sich eine trichterförmige Schaale zum Auffangen des Wachses mit dem Stachel erhob, auf welchem das Wachslicht ruhte. Die gothische Zeit, deren in die Höhe strebender Charakter auch höheren Leuchtern günstig war, hat dennoch keine Leuchter geliefert, die das Maß von 2 Schuh überragt hätten. Der Fuß des Leuchters ruht auf drei Löwen oder platt auf dem Altar, verliert sich gern in die Gestalt eines Greifen; die Schaale hat oft einen Kranz. In beiden Baustylen erscheinen namentlich unterhalb der Schaale ein oder mehrere Delphine, wie denn die Kirche auch größere Standleuchter gehabt und noch hat, welche ganz und gar aus Delphingestalten zusammengesetzt waren und sind, von denen die Lichterschaalen getragen werden. Das Material der Leuchter ist für gewöhnlich Messing, für Feste Silber oder Gold. Die Leuchter sollen im Verhältnis zum Crucifix so sein, daß die Gestalt des Gekreuzigten über die zunächst stehenden Leuchter hinaussieht. Die Kirche hat auch je und je den siebenarmigen Leuchter geliebt mit seiner herlichen Deutung auf die 7 Lampen und Geister Gottes. Brennmaterial ist und bleibt für die Kirche entweder Wachs oder reines Olivenöl.

 3. Der hl. Augustinus erzählt, daß die Jungfrauen zu Hippo bei festlichen Gelegenheiten den Altar mit Blumen bestreut und in die Verzierung des Altars Blumen eingeflochten hätten; das wurde stehende Sitte der Kirche, die frischen Blumen fehlten dem Altare nicht. Als aber der Eifer für den Altar des Herrn und damit auch für seine Zier aufhörte, setzte die Kirche an die Stelle der lebenden Blume die todten. In der neuern Zeit haben sich in England Vereine von Frauen und Jungfrauen gebildet, um die Altäre mit immer frischen Blumen und Gewächsen zu verzieren, und man hat es begünstigt, weil auch dadurch der Kunstsinn geheiligt wurde.

 4. Auf den Altar gehört ein Evangelienbuch und die Agende. Das Evangelienbuch und die Agende sollte auf starkes, schönes Papier mit mächtigem Druck gefertigt in starkem Deckel mit Schließen gebunden sein. Das ganze Buch ist so einzurichten, daß der Pfarrer es nicht in die Hand nehmen müße, denn in die Hand des Pfarrers gehört nichts, sondern daß er auch mit altem und blödem Auge ganz ohne Beschwernis lesen könne. In das Buch gehört ein Register mit Schnüren von verschiedener Farbe, und zwar für das Evangelienbuch mit zwei Schnüren, für die Agende aber mit ebensoviel Schnüren als sie Hauptteile und Handlungen hat. Auf die Außenseite der Bücher hat die alte Kirche die gröste Pracht gewendet; die Deckel waren mit Gemälden, mit goldenen und silbernen Platten, mit Elfenbein etc. verziert, und ebenso war der gröste Fleiß und die gröste Kunst auf die Sperren und Schließen gewendet. Weil die Bücher so kostbar waren, so lagen sie in der Regel auf einem kostbaren Tuche, mit welchem sie gefaßt wurden, das Tuch selber aber mit dem Buche lag auf einem Kissen oder Pulte. Das Kissen muste natürlich hart gepolstert sein, war in der Regel ein Kunstwerk weiblicher Hände und trug etwa auch eine| doppelte Farbe, weiß und violet, um durch bloßes Umdrehen für verschiedene Festzeiten geschickt zu werden. Auch auf die Pulte war großer Fleiß gewindt, sie waren von schönem Holze und farbig. Dies alles verdient Nachahmung. Nachträglich bemerken wir noch etwas über die Größe der Kissen. Sie sollen von Seide oder feinem Leder 2½ Spannen lang, 1½ Spannen breit sein, am Rande mit goldenen oder silbernen Fransen geziert, an den Ecken aber mit Quasten.

 5. Eine uralte Zierde der Altäre kann eine Tafel der kirchlichen Gedenktage unter Glas und goldenem Rahmen genannt werden.

 6. Zur Altarzierde gehören bei uns auch Kniekissen und Fußteppiche. Die kniende Lage des Körpers eignet sich für den Zustand des Gebets ganz vorzüglich, vorausgesetzt, daß der empfindlichste unter allen Knochen des menschlichen Leibes, das Schienbein, nicht zu sehr gemartert wird, wodurch auch einer andächtigen Seele die Andacht vergehen kann. Bei den Kniebänken müßen auch die Arme eine Unterstützung haben. Wenn man zum Empfang des Sakraments am Altare kniet, kann man allerdings für die Arme keine Unterstützung haben, desto bequemer muß für das Knie gesorgt sein. Kniekissen möchten den Kniebänken vorzuziehen sein, weil man auf ihnen mit dem größern Teile des Schienbeins ohne Schmerzen ruhen kann.

§. 13.

 Beim Altare können wir sogleich die hl. Geräthe etwas genauer ins Auge faßen. Zu ihnen gehört:

 a) vor allem der Kelch. Der Kelch besteht aus dem Fuße, der Röhre mit dem Nodus oder Knoten und der Cuppa. Die Hauptsache ist die Cuppa oder die Schaale. Sie kann häufig von dem übrigen Kelche losgeschraubt werden. Die Cuppa zum wenigsten ist nach altem Herkommen von edlem Metall, golden oder silbern, und im letztern Falle wenigstens innen vergoldet. Sie muß, nach welchem Style sie auch geformt sei, keinen ausgebeugten, sondern einen scharfen Rand haben. Der Nodus soll nicht fehlen und nicht mit überladener und wehethuender Zier versehen sein, obwol er sonst der Ort ist, wo man die meiste Zier, Edelsteine u. dgl. anzubringen pflegte. Der Nodus muß eine solche Höhe haben, daß der Pfarrer an demselben den Kelch beim austeilen faßen und regieren kann. Der Fuß des romanischen Kelches, sowie die Röhre ist rund, der Nodus desgleichen, er trägt genau die Form eines Apfels und heißt deshalb auch Pomellum oder Aepfelein. Die Cuppa ist halbrund, nur gegen das untere Ende hin ein wenig eiförmig. Der romanische Kelch hat mehr ornamentales, der gothische mehr construktives. Der gothische Kelch hat einen polygonen oder sternförmigen Fuß. An den Nodus können sich mancherlei gothische Zieraten anschließen; die Cuppa geht fast ganz geradlinig in die Höhe. Die Renaissance-Zeit hat zum Teil sehr kunstreiche, aber von den frühern abweichende Kelche und Kirchengeräthe geliefert, sich aber im ganzen mehr zu dem ornamentalen zurückgekehrt. Die Größe und Höhe eines Kelches ist verschieden, man nimmt als das gewöhnliche Maß eine Höhe von 9 Zoll und einen Umfang von 10½ Zoll an, wohl auch eine Höhe von 11 Zoll und einen Umfang von 13½ Zoll. – Zum Kelche gehört die Patena, ein Teller von völlig gleichem Stoff wie die Cuppa des Kelches, dessen Vertiefung genau in die Oeffnung des Kelches paßen soll. Die Patena ist völlig platt mit scharfem Rand und wird in der protestantischen Kirche nur von ungeschickten Pfarrern zur Austeilung des hl. Leibes benützt, da hiezu, wie wir sogleich hören werden, das Ciborium gehört.

 b) Das Ciborium besteht aus kostbarem Metall, golden oder silbern und inwendig vergoldet, hat wie der Kelch einen breiten Fuß, um vor dem umfallen gesichert zu sein, einen Nodus, um bequem gehalten werden zu können, und wird mit einem knapp passenden Deckel, aus welchem anstatt des Knopfes gerne die Gestalt Christi angebracht wird, geschloßen.

 c) Für ein Gefäß, welches wir sehr nöthig brauchen, finden wir in der frühern Zeit keinen recht anschaulichen Vorgang. Wenn wir dem Geschmack der Renaissancezeit folgen sollten, so würden wir hohe, große, silberne oder goldene Kannen wünschen. Es sieht aber jedermann ein, daß auch dann, wenn ein Altar seinen Credenztisch hat, hohe, große, schwere Kannen unbequem zum Handhaben sind, am allerunbequemsten aber, wenn man sich dieselben zur Consecration auf den Altar denkt, wohin doch die ganze Summe des Weins gehört, welche für eine Communion gebraucht wird. Es werden sich daher mäßige Kannen, nach dem Verhältnis der Gemeinde, und lieber mehrere kleinere als Eine sehr große empfehlen. Es wird dabei acht zu geben sein, daß sie zum Kelche und Ciborium passen und ja nicht die Gestalt einer profanen Kanne haben.

Anm. Von der Reinigung der Kirchengeräthe von edlem Metall sagt G. Jakob in seinem Buche: „Die Kunst im Dienste der Kirche“ (Landshut 1857): „Es werden manchmal rauhe Bürsten angewendet, Kalk, ja selbst Sand oder Salz oder Säuren, wodurch gar vielfache Zerstörung angerichtet werden kann. Hier sollte man es nicht scheuen, mehr Zeit und Sorgfalt zu opfern. Wir geben hier die Art und Weise an, wie nach dem ornat. eccles.[1] hiefür am passendsten und unschädlichsten diese Reinigung vorgenommen werden kann. Die Gefäße sollen vorerst in warmes Waßer getaucht, darnach mit Seife, welche in Lauge zu Brei gekocht worden, wol überstrichen und so, wenn nicht eine ganze Nacht, doch wenigstens einige Stunden lang stehen gelaßen werden; darnach sollen sie in warmem Waßer abgespült und, wo es nothwendig ist, in den Ecken und Winkeln mit einem Bürstchen, dergleichen die Goldschmiede gebrauchen, fein gereinigt werden. Ist das drei oder vier mal in warmem Waßer geschehen, so lege man sie in frisches, kaltes Brunnenwaßer, nehme sie dann heraus und stelle sie, ohne sie abzutrocknen, an die Sonne oder im Zimmer zur Wärme des Ofens, bis sie selbst trocknen. Eherne Gefäße können mit feinem Ziegelmehl, zinnerne mit Kleie und Waßer gereinigt werden.“
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§. 14.

 Schon einmal haben wir von den Bestandteilen des Altars geredet, wir kehren noch einmal zu ihm zurück und geben eine andere Einteilung, welche sich zunächst auf den Altar des Mittelalters bezieht, ihre Anwendung aber auch häufig jetzt noch finden kann. Man schreibt dem Altare nemlich vier Teile zu: 1) die Mensa oder den Tisch, 2) die Predella oder Altarstufe, 3) den Altarschrein, 4) die Krönung und Umfaßung. Von der Mensa haben wir zur Genüge gesprochen, nur daß wir etwa noch anführen könnten, welcher Schmuck auf der Vorderseite oder dem Antependium in den ältern Zeiten angebracht zu werden pflegte und jetzt noch ganz schicklich genannt werden kann. Häufig finden sich an den Ecken Säulen, auch Statuen. Auf dem Antependium aber wurde ein Kreuz oder eine Palme oder ein Labarum oder ein α und ω, oder das Gotteslamm oder ein Pelikan angebracht. Die Predella oder die Altarstufe ist der Aufsatz, auf welchem der Altarschrein befindlich ist, wenn einer vorhanden. Er ist häufig nicht bloß auf der Vorderseite, sondern auch auf der Rückseite bemalt mit Apostelgestalten oder mit Zügen aus dem Leben Jesu, auch wol mit einer Grablegung oder dem hl. Abendmahle. Der Schrein besteht eigentlich aus 3 Bogen, welche die Dreiteiligkeit des Kirchenbaues sinnbilden. Die 3 Bogen selber werden mit Statuen oder Bildern von nicht allzu bedeutender Größe ausgefüllt; Statuen und Bilder können je nach der Festzeit wechseln. Späterhin hat man anstatt der Bogen Schreine gemacht mit Thüren, zweien oder dreien. Die Thüren waren innen und außen mit Darstellungen aus der Geschichte des Herrn und seiner Heiligen bemalt. Im Schreine selbst waren Statuen, aber auch gemalte Bilder. Die Krönung steigt empor und endet entweder in der Kreuzesblume oder im Bilde des Auferstandenen, oder sie vereinigt beides. Diese Altäre sind oft wunderschön und verdienen Nachahmung, und eben deshalb haben wir dieses Ortes einiges von ihnen gesagt. Aber nicht weniger schön und nachahmungswerth ist der ältere Altar mit seinen vier Säulen, seinem Baldachin und Ciborium. Dagegen nicht nachahmungswerth und unschön sind die Altäre der Renaissance-Zeit mit ihren dem heidnischen Altertum entnommenen Säulen, Architraven und Halbkugeln, mit ihren halbnackten oder nackten Posaunenengeln und theatralischen Figuren, dazu mit ihren übergroßen Altarbildern.

§. 15.

 Von den beiden Seiten der Kirche ist von Alters her die südliche Seite, wo die Männer sitzen, die geehrtere. Auf dieser Seite, nicht ferne vom Altar, hat der Credenztisch seinen Platz, auf welchem dasjenige seinen Platz findet, was zum Gottesdienste gehört und doch nicht auf dem Altar liegen soll. Der Credenztisch ist ein einfacher Tisch, der mit einem weißen Leinentuche schicklich überdeckt wird, zwei Leuchter trägt, zwischen welchen die Abendmahlsgefäße, bevor sie auf den Altar kommen, oder so viel ihrer nicht auf den Altar kommen, ihren Platz haben. Vor Leuchtern und Gefäßen muß noch Platz sein, auf schickliche Weise Bücher anbringen zu können, die zum hl. Dienste ab- und zugetragen werden.

§. 16.

 Auch die Diener des Worts müßen in der Kirche Platz haben, wo sie sitzen können. Zu diesem Behufe findet man in größern Kirchen auf der Epistelseite zuweilen steinerne Bänke, welche mit Teppichen und Tüchern belegt werden können; außerdem dienen dazu die Sedilien oder Stühle, welche zu diesem Gebrauche nach dem allgemeinen Grundsatz gefertigt werden sollen, nach welchem im Heiligtum nichts Gewöhnliches sein soll. Entweder bildet man den Stuhl, der immer beweglich ist, so, daß das Geländer sammt den Beinen, wenn nemlich 4 Beine angebracht werden können, kreuzweise, aber in geschweifter Linie gefertigt werden, oder man gibt dem Stuhle eine einfache viereckige Construktion mit schöner Verzierung. Die Zahl der Stuhlbeine ist übrigens von alten Zeiten her am liebsten drei oder fünf. Teppiche und Decken fehlen nie, und der Stuhl desjenigen, welcher consecrirt, ist um eine Stufe erhöht, wenigstens nach alter Sitte.

§. 17.
 Der Nachbarschaft wegen gehen wir jetzt sogleich zur Sakristei über, oder wie sie auch heißt zur Gerkammer oder Zither. Voraus bemerken wir, daß nach uralter Sitte und Ordnung in der Sakristei die größte Stille herrschen muß und nicht geredet werden darf. Gen Osten des Raums soll ein Altar stehen, oder wenigstens ein niedriger, tischförmiger Schrein, in welchem Paramente aufgehoben werden können. Derselbe wird dann etwa mit einem grünen Tuche bedeckt. Nicht ferne vom Altar sollte sich ein Betschemel befinden, vor welchem ganz wol nach alter Weise ein| Crucifix aufgestellt sein könnte; auf dem Betstuhl dürften sich die schönen alten Gebete in künstlicher Abschrift finden, welche den Pfarrer zu seinem Dienste anleiten und vorbereiten. Ferner soll am schicklichen Ort das Waschfaß mit zwei reinen Handtüchern nicht fehlen. Endlich gehören in die Sakristei die Schränke für Paramente und hl. Gefäße, auf welche man in beßern Zeiten große Kunst verwendete. Wenn eine Sakristei recht eingerichtet ist, so muß sie feierlich, lieblich und reinlich sein, mehr wie eine Kapelle als wie eine Kammer. Der Ort der Sakristei ist sehr häufig auf der Nordseite des Chors. Manche Kirchen haben aber doppelte Sakristeien zu beiden Seiten.
§. 18.

 Wir dürfen beim Abschluß des Chores die Cancelli oder Schranken nicht vergeßen, durch welche der Chor von dem Schiffe abgesondert zu sein pflegt. In großen Kirchen gab es einen innern und äußern Chor und daher doppelte Schranken. In der neuern Zeit haben manche Protestanten es als Zeichen des Protestantismus gefordert, daß der Chor keine Schranken habe, weil nach der Lehre der Protestanten die Gemeinde den freien Zutritt zum Altare habe und selbst ein priesterliches Volk sei. Uebrigens würde das auch der Fall sein, wenn die Schranken beständen und die Symbolik des 3ten Teiles der Kirche würde dadurch mehr aufrecht erhalten werden. Jedenfalls gehören in den Chor keine Stühle noch Bänke, außer für die Kirchendiener, weshalb der Chor auch Presbyterium heißt.

§. 19.

 Die Schranken selber können von Stein sein, aber durchbrochen, oder von geschmiedetem Eisen. Da, wo es solche steinerne Schranken gab, wurde aus jeder Seite, auf der Evangelien- und Epistelseite, ein Teil nach dem Schiffe hin ausgebaucht oder doch besonders verziert. Man pflegte an diesen Stellen Evangelium und Epistel zu lesen und nannte um deswillen die Cancelli selber Lectorium oder Lettner. In vielen alten Kirchen ist der Lettner ein Ort, auf welchen besonderer Kunstfleiß verwendet ist.

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§. 20.

 Mit den Cancellis verbunden werden oftmals auch die Ambonen, d. h. Lesepulte, zu welchen man von zweien Seiten auf Stufen hinangehen konnte. Diese Ambonen und ihre Verbindung mit den Cancellis waren die alten Kanzeln bis zum 12ten und 13ten Jahrhundert, daher man auch beim romanischen Style keine Kanzelmuster findet, welche mit den gegenwärtigen Kanzeln eine Aehnlichkeit hätten. Da man anfieng besondere Kanzeln zu bauen, waren es steinerne Bühnen von ziemlich großem Raum. Aus diesen bildeten sich dann nach gothischer Weise diejenigen Kanzeln, welche den unsrigen ähnlicher sehen. Sie ruhten anfangs auf mehreren Säulen, später bekamen sie einen runden oder achteckigen Fuß, wol auch einen sechseckigen, aus dem sich dann wieder ein polygoner Schaft und aus diesem selbst wieder die Kanzel entwickelte. An den Fuß der Kanzel machte man gerne einen Löwen oder ein anderes Ungetüm aus der Thierwelt, um anzudeuten, daß das Evangelium, welches da oben gepredigt ist, ein Herr ist über alle Ungeheuer. Durch die polygone Form der Kanzel selber bildeten sich Felder, auf welchen Apostelbilder angebracht wurden. Ueber der Kanzel wurde ein Schalldeckel angebracht, der aber nicht ein eigenes turmähnliches Bauwerk sein soll, sondern am besten aus einer einfachen Bedachung mit einem Kranze besteht. Wenn die Kanzel von Stein gehauen und künstlerisch schön ist, so wird man ihr kein Kleid geben. Gibt man ihr aber ein Kleid, so sei es von gleicher Farbe mit dem Antependium des Altars, von Seide oder sonst reichem Stoff, damit die Mildigkeit des göttlichen Worts angedeutet werde. – Da die Kanzel, so wie sie jetzt ist, viel Platz und Raum einnimmt, so kann sie an den Chorschranken nicht mehr stehen, sondern sie rückt an die Evangelienseite des Schiffes an eine Säule oder auch an die Ecke, die Schiff und Chor miteinander bilden. Eine Kanzel, bei welcher der Prediger dem Altare den Rücken kehren muß, ist ungeziemend. Der Prediger muß von der Kanzel auf den Altar zeigen können, wie Johannes auf das Lamm Gottes. Noch ungeziemender ist es, wenn die Kanzel über dem Altar angebracht wird. Die Predigt ruft zum Altar; räumlich gedacht heißt das nichts anderes, als die Kanzel gehört ins Schiff. – Da man nicht immer über die Texte redet, welche für den Sonn- oder Festtag verordnet sind und während der Liturgie gelesen werden, so macht sich das Bedürfnis eines Kanzelpultes geltend. Wäre das nicht der Fall, so könnte man es wol entbehren, denn die Predigt selbst liest man bei uns in der Regel nicht. – Ein Geräthe, welches sich häufig auf Kanzeln findet und andeutet, daß der Prediger oft die Zeit vergißt und wie lange sie dem Hörer wird, ist die Sanduhr, die übrigens so einfach als schön ist und ganz wol in eine Kirche passt und die Gemeinde erinnert, daß die Gnadenzeit verrinnt.

§. 21.

 Der Beichtstuhl soll so angebracht sein, daß die ganze Gemeinde den Beichtenden sehen kann, aber nicht hören. Den Beichtstuhl hinter den Altar oder in die Sacristei zu versetzen, ist ein Misbrauch. In der Sacristei sollte man bloß taube Leute beichten laßen. Der Beichtstuhl sei um eine Stufe von dem Boden erhöht, oben, hinten und an den Seiten geschlossen, auch vorne mit einer schließbaren, niedrigen Thür versehen. Das Beichtkind kniet auf einem Schemel, der an einer Seite des Beichtstuhls angebracht ist. Auf derselben Seite ist die Wand des Stuhls mit einem Gitter versehen, durch welches der Beichtende spricht und der Beichtvater hört. Von diesem Gitter und der Richtung der Beichte durchs Gitter zum Ohr hin hat die Beichte den sehr unschuldigen Namen: Ohrenbeichte bekommen, welchen Luther und die Reformatoren noch ohne Tadel brauchen. Es ist auch viel schicklicher und gestattet ein viel leiseres Beichten, wenn man zum Ohr spricht, als dem Beichtvater ins Angesicht. Wo recht gebeichtet wird, ist die Schamröthe, und die braucht nicht einmal der Beichtvater zu sehen; es ist genug, wenn sie Gott und seine hl. Engel schauen können. Je älter die Beichtstühle, desto einfacher sind sie; schön ist eigentlich keiner. Man hat sich über keine Form geeinigt und man kann daher auch keine angeben, nur daß das oben gesagte ebensowol für den protestantischen, als den römisch-katholischen Standpunkt richtig ist und bleibt. Dabei bringt die Privatbeichte ganz sicher wieder den Beichtstuhl, denn es gibt keine härtere Arbeit in der Welt als Beichten hören und bescheiden, sie macht müder als predigen, und je tüchtiger ein Mann zum beichtväterlichen Amte wird, je gereifter an Alter und Erfahrung, desto weniger wird er stehend die schwere Arbeit vollbringen können.

§. 22.
 In der ältesten Zeit findet man allerdings Beispiele, daß man in den Kirchen geseßen ist, späterhin aber, bei dem vorwiegenden Interesse der Liturgie, wird der Kirchenstuhl die geringste Frage. Man hat hie und da nur für Frauen und schwächere Männer Sitze zugestehen wollen; in der protestantischen Kirche freilich ist der Sitz zu einer rechten Hauptsache geworden, denn man kommt ja meistens nur deshalb in die Kirche, daß man die Predigt höre, und die will man mit Bequemlichkeit hören. Dafür sieht auch eine protestantische Kirche mit ihren vielen enggedrängten Sitzen abscheulich aus. Vermiethete Sitze sollte es nirgends geben, noch weniger Sperrsitze; wenigstens sollten nach dem Anfang des Gottesdienstes alle gesperrten Sitze aufgesperrt werden und keiner auf seinen Stuhl einen Anspruch zu machen haben, der nicht beim Anfang des Gottesdienstes vorhanden ist. Die Sitze müßen so eingerichtet sein, daß man bequem knien und die Arme samt dem Buche auf das Sims legen kann;| man muß sitzen, stehen und knien können. Die übrige Einrichtung der Stühle ist von keinem großen Belang. Man hat die Wangen der Stühle, die sich auf den Gang im Schiff zuwenden, gerne verziert, aber es läßt sich da keine große Zier anbringen; namentlich ist es unschicklich, in so geringer Höhe von dem Boden die Kreuzesblume anzubringen. Eine gewöhnliche Blume oder eine gewöhnliche gothische Verzierung passt eher. Was den Anstrich anlangt, so gebe man entweder gar keinen, bloß Firniß oder Oel, oder man wähle eine dunkle und unverwüstliche Farbe.

 Der Boden der Kirche, sonderlich der im Chor und in der s. g. Vierung, wird gerne mit Matten und Teppichen belegt; es ist das nicht bloß eine schöne Zier, sondern auch eine Erleichterung für das Knieen, wenn man nemlich frei niederknieen muß. Da vom Schmucke der Kirchen die Rede ist, so muß, wenigstens als auf ein ferneres Ziel weiblich kirchlicher Bemühung auf diese Teppiche hingewiesen werden und auf die Binsenmatten. Es ist das wenigstens immer noch ein näheres Ziel als die Teppiche für die Wände, welche das Altertum gebrauchte.

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§. 23.

 An den Wänden des Schiffes hatte man gerne den Kreuzgang Jesu samt dazwischen angebrachten Wandleuchtern. Jeder Leuchter, deren man 12 am liebsten hat, deutet auf einen Apostel, weil diese die Lichtträger Jesu für die ganze Welt geworden sind.

§. 24.

 Eine alte Sitte ist es, daß vom Triumphbogen, der in manchen Kirchen angebracht ist, herunter ein den Verhältnissen der Kirche angemeßenes großes Kreuz hängt, damit die im Schiff hörende oder betende Gemeinde auch dadurch an den Ursprung ihres Heils erinnert werde.

§. 25.
 Nicht für gewöhnlich zum Schiffe wird die Orgel gerechnet, und doch werden wir hier sie am besten erwähnen. Man kann nemlich der Orgel einen doppelten Zweck zueignen, 1) den, die liturgischen Gesänge einzuleiten (nicht zu begleiten) und durch Angabe des Tons zu regieren, 2) den, den Kirchengesang des Volkes zu leiten und zu regieren. Wollte man den 2ten Zweck nicht gestatten, so würde man die Orgel, welche dann auch nicht von so großer Dimension sein müßte, wie in der früheren Zeit in die Nähe des Chors stellen müßen. Läßt man den zweiten Zweck gelten, so ist der schicklichste Platz der, den sie auch wirklich sehr häufig gefunden hat, im Westen der Kirche, gegenüber dem Altar, auf der s. g. Orgelbühne. Für den letzten Zweck passt dann auch ein größeres Werk. Der Rahmen der Orgel war ursprünglich in Gestalt eines Bogens, späterhin ahmte er Flügel oder die Gestalt der Harfe nach. Bei Aufstellung einer Orgel ist darauf zu sehen, daß kein westliches Fenster, am wenigsten eine Rose oder eine andere Zier dadurch verdeckt werde. Man kann| sich sehr leicht helfen, da man das Orgelwerk teilen, oder in compendiöser Weise auf kleinen Raum zusammenstellen kann, auch wenn es groß ist.
§. 26.

 Die Kirchenthüre ist von den alten Zeiten her als ein Symbol Christi genommen worden, der da spricht: „Ich bin die Thüre zu den Schafen.“ Bedeutet nun die ganze Thüre Christum, so bedeuten die beiden Flügel das alte und neue Testament. Diese Gedanken wurden von der alten Kirche auf das künstlichste ausgeführt, und der Schmuck über und an den Thüren darnach geordnet. Auf alle Fälle ist darauf zu dringen, daß die Kirchenthüren solid, wenn nicht mit beßern, doch mit eisernen Blechen beschlagen, leicht und fest zu verschließen seien. Namentlich aber gilt dies von der Hauptpforte der Kirche, die ihrer Idee und Lage nach viel Schmuck verträgt, auch den Blumenschmuck, den Frauen zu geben wißen.

§. 27.

 Der Taufstein soll da, wo es keine eignen Baptisterien gibt, im Vorhof der Kirche, und zwar im mitternächtlichen Teile derselben stehen. Er steht eingefaßt von einem Gitterwerke, innerhalb dessen alle zur Taufe gehörigen Personen Platz haben. Der Raum, auf welchem er steht, ist um eine Stufe höher als der Boden der Kirche. Früherhin pflegte er 3–4 Stufen tiefer zu sein, um die Aehnlichkeit mit dem Grabe darzustellen, in welches der alte Mensch durch die Taufe steigt. Der Taufstein selbst hatte ehedem die Form eines hohlen Cylinders, späterhin, da man nicht mehr untertauchte, sondern bloß begoß und besprengte, nahm sein oberer Teil mehr die Gestalt des Bechers an. Im Laufe der Zeiten bekam er eine Form, die gleich der der Kanzel streng geometrisch ist, vom Achteck ausgeht oder auch vom Sechseck, in welchem sich alsdann Basis, Schaft und Kelch vollendet. Er soll von einem Steine sein, der nicht porös ist, und enthält bei den Römischen so viel Waßer, als man das ganze Jahr über für Taufen braucht. In der Nähe des Taufsteins soll nach römischem Brauch eine Piscina oder ein Sacrarium sein, d. i. eine entweder im Boden oder in der Mauer mit einem Abzugsloch versehene Vertiefung. Da nimmt nun der Priester mit einem Gefäße, welches dazu vorhanden ist, aus dem Waßervorrath das Nöthigste; während er aufschüttet, wird ein Becken untergehalten und nach der Taufe das im Becken gesammelte abgefloßene Taufwaßer in die Piscina geschüttet. Hie und da ist unter der Basis des Taufsteines selber eine kleine Cisterne angebracht, die anstatt der Piscina dient. Der Kelch des Taufsteins ist dann so eingerichtet, daß in der Mitte desselben ein verschließbarer Behälter das jährliche Waßerquantum, der Raum ringsum aber noch so groß ist, daß man darüber taufen kann. Da wird alsdann kein Becken untergehalten, sondern das Waßer fließt durch einen im Schaft des Taufsteins angebrachten Canal in die Cisterne unter dem Taufstein. Der Taufstein hat einen, mit einem Schloß versehenen festen Deckel, zu welchem niemand als der Pfarrer den Schlüßel haben darf. Ueber diesem Deckel erhebt sich erst der zur Zierde angebrachte Deckel, welcher auf seiner Höhe in der Regel die Gestalt des Täufers Johannes hat und durch eine Art von umhülltem Flaschenzug während der Handlung in die Höhe gezogen werden kann, so daß er wie eine Krone über dem Taufstein schwebt. Soll der Taufstein eine Hülle haben, so geziemt sich hiezu weiße Seide. Aus dem allen können auch wir lernen. Auch wir wißen keinen beßern Ort für den Taufstein, als den angegebenen, auch wir müßen ihn umgittern, in die angegebene Höhe oder Tiefe stellen, und wenn unser Taufstein auch keinen verschließbaren Deckel bedarf, weil er außerhalb der Taufhandlung kein geweihtes Waßer enthält: so werden wir doch jedem Misbrauch des Taufwaßers am sichersten durch die Piscina oder noch beßer durch die Cisterne unter dem Taufstein zuvorkommen. Auch den Deckel werden wir nicht schöner faßen und zieren können.

§. 28.

 Eine schöne Sitte nicht bloß der römischen, sondern auch der ältern lutherischen Kirche ist das Westerhemd, das Bild der Gerechtigkeit Christi, welche der Täufling durch seine Taufe bekommt. Das Kind wurde nemlich bei unsern Vorfahren ausgekleidet auf den linken Arm des Pfarrers gelegt, der selbst wieder durch ein weißes Tuch gegen das Naßwerden durchs Taufwaßer geschützt war. Mit der rechten Hand faßte der Pfarrer das Gefäß mit dem Taufwaßer und übergoß das Kind. Nach der Taufe nahm der Pathe das Kind vom Arm des Täufers, und der Pfarrer hüllte es in das Westerhemd, welches er ihm mit einem geziemenden Wunsche und Gebete reichte. Das Westerhemd gaben die Pathen oder konnten es wenigstens thun, und man hob es dem Kind zum Zeichen und Andenken seiner Taufe auf.

§. 29.

 Zu den hl. Orten der Christenheit gehört auch das Cömeterium oder Gottesacker. Die älteste Sitte bringt es mit sich, daß der Gottesacker außerhalb der Gemeinden angelegt sei; es ist spätere Sitte, innerhalb der Gemeinde um die Pfarrkirche her die Todten zu begraben. Zwar ist es eine thörichte Furcht, sich vor Verpestung der Luft durch Gottesäcker zu fürchten, die innerhalb der Gemeinden angelegt sind, da man so viele hundert Jahre zu solcher Furcht keinen Grund fand, und umgekehrt ist es ein schöner und lieblicher Gedanke, die Leiber der Christen in Mitte der Lebendigen und um das Heiligtum her ruhen zu laßen: dennoch aber fühlt es sich bald heraus, wie viel schicklicher die Begräbnisstätte außerhalb der Gemeinden angebracht wird. Ein Gotteshaus für den Gottesacker ist etwas ganz anderes, als der Gottesacker um die Pfarrkirche her.

§. 30.
 Der Gottesacker soll umzäunt oder beßer mit einer guten Mauer umgeben sein, die es verträgt, daß man in sie Epitaphien einlaße und an ihr Säulengänge, auch wohl Kapellen anbringe. Der ganze Raum soll mit einem Kreuzgange überlegt sein, der keiner Deutung bedarf. In der Mitte des Kirchhofs von| Osten nach Westen sehend schickt sich ein hohes Kreuz, dem alle Leichname gewissermaßen ins Angesicht sehen; alle die Todten ruhen unter dem Schutze des Gekreuzigten, harren auf ihn und erwarten von ihm ihres Leibes Erlösung. An den Enden des Kreuzgangs schicken sich Ruhebänke, die Traurigen und Müden einzuladen, und wenn über die Pforte etwas gesetzt werden soll, so ist auch hier das Bild des Gekreuzigten das beste. Die Gänge können mit Bäumen bepflanzt sein, so jedoch, daß sie nicht die Gräber beirren, und sie nicht durch die Schaufel des Todtengräbers Schaden leiden. Jedes Grab soll in Gestalt eines niedrigen Altars errichtet werden, sowie jeder Altar die Form des Grabes trägt. Alle Gräber sollen von Westen nach Osten gerichtet sein, die Angesichter aller Schläfer gen Aufgang sehen. Alle Gräber sollen gepflegt sein, mit Rasen ringsum, mit Blumen oben drauf. Jedes Grab soll als Siegeszeichen das Kreuz bekommen, mit dem Namen, Geburts- und Todestag des Entschlafenen auf der einen Seite, dem Leichentext oder einem andern Spruch auf der andern Seite bezeichnet. Ein Gitter ums Grab soll nicht gestattet sein.
§. 31.

 Monumente für die Gräber sind nicht erfordert, aber erlaubt; man muß sich aber hüten, nichts anderes anzubringen als Christliches. Die Unterscheidung ist durch die im vorigen Jahrhundert eingerißene Verwirrung keine leichte Sache. Sehr viele Grabmäler auf unsern Gottesäckern erinnern weit mehr an die traurige Auffaßung des Todes, wie sie bei den Heiden Statt hatte, als an die Offenbarung JEsu Christi vom ewigen Leben. Auf die Grabsteine oder Schlußsteine der Gräber bildete das Altertum die Namenschiffre Christi mit dem α und ω, zur Seite, Offb. 1, 8, einen Anker, Ebr. 6, 19, einen Leuchter, Joh. 8, 12, eine Krone, 2 Tim. 4, 8, eine Palme, Offb. 7, 9, einen Oelzweig, Röm. 11, 17, Weinreben, Joh. 15, 5, einen Fisch – (ιχθύς – Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland), einen Delphin, einen Hirsch, Ps. 42, 2, ein Lamm, eine Taube, einen Phönix, einen Pfau (der Pfau soll unverwesliches Fleisch haben) u. s. w. Was die Abbildungen anlangt, die man auf den Gräbern findet, so liebte das Altertum die Arche Noah, das Opfer Abrahams, die Geschichte des Jonas, Daniel in der Löwengrube, die drei Männer im Feuer, das Bild des guten Hirten, der Auferstehung u. dgl. Bei der Anfertigung von Monumenten ist immer das sicherste, die alte Tradition einzuhalten; man fühlt es auch , wenn man auf den berühmtesten Gottesäckern herumwandelt, wie sehr die Zeit in Unklarheit und Unglauben verloren hat. Die Grabesmonumente predigen laut von der Zeiten Eigenschaft. Es ist wenige, aber doch einige Sicherheit gegeben, daß es beßer werde, wenn sich jedermann merkt, daß kein Monument ohne Einwilligung des Pfarrers gesetzt werden darf.

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§. 32.

 Bereits im 3ten Jahrhundert findet man eine Anordnung des Bischofs zu Rom, daß die Priester die hl. Gewänder nicht zum gewöhnlichen Gebrauche anziehen sollen. Daraus geht hervor, daß man im 3ten Jahrhundert bereits hl. Gewänder hatte und misbrauchte. Auch die apostolischen Constitutionen verordnen, daß der Bischof die hl. Geschäfte in einem besondern und ausgezeichneten Gewande vornehmen soll. Das Altertum ist also keineswegs der Meinung gewesen, daß es keine geistlichen Gewande geben solle, und der einfache Schicklichkeitssinn aller Zeiten wird sich gegen die gewöhnliche Kleidung bei hl. Geschäften wehren. Im Verlauf der Zeit bildete sich eine reiche und allerdings ihrer Idee nach zu den Geschäften des Heiligtums passende Kleidung aus. Die Reformationszeit warf sie mehr oder minder ab, bis durch das Interim hie und da wenigstens teilweise zurückgebracht wurde, was abgethan war. Der Fall des Interims tilgte dann nicht wieder allgemein die hl. Kleidung aus. Erst in der neuen Zeit, mit Ueberhandnahme des Unglaubens und profanen Sinnes in allen Stücken, fielen dann an den meisten Orten die letzten Reste der altkirchlichen Kleidung, und die Herrschaft des schwarzen Kirchenrocks wurde allgemein, was die Farbe betrifft, obwol die Form des Rockes auch in unsern Gegenden noch vor kurzer Zeit so verschieden war, daß bei einer Diöcesanversammlung von zwanzig Pfarrern zwanzig verschiedene Schnitte von Kirchenröcken gesehen werden konnten. Der schwarze Rock des Geistlichen, so wie er jetzt zu sein pflegt, ist entweder die gewöhnliche Kleidung der Männer des 16ten Jahrhunderts oder eine protestantische Uebersetzung des alten Talars oder außeramtlichen Standeskleides der römischen Geistlichkeit. Dieser Rock und oben die 2 Läppchen, von denen im Grunde kein Mensch weiß, was sie sollen und wollen, sammt dem Birret bilden gegenwärtig die Amtskleidung unserer Pfarrer. An dieser Kleidung läßt sich nun allerdings durch den einzelnen Pfarrer nichts ändern, und es ist daher nur vor allen Dingen darauf zu sehen, daß sie selbst so würdig als möglich hergestellt werde, und daß in derselben eine und dieselbe Form wenigstens in einer und derselben Gegend festgehalten werde, damit nicht das Auge derjenigen, die sich am Geringen ärgern, durch die Mannichfaltigkeit beleidigt werde, und der Verstand der Böswilligen den Schluß ziehe, daß man es in der protestantischen Kirche nicht einmal in solchen Dingen zu einer Einigkeit bringe. Sollte man allgemeine Regeln machen, so wäre es freilich eine üble Sache, wenn der Theaterschneider zu Rathe gezogen würde; am Ende aber wird, zur Schmach des Presbyteriums der Protestanten muß man das wol sagen, immer noch ein Theaterschneider noch beßern Rat geben, als die Pfarrer und ihre Weiber, die in der Regel von dem am wenigsten verstehen, was sich für das Haus Gottes schickt. Jedenfalls wird der Talar, wenn er einmal weit sein soll, am besten recht weit sein an Rock und Aermeln, sowie, nach dem abscheulichen Namen, den man hiefür sich angewöhnt hat, der Sattel nicht weiter und tiefer als bis zur Armhöhe des Mannes gehen soll. Auch der Gebrauch des Sammets ist nicht eben sehr praktisch, da er sehr vergänglich und dem Verderben ausgesetzt ist. Rücksichtlich der Läppchen kann man streiten, wie auch schon lange unter den Pfarrersfrauen Streit ist, ob sie lang oder kurz, breit oder schmal, mit einer breiten oder schmalen Unterlage ringsum versehen, steif oder lasch sein sollen. Am Ende überläßt man das auch den Pfarrersfrauen, damit sie doch auch über etwas zu reden haben. Jedenfalls ist die gegenwärtige Pfarrerskleidung keine priesterliche, und wenn im 4ten Jahrhundert n. Chr. die weiße Farbe die allgemeine war, so möchte man, das anlangend, jene Zeit zurückwünschen. Im gewöhnlichen Leben wird die schwarze Farbe, die auf Buße und Abtödung alles Weltlichen hinzeigt, den Vorrang behaupten; am Altar aber, bei der Feier der hl. Sakramente, ziemte sich für den priesterlichen Vertreter des ewigen Hohepriesters und des priesterlichen Volkes eher die Alba, weit und faltenreich von reiner und feiner Leinwand gefertigt, bis zu den Füßen herunterfließend, mit nicht sehr weiten Aermeln und dem Cingulum versehen, welches gleichfalls aus Leinwand bestehen könnte. Die Kleidung der römischen Geistlichen ist folgende :

1. Der Amictus oder das Humerale, seit dem 8ten Jahrhundert gebräuchlich;
2. die Alba oder Camisia, – der spätere weiße Chorrock ist weiter nichts als eine abgekürzte Alba;
3. das Cingulum oder der Gürtel;
4. der Manipulus oder das Sudarium;
5. die Stola oder das Orarium;
6. die Planeta oder Casula;
7. das Pluviale oder die Cappa;
8. das Birret.
|  Der Diaconus der Römischen trägt über der Alba die Dalmatica, ein kurzes Gewand mit kurzen weiten Aermeln und zwei goldenen Troddeln auf dem Rücken, außerdem den Manipulus und die Stola; der Subdiaconus über der Alba die Tunicella, gleichfalls ein weißes Gewand wie die Dalmatica des Diaconus, aber länger und mit engeren Aermeln. Am Arme hat er den Manipulus. Gegenwärtig ist kein Unterschied mehr zwischen Tunicella und Dalmatica. Der Bischof trägt über alle diese Gewande noch die Mitra oder Insula, Handschuhe mit einem Kreuz, über denselben den Ring, in der Hand den Bischofsstab, an den Füßen Schuhe und Sandalien darüber und auf der Brust das Rationale oder Brustkreuz. Der Erzbischof trägt außerdem das Pallium und einen 7–8 Fuß hohen Bischofsstab. Der Pabst trägt bischöfliche Kleidung, ein Kreuz und die dreifache Krone.
§. 33.

 Die höchste Bedeutung für den kirchlichen Dienst hat unter den Werken der Frauen die Weberei und Stickerei, daher nahm die Kirche diese beiden Künste je und je in ihre Pflege. Zuerst bemerken wir, daß für das kirchliche Weißzeug mit Ausschluß jedes andern Stoffs Gewebe von Linnen und Hanf zu nehmen ist, für die übrigen Paramente, die sich nach der liturgischen Farbe richten, Gold, Silber und Seidenstoff; Baumwollenstoffe sollten nicht genommen werden, und der Grund ist, weil die Kirche das Gewöhnliche nicht will. Auch Wolle soll nicht genommen werden, zumal die Kunst verloren gegangen ist, dieselbe gegen den Angriff der Insekten zu schützen. Die Seide empfiehlt sich besonders durch ihre Unzerstörbarkeit. Für die Seidenmanufaktur nimmt man nach der von Bock gegebenen Entwickelung drei Perioden an: die orientalisch-byzantinische, die arabisch-italienische und die germanisch-romanische. Die erste rechnet man bis zu den Zeiten der Hohenstaufen (1152), die zweite bis zu Kaiser Karl IV. (1347), die dritte bis zu Karl V. (1519). In der ersten Periode ist der Orient Monopolist, d. h. Griechen, Araber, Perser, Inder sind allein im Besitze der Kunst, aus der Rohseide kostbare Gewebe zu verfertigen. Die Stoffe dieser Periode sind sehr schwer, dicht gewebt und uni, d. i. ohne Muster; in der Wahl der Farbe herrscht gewöhnlich die gelbe, grüne, rothe und Purpur vor. Kommen in diesen alten Stoffen Dessins vor, so sind es in der Regel mathematische Figuren, Polygonen oder Kreise, die zuweilen zusammenhängende, phantastische Thierbildungen einfaßen (Bestiaire). Seltner erscheinen in diesen Seidengeweben Broschierungen in Goldfäden; sind jedoch Dessins ersichtlich, so sind sie in der Regel eingestickt, nicht eingewirkt.

|  In der zweiten Periode sind die Städte Italiens, Palermo, Lucca, Florenz, Mailand, auf den Höhenpunkt der Seidenmanufaktur gekommen, so daß sie ihre moslimischen Concurrenten und Lehrmeister übertrafen. Die Seidenzeuge werden jetzt nach größerer Entwickelung der Webekunst vielfarbig, obwol auch jetzt noch in der Regel nur drei Farbennuancen hervortreten, nemlich eine dunklere, dominierende Grundfarbe des Fond, eine hellere für die Darstellung des Pflanzenornaments und eine leichte Goldbroschierung für Thierzeichnungen. Das Gewebe selbst wird leichter und zarter, die Zeichnungen beweglicher und schwungvoller und meist werden sie in Gold broschirt. – Im dritten Zeitraum erlischt der Einfluß orientalischer Vorbilder, das Bestiaire verschwindet und ein eigentümliches Pflanzenornament tritt hervor. Was die Textur (Weberei) betrifft, so herrscht das Damastgewebe vor; auch schwere Sammetstoffe mit geschnittenen Dessins machen sich geltend. Diese vielfarbigen, gothisierenden Seidengewebe sind wegen der reichen Broschierung sehr schwer und nicht geeignet, einen fließenden, wellenförmigen Faltenwurf zuzulaßen. Vom 15. Jahrhundert an beginnt das Zeitalter der Renaissance, welches sich auch in der Weberei geltend macht, aber eben so wenig zu Gunsten der Sache als in anderen Künsten. Es macht sich eine Nachahmung heidnischer Formen breit, welche nicht auf Verständnis weder der alten noch der neuen Zeit beruht, daher die Seidengewebe dieser Zeit für kirchlichen Zweck geist- und phantasielos, regellos und schwülstig erscheinen.

 In den neuesten Zeiten ist vollends aller Verstand verloren gegangen, so daß man sogar gedruckte Zeuge gebrauchte; daher nichts übrig bleibt als umzukehren und von der Vorzeit zu lernen.

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§. 34.

 Die Stikerei oder Nadelmalerei oder, wie sie auch in der alten Zeit hieß, die phrygische Arbeit war wie die Seidenweberei zuerst im Besiz der Muselmänner. Als jedoch das Christentum die europäischen Völker je mehr und mehr durchdrang, wurde die Stikerei auch Ehrensache der christlichen Frauen und Jungfrauen und blieb es auch eine lange Zeit. In dem Maße, als sie hernach nicht mehr für das Heiligtum angewandt wurde, verschwand die Kunst oder verflachte sich wenigstens. Im Mittelalter wurden die meisten und herlichsten Stikereien auf seidenen Stoffen ausgeführt. Unter die Seide breitete man als Unterlage meist eine doppelte und nicht zu stark geleimte Leinwand und stikte nur mit guter, dauerhafter und farbehaltiger Seide oder ächten Goldfäden.[2] Zu Teppichen und ausgedehnteren nicht unmittelbar zum heiligen Dienste gehörigen Stikereien benüzte man Stramin und Wolle. Auch das zur kirchlichen Wäsche verwendete Linnen wurde mit Stikereien verziert. Der gebräuchlichste Stich bei diesen Arbeiten des Mittelalters war der regelmäßige oder unregelmäßige, gröbere oder feinere Plattstich; andere Arten waren der Tambouret-, Stiel-, Perlstich u. s. f., über deren Anwendung der Präfekt des bischöflichen Klerikalseminars in Regensburg Jakob in seinem vortrefflichen Buche „die Kunst im Dienste der Kirche“ die Frauen ohne mehreres auf die ihnen bekannte römisch-kathol. Zeitschrift „Kirchenschmuk“ verweist.

§. 35.

 Ehe wir dies Dictat beschließen, sei es erlaubt, noch einzelne sachdienliche Bemerkungen unter besondern Nummern vorzutragen:

|  1) Die Einfaßungen der Altartücher waren in der besten Zeit nur schmal, gewirkt oder auch gestikt, meist ein Laubornament mit einfacher Beregung oder mit einzelnen Medaillons und Brustbildern Christi, Mariens oder anderer heiligen Menschen geschmükt. Obwol man den Gebrauch der Spizen für die Kirche nicht sehr befürworten kann, so ist doch leinenes, von mäßiger Breite und mit kirchlichen Ornamenten gefertigtes Spizenwerk nicht zu tadeln. Das Corporale wurde in der römischen Kirche vom 11. Jahrhundert an kleiner, so daß es jetzt nur 2' lang und breit zu sein pflegt; die Ursache lag in der Kelchentziehung. Da bei uns die ganze Gemeine nach der Einsezung des HErrn am Sakrament Teil nimmt, so muß es die alte Größe haben, d. h. gerade so groß sein als die Tafel des Altars. Es darf auf demselben kein anderer Stoff eingewoben oder eingestikt sein, höchstens an der Vorderseite mit gleichem Stoff ein Kreuz. Zur Palla nimmt man unverzierte, aber doppelte Leinwand. Das Velum soll nach den kirchlichen Bestimmungen von Seide sein und wird bei uns nicht blos 21/2 Spanne lang sein dürfen, weil es mehr zu verhüllen hat als bei den Römischen.

 2) Auch wenn ein Altar Täfelung zum Antipendium hatte von Holz, Erz, Gold oder Silber, pflegte er doch für die gewöhnlichen Tage gewebte oder gestikte Vorhänge oder Antipendien zu haben und waren diese Antipendien nicht steif und bretterähnlich, sondern umgaben die Altäre in einem natürlichen Faltenwurf in Weise von Drapperien; auf die Stikereien des Altars wurde der gröste Fleiß gewendet.

 3) Die Teppiche sind teils Fußteppiche teils Wandteppiche. Für Fußteppiche hat man zu merken, daß keine heiligen Gegenstände eingestikt werden dürfen, damit man nicht auf dem Heiligen herumtrete; es werden sogar den Blumen geometrische Figuren vorgezogen. Für Wandteppiche muß wie für alle heiligen Bilder eine Zeichnung zu Grunde gelegt werden, welche der Künstler im Einverständnis mit dem Priester gemacht hat; übrigens gilt für die Wandteppiche ganz dasselbe wie für die Wandmalerei, daß nemlich die Entwikelungsgeschichte des Reiches Gottes vorgestellt werden soll.

 4) Es wäre gut, wenn nach dem Gottesdienste der Altar mit seinen Büchern mit eigenen Deken verhüllt würde. Man nennt diese Deken Vespertücher, sie können von Leinwand, Seide oder Halbseide und mit kirchlichem Schmuke versehen sein.

 5) Die Kirchenwäsche soll nur ganz troken in den Laden und Kästen aufbewahrt und eine gewisse Quantität von getrokneten Rosenblättern, Lavendel, Kampher, Cardobenedikten etc. dazu gelegt werden, teils um der größern Reinlichkeit und Eleganz willen, teils um Motten abzuhalten.

 6) Teppiche soll man vor dem Aufbewahren erst von Wachs und Staub reinigen.

 7) Seltner gebrauchte Paramente sollen jährlich etwa dreimal nicht in die Sonne, aber in die Luft gehängt werden.





  1. Ebenso in andern Anweisungen der röm. Kirche. Wer es beßer weiß, mache es beßer; sonst nimmt man guten Rath an, wo Erfahrung ist.
  2. Wer nach Mailand kommt, der überzeuge sich durch Besichtigung der in der Sakristei des Domes aufbewahrten Antipendien, wie viel durch Stikerei oder Nadelmalerei geleistet werden kann.