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Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. Auszug aus: Korrespondenzblatt der Diakonissen von Neuendettelsau Juli 1860

 1) Die Einfaßungen der Altartücher waren in der besten Zeit nur schmal, gewirkt oder auch gestikt, meist ein Laubornament mit einfacher Beregung oder mit einzelnen Medaillons und Brustbildern Christi, Mariens oder anderer heiligen Menschen geschmükt. Obwol man den Gebrauch der Spizen für die Kirche nicht sehr befürworten kann, so ist doch leinenes, von mäßiger Breite und mit kirchlichen Ornamenten gefertigtes Spizenwerk nicht zu tadeln. Das Corporale wurde in der römischen Kirche vom 11. Jahrhundert an kleiner, so daß es jetzt nur 2' lang und breit zu sein pflegt; die Ursache lag in der Kelchentziehung. Da bei uns die ganze Gemeine nach der Einsezung des HErrn am Sakrament Teil nimmt, so muß es die alte Größe haben, d. h. gerade so groß sein als die Tafel des Altars. Es darf auf demselben kein anderer Stoff eingewoben oder eingestikt sein, höchstens an der Vorderseite mit gleichem Stoff ein Kreuz. Zur Palla nimmt man unverzierte, aber doppelte Leinwand. Das Velum soll nach den kirchlichen Bestimmungen von Seide sein und wird bei uns nicht blos 21/2 Spanne lang sein dürfen, weil es mehr zu verhüllen hat als bei den Römischen.

 2) Auch wenn ein Altar Täfelung zum Antipendium hatte von Holz, Erz, Gold oder Silber, pflegte er doch für die gewöhnlichen Tage gewebte oder gestikte Vorhänge oder Antipendien zu haben und waren diese Antipendien nicht steif und bretterähnlich, sondern umgaben die Altäre in einem natürlichen Faltenwurf in Weise von Drapperien; auf die Stikereien des Altars wurde der gröste Fleiß gewendet.

 3) Die Teppiche sind teils Fußteppiche teils Wandteppiche. Für Fußteppiche hat man zu merken, daß keine heiligen Gegenstände eingestikt werden dürfen, damit man nicht auf dem Heiligen herumtrete; es werden sogar den Blumen geometrische Figuren vorgezogen. Für Wandteppiche muß wie für alle heiligen Bilder eine Zeichnung zu Grunde gelegt werden, welche der Künstler im Einverständnis mit dem Priester gemacht hat; übrigens gilt für die Wandteppiche ganz dasselbe wie für die Wandmalerei, daß nemlich die Entwikelungsgeschichte des Reiches Gottes vorgestellt werden soll.

 4) Es wäre gut, wenn nach dem Gottesdienste der Altar mit seinen Büchern mit eigenen Deken verhüllt würde. Man nennt diese Deken Vespertücher, sie können von Leinwand, Seide oder Halbseide und mit kirchlichem Schmuke versehen sein.

 5) Die Kirchenwäsche soll nur ganz troken in den Laden und Kästen aufbewahrt und eine gewisse Quantität von getrokneten Rosenblättern, Lavendel, Kampher, Cardobenedikten etc. dazu gelegt werden, teils um der größern Reinlichkeit und Eleganz willen, teils um Motten abzuhalten.

 6) Teppiche soll man vor dem Aufbewahren erst von Wachs und Staub reinigen.

 7) Seltner gebrauchte Paramente sollen jährlich etwa dreimal nicht in die Sonne, aber in die Luft gehängt werden.




Tractate für die Seelsorge.
Von Wilhelm Löhe.

 Man hat neuerdings öfters die Frage aufgeworfen: ob nicht die Zeit für religiöse Tractate vorüber sei. Die Frage hüllt nicht bloß einen Zweifel, sondern die Neigung ein, zu glauben, die Zeit sei wirklich vorüber. Zweifel aber und Neigung, das zu glauben, finden ihren Grund in der Vergleichung der Gegenwart mit der Vergangenheit, des gegenwärtigen Tractatenvertriebs mit dem in früherer Zeit. Es ist auch gar keine Frage, daß es mit der Tractatenverbreitung vor ein paar Jahrzehenten eine andere Sache war, als jezt. Nicht bloß streute man damals die Tractate in Haufen aus, dem lieben Gott vertrauend, daß er sie von den rechten Leuten schon werde finden laßen; sondern es wurden auch wirklich mehr Tractate gelesen. Es war damals nach einer Zeit des Unglaubens und der Lauheit durch Gottes Barmherzigkeit eine günstige Wendung eingetreten; wenn auch keine Sturmflut der Gnaden, so war doch über unser Vaterland eine Wolke der Barmherzigkeit gekommen, die hie und da milden Regen gab; es ereigneten sich an vielen Orten Erwekungen und neues Leben. Um dieses neue Leben recht vielen Menschen mitzuteilen, schrieb man Tractate, die daher auch sämmtlich oder doch dem bei weitem grösten Teile nach nur für Anfangszustände des geistlichen Lebens anwendbar sind und bleiben. Da nun diese Zeit der Erwekung allmählig vorübergieng, so ist es kein Wunder wenn die Tractate, welche damals entstanden, allmählig den Eindruck verloren, den sie zuerst gemacht hatten, und weniger gesucht wurden. Es ist auch gar nicht nötig, darüber sehr zu trauern. Wer kann es auch leugnen, daß dazumal ein Haufe Tractate dienlich sein konnte, der seiner Form nach bald vergeßen sein durfte. Was damit geschehen sollte, ist geschehen; dafür bleibt doch immer Gott zu danken; auch hat sich ja doch aus dem großen Haufen der Tractate eine Anzal durch Form und Inhalt so sehr empfohlen, daß ihnen vielleicht für lange noch Leben und Wirksamkeit gesichert ist. Wenn aber auch alle Tractate, welche die Zeit gebracht hat, von ihr wieder zu Grabe getragen würden, so wird man doch behaupten dürfen, daß zu jeder Zeit Tractate dem Reiche Gottes dienen können, wenn sie in rechter Weise dem Bedürfnis der Zeit dienen. Die Kinder der Finsternis, die in ihrem Geschlecht klüger zu sein pflegen, als die Kinder des Lichtes, wißen das wol. Wir haben es erlebt, was in den lezten Jahren Napoleonische Tractate auszurichten vermochten. Würden auch wir auf gleiche Weise jederzeit den Punkt treffen, für welchen die Menschen empfänglich sind, so würden unsere Tractate Anklang und Wirkung genug finden. Werden auch religiöse Schriften niemals die Massen ergreifen, weil die Religion keine Sache der Massen ist, so werden sie doch in ihrem Maße ohne Zweifel nüzen und durch sie mancher suchenden Seele vortreffliche Dienste geleistet werden. Es liegt hierin Ermunterung genug für diejenigen, welche Lust zur Verbreitung von Tractaten haben.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Wilhelm Löhe’s Tractate für die Seelsorge. Auszug aus: Korrespondenzblatt der Diakonissen von Neuendettelsau Juli 1860. Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1860, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Correspondenzblatt_der_Diaconissen_von_Neuendettelsau_Bd03_1860.pdf/28&oldid=- (Version vom 27.8.2016)