Topographia Sueviae: Nördlingen

Topographia Germaniae
Nördlingen
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643, S. 140–143.
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Nördlingen.

Diese ReichsStatt / so eine auß den Deputirten Stätten ist / wie Limnaeus saget / ligt fast in der Mitte deß vntern Rhaetiae, jetzt das Rieß genandt. Wirdt von den Landleuthen Nörgline geheissen. Vnd vermeynt man / Tiberius Nero habe an diesem Ort / als er vnter dem Käyser Augusto / wider die Vindelicier / Krieg geführet / sein Läger geschlagen / darauß folgends eine Statt / vnd solche / nach seinem Nahmen / Anfangs Nerolingen genandt worden. Theils wollen zwar / daß diese Statt von dem nahgelegenen Norico, oder Nordgöw / oder auch dem Nordwind / den Namen habe. Man soll sie auch etwan Aras Flavias, oder Flavianas, geheissen haben / nach dem Käyser Flavius Vespasianus vmbs Jahr Christi 72. allda geheiligte Altär auffgericht. Sie ist aber vorhin in der Höhe gestanden / nämlich / an dem Orth / wo die Protestirende in An. 1546. jhr Läger gehabt haben. Folgends aber ist sie herab an das Wasser / die Eger / wegen mehrer Bequemlichkeit gesetzt worden: Dieweil sie An. 1238. mit allen Briefflichen Instrumenten / biß auf 16. Häuser verbronnen / hat Sie Keyser Fridericus II. wider erbawet / vnnd mit newen Freyheiten begabet. Käyser Ludovicus IV. aber Anno 1327. erweitert / vnd mit Zwingern / vnd newen Mawren gezieret. Ligt in der Runde / in einem ebenen weiten Land. Hat weit vnd liechte Gassen / vnd ist mit Bollwercken / auff alte Manier / starcken Thürnen / vnd Pasteyen / verwahret; deren innere Vmbkreyß 3100. der äussere 9395. Schritt haben solle. Die Mawren seyn hoch. Die Gräben gefüttert / so an etlichen Orten Wasser haben / an etlichen aber trucken seyn / in welchen etliche Hirsch zur Lust vor diesem vnterhalten worden. Es hat auch feine Häuser allda / aber die meysten seyn von Holtz erbawet. Vnter den gemeinen Gebäwen ist sonderlich die PfarrKirch zu S. Georgen vnd Maria Magdalena / zu sehen / so auff 22. Pfeiler gesetzt / An. Christi 1427. erbawet / An. 1495. gewölbet worden. Dessen Thurn von Quadersteinen gar hoch erbawet: vnnd daher derselbe vnter die höchste Thürn in Teutschland gezehlet wird. Der erste Stein darzu ward Anno 1474. gelegt. Vnd in dieser Kirch wird alle Tag Evangelisch gepredigt; wie auch am Sontag in dem weyland Carmeliten Kloster; in welchem jetzt auch die Leichpredigten gehalten werden. Dann fast die gantze Burgerschafft allda der Augspurgischen Confession zugethan. Vnd ist die Reformation allhie schon An. 1524. angangen. Es hat ausserhalb der Statt auch eine Kirch / zu S. Emeran / oder die Berg- vnnd Grabkirchen genant / so An. 1634. in Zeit der Belägerung zerstört / vnnd verbrannt / die Leichstein zerschlagen / die Kirchhoffmawren eyngerissen worden / in welcher man die Leichpredigten vorhin gehalten hat. So hat es ingleichem da ein feine Lateinische Schul / vnd einen reichen Spital / darinn auch eine Kirch

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[141] zum H. Geist ist. Item / ein wolgebawtes Rahthauß / Zeug-Kauffhauß // vnd Trinckstuben; vnd fünff Thor. Vnd ist vor diesem Krieg ein zimlich Gewerb / sonderlich mit Tüchern / vnd bereyteten Häuten / da getrieben / vnd jährlich ein stattliche Meß / vierzehen Tag nach Pfingsten / gehalten / allerhand / auch köstliche Wahren / dahin gebracht / vnd von den Kauffleuten / auff die viertzig Meil Wegs her / besucht worden: So gleichwol / nach Gelegenheit jetziger Zeiten / noch beschicht; vnnd die Herren Grafen von Oettingen die Zu- vnd Abreysende begleyten lassen / vnd mit Geleytszetteln versehen.

Es stehet in der Augspurgischen Chronick part. 2. fol. 268. Nördlingen sey vor Alters der berühmbtesten Gewerbstätt eine in Teutschland gewesen / allda auch ein Meß-Pfäfflein den faulen Leuthen die letzte Meß deß Tags / als nämblich / vmb den Mittag zu halten gepflegt / die man Gespöttsweise / die schläfferige Meß geheissen habe. So hat es vmb die Statt herumb einen fruchtbaren Boden / herrliche Weyde; sonderlich aber wirdt die Käyserswiesen / insgemein Keyrwiesen / gegen Mitternacht gelegen / gelobt: Auff welcher sich die Burger an Sontägen mit Schiessen zu üben pflegen. Es ist diese Statt vor der Zeit ein Weil vnter dem Bischthumb Eichstatt gewesen / vnd folgends vnter desselben dreyzehendem Bischoff /der An. 1019. gestorben / durch einen Tausch an das Regenspurgische Bißthumb / von diesem aber / wegen eines Verbrechen / widerumb an das Reich kommen. Vnd ist jetzt jhr Monatlicher einfacher Reichs Anschlag zweyhundert vnnd sechtzig Gülden / auch jährlich zu Vnterhaltung deß CammerGerichts / dem alten Anschlag nach 162. Gulden / 32. Kreutzer / den Thaler zu 69. Kr. gerechnet / zuerstatten. D. Beckers hat nach dem erhöchten Anschlag / 270. Gulden / wirdt von fünffzehen Rathsherren / zwölff Richtern / vnd drey Bürgermeistern regirt. Es ist allhie vil fürgangen / vnnd hat auch dieser Orth viel erlitten.

Anno 1384. oder 83. seyn bey die zweyhundert Juden / beyder Geschlecht / von den Nördlingern vmbgebracht worden. Die Grafen von Oettingen haben schon zu deß Käysers Sigismundi Zeiten sie angefochten / daß diese Statt in jhrem Gebiet gelegen wäre; daher Anno 1440. vnnd 42. derselben nachgestellt worden. An. 1485. belägerte sie Hertzog Georg auß Bäyern / dessen Hoffhaltung zu München / weiln einer seiner Befreunden vor diesem / vnter dem Reinlingerthor / zu Nördlingen erstochen worden / vnd selbiger Zeit ein Zwytracht zwischen den Fürsten vnd Stätten war; aber er richtete damit nichts auß: Ja es wurde jhme auß der Statt Proviand / daran er Mangel hatte / ins Läger geschickt; vnd luden die Fürnembste von beyden Partheyen einander zu Gast / vnd ward das Versprechen beyderseits ehrlich gehalten / vnnd endlich / durch Vermittelung deß Bischoffs zu Aichstätt / die Sach verglichen / vnd die Belägerung auffgehoben. In dem obgedachten Protestirenden / oder Schmalkaldischen Krieg / hat sie biß in die zweyhundert tausend Gülden Schadens genommen / vnnd seyn solches Kriegs halber / von Bürgern / vnd andern / biß in die viertausend Personen / durch Mord / Schrecken / Kälte / Hunger / vnd Kummer / auch vergifft Jammer vnd Hertzleyd / Tods verfallen.

An. 1614. war Differentz zwischen dieser Statt / vnd den Grafen von Oettingen Wallerstein / (welcher Marckt / vnnd Schloß / oberhalb der Statt bey einer guten halben Stund / auff einem Hügel gelegen / vnd der Zeit H. Martin Frantzen / Graffen zu Oettingen / Keyser- auch Churfürstl. Bäyrischen Cämmerer / etc. gehörig ist / ) wegen deß Vogelfangs / vnd Wachtelstellens / innerhalb der gesetzten Creutz / vnd der Statt Flur / darüber Graf Marx Wilhelm von Oettingen erschossen worden.

Anno 1634. ward diese Statt vom König Ferdinando III. in Vngarn / vnd Böheim / (jetziger Keyserl. Mayestät) den 7. Augusti belägert / da dann darbey den 26. vnd 27. diß / die berühmbte Schlacht / in welcher die Schwedische auffs Haupt geschlagen worden / fürgangen: Darauff sich dann auch die Nördlinger / den folgenden 28. auff Gnad vnd Vngnad / ergeben / vnd Perdon erlangt haben; vnd bey jhrem Relgions Exercitio, vnd andern Stättischen Freyheiten seyn gelassen worden. Es seyn damaln in der Statt [142] etliche Häuser / vnd Gebäw / von starckem Schiessen gantz zu Hauffen gefallen. Den 10. Sontag Trinitatis, war ein arme Weibsperson in der Frühpredigt / vnd hat communicirt. Da sie nach Hauß gehen wollen / ward jhr vrplötzlich von einer Kugel / der Kopff abgeschossen. Die Hund lieffen zu / vnd leckten das warme Hirn auff. Es wurde auch das Wasser abgestochen / die Mahlmühlen verderbt / die Mawren zerschossen / die Pasteyen zerlöchert / die Thürn nidergefällt / die Gärten verderbt / die Bäum vmbgehawen. Munsterus in Cosmograph. Reusnerus de Urbib. Imp. G. Bruschius de Episcop. Germaniae, P. Bertius libr. 3. rerum German. Limnaeus de Jure publ. lib. 7. c. 35. Crusius in Annalib. Suevic. passim, Schadaeus in Sleidano continuatio. part. 4. lib. 3. fol. 233. & Relationes: Item, Jacobi Herrnschmids Hierosolyma Nordlingensis, & Repertorium Nordlingense.

Von deß Carmeliten Closters allhie Vrsprung / kan Carolus Stengel. part. 2. Rerum August. cap. 55. pag. 224. gelesen werden / der / daß es deß HerrGotts Closter genant werde / sagt. Von der Schlacht bey diser Statt / An. 1634. gehalten / schreibet Georgius Engelsüß / in seinem Weymarischen Feldzug / vnder anderm / p. 36. also: Den 27. Augusti Anno 1634. war das Treffen vor Nördlingen / vnnd blieben in einer Schantz / so die Käyserischen vndergarben / vnnd die Schwedischen erobert / durch das Sprengen / in die tausent Schwedischen. In zwölfftausent Mann / darunder vier tausendt von dem Würtembergischen Außschuß / seynd / auf Schwedischer Seiten / in diser Schlacht geblieben / vnd sechstausendt gefangen worden / darunder auch der zu den Schweden vbergangene Feldmarschall Cratz / mit vielen Obersten / gewesen: Vnder den Erschlagenen aber ein junger Marggraff von Brandenburg / Anspach; ein Herr von Zerotin / vnd andere vornehme Herren. Es wurden jhnen 80. grosse Stücke / 4000. Wägen / 10. tausendt Pferde / 300. Cornetten / vnd Fahnen / abgenommen: auff Käyserlicher Seiten aber / sollen nicht 1200. geblieben seyn; Vnd so viel sagt diser. Andere melden; daß der Schwedischen in 3. oder 4. tausendt Mann geblieben / viel / vnd darunder der FeldMarschall Horn / Graf Cratz / General Major Roßstein / General Major Schaffelitzky / vnd andere 14. Obristen / gefangen worden. Vnder den Erschlagenen war auch ein Freyherr von Rottal. Es wurden bekommen viel Stücke / 10. tausendt Pferdt / viertausendt Wägen / 300. Fähnlin. Vnd dann schreibt der Italianische Graf Bisaccioni / in seinen Historien / daß in dieser Schlacht / die Käyserischen 70. Stück Geschütz / 130. Fahnen / vnd Cornetten / allen Plunder / vnnd Munition / bekommen: nach der vnpassionirten Rechnung / weren der Protestirenden mehr als 6000. Fußvolck gebliben / vnd sehr vil gefangen worden. Bey diser Schlacht hat sich auch deß Königs in /Spanien Bruder / Herr Ferdinandus, Cardinal / vnd Ertzbischof zu Toledo / etc. befunden / welcher zu Lande / von Madrid / nach Barcellona / ferners zu Wasser auff Genua; von dar aber wieder zu Lande / nach Meyland / Veltlin / Bormio / vnd vber das Gebürg S. Mariae / nach Blurens / in Tyrol; hernach auff Meran / Potzen / Brixen / Insprugg / Rotenberg; weiters in Bäyern / auff Mönchen / Thonauwerth / vnnd Nördlingen / gereyset ist. Nach der Schlacht / vnd erhaltenenen Sieg / hat er von dannen / seinen Weg auff Giengen / Heydenheim / Tuntzdorff / Göppingen / Eßlingen / Stuttgart / Marbach / Müdoch / Aschaffenburg / Vssing in der Graffschafft Nassaw / Dietz / Walmerod / Bonn / Cöln / Gülch / Heynßberg / vnd Löven genommen / vnd ist den 4. Novembr. auff Brüssel kommen / wie im Newen Meterano lib. 52. stehet. Anno 1645. nach der Allerheimischen Schlacht / hat die die Statt Nördlingen / den 8. Augusti / Newen Calenders accordirt / aber kein Frantzösisches Volck einnehmen dörffen; weil es den Frantzosen an Fußvolck gemangelt hat. Es ward erstlich vom Hertzog von Anguien / (jetzt von Condè genandt) der Statt die Neutralität angebotten; da aber die Bäyerischen hinauß geschossen / ward die Statt hierauff belagert / beschossen / vnd endlich derselben ein Accord geben. Nach der Frantzosen Abzug / besetzten die Bäyrischen Nördlingen wider: Aber An. 46 den 27. Aug. Alten Calenders / kamen die Schwedischen / [143] vnd legten ein Regiment zu Fuß / vnd 2. Rotten Tragoner / vnder dem H. Obristen von Bilau / hinein; zu welchem hernach noch mehr Völcker kommen seyn. An. 1647. ward die Statt von den Chur-Bäyr. blocquirt / hernach von den Reichsvölckern / so vor Memmingen gelegen / belagert / vnnd mit Granaten / vnd Fewerkugeln / grosser Schaden gethan / vnd sehr viel Häuser abgebrandt / folgends / vor den Weyhenacht Feyertagen / die Belägerung / in eine Vmbsinglung verwandelt. Damit aber der Leser einen mehrern Bericht hievon haben möge / so hat man denselben / wie er auß Nördlingen selbsten schrifftlich gethan / auch zum theil daselbsten in gedachtem 47. Jahr gedruckt worden / hieher setzen wollen / vnd also lautet: Es ist die Statt Nördlingen An. 1647. in die 17. Wochen blocquirt gehalten / jhnen die gantze Herd Schwein / fast bey 500. Stuck Viehe hinweg getrieben / die nächste ausser der Statt ligende Mühlen theils verbrannt / Theils sonst verderbt worden: Darauff den 10. 20. Decemb. sich bey 1500. Reutter / hinder dem Galgen- oder Henckelsberg praesentirt / zu welchen / gegen Abend / so viel Fußvolck / gestossen mit etlich 100. Wägen / vnd 16. Fewer Mörsern; darauß sie den 11. 21. diß / früh nach 6. Vhren / new erfundene Fewerballen / vnd Granaten / ohne vorhergehende Aufforderung / einzuwerffen angefangen / vnnd solches den gantzen Tag / vnd Nacht / ohn einig Auffhören / biß auff 8. Vhr folgenden Sontags / als den 12. 22. diß / continuirt. Nach solcher Zeit / ist es eine Stund lang still worden / vnd ein Bäyrischer Trompeter / mit etlich wenig Gefangenen / in die Statt kommen / vnnd der Seinigen so viel dargegen außzuwechßlen begehrt. Inzwischen fiengen die Granaten / vnd Fewerballen / herein zu fliegen / wider an / biß gegen Mittag / da wider bey 2. Stunden ingehalten wurde / doch darauff abermal fortgefahren / biß auffn Abend / gegen sieben Vhr / aber nicht so starck als den Tag / vnd Nacht vorher. Vnnd seyn diese Zeit vber / mehr als 500. Granaten / vnd Fewerballen / so in 60. auch 140. Pfundt gewogen / hinein geworffen worden / dardurch innerhalb 24. Stunden / 141. Gebäw / an Städeln / vnd Wohnhäusern / in die Aschen gelegt / 65. von den Granaten vbel zerrissen / vnd zerschmettert / vnderschiedliche Personen gefährlich gequetscht / vnd 5. gar erschlagen worden; seynd auch / ohne den Haußrath / vnd vnsäglich Gut / vber die zweytausendt Malter Früchten / 282. Fuder Hew / vnd vber 20. Stuck Viehe / im Fewer verdorben. Kein Schuß ist sonsten geschehen. Sie sollen auch keine Stuck / ausser etlich kleine Regiment-Stücklein / wider einen Einfall / bey sich gehabt haben. In gemeldter schröcklichen Fewersbrunst / ist / vnder anderm / die Haupt-Pfarrkirchen / neben dem schönen Thurn / in vberauß grosser Gefahr gestanden / gleichwol ohne Schaden abgangen / ausser / daß ein Granat das Gewölb / vnnd ein andere den Deckel ob dem Tauffstein / durch- vnd hinweg geschlagen. Die letzte Granat / so den 12. 22. Decemb. gegen Abend hinein geworffen worden / hat an der vordern Brustmawr deß Rahthauses / eben an der Seiten / da die Histori der Bekehrung Sauli gemahlt / vnd die Wort / Saule, Saule, quid me persequeris? mit guldenen Buchstaben verzeichnet zu befinden / angefahren / zuruck geprellt / vnd 2. Personen hart verletzt / einer gar die Schenckel hinweg geschlagen / vnd also zugericht / daß sie seithero auch gestorben. Auff dieses seyn sie wider in jhre alte Quartier gezogen / die Statt weiter zu blocquiren / etc. Vnd so viel hievon / vnd selbiger Zeit.