Sponsel Grünes Gewölbe Band 3/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den 3. Band des Tafelwerkes – Galanteriewaren

Zierschalen aus farbigen Halbedelsteinen Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 3 (1929) von Jean Louis Sponsel
Galanteriewaren und Nippesgegenstände
Kabinettstücke
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GALANTERIEWAREN UND NIPPESGEGENSTÄNDE

An das Zeitalter der Galanterie unter Ludwig XIV. von Frankreich erinnert die zusammenfassende Benennung einer Gruppe von kleinen Gebrauchsgegenständen für Herren und Damen, die sowohl zur Ausstattung der Tracht und persönlichen Verwendung bestimmt waren, wie Degen und Stöcke, Tabatieren, Notizbücher, Brieftaschen, Taschenuhren samt Ketten und Berlocken, Geldbörsen, Büchsen und Riechfläschchen, Fächer und anderes mehr, die daneben zugleich auch als Ziergegenstände aufgehoben und in Vitrinen oder auf Schränkchen gesammelt wurden, wie Nezessaires, d. i. Kästchen mit Toilettegerät und Nähzeug, Dosen, Schreibgerät, Stutzuhren und Nippesfigürchen. Nicht nur Gold und Silber, Edelsteine und Perlen, samt Email, sondern auch alle anderen kostbaren oder durch ihre Bearbeitung kostbar gemachten Stoffe, wie Elfenbein, Bernstein, Schildkrot, Bergkristall und farbige Steinsorten wurden hierzu verwendet. Besonders aber wandten sich die Goldschmiede mit allen ihren Nebengewerben mit Eifer diesem Gebiet der Mode zu und fanden darin ein Feld, auf dem sie in Erfindung und Ausführung zu einer neuen und vielfältigen Blüte ihres Kunsthandwerks gelangten. Sie fanden hier reichen Ersatz zu ihrer Betätigung für das ihnen durch den Wandel des Zeitgeschmacks verlorengegangene Gebiet der Kleinodien und Anhänger und anderer Schmuckstücke, in deren Verzierung sie früher ebenso die vielseitigsten Techniken entwickelt hatten. Dafür war im 17. Jahrhundert die Mode des Edelsteinschmucks, besonders der Diamanten, die durch reicheren Facettenschliff bis zu 32 Flächen lebhaftes Feuer erhielten, aufgekommen, die ausschließlich den Juwelier in Anspruch nahm, der zumeist die Steine in pflanzlichen oder Schleifenmustern nebeneinander zu pflastern hatte, um der Prunksucht Genüge zu leisten. Jetzt fand in diesen Galanteriewaren neben dem Juwelier der Graveur und der Ziseleur, sowie der Emailleur wieder die [105] Möglichkeit, sich in seiner Kunstfertigkeit zu entfalten und er eroberte sich daneben dazu ein weiteres Gebiet, indem er Ziergegenstände aller Art anfertigte, die keinem bestimmten Gebrauchszweck zu dienen hatten, die, mit figürlichen Darstellungen verbunden, lediglich als kleine Kostbarkeiten das Interesse und Wohlgefallen fesseln sollten, sei es, daß sie in Schränkchen aufbewahrt und gelegentlich zur Betrachtung hervorgenommen oder daß sie dauernd sichtbar aufgestellt wurden. Während im 16. Jahrhundert Kleinodien und Anhänger als Verehrungen und Angebinde bevorzugt wurden, traten jetzt solche Nippesgegenstände zugleich mit den Galanteriewaren an deren Stelle und die Empfänger verwahrten solche Stücke in eigens dazu hergestellten Zierschränkchen. Die Anfänge für die Aufstellung solcher kleiner Zierstücke ohne Gebrauchszweck lassen sich zurück bis in das 16. Jahrhundert verfolgen. So entnahm am 18. März 1587 Kf. Christian I. der Rentkammer sieben Erzstufen für seine Gattin Sophie, um sie in dem Gemach vor der Schlafkammer „in die neuen Schränkchen, darinnen allerlei geheime und seltsame Sachen verwahrt wurden, zu verehren“. Die große Zeit für diese Liebhaberei wurde aber erst das 18. Jahrhundert.

Wenn wir die Juwelengarnituren, die August der Starke für sich hat herstellen lassen, zu denen allerdings auch Degen, Hirschfänger, Stöcke, Dosen, Taschenuhren, Notizbücher gehörten, außer Betracht lassen, so finden wir die Gruppe der Galanteriewaren, an denen die Juwelenarbeit nicht in erster Linie den Eindruck bestimmt, nicht allzu reichlich im Grünen Gewölbe vertreten. Ungleich reicher und mannigfacher ist hier die Gruppe der Nippesfigürchen vorhanden. Doch war der Bedarf des Fürsten an jenen Stücken keineswegs geringer, als an diesen, wie wir aus dessen Schatullen-Rechnungen im Hauptstaatsarchiv ersehen können. Die Nippesfigürchen sind nur deshalb im Grünen Gewölbe zahlreicher vertreten, weil sie von vornherein für dieses hergestellt und erworben wurden, während die vielen Galanteriewaren zumeist zu Geschenken oder zu Preisen und Lotteriegewinsten bei den Hoffesten bestimmt waren, darunter besonders viele in Polen.

Die hohe in allen Techniken bewährte Kunstfertigkeit, die wir an den im Grünen Gewölbe vorhandenen Galanteriewaren erkennen, war also ein Erbstück der Renaissanceperiode. Das ist für die Werke deutschen Ursprungs um so erstaunlicher und bewundernswerter, als durch den Dreißigjährigen Krieg und die dadurch herbeigeführte Verelendung Deutschlands die Werkstattüberlieferung [106] zumeist unterbrochen war. War doch, um nur eins hervorzuheben, durch die verheerende lange Kriegsdauer die Einwohnerzahl Deutschlands von zwölf Millionen auf vier Millionen zurückgegangen. In den Ländern der Feinde Deutschlands lagen die Verhältnisse ungleich günstiger. Es ist eines der besten Zeugnisse für die Begabung, die Lebenskraft und Elastizität des deutschen Volkstums, daß von ihm schon wenige Jahrzehnte nach einer beispiellosen Verheerung die frühere Kulturhöhe wieder errungen wurde, mögen die noch vorhandenen Zeugnisse der Kunst der Vergangenheit zur Nacheiferung veranlaßt haben, oder mögen die wanderlustigen Kunsthandwerker, das, was sie in der Heimat nicht mehr erlernen konnten, sich in den Werkstätten des Auslands erworben haben.

Sowohl für das eine wie für das andere scheinen Beispiele sich darzubieten. Auf Tafel 34 sind zehn Flakons, Büchsen und Schälchen nebeneinander gestellt, die fast alle um 1700 entstanden sein mögen. In der oberen Reihe das mittelste Stück in Form einer doppelhenkeligen Vase aus Onyx, der die beiden Vasen Melchior Dinglingers der unteren Reihe rechts und links an Eleganz des Aufbaus nichts nachgeben, ist eine überaus sorgfältig durchgebildete Arbeit des 16. Jahrhunderts. Sehr glücklich ist daran der Besatz mit Rubinen und Diamanten und die Krönung mit einem schon reicher facettierten Spitzstein, sowie die Emaillierung der figuralen Motive an den Henkeln mit unten je einer Maske, oben mit je einer Hundebüste. Das letztere ein ungewöhnliches Motiv, das ich ähnlich nur an der von Karl IX. von Frankreich 1570 geschenkten Onyxkanne in Wien wiedergefunden habe, so daß sich wohl für beide Stücke an den gleichen Werkstattursprung denken läßt. Derartige Bijoux mußten wohl in Dresden veranlassen, bei den gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Mode kommenden ähnlichen kleinen Behältern die höchste Kunstfertigkeit aller dazu verwendbaren Techniken zur Geltung zu bringen.

Ein Beispiel dafür, daß der deutsche Urheber eines zwar für anderen Zweck bestimmten, doch ähnlich kleinen Behälters, die darauf verwendeten Fertigkeiten sich erst im Ausland erworben hatte, bietet das goldene mit Kristallplatten belegte Kästchen auf Tafel 24 oben rechts. Wie die auf den Platten eingeschnittenen Szenen aus der Passionsgeschichte und ebenso die auf den vor die Ecken gestellten Säulen aus blauem Glas stehenden vier Evangelisten, wie endlich auch die in das aufgelegte emaillierte Rankenwerk der Rahmen eingeordneten Symbole des Leidens Christi bekunden, hatte das Kästchen die [107] Bestimmung, als Reliquienbehälter zu dienen, die es aber wohl nie erfüllt hat. Als Empfänger war anscheinend einer der drei geistlichen Kurfürsten in Aussicht genommen, denn oben auf dem Rahmen ist vorn und hinten in den Mitten der Ranken je ein L unter einem Kurfürstenhut angebracht. Der Anlaß zur Vollendung des Werkes aber war der Wunsch des Breslauer Goldschmieds Daniel Vogt, da er heiraten wollte, zur Ausübung seines Berufs das Bürger- und Meisterrecht zu erwerben. Wie wir aus dem Buch von E. Hintze, Die Breslauer Goldschmiede, Breslau 1906, S. 172, erfahren, war D. Vogt in Breslau im November 1624 geboren, hatte dort als Goldschmied gelernt und um 1650 vier Jahre lang als Geselle gearbeitet; er war dann ins Ausland gewandert und hatte, um 1660 nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt, dort wieder vier Jahre gewohnt und für sich gearbeitet. Am 25. November 1664 hatte er vom Rat der Stadt die Befürwortung erlangt, daß er ohne des gewöhnlichen Meisterjahres Arbeit und ohne Einzahlung zur Innung der Goldschmiede zugelassen werde, sowohl in Anbetracht seiner früheren Gesellenjahre als Goldschmied, wie weil er „in unterschiedenen Königreichen und Landen hierüber das petschier- und stein-, wappen- und eisenschneiden, possiren und andere dergleichen Künste erlernet“ und Proben dafür vorgezeigt habe. Er hatte darauf sein Meisterstück fertiggestellt, die Zunft ihm aber doch, da er dabei deren Vorschriften nicht erfüllt hatte, die Ausübung des Meisterrechts verweigert. Am 28. Januar 1666 gab daraufhin der Rat die Anweisung, da er durch sein Meisterstück „rühmwürdige Qualitäten und Kunst“ bewährt habe, daß ihm trotz der Bedenken der Zunft das Bürger- und Meisterrecht verliehen werde und daß er auch die anderen im Ausland dazu erworbenen Künste bei der Goldschmiedezunft ausüben dürfe, doch solle er sonst sich der Zunft gemäß verhalten. Das Stück, das er als Meisterstück vorgezeigt hatte, war allem Anschein nach unser Reliquienkästchen; zwischen den Sprossen, der unter den Symbolen des Leidens Christi auf dem Rahmen eingeordneten Leiter, ist die Zahl 66 angebracht, damit ist die Jahreszahl 1666 gemeint. Ein solches Stück war allerdings nicht von der in den Zunftordnungen vorgeschriebenen Art, aber es war weit mehr als diese und es enthielt tatsächlich „rühmwürdige Qualitäten“. Es legte Zeugnis ab, nicht so sehr von dem, was er als Lehrling und Geselle in Breslau erlernt hatte, als von dem, was er im Ausland an anderen Fertigkeiten dazugelernt hatte. Auf den Kristallplatten des Kästchens hat der Künstler an drei Stellen seine Signatur eingegraben, [108] dazu einmal als Entstehungsort der Platte Paris hinzugefügt, auf einer anderen Platte Breslau. So ist also jene Platte, noch bevor er sich um 1660 in seiner Vaterstadt niederließ, im Ausland entstanden, und damit auch der Plan für das ganze Werk. Wo Vogt sich seine Ausbildung als Edelsteinschneider erworben hatte, ist damit nicht angegeben, am ehesten dürfte dafür an Mailand zu denken sein. Jedenfalls steht diese Arbeit, sowohl in der Komposition der einzelnen Szenen, wie der Durchbildung der Gestalten, auf der Höhe der Kunstübung der Zeit vor dem großen Krieg und ist deren besten Erzeugnissen im Bergkristallschnitt gleichwertig zu erachten. Wie bei jenen Arbeiten begnügt sich ihr Meister nicht damit, einen nur formal reizvollen Behälter zu schaffen, sondern er weiß ihn durch das daran gestaltete Leben und Leiden Christi, das er auch noch in den Motiven der Umrahmung und den Evangelistenstatuetten ausklingen läßt, zu einem inhaltlich bedeutsamen Kunstwerk zu erhöhen. Die Statuetten geben ihm zugleich, durch ihre Standorte auf Säulen, Gelegenheit und Veranlassung, dem Kästchen durch die mit ihm so verbundene Renaissancearchitektur eine monumentalere Erscheinung zu verleihen.

Das auf derselben Tafel 24 daneben abgebildete Kästchen hatte sicher nur die Zweckbestimmung, als Behälter kleiner Kostbarkeiten zu dienen, hier lag also kein solcher Anlaß vor, die Flächen mit Szenen aus dem menschlichen Leben auszustatten. Doch war sein Meister gleichfalls bestrebt, dem Kästchen eine repräsentativere Gestalt zu geben. Das hat er prächtig im Geist der Barockzeit erreicht durch die die Ecken stützenden Pantherbüsten, deren Tatzen zugleich das Kästchen über den Boden erheben. Diese Tierbüsten und der obenauf gelagerte Salamander mögen zugleich als Wächter seines Inhalts gedacht sein. Neben diesen figürlichen Teilen ist an dem Kästchen besonders bemerkenswert die Inkrustation seiner Achatplatten mit ausgesägten, teils emaillierten und mit Kameen besetzten Goldranken. Dazu kommen noch auf dem Deckel vier Kinderköpfchen, wie wir solche neben gleicher Inkrustation schon auf der Standuhr auf Tafel 30 kennen lernten. Da diese von dem Hofjuwelier Johann Heinrich Köhler geliefert ist, so dürfen wir auch dieses Kästchen als seine Arbeit anerkennen.

Für die auf Tafel 34 abgebildeten, etwa gleichzeitig entstandenen Flakons und Schälchen, natürlich außer dem schon besprochenen Onyxväschen der Renaissance, ist es dagegen vorläufig nicht wahrscheinlich zu machen, daß sie [109] alle in Dresden entstanden sind. Aus den Schatullen-Rechnungen Augusts des Starken ist ersichtlich, daß er nicht nur in Dresden, sondern auch in Warschau und Leipzig, in Berlin und anderorts Ankäufe gemacht hat; auf den Leipziger Messen auch von französischen „marchands-joailliers“, sowie u. a. von dem damals ersten Juwelier in Hanau, der dort noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts als „der bekannte Herr Morel“ hervorgehoben wird. Es ist sogar möglich, daß auch jenes Onyxväschen auf der Leipziger Messe erst gekauft wurde. Als Erwerbung für 200 Taler auf der Leipziger Ostermesse von 1709 wird eine „antike Urne in Gold und Juwelen von Onyx“ angeführt. Wenn wir neben den deutschen Meistern auch Verkäufern mit französischen Namen begegnen, so haben wir dabei nicht zunächst an in Frankreich beheimatete Fabrikanten und Händler zu denken, sondern es sind dies zumeist Emigranten, die in einem neuen Zustrom nach 1685 infolge der Widerrufung des Edikts von Nantes nach Deutschland übersiedelt waren. Frankreich hatte dadurch eine große Anzahl seiner geistig und künstlerisch regsamsten Bevölkerung verloren und wurde weiterhin durch die Kriege Ludwigs XIV. an Volkskraft und wirtschaftlich geschwächt. In Deutschland aber, so besonders auch in Berlin und Hanau, wurden diese willkommenen Einwanderer frei von Real- und Personallasten aufgenommen und erlangten bald mit ihren Industrien führende Macht und den Zulauf der einheimischen Arbeiter. Das führte bald zu einer Lockerung der zünftigen Arbeitsweise und schließlich zu völligem Verfall der Zünfte. Der Fabrikant errang gegenüber dem zünftigen Meister den höheren Rang und vermöge seiner größeren Weltkenntnis, seiner besseren wirtschaftlichen Lage und seiner stärkeren Betriebsamkeit auch mit seinen Erzeugnissen die höhere Vollkommenheit sowohl in der Stilisierung, wie in der Sorgfalt der Ausführung im Anschluß an die in allen Ländern Europas gleichmäßig zur Herrschaft gelangte französische Mode. Den französischen Erzeugnissen wurde dadurch in Deutschland und von Deutschland aus die stärkste Konkurrenz bereitet, insbesondere in der Kunst des Juweliers, des Graveurs und des Emailleurs, die sich in der Tabatièren-Industrie und allen ihr verwandten Erzeugnissen zu höchster Blüte entwickelte. Dafür bietet ein Vorgang in Hanau ein bezeichnendes Beispiel. Jene goldenen Bijouteriewaren unterlagen bisher keiner Stempelungspflicht. Es war aber doch der Regierung zur Kenntnis gelangt, daß auf den Frankfurter Messen die Hanauer Fabrikanten ihre Tabatièren mit dem Pariser Stempel versehen zum Verkauf brachten, [110] und sie versuchte unter Hinweis auf diesen Mißbrauch eine eigene Stempelung einzuführen. Die Hanauer Fabrikanten erwiderten, daß sie ihre Waren zu dem gleichen Feingehalt des Goldes verkauften wie die Pariser, daß sie von dorther stammten, sich dadurch zu der Führung des Pariser Stempels für befugt hielten und daß ihre Waren leichter verkäuflich seien, wenn diese mit dem Pariser anstatt mit einem sonst unbekannten Hanauer Stempel versehen seien. Ein weiterer Schriftenwechsel unterblieb daraufhin. Nach wie vor unterlag dagegen die Herstellung der Silberwaren der örtlichen zünftigen Stempelung, diese verblieb auch fast ausschließlich in deutscher Leitung, ja, sie erhielt durch den Aufschwung in der Goldindustrie neuen und verstärkten Antrieb, indem einzelne Fabrikanten im Großbetrieb ebenso wie diese, sich den von Frankreich aus verbreiteten neuen Gefäß- und Gerättypen und deren ornamentaler Ausstattung zuwandten, so besonders in Augsburg. Einzelne Firmen erlangten Weltruf und versorgten mit ihren Waren alle Länder. Beispiele hierfür konnten im 2. Band dieses Werkes angeführt werden, ungleich reichhaltiger bietet solche die Hofsilberkammer, deren Bestand August der Starke vollständig erneuerte.

Unter diesen Umständen ist es also bei den in dieser Zeit entstandenen Galanteriewaren, wie solche auf den Tafeln 34, 38 und 39 abgebildet sind, fast unmöglich, wofern nicht eine einwandfreie Signatur mit ihnen verbunden ist, oder eine urkundliche Nachricht alle Zweifel ausschließt, eine bestimmte persönliche oder auch nur örtliche Eigenart herauszufinden. Man würde sogar bei den auf Tafel 34 unten rechts und links abgebildeten beiden Väschen nicht einmal auf den Gedanken kommen, diese seien aus der Werkstatt M. Dinglingers hervorgegangen, die er aber in seiner Rechnung ausdrücklich anführt, so stark weichen sie in ihrer klassizistischen Formengebung von seinen übrigen Erzeugnissen ab. Drei andere Stücke auf dieser Tafel stehen sich untereinander näher, die beiden Schälchen und das Muschelflakon, von denen die beiden unteren Stücke verwandte Blumenmalerei auf weißem Emailgrund besitzen. Davon läßt der Mohrenkopf, der das Schälchen zu tragen hat, an die Kunstweise Johann Heinrich Köhlers denken. Die übrigen Stücke auf dieser Tafel, über deren einzelne Ausstattung, ebenso wie bei den auf den folgenden Tafeln abgebildeten Gegenständen, auf die auf den Deckblättern der Tafeln gegebenen Beschreibungen verwiesen werden muß, sind jedesmal, ich möchte sagen, so individuell behandelt, daß man nicht wagen kann, dafür [111] einen bestimmten Erzeugungsort namhaft zu machen. Sie mögen wie die später abgebildeten Galanteriewaren als Zeugnisse dafür gelten, daß der Luxussinn Augusts des Starken in den Erzeugnissen aus aller Welt Befriedigung suchte und fand.

Nur bei einzelnen Stücken des Grünen Gewölbes wird dies, das ich auch anderweitig urkundlich ermitteln konnte, durch Angaben des Inventars bestätigt. So bei der eiförmigen Dose, die aus zwei Chalzedonschalen zusammengesetzt ist, von le Roy in Amsterdam, auf Tafel 33 oben Mitte. Mit dem Glanz der polierten Schalen ist aufs glücklichste der farbige Schimmer des Emails und das Blitzen der Diamanten verbunden und den geschlossenen Umriß der Eiform trägt die zurückhaltende Ornamentierung der Fassung mit ihrem Palmettenfries und dem Golddrahtnetz in vornehmster Geschmackskultur Rechnung. Darin scheint sich der Einfluß des französischen Ornamentstechers Daniel Marot (1660–1718), der als Hugenot nach Holland übersiedelt war, geltend gemacht zu haben.

Die beiden Dosen zu beiden Seiten dieses Mittelstücks auf Tafel 33 erkenne ich als Werke Melchior Dinglingers. Bei der Dose rechts handelte es sich darum, eine Henkeltasse aus Achat durch ihre goldene Fassung kostbarer zu machen, also eine ähnliche Aufgabe, wie bei den auf Tafel 27 u. 29 abgebildeten Tassen. Die nach oben breiter ausladende Form unserer Tasse mußte schon durch einen eingeschweiften Sockel vom Boden erhoben werden, ebenso verlangte sie einen höheren Deckel, der in zwei Gegenschwingungen zu der in dem gekrönten Monogramm ausklingenden Spitze emporgeführt ist und so der Dose erst zu ihrer anmutigen Erscheinung verhilft. Bei der goldenen Dose links war ihr Urheber in der Formengebung völlig unabhängig, er hat dem Kugelabschnitt der Schale einen flach gewölbten Deckel gegeben, diesem aber gleichfalls einen Höhenakzent durch die oben aufgesetzte Vase hinzugefügt, die zugleich als Handhabe dient. Den Hauptreiz des Stückes bildet die vorwiegend durchsichtig rote Emaillierung der dem mattgerauhten Gold eingestochenen Rankenverzierung und der dem Deckel aufgelegten Schmetterlinge und Krebse, vermutlich eine launige Anspielung. Diesen beiden Dosen ist als eine unverkennbare Arbeit M. Dinglingers das Kännchen auf Tafel 33 unten Mitte anzureihen, als dessen Gefäßkörper ein in Eiform mit Spiralwindungen geschnittenes Stück braunen Jaspis dient. Dementsprechend ist Fuß und Hals in schlanken Formen entwickelt und diese sind [112] in ihrer Verzierung mit dem bei ihm beliebten hellen Blau emailliert, zu dem ein dunkles Blau am Knauf als Gegenwirkung kommt. Seiner Vorliebe für tierische Motive folgt er in der Bildung des Henkels durch zwei umeinander gewundene Schlangen und durch die vorn aufgesetzte Drachenbüste.

Ist bei einem solchen Stück die Form eines Gefäßes, das zu keinem praktischen Zweck bestimmt ist, nur der Vorwand, um einen Ziergegenstand herzustellen, so emanzipierten sich die Goldschmiede von solchen Fesseln der Phantasie zur Zeit Augusts des Starken in zahlreichen kleinfigürlichen Kompositionen, in denen sie ihrer Erfindungsfreude ungehemmten Lauf lassen und dabei all ihre Künste entfalten konnten. Schon während des 17. Jahrhunderts hatten die Silberschmiede gern kleine Figuren, sei es als Stützen, sei es als Krönungen ihrer Gefäße verwendet. Daneben aber hatten sie auch davon unabhängig solche Figürchen dargestellt, so besonders in Verbindung mit Uhren und mechanischen Triebwerken als bewegliche Automaten. Die Vorliebe für Statuetten als Zimmerschmuck fand zuvor schon im 16. Jahrhundert Befriedigung zumeist im Bronzeguß und in der Bildschnitzerei in Holz. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen dazu die Elfenbeinschnitzer, indem sie die zuerst nur auf der Drehbank hergestellten Ziergefäße, ebenso wie die Silberschmiede, durch Figuren belebten, dann die Wände solcher Humpen und Pokale mit geschnitzten Relieffiguren erfüllten, schließlich aber zur Herstellung von Freifiguren übergingen. Diese hatten aber auch um 1700 herum noch die Größe von über 20 cm. Dann jedoch schnitzten sie daneben zunehmend Figürchen von nur Fingerlänge und damit zugleich bevorzugten sie auch ein anderes Stoffgebiet. An Stelle der mythologischen Gestalten traten jetzt Figuren aus dem Leben. Das Leben des Volkes, das von den niederländischen Malern zuerst allgemein in die Welt der Kunst eingeführt und das durch den Kupferstich, besonders von Jacques Callot (1592 bis 1638) und seinem Schüler Stefano della Bella (1610–1670) in ganzen Szenen den weitesten Kreisen vor Augen gestellt worden war, wurde daneben in Einzelfiguren in ihren typischen Berufen, und zwar solchen, die zumeist auf der Straße ausgeübt wurden, durch eine Folge von 80 Radierungen festgehalten, die Giuseppe Maria Vitelli nach Zeichnungen des 1609 verstorbenen Malers Annibale Caracci, im Jahr 1660 hatte erscheinen lassen: Di Bologna l’arti per via. Diese Folge von Darstellungen gab die Anregung für eine Reihe ähnlicher bis tief in das 18. Jahrhundert hinein entstandener Kupferstichfolgen, [113] unter denen die Radierungen des Grafen Caylus (1692–1766) nach Zeichnungen seines Freundes, des Bildhauers Edmond Bouchardon (1698 bis 1762), die in 6 Folgen zu je 12 Blättern seit 1737 erschienenen Cris de Paris später die Kleinkunst ihrer Zeit und besonders die der deutschen Porzellan-Manufakturen überaus befruchtet haben. Aber schon weit früher waren diese Anregungen aufgenommen worden von den Elfenbeinschnitzern, und hierin scheint Dresden am frühesten vorgegangen zu sein, das Grüne Gewölbe bietet hierfür eine beträchtliche Anzahl von Beispielen. Wer hier dazu den Anstoß gegeben hat, ob Balthasar Permoser (1651–1732), der bedeutendste Bildhauer zur Zeit Augusts des Starken, der auch vielfach in Elfenbein geschnitzt hat, ob der Dresdner Hofbildschnitzer Wilhelm Krüger, oder ob es der Goldschmied Johann Heinrich Köhler war, das entzieht sich noch unserer Kenntnis.

Die drei Handwerkerfigürchen auf Tafel 35 oben sind von Johann Heinrich Köhler geliefert worden, der Schuster und der Scherenschleifer im Jahr 1708, wie durch die im Grünen Gewölbe erhaltene Rechnung belegt wird. In dieser sind die Figürchen jedesmal besonders, je mit 30 Talern aufgeführt, ferner bei dem Scherenschleifer die aus Glasflüssen geschnittenen Schleifsteine mit 16 Talern und darauf die Arbeit des Goldschmieds bei diesem mit 130 Talern, bei jenem mit 140 Talern. Daraus scheint hervorzugehen, daß Köhler jene Bestandteile von anderer Hand hatte ausführen lassen. Doch aber muß er selbst dazu den Auftrag und die Anordnung gegeben haben. Denn die Figürchen sind erst in Berücksichtigung der von dem Goldschmied dazu geschaffenen Werkstatt entstanden, sie haben keine selbständige Existenz, wie andere solcher Figürchen des Grünen Gewölbes, denen aber auch wieder der Goldschmied durch die von ihm zugefügte Bereicherung der Tracht und kostbare Sockel höheren Wert verliehen hat. Nach alledem scheint Köhler hier als Erfinder anzusehen zu sein. In anderen Fällen mag der Elfenbeinschnitzer darin voranstehen. Jedenfalls ist auch dessen Arbeit höher zu bewerten, auch wenn der Goldschmied uns seinen Namen verschwiegen hat. Was er aber dazu tun konnte, um jedes Stück in jeder Hinsicht durch sein Material und seine verschiedenen Techniken zu einem kostbaren Bijoux zu erhöhen, das hat er auf das sorgfältigste durchgebildet. Am meisten noch bei dem Töpfer, dessen Figürchen er auch noch durch Bemalung lebendiger zu machen suchte und in dessen Werkstatt er allerhand fertiges Geschirr in emaillierter [114] Musterung aufgestellt hat. Als Nachklang der Automatenliebhaberei hat er auch die Drehscheibe durch ein Triebwerk bewegbar gemacht.

Wenn die Goldschmiede solche Nippesfigürchen allein durch ihre eigene Kunstfertigkeit vollendeten, dann sehen wir an der im Grünen Gewölbe erhaltenen Gruppe solcher Werke sie weniger bestrebt, diese volkstümlichen Handwerker und Straßenhändler darzustellen, als vielmehr neben mythologischen und biblischen Gestalten Karnevalsfiguren und ähnliche komische Erscheinungen, wie besonders Narren und Zwerge. Den Anlaß zu dieser Wahl bot in der Regel die Absicht, monströs gebildete Perlen oder auch Edelsteine von ungewöhnlicher Form dabei zu verwenden, wozu sonst die Gelegenheit gefehlt hätte, und dabei insbesondere auch ihre Kunstfertigkeit des Emaillierens zur Geltung zu bringen. Natürlich wurden solche auf Gold emaillierten Stücke zugleich auch aufs reichste mit Juwelen ausgestattet, nur zu den Sockeln wurde vergoldetes Silber verwendet. An origineller Erfindung und reizvoller farbiger Erscheinung wetteifern diese Luxusgebilde mit der Kunst der Kleinodien der Renaissance. In Dresden selbst wurde diese Spezialität besonders von Melchior Dinglinger gepflegt, doch sicher auch noch an anderen Hauptorten der deutschen Goldschmiedekunst, ein Beweis dafür, daß die Goldschmiede auf diesem neuen Gebiet der Mode allenthalben Ersatz suchten und fanden für die ihnen durch den allein herrschenden Edelsteinschmuck beschränkte Möglichkeit, alle ihre Kunstfertigkeiten zu entfalten. So werden in den Inventaren des Grünen Gewölbes neben den Dresdner Meistern auch Goldschmiede aus Berlin und Frankfurt angeführt, bei anderen Stücken fehlt die Angabe der Herkunft, wo wohl die Leipziger Messen Gelegenheit zur Erwerbung geboten hatten.

Unter jenen auswärtigen Lieferanten ist der fruchtbarste und zugleich geschmackvollste Meister Ferbecq, der in den Inventaren als so bekannt vorausgesetzt wird, daß weder sein Vorname noch sein Wohnort angegeben wird. In einem der älteren Führer des Grünen Gewölbes von Theodor Graesse ist Frankfurt am Main als sein Wohnort bezeichnet, vermutlich war er einer der französischen Emigranten. Von ihm stammen die auf den Tafeln 36 und 37 abgebildeten Figürchen. In der Gruppe oben auf Tafel 36, in der zwei Faune um ein Seepferd beschäftigt sind, war das Hauptinteresse des Goldschmieds der Einfügung der monströs gebildeten Perlen in seine Figuren zugewendet, die ihm ja auch glücklich gelungen ist, indem die Bewegung der emaillierten [115] Körperteile der Form der Perlen ungezwungen angepaßt erscheint. In der Gruppe unten auf derselben Tafel war der Goldschmied frei von solchem Zwang. Hier handelte es sich für ihn lediglich darum, für einen größeren und drei kleinere Smaragde, die durch ein eigenartiges Naturspiel mit vielen Buckelungen versehen waren, noch eine solche Verwendung zu finden, die ihren Wert nicht beeinträchtigt, ja womöglich noch höher erscheinen ließ. Das ist ihm auch nicht minder gut geglückt, da sich der bibelfeste Mann der Erzählung im 13. Kapitel des vierten Buchs Mose erinnerte, wo Moses auf das Geheiß des Herrn Kundschafter in das den Israeliten gelobte Land Kanaan schickte. „Und sie kamen bis an den Bach Eskol und schnitten daselbst eine Rebe ab mit Einer Weintraube und ließen sie zween auf einem Stecken tragen, dazu auch Granatäpfel und Feigen.“ Und da sie das Land erkundet hatten, kamen sie zurück zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und ließen sie die Früchte des Landes sehen. Diese Kundschafter Josua und Kaleb, die an einem Stecken die Früchte des Landes Kanaan tragen, deren Größe uns durch ihr Verhältnis zu den Figürchen anschaulich gemacht wird, hat Ferbecq auf einen geschweiften Sockel gestellt, an dessen Verzierung er sich noch auf anderen Gebieten in vollkommenster Weise bewandert zeigt. Der aus rechteckigem Grundriß in verjüngter Schweifung ansteigende Sockel hat an der Vorderseite ein Emailgemälde, an den drei übrigen Seiten ist er in ausgezeichneter sauberer Arbeit mit Ornamenten ausgestochen. Auffallenderweise hat das Emailgemälde des Sockels keinen inhaltlichen Zusammenhang mit der Figurengruppe obenauf, wofür er unschwer eine passendere Darstellung hätte finden können, als den in einer arkadischen Landschaft gezeigten Triumph der Diana. Das Bild selbst ist ihm aber so gut gelungen, daß man darin höhere künstlerische Qualitäten zu erblicken hat, als in den beiden Kundschaftern. Auf der Abbildung tut es deren Würdigung einigen Abtrag, daß es auf einer gewölbten Fläche dargestellt ist. Das kommt im Original nicht so zur Geltung, der Emailmaler hat spielend diese Schwierigkeit überwunden. Ferbecq hatte offenbar eine Vorliebe für diese Art von Sockeln, wir finden sie im Grünen Gewölbe mehrfach wieder, ja wir sehen solche Sockel auch bei Arbeiten, die sicher der Dresdner Goldschmied Johann Heinrich Köhler geliefert hat, so auf Tafel 45 rechts. Dort ist eine kleine aus Jaspis geschnittene Frauenbüste auf einen ganz gleichartig gebildeten und verzierten kleineren Sockel gestellt, der ganz im Verhältnis zu der Büste steht. [116] Um das Stück, und ebenso das zugehörige Gegenstück VI, 128, ansehnlicher und kostbarer zu machen, hat dann Köhler darunter noch einen zweiten, aus Jaspis geschnittenen Sockel gestellt und diesen durch die für ihn bezeichnende Inkrustation mit silbernen Ranken und Juwelen verziert. Allem Anschein nach hat Köhler auch schon die Büste dazu geliefert und hat von Ferbecq den kleineren Sockel für sich herstellen lassen, wie ja Köhler mehrfach auswärts angefertigte Arbeiten für sich verwendet hat.

Die drei köstlichsten unter den Nippesfigürchen des Grünen Gewölbes hat Ferbecq allein hergestellt. Von diesen auf Tafel 46 abgebildeten Figürchen hat wieder das mittelste, der lustige Koch, einen wie die andern ausgebildeten geschweiften Sockel. Dessen Vorderseite hat ein Emailgemälde mit dem Tanz von Putten um eine Faunsherme. Diese Putten und die Herme sind in steingrauer Farbe vor mattrotem Grund gemalt, sie stehen darin den bekannten Reliefmalereien des Niederländers Jakob de Wit (1695–1754) nahe, das Figürchen mit seinem Sockel mag aber schon früher entstanden sein, als dessen Gemälde. Die Anregung kann also von einem früheren niederländischen Maler ausgegangen sein. Ebenso wie der Koch sind auch die beiden anderen Figürchen, der bucklige Zwerg und der sitzende Winzer, von heiterer Laune erfüllt, es schadet auch der Originalität ihrer Erscheinung durchaus nichts, daß der erste und zweite von ihnen durch Radierungen Jacques Callots aus der Folge der Gobbi angeregt sind, das meiste dazu hat doch Ferbecq geschaffen und sich dazu für die Körper durch die Form der verwendeten monströsen Perlen bestimmen lassen. Wieviel Reiz steckt in jeder Bewegung dieser lebensprühenden Figürchen und wie prächtig sind ihre Köpfe behandelt und verschieden in Charakter und Empfindung in ihrer Augenblicksstimmung erfaßt. Sie bedeuten einen Höhepunkt in der ganzen Gattung dieser Bijoux, den auch M. Dinglinger nicht in seinem Kinderbacchanal oder in des Lebens höchsten Freuden zu überbieten vermochte. –

Ein wesentlicher, ja auch der überwiegende Teil aller Galanteriewaren bestand in den Gegenständen, die man als persönlichste Bedarfstücke bei sich trug. Ein frühestes Zeugnis dafür, wie der Luxussinn sich diese Modeartikel dienstbar machte, ist ein Kalender des Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen, dessen Deckel auf Tafel 38 in der Mitte rechts abgebildet sind. Sie sind auf jeder Seite in drei von Brillanttafelsteinen eingefaßte Felder eingeteilt, ebenso ist der Rücken durch fünf Brillantreihen in vier Felder gegliedert. Hier [117] sind mit vier Frauen die vier Jahreszeiten in Emailmalerei personifiziert. Ebenso sind die beiden großen Mittelfelder der Deckel in Emailmalerei, vorn mit dem großen Wappen des Kurfürsten, hinten mit einem Obelisken in einer Landschaft ausgefüllt, beides sicher in Rücksicht auf dessen persönliche Wünsche und Vorliebe. Es ist die Zeit der Devisen- und Emblemeliebhaberei. Das zeigen auch die Inschriften auf den kleineren Feldern. Diese sind ausgestochen und mit schwarzem Email ausgefüllt, daraus leuchten in Gold die stehengelassenen Inschriften heraus, vorn die Initialen des Kurfürsten und seines Titels, sowie die Jahreszahl 1657, hinten in hebräischen Schriftzeichen der Name Jehovas und die Devise: Sursum deorsum, auf und nieder, zwischen den Rahmen weiße Blumenranken. So war dem Hersteller des Deckels kaum Gelegenheit geboten, neben seiner großen technischen Fertigkeit noch besondere künstlerische Qualitäten zu bekunden.

Völlig frei war darin dagegen der Hersteller der goldenen Buchkapsel auf derselben Tafel 38 in der Mitte links, die etwa um die gleiche Zeit entstanden ist. Die Blumenliebhaberei war um die Mitte des 17. Jahrhunderts von Holland ausgehend überall verbreitet, damit gleichzeitig auch deren Darstellung, besonders in der Miniatur- und Emailmalerei. Als reine Emailgemälde sind auf beiden Teilen der Kapsel die ovalen Mittelfelder auf weißem Grund mit zwei Blumensträußen ausgeführt. In gemischter Technik ist der schraffierte Goldgrund ringsum in Email mit allerlei Blumen, die von den unten zusammengebundenen Stengeln aus sich um die Mittelfelder ranken, in harmonischem Farbenspiel ausgefüllt. Ein größerer rechteckiger Spiegel im Grünen Gewölbe (III, 51) zeigt auf seiner goldenen Rückseite ganz die gleiche Technik in reicherer Ausführung. Da der französische zeitgenössische Kunstschriftsteller A. Félibien des Avaux in seinen zuerst 1666 erschienenen Entretiens dem 1618 zu Blois geborenen Pierre Chartier besonderes Lob als Emailleur von Blumen zuspricht, so hat man vielleicht Grund, ihm diese beiden Stücke zuzuweisen.

Von wem, oder auch nur wo die goldenen Deckel des Notizbuches auf Tafel 38 unten links emailliert worden sind, läßt sich vorläufig nicht erkennen. Die Arbeit ist sicher erst zur Zeit Augusts des Starken entstanden und auf ihn zielt die von Frauenhand auf einem Blatt geschriebene freimütige Notiz: „Si j’étais Roy, je ne voudrais avoir un Grüne Gewölbe, que quand il n’y auroit plus un pauvre dans mon Royaume.“ Da das Grüne Gewölbe erst 1724 [118] von ihm als Museum ausgestaltet und zugänglich gemacht worden war, so läßt sich wohl daraus entnehmen, daß die Notiz erst nach dieser Zeit geschrieben und auch das Notizbuch selbst nicht früher entstanden ist. Auf seinen Deckeln sind zwei Emailgemälde von aus Blumen in Relief gebildeten Goldrahmen eingefaßt, bei dem die rot, weiß und grün emaillierten Blumen sich sehr geschmackvoll in zarter Tönung von dem Goldgrund abheben, ebenso ist auch der Rücken behandelt. In leichteren Farben sind die beiden Emailgemälde mit Jagdszenen der Diana gehalten, die Figurengruppen sind mit vollendeter Kunstfertigkeit komponiert und in jeder Bewegung natürlich und lebendig ausgestaltet. Man möchte bei solcher Vollkommenheit glauben, daß der Emailmaler sich nicht damit begnügt habe, fremde Kompositionen nachzubilden, wie dies sonst in der Emailmalerei nicht gerade selten ist, sondern daß er die Szenen auch selbst erfunden habe, die sich aber von dem Zeitstil nicht unbeeinflußt zeigen, wie ihn ein Adriaen van der Werff (1659–1722) allgemein beliebt gemacht hatte. Es ist immerhin nicht ausgeschlossen, daß wir für diese in ihrer Art vollkommene Arbeit an einen Dresdner Meister zu denken haben. Einige Verwandtschaft mit ihr bekunden die blau in blau gemalten Emailbilder mit mythologischen Szenen auf der Rückseite des großen Kabinettstücks von Melchior Dinglinger des Lebens höchste Freuden, das er 1728 mit seinem Bruder Georg Christoph Dinglinger zusammen ausgeführt hat. Wir besitzen kein Zeugnis dafür, daß Melchior selbst auch als Emailmaler tätig gewesen sei. Bisher ist stets sein, Ende 1720 verstorbener Bruder Georg Friedrich Dinglinger als der Emailmaler ausschließlich anerkannt worden, von dem ja auch mehrere selbständige Emailgemälde im Grünen Gewölbe zu sehen sind. Diese stehen aber mit jenen Arbeiten in keinem Zusammenhang. Dagegen ist Georg Christoph bisher stets nur als Mitarbeiter seines Bruders Melchior nebenher genannt worden. Nur einmal, und zwar gerade an jenem Tafelaufsatz auf den Tafeln 56 und 57 tritt er aus seiner Zurückhaltung heraus. Dort hat er vorn eine kleine Silberplatte angebracht, worin er sich ausdrücklich die Ausführung der Arbeit zuschreibt. Der Aufbau und das Schweifwerk dieses Kabinettstücks auf der Vorderseite bekunden allerdings im Entwurf wie in Einzelheiten der Verzierung die Kunstweise Melchiors. Hierbei kann Georg Christoph nur als Mitarbeiter unter Leitung seines älteren Bruders gearbeitet haben. Dagegen sind die Emailbilder der Rückseite selbständige Zutaten, die mit dem Stil [119] Melchiors nichts zu tun haben. Vielleicht wollte er auf diese durch seine Inschrift hinweisen. Doch darf dabei nicht vergessen werden, daß in der Werkstatt Dinglingers auch Gesellen tätig gewesen sind, so daß sich völlige Sicherheit über den tüchtigen Emailleur, der hier wie an jenem Notizbuch tätig war, leider nicht gewinnen läßt.

Dagegen hat der Hersteller des auf weißem Emailgrund bemalten Dosendeckels auf Tafel 38 unten rechts durch seine Signatur: Herold fecit uns erfreulichen Aufschluß gegeben. Die Miniaturmalerei mit ihrer von Handeltreibenden belebten Flußlandschaft in goldener, von Netzwerk durchzogener Umrahmung, die außen herum noch u. a. durch Figuren von Chinesen und kleinere umrahmte Szenen belebt ist, steht der Porzellanmalerei des 1696 geborenen und 1720 an die Meißner Manufaktur gekommenen bekannten Porzellanmalers Johann Gregor Herold überaus nahe, der 1723 mit der Leitung der Fabrik betraut wurde und ihre erste Blüteperiode an seinen Namen geknüpft hat. Auch in technischer Hinsicht besteht kein Unterschied zwischen der Malerei auf Emailgrund und der auf Porzellan. Doch aber hat man in dem Hersteller unseres Deckelgemäldes nicht den Porzellanmaler Herold erkennen wollen, sondern etwa an einen älteren Bruder von ihm gedacht, von dem sonst nichts bekannt ist. Nur in englischem Privatbesitz ist bisher ein ebenso signierter Dosendeckel nachweisbar. In der Nachbildung von Motiven nach Kupferstichen in älteren Reisebeschreibungen erinnert unser Dosendeckel an das gleiche Verfahren an zwei mit Email überzogenen Tassen aus dem Kaffeegeschirr M. Dinglingers, das allerdings schon 1701 abgeliefert wurde. Die Liebhaberei an solchen exotischen Darstellungen hat also lange angehalten.

Eine ganz andere Kunstweise lernen wir kennen an der langen Dose aus vergoldetem Silber auf Tafel 38 oben rechts. Sie gehört mit einem gleichen Gegenstück, ebenso wie die aus 21 länglichen Gliedern zusammengesetzte Gürtelkette, von der nebenan drei Glieder abgebildet sind, zu dem Inhalt eines Spielgerätkastens V, 594e, den Kaiser Joseph I., † 1711, der Kurfürstin Christiane Eberhardine, der Gemahlin Augusts des Starken, geschenkt hat. Der Kasten selbst ist mit dunkelgrünen Jaspisplatten belegt und sein Deckel mit einer Landschaft in indischer Manier aus Gold, Email und Juwelen inkrustiert. Ebenso wie hierbei durch fremdartige Zutaten dem Kasten ein besonderer Reiz zu geben gesucht wurde, so geschah es auch bei den beiden Dosen, die durch ihren Markeninhalt als Spielmarkenkästchen bestimmt [120] waren. Von jenen Zutaten ist allerdings auf der abgebildeten Deckelfläche nichts zu sehen, diese sind um die niedrigen Seitenwände der Dose gelegt. Auf den Deckel sind Chalzedonplättchen verschiedener Form symmetrisch in Zargenfassungen aufgesetzt, eine nicht allzu glückliche Verzierungsweise. Die dadurch freigelassenen Stellen hat der Ziseleur in sehr geschickter Weise mit stilisiertem Ranken- und Bandwerk ausgefüllt, hier und da mit Email dieses belebt und als Akzente durchsichtig rot emaillierte Schmetterlinge, sowie in der Mitte in Silber eine mit Edelsteinen besetzte Blattmaske in stärkerem Relief herausgehoben und so durch seine plastische und farbige Belebung dem Deckel eigenartigen künstlerischen Reiz verliehen. Dazu kommt nun noch der Belag der Seitenwände mit den ganz gleichartigen Gliedern, wie sie nebenan als Teile einer Gürtelkette abgebildet sind. Deren länglich rechteckige Kasten sind ausgefüllt mit Glasplättchen. Von diesen Glasplättchen sind nun auf Goldfolien farbig und durchsichtig emaillierte, ziemlich primitive Darstellungen von Tierfabeln eingefaßt, so daß der Eindruck von Mosaik entsteht. Das Verfahren bei der Herstellung ist nicht genau zu ermitteln, doch wird es dadurch gekennzeichnet, daß dasselbe Bild mehrfach wiederholt wird. Die Anwendung dieser Technik des Emails in Glas ist äußerst selten. Gleichartige Glieder mit emaillierten Ranken sind nur noch in der Sammlung Figdor in Wien, sowie im Victoria- und Albert-Museum und der Wallace-Collection in London anzutreffen. Die schon ältere Bezeichnung unserer Kette als einer ungarischen scheint dadurch gestützt zu werden, daß die Glieder mit dem Geschenk des Kaisers Josef I. hierherkamen.

Die vielfältigsten, ja man kann sagen, alle nur möglichen Techniken sehen wir angewendet an der Ausgestaltung und Verzierung der Tabatièren und der mit ihnen verwandten Gegenstände, diesem vom Ende des 17. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bevorzugten Gebiet der Goldschmiedekunst. Im Grünen Gewölbe ist diese Gruppe von Werken nicht allzu reichlich vertreten. Das hängt damit zusammen, daß diese Sammlung nach dem Tod Augusts des Starken, 1733, nur noch vereinzelt Zuwachs erhielt, während gerade nach seiner Zeit die Tabatièren-Industrie zur höchsten Blüte gelangte. August der Starke selbst hat sich zu den verschiedenen Juwelengarnituren seiner Prachtgewänder auch Dosen in mit diesen jeweilig übereinstimmender Ausstattung anfertigen lassen. Wir finden auch in den frühesten Rechnungen der ihm von M. Dinglinger gelieferten Arbeiten Dosen mit aufgeführt, doch lassen sich [121] diese mit denen des Grünen Gewölbes nicht identifizieren. Die auf Tafel 39 abgebildeten Dosen stammen, mit Ausnahme der runden Dose oben in der Mitte, alle aus seiner Zeit. Das früheste Stück darunter ist wohl die kleine hohe achteckige Dose in der Mitte links, deren Wände auf weißem Emailgrund mit Blumen bemalt sind und die ihren Hauptschmuck durch in Zargenfassungen aufgesetzte Kameen erhalten haben. Die Kameen sind Sammelstücke verschiedenen Inhalts, die oben aufgesetzte Muschelkamee mit dem Kopf des Kaisers Friedrich IV (1415, reg. 1440–1493) ist sicher auch nur als zufällig vorhandenes Sammelobjekt daran zur Verwendung gelangt, ohne daß man dabei an irgendeine besondere Beziehung gedacht hat. Die daneben abgebildete kleine runde Dose hat ebenso Emailmalerei auf weißem Grund, obenauf die Befreiung der Andromeda in sorgfältiger Ausführung. Die beliebteste Form der Tabatièren, mag man nun die Dosen mit diesem Gattungsnamen für Schnupftabak oder Näschereien oder irgendwelche anderen Dinge verwendet haben, wurde jedoch die ovale Form, zumeist aber nicht so flach, wie die gerade auf Tafel 39 abgebildeten Dosen sind. Von diesen ist die Dose oben links oben und unten mit je einer polierten Sardonyxplatte belegt, die oben nur dadurch geschmückt wurde, daß sie mit einem schmalen Rand umgeben ist, dessen schraffierter Grund mit durchsichtig rotem Email und in Abständen mit Diamanten bedeckt ist. Der reichere Schmuck umgibt die Wand der Dose, die zwischen aufgestifteten silbernen Ranken mit Diamanten die Sardonyxkameen mit den Köpfen der ersten zwölf römischen Kaiser in Zargenfassungen enthält. Die Köpfe sind alle von derselben Hand gleichartig geschnitten und kaum viel früher als die Dose selbst entstanden. – Umgekehrt wie hier ist die reichere Ausstattung bei der noch flacheren Dose unten rechts dem Deckel zuteil geworden, den Hauptanteil hat hieran der Ziseleur. Um aber der Dose auch einen besonderen farbigen Reiz zu verleihen, ist der Deckel in abwechselnd silberne und goldene Felder gegliedert, und zwar sind vom Scharnier aus, wo um einen größeren Diamanten eine fast halbrunde Zone strahlenförmig gegliedert und am Rand mit kleineren Diamanten besetzt ist, diese Felder fächerartig in leichter Schweifung sich erweiternd über den ovalen Deckel ausgebreitet. Die goldenen Felder sind mit Bandwerk und Masken im Relief ziseliert, dagegen die silbernen Felder vertieft und mit durchbrochenen und mit Diamanten geschmückten Einlagen besetzt. Diese Felder waren sicher schon von Anfang an brüniert und so gibt [122] dieser Wechsel der Farben und der Wechsel der Arbeit der Dose eine sehr geschmackvolle Wirkung. – Schon im 17. Jahrhundert hatte das Kunsthandwerk auch das Schildkrot zu verwenden gewußt. Es war ein beliebtes Material zur Furnierung von Möbeln geworden, wie im Grünen Gewölbe auch an einer Gruppe von Postamenten zu sehen ist, die in Boulemanier in der Ornamentik Jean Berains ausgestattet sind. Dazu kam dann seine Verwendung zu Galanteriewaren aller Art, später, noch im 19. Jahrhundert, u. a. zur Herstellung von großen Haarkämmen. Ebenso wie Bernstein und Elfenbein wurde es gern auch zu Dosen gebraucht. Während aber diese beiden Stoffe in der Regel allein dazu verarbeitet wurden, hat sich das Schildkrot auch der Goldschmied dienstbar zu machen gewußt, und zwar auf zweierlei Weise. Einmal indem in dünnen Linien die Verzierung in die Oberfläche eingeritzt und diese dann mit eingedrückten Goldfäden ausgelegt wurden, sodann indem ähnlich nur in breiterer Zeichnung Landschaften und andere Darstellungen vertieft eingestochen und diese dann mit Gold ausgelegt wurden. Daneben wurden auch in leichtem Relief goldene Ornamente und Bilddarstellungen aufgestiftet oder eingelegt. Beides nannte man Piquéarbeit. Besonders für die erste Art der linearen Verzierung besitzt das Grüne Gewölbe künstlerisch vollendete Beispiele. Die wertvollsten sind zwei kleine Deckelpokale aus Schildkrot (VI, 122 u. 129), die auf diese Art mit dem Namenszug Augusts des Starken, seinen Wappen und Orden verziert sind. Hierzu kommt, offenbar von demselben Meister ausgeführt, eine ganze Garnitur zur persönlichen Ausstattung des Fürsten: 60 Westen und 72 Rockknöpfe in fünf verschiedenen Größen, 6 verschiedene Schnallen und ein Paar Manschettenknöpfe, der Orden des Goldenen Vließes, der polnische Weiße Adlerorden und der Stern dazu, ein Degen und ein Hirschfänger, ein Krückstock, eine Reitgerte und ein Stockknopf, eine Dose und ein Notizbuch und schließlich die Kapsel zu einer goldenen Taschenuhr mit der Adresse des Londoner Uhrmachers Cabrier. Die Dose in breiterer ziselierter Goldfassung und das Notizbuch sind auf Tafel 39 unten abgebildet. Die Dose hat in einem aus solchen Goldlinien gebildeten Mittelfeld ein in gleicher Art gebildetes A, das Notizbuch ist noch an den Ecken und am Verschluß mit aufgelegten und mit Diamanten besetzten Füllhörnern verziert, in der Mitte ein herzförmiger Opal mit einem Rubin inkrustiert. Die verschiedenen Knöpfe der Garnitur waren je in der Mitte mit einem Brillanten inkrustiert. Diese Steine sind 1827 herausgebrochen und später zu [123] einem mit Brillanten bepflasterten Stern des Wettiner Hausordens verwendet, der zu Ende 1924 an den Verein Haus Wettin, A. L. E. V. bei der Auseinandersetzung mit dem früheren Königshaus abgegeben wurde. So wurde auf die roheste Weise gerade die künstlerisch vollendetste unter den Juwelengarnituren Augusts des Starken verunstaltet. Ob die in breiterer Weise mit einer Landschaft in indischer Manier mit Gold eingelegte Dose auf Tafel 34 oben rechts dieser Garnitur zugehörte, ist fraglich. Sicher aber ihr zugehörig war die goldene englische Uhr mit ihrer gewölbten Schildkrotkapsel. Diese allein ist in der geschilderten anderen Technik in Relief mit goldenem Bandwerk um ein ebenso in flachem Relief aus Gold hergestelltes Stilleben mit einem Eichkätzchen verziert. In gleicher Art ist noch auf einem goldenen Stockknopf eine Schildkrotplatte mit einer figürlichen Szene aus Gold eingelegt (VIII, 314). Für die ganze Schildkrotgarnitur wird als Hersteller schon im Inventar der Engländer P. Triquet genannt. Daß sie für August den Starken bestellt war, läßt sich schon aus dem A auf der in Gold gefaßten Dose schließen, noch klarer wird dies erhärtet durch die beiden offenbar von demselben Meister hergestellten kleinen Deckelpokale. Die Garnitur muß aber dem Fürsten nicht prunkvoll genug gewesen sein und so hat 1727 und 1728 der Hofjuwelier Johann Heinrich Köhler in seinem Auftrag von dem Hofjuden Jonas Meyer die Brillanten geliefert bekommen und sie in die schon fertige Schildkrotgarnitur versetzt.

Wie schon seine Vorfahren, so legte August der Starke auch Wert auf den Besitz kostbarer Spazierstöcke. Dazu genügten ihm nicht die Stöcke seiner Juwelengarnituren, die nur bei festlichen Gelegenheiten zugleich mit diesen in Gebrauch genommen wurden. So besitzt das Grüne Gewölbe auch noch mehrere andere Stöcke aus seinem Besitz. Davon ist auf Tafel 12 links von der Mitte ein Stock abgebildet, den er offenbar in Polen zum Geschenk erhalten hatte. Der Stock hat einen kolbenartigen Knopf aus hellbraunem Achat, unter dem zwischen zwei mit Juwelen ausgefaßten Ringen ein breiterer Goldreifen mit emaillierten Reliefranken geziert ist. Der Achatknopf ist mit goldenen Ranken inkrustiert und obenauf mit einem quadratischen Rahmen aus Brillantdicksteinen. Dieser enthält den Schild seines königlichen Vorgängers in Polen, Johann Sobiesky, reg. 1674–1696, und ist ein Zeugnis dafür, daß die Prunkliebe auch bei anderen hohen Herren verbreitet war. Der andere Stock, rechts von der Mitte, sicher für August den Starken direkt [124] hergestellt, ist mit seinem Knopf aus grünem Jaspis noch weniger handlich als jener. Nicht nur daß der Knopf selbst in Relief mit Ranken geschnitten ist, er ist auch noch reich mit Brillanten inkrustiert, von denen der größte obenauf 1769 herausgenommen wurde. Er mag wohl schon zuvor locker gesessen haben, denn die Technik der Inkrustation ist keine sehr haltbare und hat auch keine dauernde Beliebtheit besessen. Am längsten wurde sie in Spanien geübt. – Der große Stock in der Mitte auf Tafel 12 ist der Hofmarschallstab, der seit den Festen der Hochzeit des Kurprinzen 1719 dauernd in Gebrauch war. Er ist natürlich reich mit Brillantringen besetzt, ebenso mit den in Brillanten ausgefaßten Monogrammen des Herrschers, sowie mit dem emaillierten Kurhut und der Königskrone und dem Sächsischen und Polnischen Wappen. Außerdem besitzen die Goldbeschläge gut stilisiertes und sauber ziseliertes Bandwerk. Alles daran bekundet den hohen Rang der zweifellos Dresdner Goldschmiedekunst, während der Meister bisher nicht nachgewiesen werden konnte.