Sponsel Grünes Gewölbe Band 3/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den 3. Band des Tafelwerkes – Zierschalen

Ziergerät und Ziergefässe zumeist aus Bergkristall Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 3 (1929) von Jean Louis Sponsel
Zierschalen aus farbigen Halbedelsteinen
Galanteriewaren und Nippesgegenstände
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ZIERSCHALEN AUS FARBIGEN HALBEDELSTEINEN

In Deutschland hatte schon im Mittelalter die Herstellung von wertvolleren Gebrauchs- und Ziergegenständen neben dem vorherrschenden Silber noch andere Naturprodukte hinzugezogen, wie Straußeneier, Kokosnüsse, Tierhörner, Perlmuttermuscheln, farbige Steine der Quarzgruppe und besonders Bergkristalle. Diese Stoffe blieben auch noch im 17. Jahrhundert neben dem Silber und vereint mit ihm bevorzugt, sie erfahren sogar bei der wachsenden Zierfreude zugleich mit jenen noch eine eingehendere Bearbeitung durch Hinzufügung von Verzierungen, ohne daß damit zugleich eine Bereicherung der farbigen Erscheinung erstrebt wurde. Es kommt aber im Mittelalter nicht ebenso häufig vor, daß neben dem bevorzugten Bergkristall auch die anderen Steinsorten der Quarzgruppe vom gleichen 7. Härtegrad zu Geräten verarbeitet werden. Das Grüne Gewölbe besitzt nur wenige solcher Stücke vorwiegend kirchlichen Gebrauchs, so ein gotisches Gefäß aus Serpentinstein (V. 404) und ein solches mit einer aus Amethyst-Achat hergestellten Schale (IV. 343). Als ersichtlich weltliches Gerät kommt hierzu ein kleiner gotischer Pokal aus hellbraunem Jaspis (V. 488).

Erst seit der Renaissance werden jene farbigen Steinsorten wieder mehr und mehr verarbeitet nach dem Vorgehen Italiens. Die Anregung dazu kam zunächst durch die zahlreichen Funde antiker Gemmen und Kameen, die nicht nur ihres Kunstwertes halber gesammelt, sondern vielfach schon seit dem Mittelalter besonders zum Schmuck kirchlicher Geräte und Gefäße verwendet wurden. Die wachsende Nachfrage nach solchen Stücken führte zur Wiederaufnahme der alten Techniken des Steinschliffs und Steinschnitts und zunächst zu deren Anwendung zum Schneiden von Bildnisköpfen in den verschiedenen Chalzedonarten wie Karneol, Heliotrop, Chrysopras, Onyx und Sardonyx. Die italienischen Gemmenschneider verwandten ihre darin erlernte Kunstfertigkeit [89] bald auch zur Herstellung von Ziergegenständen neben dem Bergkristall in den farbigen Achaten, auch in Amethyst, in Heliotrop, Jaspis, in Lapislazuli und in edlem Serpentin. Zu Ziergefäßen wurden außer dem Bergkristall mit Vorliebe die vier letztgenannten Steinsorten verwendet, wohl weil sie im Zusammenklang mit der meist bevorzugten Goldfassung und deren glänzender Farbsteigerung durch Email und Edelsteine, wie Rubine, Demanten und Smaragde zu prächtigster Wirkung gebracht werden konnten. Die italienischen Fürsten der Renaissance waren eifrige Sammler dieser prächtigsten Erzeugnisse des Kunsthandwerks. In Deutschland haben wohl zuerst die mit den Mediceern verwandten Fürsten Erzherzog Ferdinand von Tirol auf Schloß Ambras (1520–95) und Kurfürst Albrecht V. von Bayern in München ihr Sammlerinteresse auch diesen kostbaren Stücken zugewendet, solche auch durch Agenten in Italien kaufen lassen. Bei den Fürsten in Mittel- und Norddeutschland bestanden zunächst solche Beziehungen nicht, daraus mag wohl auch in Dresden der geringere Reichtum an frühen Werken gerade dieser Art gegenüber dem Bestand in Wien und in München zu erklären sein. Einzelne Stücke mögen aber doch auch als Geschenke aus Italien nach Dresden gelangt sein. In dem Inventar von 1588 werden nur erst zwei steinerne Schälchen in Gold gefaßt aufgeführt, gegenüber dem weit größeren Bestand an Bergkristallgefäßen, also verschwindend wenig. Dagegen schon gedrehte Gefäße aus Serpentin, Alabaster und Attstein (Achat), wohl die frühesten Zeugnisse der Fürsorge des Kurfürsten August zur Verwertung der heimischen Steinsorten. Wir haben aber doch auch Beispiele dafür, daß schon im 16. Jahrhundert deutsche Silberschmiede für die Verwendung jener farbigen Steine Sinn hatten. Einer der schönsten Zierkästen von Wenzel Jamnitzer, gest. 1585, in der Münchner Schatzkammer ist mit Platten aus Heliotrop belegt. Das Grüne Gewölbe besitzt eine Dose aus edlem Serpentin mit goldenem Fuß und Deckel, die mit gravierten Mauresken auf schraffiertem Grund verziert sind (V, 384). Eine Scheibe im Innern enthält das gravierte Wappen von Sachsen und Dänemark und die Jahreszahl 1572, wohl eine Arbeit von Urban Schneeweis und schon im Inventar der Schatzkammer 1588 aufgeführt. Dazu kommen als einheimische Verarbeitungen dann etwas später Pokale mit Gefäßen aus Nephritplatten von dem Leipziger Silberschmied Elias Geyer (Bd. 1, T. 58–60). Es ist möglich, daß die dazu verwendeten Steine im Land verarbeitet wurden. Im Katalog des Grünen Gewölbes von 1884 werden einige Meister genannt, die [90] in Sachsen angestellt waren, die einheimischen Steine zu Gefäßen zu drehen; diese waren also Steindrechsler und -Schleifer, nicht auch Edelsteinschneider und sie verarbeiteten zumeist wohl nur die weicheren Steinsorten, Serpentin, Marmor und Alabaster. Als erster wird Matthias Brändel 1580 genannt, der es verstand, Zöblitzer Serpentin zu Gefäßen zu drehen. Ihm folgten Nicolaus Ranisch (1548–1656), Michael Boßler seit 1614, Bartholomaeus Börner (1590 bis 1640), dieser dazu 1623 bestallt, sodann Hans Börner bei dem Serpentinsteinbruch in Waldheim seit 1624. An diese Steindreher haben wir also bei den im Pretiosensaal aufgestellten gedrehten Gefäßen zu denken. Nur einen Meister kennen wir, der als Edelsteinschneider bezeugt ist, Kaspar Lehmann, der 1608 dem Kurfürsten Maximilian I. von Bayern (geb. 1573, r. 1594–1651) einen Jaspisstein zum Geschenk machte, aus Dankbarkeit dafür, daß dessen Vater Kurfürst Wilhelm V. (r. 1579–1594) ihn das Steinschneiden hatte lernen lassen. In dieser Nachricht wird er als „Kurf. Sächsischer Steinschneider“ bezeichnet, er ist jedenfalls derselbe, der auch in Prag tätig war. Ob er auch für Dresden Arbeiten geliefert hat, so besonders in den härteren Steinsorten der Quarzgruppe, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Es hat den Anschein, daß die sächsischen kurfürstlichen Sammler davon das meiste von auswärts erhalten haben und daß sie ihr Hauptinteresse bei ihren Erwerbungen von einheimischen Meistern der hergebrachten Herstellung von Ziergefäßen auch geringerer Größe, von Pokalen und Schalen mit Muscheln, Straußeneiern und dann besonders den von Kurfürst August in Dresden eingeführten Elfenbeinschnitzereien zugewendet haben. Als Beispiele solcher kleinerer Ziergefäße sind auf Tafel 27 zwei Schalen mit Nautilusmuscheln abgebildet. Diese sind schon nicht mehr als große Pokale mit hohem Schaft und Deckel entwickelt, es bekundet sich daran vielmehr die Absicht, ein kleines offenes Ziergefäß um seiner selbst willen kunstvoll auszustatten. So wird die von einem Drachen gekrönte Muschelschale rechts auf Tafel 27 anstatt eines Schaftes von drei graziös zusammengestellten Delphinen getragen und die Wölbung der Muschel ist nach Innen mit einer geflügelten bemalten Büste verziert. Noch mehr weicht die andere Nautilusschale links auf derselben Tafel von dem überkommenen Typus ab. Sie bildet die Krone eines Baumstammes, an dem auf dem Sockel ein Holzfäller in einer Umzäunung tätig ist. Eine solche Genreszene hat schon nichts mehr gemein mit den bei großen Pokalen damals noch üblichen figürlichen Gefäßstützen. Die Muschel selbst ist aber dann an der Wölbung in grotesker [91] Weise sehr glücklich mit einer faunsähnlichen Fratze verkleidet, auf der ein fressender Affe sitzt. Die Absicht, lediglich ein Zierstück zu schaffen, wird noch weiter bekundet durch den Besatz der Muschelfassung mit Türkisen, Rubinen und Granaten, dadurch wird der farbige Reiz des Perlmutterglanzes noch gesteigert. Mag auch eine Reihe ähnlich kleiner Zierstücke im Grünen Gewölbe noch an der Verwendung von Perlmuttermuscheln festhalten, das Luxusbedürfnis trieb doch schon zur Bevorzugung kostbarerer Stoffe und hierbei zur Wahl verschiedenfarbiger Steine in mannigfacherer Formgestaltung, daneben zugleich meist auch der Fassung in Gold, verziert mit Email und Edelsteinen. Die Anregung dazu war offenbar aus Italien gekommen, das wiederum das Erbe der Antike übernommen hatte und fortbildete.

Bei einer auf Tafel 27 oben rechts abgebildeten Schale in Form einer Tasse wird dies schon durch die Inschrift bestätigt. Diese besagt in lateinischen Worten, daß das in Alexandrien gefundene antike Gefäß aus edlem Serpentin einer so kostbaren Fassung würdig befunden sei. Weniger die Form des Gefäßes, als die Verehrung der Antike hat dies veranlaßt. Denn jenes ist nicht etwa ungewöhnlich zierlich oder graziös, erst die goldene und emaillierte Fassung verleiht ihm den besonderen Reiz. Wie die Tasse durch die drei Delphine über den Boden gehoben wird und dadurch doch ihrer gedrungenen Form Rechnung getragen wird, das verrät schon einen feinen Sinn für die in ihr gelegene Gestaltungsmöglichkeit, die zugleich noch bedingt war durch den aus demselben Stück geschnittenen wagrechten Angriff. Dieser wurde mit Gold beschlagen und hat einen Widderkopf mit emporgerichtetem Hals erhalten, der nicht nur äußere Zierde ist, sondern auch zugleich zu besserer Handhabung dient. An dem Außenrand wird der Beschlag mit einem romanischen Rundbogenfries fortgesetzt und der darüber ausgebogene Mundrand mit Randbeschlag bekundet wieder neben seiner gefälligen Formbildung zugleich die wohlerwogene Rücksicht auf die Zweckerfüllung der Schale als Trinkgefäß. Das gleiche gilt für den Goldbeschlag der anderen Schale aus edlem Serpentin mit kurzem Fuß auf derselben Tafel 27 oben links. Deren Randbeschlag dient nicht nur als Verzierung, vielmehr wird durch den hinzugefügten Henkel und die gegenüber angebrachte Ausgußschnauze in Form eines Fischkopfes das Schälchen als handliches Gießgefäß verwendbar. Als Verzierung dienen Akanthusmotive. Das größere Schälchen ist schon in dem Inventar der Schatzkammer beschrieben als „an der Handhabe mit Gold beschlagen“. Bei diesen beiden Schälchen mit einer vom Gebrauchszweck [92] mit bedingten Formbildung des Beschlages mag die Herkunft der Verzierung, ob aus Italien oder Deutschland, ungewiß sein, dagegen hat das kleine ovale Schälchen aus grünem Jaspis, das von einem goldnen emaillierten Delphin getragen wird, auf Tafel 28 oben links in Italien seine Form und Ausstattung erhalten, dort hat man stets gern ganze Figuren den Schmuckstücken hinzugefügt. Die Feinheit der Arbeit in Email und die dem Gold in Kasten aufgesetzten Farbsteine lassen an die Nähe der Mailänder Bergkristallfassungen denken. Die unter dem Sockel eingravierte Krone über einem C 5 läßt keine sichere Deutung zu. Zu dem als Träger dienenden Delphin kommen auf der Schale selbst noch zwei Figuren in Goldemail, lediglich als Ziermotive und die schon von dem Delphin betonte Längsachse des Ovals des Schälchens auch oben betonend. Über der hinteren durch ein Ansatzstück zum Angriff erweiterten Schiene sitzt auf einer Ranke Neptun, der mit seinem Dreizack nach einem vorn in der Schale sitzenden Fisch zielt. So tritt ein Gebrauchszweck der Schale, etwa zur Aufnahme von Ringen, völlig zurück hinter der Gestaltung eines Zierstücks von reizvollster Erscheinung, die allein des Goldschmieds Verdienst ist, der ihr den Eindruck schwebender Leichtigkeit gegeben hat, indem er durch die Bewegung des tragenden Delphins an einen von Wellen getragenen Nachen erinnert. Eine ähnliche Gedankenverbindung hat die aus Bergkristall gebildete Zierschale, sicher auch italienischer Arbeit in Form einer zackigen Muschel entstehen lassen auf Tafel 29 oben Mitte, die gleichfalls von dem Schwanzende eines Delphins getragen wird. Hier hat also schon der Steinschneider seiner Erfindung die Form gegeben.

Solche kleine Zierschalen, die durch einen Schaft erhöht werden, haben hierdurch nicht nur eine standfeste Stütze, sondern auch eine für das Auge gefälligere Form. Der Schaft ist entweder aus der gleichen Steinart gedreht wie die Schale, sei es in Vasenform breiter oder als Baluster schlanker, und dementsprechend ist der Sockel gestaltet, die Verbindungsstellen sowie die Randfassung übernimmt der Goldschmied, oder Schaft und Sockel werden nur aus Gold oder Silber gebildet. Ist dem Goldschmied allein deren Gestaltung überlassen, dann zeigt er sich bei dem zu allen Formungen geeigneten Werkstoff auch vielfach beweglicher als der Steindreher. So hat die auf Tafel 28 oben rechts abgebildete Schale aus Heliotrop in Form eines Kugelabschnitts auch einen entsprechend stärkeren Schaft aus dem gleichen Stein in Vasenform erhalten. Die Schönheit dieser Zierschale beruht fast ausschließlich in ihrer farbigen Wirkung, [93] indem die tiefdunkle Farbe des Heliotrops mit ihrem glasartigen Politurglanz sich prächtig vereint mit dem Goldglanz der Fassung und dem leuchtenden Rot der ihr aufgesetzten Rubine. Das Grüne Gewölbe besitzt ebenso wie die Münchner Schatzkammer nur vereinzelte Beispiele dafür, daß die Goldschmiede den Reiz gerade dieser Farbenwirkungen zur Geltung gebracht haben. Und doch war die Verwendung des Heliotrops in dieser Art in Italien weiter ausgebildet. Das kunsthistorische Museum zu Wien besitzt davon eine ganz herrliche Gruppe, bei deren Verzierung auch noch Email und figürlicher Schmuck hinzukamen. Dort auch eine nicht minder durch die Goldschmiedearbeit ausgezeichnete Gruppe von Ziergefäßen aus Lapislazuli, woran gleichfalls das Grüne Gewölbe arm ist. Wohl wegen der Schönheit des mit Silberfäden durchzogenen Steins besitzt das Grüne Gewölbe davon ein Hauptstück: die Henkelkanne in antiker Form (V, 56), die aber, ohne Zutaten des Goldschmieds, gerade im Vergleich mit den Wiener Stücken erkennen läßt, wie sehr erst durch solche die künstlerische Wirkung erhöht wird. Eines dieser Stücke trägt am Fußrand das mediceische Wappen; es ist auch literarisch von Zeitgenossen bezeugt, daß Florenz in der Verarbeitung dieser Steinart im 16. Jahrhundert sich ausgezeichnet hat. Erst später hat diese dann auch in Deutschland Aufnahme gefunden, wofür als Zeugnis dient die auf Tafel 29 oben rechts abgebildete von dem Silberschmied mit emaillierten doppelten Henkeln und hohem Fuß ausgestattete Tasse aus hellgesprenkeltem Lapislazuli. Mag dieser Spielart auch ein gewisser Seltenheitswert zukommen, so hatte der Silberschmied, der die Farben seines Emails damit in Zusammenklang brachte, eine schwierigere Aufgabe, als bei der Verwendung andersfarbiger oder einfarbiger Stücke. So klingt auch die auf derselben Tafel 29 oben links abgebildete Tasse aus hellbraunem Chalcedon mit seiner spiegelnden Politur harmonischer mit dem hellen Email der goldenen Fassung zusammen, als dort. Bei beiden Stücken konnte der Goldschmied darauf verzichten, dem Steingefäß am Mundrand eine Metalleinfassung zu geben, indem er die Henkel durch ihre Verbindung mit der Fassung des Fußes zugleich als klammernde Schienen verwendete.

Eine solche Schienenfassung des Gefäßkörpers, wie sie bei den deutschen Pokalen auf hohem Schaft mit Gefäßen aus Straußeneiern, Kokosnüssen und Muscheln stets erforderlich war und auch zunehmend künstlerisch ausgestaltet wurde, war bei den aus Stein gedrehten oder geschnittenen Schalen meist überflüssig. Während die Schalen in Tassenform oft gar nicht in Rücksicht auf eine [94] Fassung ausgebildet wurden oder waren, läßt sich bei den Schalen auf hohem Fuß schon erkennen, daß ihre Form mit schmaler Basis schon unter Einrechnung eines für sie bestimmten Schaftes gewählt wurde, sei es, daß die Schale dazu einen Zapfen, oder daß sie eine Vertiefung erhielt. Die fest verkittete Verbindungsstelle wurde dann in der Regel noch durch eine Silber- oder Goldverkleidung verdeckt.

Da wo die Schalen in regelmäßiger Form gebildet sind, also meist oval oder rund, oder wo sie mit einem Deckel verschlossen sind, dessen Mitte dann auch meistens betont wurde, ist die ihnen durch die Fassung gegebene Verzierung meist nicht nach einer bestimmten Richtung und für eine bestimmte Ansicht entwickelt. Wo aber die Schalenbildung von einer regelmäßigen Form abweicht, meist durch die Gestalt des Steinstücks dazu veranlaßt, dann wirkt eine solche Form oft beflügelnd auf die Phantasie und statt der zentral bestimmten Verzierung wird eine bestimmte Stelle des Randes künstlerisch ausgestaltet. Die Schale erhält hierdurch eine bestimmte Richtung und Hauptansicht.

Die regelmäßigste Form hat das kleine runde Schälchen aus hellgrünem Jaspis auf Tafel 27 unten Mitte, dessen gewundener Schaft von einem flach gewölbten Fuß aus vergoldetem Silber getragen wird und dessen Schale mit einem gleichen Deckel versehen ist. Fuß und Deckel werden aus gekörnten, zu Spiralen und Rosetten gelegten Drähten gebildet, aus sog. Filigran und wohl italienischen Ursprungs. Auf der Mitte des Deckels sitzt ein ebenso gebildeter Blätterkelch, aus dem eine spiralisch gewundene Spitze aufragt. Das Stück hat in der Windung des Schafts und der Spitze noch gotische Formelemente. Die Deckelschale aus rotem gesprenkelten Jaspis auf Tafel 28 unten Mitte ist dagegen ein sicheres Erzeugnis des 16. Jahrhunderts. Anstatt des Schaftes dient eine eiförmige Vase, auf deren schmalerem Hals ein in Gold emaillierter Blütenkelch das Gefäß trägt; diese etwas lose Verbindung wird durch bügelartig angesetzte Delphine für das Auge verstärkt. Entsprechend dieser Umkleidung ist auch der auf dem flach gewölbten Deckel sitzende Knopf durch einen Rankensockel mit ihm verbunden. Alle Teile, auch der Sockel, bestehen aus derselben Steinart, zu dem die emaillierten Goldränder und Verbindungsstücke in Harmonie gebracht sind. Eine besondere Zierde der Schale bildet die auf dem Knopf des Deckels stehende schlanke Athena in Harnisch und Helm, die einen Lorbeerkranz hochhält, in farbigem Goldemail.

Die links daneben auf Tafel 28 abgebildete Deckelschale aus hellbraunem, [95] rötlich marmorierten Jaspis hat ein etwa eiförmiges Gefäß, das muschelförmig und am Wirbel in Relief mit einer Tiermaske geschnitten ist. Wie die Schale, so hat auch der Deckel vom Wirbel auslaufende Rippen. Trotzdem hat das Gefäß die gleiche senkrechte Achse wie eine ovale Deckelschale, sein Schaft ist noch mit gewundenen Rippen versehen, der Sockel aber mit radial gestellten Buckeln. Der Windung des Schafts entspricht die spiralige Windung einer auf dem Deckel stehenden Wellhornschnecke. So hält die Schale die Mitte zwischen einer symmetrischen Kunstform und einer asymmetrischen Naturform. Die emaillierte Goldfassung hat an dem Sockelrand eine besonders glückliche Bildung. Zwei Reifen werden der Wölbung des Sockels folgend durch Ranken verbunden, größere vier Ranken greifen über den unteren Reifen hinaus und dienen als Füße des ganzen. Vielleicht war der praktische Zweck, der Schale eine breitere Stütze zu geben, die Veranlassung zu dieser eigenartigen und anmutig luftigen Bildung.

Die Schale in der Mitte auf Tafel 29 unten aus grünem, weiß gesprenkelten orientalischen Jaspis hat eine regelmäßigere ovale Form mit vier Ausbauchungen, zwischen denen goldemaillierte Schienen die Fassung verbinden; die Wölbungen wiederholen sich entsprechend am Deckel und am Sockel. An Stelle des Schaftes stehen zwei naturalistisch aus Bergkristall geschnittene Baumstämme, die sich umeinander winden. Die Verbindungsstellen sind mit goldenen emaillierten Blättern verkleidet, ebensolche umgeben die Spitze des Deckels, die eine Onyxkamee trägt. Türkisen sitzen auf den Blättern und den Randeinfassungen und unterstützen die helle Gesamterscheinung der Schale, deren Gestaltung von dem Steinschneider bestimmt wurde und der sich der Goldschmied glücklich anzupassen wußte.

Ganz unabhängig war dieser dagegen bei der Chalcedonschale auf Tafel 28 unten rechts. Der Schliff der Schale war ja wohl durch einen Zapfen darauf zubereitet, Fuß und Schaft angesetzt zu bekommen, deren Form aber war der Erfindung des Goldschmieds überlassen. In glatter eleganter Schwingung ist der Fuß entwickelt und der eiförmige Schaft daraufgesetzt, darüber bilden dann bügelartige Ranken mit Drachenköpfen den luftigen Übergang zu der Fassung des Zapfens der Schale und dienen zugleich als Träger der durchscheinenden, hellen und dadurch leicht wirkenden Schale. Die glatten goldenen Wände sind mit ausgestochenen Blumenranken in durchsichtigem Email verziert, aufgesetzte emaillierte Ranken mit Farbsteinen auf dem Sockel und aufgesetzte [96] emaillierte geflügelte weibliche Halbfiguren auf dem Bauch der Vase dienen als Unterbrechung der glatten Formen zur plastischen Belebung.

Wie an dieser Zierschale, so war auch bei dem becherartigen Gefäß auf hohem Schaft auf Tafel 29 unten links der Goldschmied in der Wahl der Formgestaltung für Fuß und Schaft unabhängig. Er hat aber seine Form des Schaftes der kegelartigen Erweiterung des Gefäßes in glücklichster Weise angepaßt, indem er diesen Schaft aus dem runden silbervergoldeten Sockel nach oben breiter werden ließ, bis dann der Boden des Gefäßes in den oberen Rahmen des Schaftes einzupassen war; das Gefäß setzt diese Bewegung in leichter Schweifung nach außen bis zum Rand fort. Die Form des Gefäßes ist nach Ausweis des Inventars durch die Naturform einer „Elensklaue“ gebildet. Wie und wann ein solches Hufstück des in den Ostseeprovinzen früher noch heimischen Elchs hierher gelangte, ist nicht mehr festzustellen. In der Kunstkammer wurden ja schon zu Kurfürst Augusts Zeiten dergleichen seltene Naturerzeugnisse gesammelt. Den Huf hat dann im 17. Jahrhundert ein Bildschnitzer künstlerisch zu beleben gesucht und hat in Relief zwei gelagerte Jäger mit ihrem Hund herausgeschnitzt, den einen in antiker, den andern in zeitgenössischer Tracht. In dem unteren durchbrochenen Teil des Hufs sind silbervergoldete Würmer eingefügt. Die Bildung und Verzierung des emaillierten und mit Diamanten besetzten Schaftes und Sockels scheint erst dem Ende des 17. Jahrhunderts anzugehören. Sie steht mit keiner anderen Bildung von Schaft und Sockel der vielen Zierschalen des Grünen Gewölbes in Zusammenhang, es ist wohl möglich, daß wir ihre selbständig und unbeeinflußt entwickelte Form einem entfernteren Ursprungsort zuzuschreiben haben. Philipp Hainhofer hat in der Beschreibung einer Reise 1613–14 in München als dort gesehen notiert: „Ein gantzer Elentsfueß oben mit silber gefaßt, daraus zue trinckhen, wie manß zue Danzig macht.“ Das Dresdner Stück wird also auch schon als Ziergefäß fertiggestellt von dort hierher gekommen sein.

Ebenso wie dieses Stück nimmt unter den kleinen Ziergefäßen eine Sonderstellung ein, die auf Tafel 28 oben Mitte abgebildete Kanne (oder Krug?); nicht wegen der Seltenheit des dazu verwendeten Naturstoffs, dieser ist edler Serpentin, sondern wegen ihrer ungewöhnlichen bauchigen gedrungenen und dann nach oben verjüngten und mit wagrechtem Angriff versehenen Gestalt. Diese Gestalt des Gefäßes scheint durch die auf der Drehscheibe gewonnenen Formen von Tongefäßen beeinflußt zu sein, die wagrechte aus demselben Stück [97] Stein geschnittene Handhabe kommt so schon bei mittelalterlichen Steingefäßen und gedrehten Holzgefäßen vor, früher aber schon bei antiken Steingefäßen, wie jener Tasse auf Tafel 27, und verdankt ihre Entstehung sowohl der Rücksicht auf den Gebrauchszweck, wie den Mitteln des Handwerksgeräts. Bei unserem Krug fand also der Goldschmied die Form schon vor und suchte ihr durch seine in teils vergoldetem und emailliertem Silber hergestellte Fassung größere Kostbarkeit zu verleihen, um so dem Wert des edlen Steins und seiner seltenen altertümlichen Form durch die künstlerische Ausstattung höhere Beachtung zu verschaffen. Das ist ihm aufs glücklichste dadurch gelungen, daß er deren unterer Ausbauchung durch den silbernen eingeschweiften runden Sockel eine Gegenbewegung gab, durch die zugleich jene Ausbauchung höher vom Boden emporgerückt und in die rhythmische Bewegung der jetzt erzielten Gesamterscheinung als ihre stärkste Ausladung einbezogen und damit ihr straffes Emporstreben mit Spannung erfüllt wurde. Die vier auf den Sockel aufgesetzten Delphine begleiten mit ihren nach oben gestellten Schwänzen dieses Emporrecken der Form. Der gewölbte silberne Deckel dämpft dann die ganze Bewegung ab. Der Krug ist noch dadurch besonders bemerkenswert, daß dessen Deckel und Sockel mit silbernen Platten belegt sind, auf denen eingestochene Verzierungen durch farbiges durchsichtiges Email ausgezeichnet sind, oben mit Blumen und Vögeln, unten mit grotesken Tieren und Ranken. Für solches Email auf Silber und seine Motive hat man gewöhnlich den Augsburger Meister David Altenstetter bereit, der sich darin ausgezeichnet hat. Tatsächlich hat der Sockel auch die Beschaumarke von Augsburg, doch eine andere Meistermarke, vermutlich von Philipp Pehner, der 1573 bis 1634 lebte, also noch zur selben Zeit in Augsburg tätig war, wie der 1617 verstorbene Altenstetter.

Während der zu diesem Krug verwendete edle Serpentinstein sicher im Ausland zubereitet wurde, wird zu der auf Tafel 30 abgebildeten großen Schale im Inventar angegeben, daß sie aus sächsischem Amethyst hergestellt ist; dann darf angenommen werden, daß ein in sächsischem Dienst stehender Edelsteinschneider ihn bearbeitet hat, der also auch härtere Steinsorten zu verarbeiten fähig war. Ebenso wird ein sächsischer Goldschmied sie als Ziergefäß ausgestaltet und verziert haben, der etwa gleichaltrig mit dem Freiberger Meister Samuel Klemm (1611–78) gewesen ist. Die rings um den Rand der Schale, sowie an Knauf und Sockel aufgelegten Blattranken lassen mit ihren weichen Umrissen an diese Zeit der Entstehung denken. Der massigen Form der ovalen [98] Schale entspricht der kugelige Knauf und leicht geschweifte Sockel, welche beide Teile noch in gotischer Reminiszenz mit glatten Buckeln versehen sind, während die dazwischen gelegten Rillen mit aufgelegten Ranken und Amethysten in Kastenfassungen besetzt sind. Mit ebensolchen Tafelsteinen ist auch die Randfassung des Deckels und das um den Rand der Schale gelegte Rankenband besetzt. Daß hierzu geschliffene Steine gleicher Art wie das Gefäß selbst gewählt wurden, war wohl bei der Lilafarbe des Amethysts die beste Wahl, zugleich aber war sie wohl veranlaßt durch die Absicht, heimisches Material zu verwenden. Die auffallende Form eines flachen Deckels der Schale, wieder aus Amethyst, gesägt und poliert, wurde nicht ungünstig motiviert durch den auf dem flachen Deckelknopf emporragenden Schimmelreiter aus emailliertem Gold. Die Rüstung des Ritters und die Schabrake sind mit Demanten, der Schild mit einem Rubin besetzt. Wir wissen, daß schon 1570 den emaillierten Figuren in dieser Art Edelsteine aufgesetzt wurden. So ist nicht anzunehmen, daß der Reiter erst bei Entstehung der Schale hergestellt wurde, sondern daß er als vorhandenes älteres Schmuckstück hier eine passende Verwendung gefunden hat. Um die gleiche Zeit hat man wohl auch, als das Tragen derartiger figürlicher Anhänger außer Mode gekommen war, einige solcher Figürchen der Schatzkammer auf Sockel gesetzt und dann später dadurch die Anregung zur Herstellung von sog. Nippesfiguren gefunden. Der Reiter könnte schon als ein Werk des Hieronymus Kramer entstanden sein.

Wie lange sich dieser Besatz von Figuren mit Edelsteinen in Gunst erhalten hat, davon haben wir ein Zeugnis in der großen Schale aus edlem Serpentin der Prinzessin Magdalene Sibylle (1617–68) von 1651 auf Tafel 31. Diese, eine Tochter von Kurfürst Johann Georg I., wurde 1647 Witwe des Erbprinzen Christian von Dänemark und heiratete 1652 den Herzog Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg. Die Wappentiere auf dem Rand der Schale sind alle dem dänischen Wappen entnommen und nichts erinnert von der Ausstattung an eine sächsische Abstammung. So ist es wohl auch wahrscheinlicher, daß das Ziergerät in Kopenhagen hergestellt wurde. Die im Oval mehrfach ausgebauchte Schale mit ihrem vasenartigen Schaft und flachen ovalen Fuß aus gleichem Stoff hat silbervergoldete Fassung, die einen besonderen Schmuck durch die Belebung der Randfassung der Schale durch einen Aufsatz von Blättern erhalten hat. Vor diesem schreiten und steigen die dänischen Wappenlöwen zu dem unter einem Baldachin thronenden Löwen. Dieser Baldachin [99] über der einen Schmalseite der Schale wird noch von zwei Schwänen und zwei Drachen des Wappens flankiert. Die nach vorn gewölbte Baldachindecke trägt eine Krone und auf dieser das emaillierte Monogramm der Prinzessin, sowie die Jahreszahl 1651. Die goldenen Wappentiere sind hellblau emailliert, die letzten Löwen mit dem Olafspeer nur Gold und alle Tiere sind auf dem Fell oder Gefieder noch mit Brillanttafelsteinen in Kastenfassungen besetzt. Ein barbarischer Geschmack, mit dem nur die sorgsame und gediegene Arbeit des Goldschmieds, des Juweliers und Emailleurs und das edle Material einigermaßen versöhnen kann. Hierbei mag ja die Rücksicht auf die Wünsche oder Neigungen von Besteller und Empfänger der Zierschale bestimmend gewesen sein.

Völlig frei von solchen Einflüssen auf Komposition und Ausstattung mag dagegen der Goldschmied gewesen sein, der einer ähnlich gewellt geschnittenen Schale aus orientalischem Onyx auf Tafel 32 goldene Fassung gab. Die eigenartige Struktur des Steins hat die braunen durchscheinenden Lagen mit helleren, nebeneinander herlaufenden und wieder abirrenden Streifen durchströmt, so daß die Schale von hin und her wogenden Wellen erfüllt scheint. Das hat wohl dazu veranlaßt, für Schaft und Fuß, sowie für den am Rand der einen Schmalseite aufragenden Baldachin die Verzierung aus bewegten Blattranken und Blüten nur aus Goldfäden in sog. Filigran zu bilden, ja auch ebenso den ganzen Aufbau aus stärkeren zusammengedrehten Drähten zu bilden, während man sonst hierfür stets stabilere Konstruktionen wählte. Als Verzierung von Füllungen ist diese Technik besser angewendet und kommt dort auch besser zur Geltung. Einen besonderen farbigen Schmuck hat der Goldschmied dem luftigen Goldfiligran gegeben, indem er einzelne Blätter und Blüten mit Netzemail ausfüllte. Diese schon von Cellini beschriebene Technik wird öfter auch an ungarischen Schmuckwerken angewendet, deshalb mag es fraglich sein, ob man für die Herkunft des Ziergeräts an Ungarn oder Italien zu denken hat. Neben Email dienen auch Flußperlen zur Verzierung, so auch an den Filigranbändern, die wie Gewinde außen an der Schale in den Rinnen bis über den Rand angelegt sind, auch hierbei ein strengeres Gefüge der Fassung vermeidend. Unter den zu einem Baldachin zusammengerollten Blättern ist eine Negerbüste mit emailliertem Kopf untergebracht, wohl als Andeutung auf die Herkunft des Steins aus dem Orient. Bekanntlich wurde der Onyx von allen Achatarten am höchsten geschätzt und schon im Altertum außer zu Kameen auch zur Herstellung von Gefäßen verwendet, unter denen in Deutschland das größte [100] und schönste Stück, das sog. Mantuanische Gefäß, sich im Museum zu Braunschweig befindet. Aus der Renaissance ist das schönste künstlerisch vollendet ausgestattete Stück die Onyxkanne in Wien, die König Karl IX. von Frankreich dem Erzherzog Ferdinand von Tirol (1520–95), einem der eifrigsten Kunstsammler, 1570 zum Geschenk machte, gleich wertvoll ein prächtiger Onyxpokal im Louvre zu Paris. Das Grüne Gewölbe besitzt außer jener großen Onyxschale noch den großen Kameo mit der Büste des Kaisers Augustus, abgeb. auf Tafel 48, ferner drei bemerkenswerte oval geschnittene Platten, davon die größte 15,5 cm lang mit ganz regelmäßiger ovaler heller Randmusterung und hierzu noch vier kleinere ebenso regelmäßig gemusterte Platten, die Fassung mit Smaragden und Demanten besetzt als Zeichen ihrer Wertschätzung (VIII, 205), dann eine ebenso regelmäßig gemusterte 14,4 cm lange Onyxplatte (VIII, 201) und eine gewölbte Sardonyxplatte, darauf in Relief das Urteil Salomonis geschnitten (VIII, 200). In diesem Zusammenhang sei auch schon auf die beiden großen mit Reliefszenen geschnittenen Sardonyxplatten des Kabinettstücks von Melchior Dinglinger „des Lebens höchste Freuden“, sowie des andern, des sog. „Tempels des Apis“, auf den Tafeln 56 und 59 hingewiesen, die später noch zu besprechen sind.

Die Vorliebe für die Verarbeitung dieser farbigen Steinsorten zu Ziergegenständen aller Art, die wir schon im 16. Jahrhundert von Italien aus in Deutschland sich ausbreiten sahen, hat nicht nur den Dreißigjährigen Krieg überdauert, sondern sie hat mit dem allmählichen Wiederaufkommen geordneter Zustände und dem Wiederaufleben des Gewerbefleißes zunehmend hier wieder Befriedigung gefunden, so daß schließlich, als in Sachsen August der Starke zur Herrschaft kam, dessen durch die Kenntnis der an den Höfen Europas vorhandenen Werke gesteigerten Ansprüchen einheimische Meister Genüge leisten konnten. Die Lieferanten sind allerdings Goldschmiede, da sie ja bei dem Verwenden der von den Steinschneidern hergestellten einzelnen Stücke zu Ziergegenständen diesen erst im Zusammenspiel mit anderen Stoffen künstlerische Geltung verschafften. Infolgedessen tritt mehr und mehr der Steinschneider und Steinschleifer, der nur bei den Bergkristallarbeiten seine frühere dominierende Stellung zu bewahren wußte, wovon die Werke des Mailänders Giovanni Battista Metellino im Grünen Gewölbe Zeugnis ablegen, hinter dem Goldschmied in die Anonymität zurück. Während uns um die Wende des 18. Jahrhunderts die Namen der [101] Goldschmiede bekannt oder doch bei den jetzt reichlicher vorhandenen Urkunden noch leichter festzustellen sind, die solche Ziergegenstände geliefert haben, so haben wir über die Bearbeiter der dabei verwendeten farbigen Steinarten so gut wie keine Nachrichten. Soweit hierbei auch nicht, wie bei Gemmen und Kameen, eine künstlerische, figurale oder ornamentale Belebung der Flächen hinzukam, ist dies auch von geringerem Belang; ja selbst bei diesen Stücken, die mehr und mehr nur zur Ausschmückung der einzelnen Ziergegenstände verwendet werden, steht zumeist deren künstlerischer Rang nicht so hoch, daß es lohnend scheinen müßte, ihre Urheber aufzusuchen. Sie werden von den Goldschmieden an ihren Ziergegenständen angebracht, um diesen einige reizvolle Akzente zu verleihen, doch werden hierbei nicht immer gleichartige Stücke zusammengestellt, sie sind auch oft nicht erst ad hoc angefertigt, sondern aus verschiedenen Entstehungszeiten erworben. Die Kamee hat für den Goldschmied meist keine erheblich andere Bedeutung, als irgendein Farbstein. So kommt es also bei diesen Zutaten, ebenso wie bei den Schalen, Schäften, Sockeln aus den gleichen Steinarten, im wesentlichen darauf an, wie der Goldschmied alles zusammen zu einem einheitlichen Ziergegenstand vereinigt hat und es genügt zumeist, wenn wir diesen kennen.

Ein Dresdner Goldschmied, der unter August dem Starken neben Melchior Dinglinger mit Vorliebe und Geschick an jenen aus dem 17. Jahrhundert überkommenen Zierschalen aus farbigen Steinarten seine Kunstfertigkeit übt und dabei auch gern Kameen zur Ausstattung mit verwendet, ist Johann Heinrich Köhler. Wir wissen von ihm, daß er am 19. August 1718 Hofjuwelier wurde, später am Grünen Gewölbe als Inspektor angestellt war und im Jahr 1736 verstorben ist. Darauf machte der Sohn Melchior Dinglingers, Johann Friedrich, ein Gesuch um die gleiche Anstellung und er begründete dies damit, daß er in Verhinderungs- und Krankheitsfällen Köhlers „an den Pretiosen und Kabinettstücken“ gearbeitet habe. Läßt sich hieraus schon auf die Art seiner Werke schließen, so erkennen wir nach Ausweis der Inventare und der stilistisch mit den hierdurch gesicherten Werken in charakteristischen Einzelheiten übereinstimmenden Arbeiten, daß er neben Dinglinger am meisten für seinen Herrn geliefert haben muß. Ein so beglaubigtes Werk von ihm ist die Schale aus dunkelgrünem Heliotrop, die von einer Negerbüste getragen wird, auf Tafel 33 unten rechts. Zu der Schale hat er sich auch noch einen gewölbten Sockel aus gleichem Stein schneiden lassen und dazu noch [102] mit bedingten Formbildung des Beschlages mag die Herkunft der Verzierung, ob aus Italien oder Deutschland, ungewiß sein, dagegen hat das kleine ovale Schälchen aus grünem Jaspis, das von einem goldnen emaillierten Delphin getragen wird, auf Tafel 28 oben links in Italien seine Form und Ausstattung erhalten, dort hat man stets gern ganze Figuren den Schmuckstücken hinzugefügt. Die Feinheit der Arbeit in Email und die dem Gold in Kasten aufgesetzten Farbsteine lassen an die Nähe der Mailänder Bergkristallfassungen denken. Die unter dem Sockel eingravierte Krone über einem C 5 läßt keine sichere Deutung zu. Zu dem als Träger dienenden Delphin kommen auf der Schale selbst noch zwei Figuren in Goldemail, lediglich als Ziermotive und die schon von dem Delphin betonte Längsachse des Ovals des Schälchens auch oben betonend. Über der hinteren durch ein Ansatzstück zum Angriff erweiterten Schiene sitzt auf einer Ranke Neptun, der mit seinem Dreizack nach einem vorn in der Schale sitzenden Fisch zielt. So tritt ein Gebrauchszweck der Schale, etwa zur Aufnahme von Ringen, völlig zurück hinter der Gestaltung eines Zierstücks von reizvollster Erscheinung, die allein des Goldschmieds Verdienst ist, der ihr den Eindruck schwebender Leichtigkeit gegeben hat, indem er durch die Bewegung des tragenden Delphins an einen von Wellen getragenen Nachen erinnert. Eine ähnliche Gedankenverbindung hat die aus Bergkristall gebildete Zierschale, sicher auch italienischer Arbeit in Form einer zackigen Muschel entstehen lassen auf Tafel 29 oben Mitte, die gleichfalls von dem Schwanzende eines Delphins getragen wird. Hier hat also schon der Steinschneider seiner Erfindung die Form gegeben.

Solche kleine Zierschalen, die durch einen Schaft erhöht werden, haben hierdurch nicht nur eine standfeste Stütze, sondern auch eine für das Auge gefälligere Form. Der Schaft ist entweder aus der gleichen Steinart gedreht wie die Schale, sei es in Vasenform breiter oder als Baluster schlanker, und dementsprechend ist der Sockel gestaltet, die Verbindungsstellen sowie die Randfassung übernimmt der Goldschmied, oder Schaft und Sockel werden nur aus Gold oder Silber gebildet. Ist dem Goldschmied allein deren Gestaltung überlassen, dann zeigt er sich bei dem zu allen Formungen geeigneten Werkstoff auch vielfach beweglicher als der Steindreher. So hat die auf Tafel 28 oben rechts abgebildete Schale aus Heliotrop in Form eines Kugelabschnitts auch einen entsprechend stärkeren Schaft aus dem gleichen Stein in Vasenform erhalten. Die Schönheit dieser Zierschale beruht fast ausschließlich in ihrer farbigen Wirkung, [103] Beispiel dafür, wie J. H. Köhler an einem solchen anspruchsloseren Stück auch auf die Vorliebe für die Verwendung von Barockperlen zu Figürchen neben der gleichzeitig beliebten Emaillierung Bedacht nahm, bietet die auf derselben Tafel 35 unten Mitte abgebildete kleine Dianauhr, die schon im 2. Band S. 58 erwähnt ist, zu der eine Taschenuhr verwendet wurde.

Einen Vorläufer dieser Verwendung haben wir schon im 2. Band auf Tafel 28 kennengelernt. J. H. Köhler hat davon mehrfach Gebrauch gemacht, so auch an der Standuhr auf schwarzem Achat in Form einer Sonnenmonstranz auf Tafel 30; dazu hat er die Uhren selbst von auswärts bezogen, bei der kleinen Dianauhr von einem Uhrmacher aus Rouen, bei dieser größeren Uhr von einem Meister aus Poitiers. Dabei sah er sich jedoch veranlaßt die Taschenuhr, wohl von einem Dresdner Uhrmacher, in eine Pendeluhr verwandeln zu lassen; er hat dabei die vergoldete Rückseite sehr sorgfältig mit Laub- und Bandwerk graviert und ziseliert. Die Vielseitigkeit seiner Kunstweise zeigt er dann an dem Aufbau und der Ausstattung der Vorderseite. Den Eindruck, daß man hier eine Taschenuhr vor sich habe, läßt er gar nicht aufkommen, indem er das von einem Kranz von Rubinen eingefaßte Zifferblatt mit einem flachen mattgoldnen bewegten Rand umgibt, der mit goldnen und mehrfarbig emaillierten Reliefranken, sowie in den Achsen mit Kameen und in den Diagonalen mit Rubinen, daneben mit kleineren Diamanten bedeckt ist. Der Knauf des Schaftes, der diese Scheibe trägt, ebenso auch der rund ansteigende, radial gegliederte Sockel, sowie der die Scheibe krönende vasenförmige Knopf sind aus schwarzem orientalischen Achat geschnitten. Die Zwischenglieder sind mit Diamanten und großen Smaragden besetzt, der Knopf mit einem großen Rubin, die Steinteile aber sind mit Juwelen und Ranken inkrustiert, der Knauf mit Kameen. Dazu kommt der Besatz mit Kameen und Rubinen an der mit Ranken ziselierten Goldeinfassung des Sockels. Diese seltene Technik der Inkrustation ist hier von Köhler aufs glücklichste mit den schwarzen Achaten und ihrer Einfassung in Harmonie gebracht, die Kameen bilden mit den Juwelen gut verteilte Akzente.

Mit seinen Stutzührchen scheint Köhler auch in Dresden Nacheiferung gefunden zu haben. Hatte er ja auch schon Dresdner Uhrmacher hierbei mitwirken lassen, so an der Hubertusstutzuhr in Band 2, Tafel 26 und auf einer Uhr mit Baldachinwand (VI, 158) J. G. Graupner. Auf Tafel 35 ist unten rechts eine in der Form einfachere, aber doch mit Diamanten und Rubinen [104] in Ranken besetzte, dreiseitige silbervergoldete Stutzuhr abgebildet, deren Werk gleichfalls aus einer Taschenuhr in eine Pendeluhr umgewandelt wurde. Es stammt von dem Dresdner Uhrmacher J. Ch. Dünebier, das Gehäuse von dem Goldschmied Carl Heinrich Reiche, der sonst mit Lieferungen nicht hervortrat, doch 1728 zum Hofjuwelier ernannt wurde.