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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


nicht ihre Adresse anzugeben, sondern sich nur mit den Vornamen zu unterzeichnen pflegen, so ist auch eine Zurückbeförderung solcher Briefe unmöglich. Der amerikanische Verwandte hat geschrieben und erhält keine Antwort; die deutschen Verwandten haben geschrieben und bekommen auch keine Antwort – und ein Vermißter ist fertig. Werden doch selbst in den an uns gerichteten Bitten um Nachforschung nach Verschollenen Orts- und Personennamen oft so undeutlich geschrieben, daß wir sie nicht entziffern können und die Briefe, als nicht verwendbar, in den Papierkorb werfen müssen. Fast möchte man wünschen, unsere Reichspost verweigerte die Annahme von Briefen mit offenbar unzulänglichen Adressen, um die Absender zu zwingen, endlich Ordnung und Gewissenhaftigkeit in der Adressirung zu üben. Damit geschähe dem Publicum selbst der größte Gefallen.

Wir fahren in der Numerirung der Vermißten fort:

19) Ein Sohn sucht seinen Vater – ein Stück deutsch-amerikanischer Kriegsromantik. Ein Tischler aus Würzburg wanderte in der Mitte der fünfziger Jahre nach New-York aus; um dieselbe Zeit landete dort ein schwäbisches Mädchen aus Stuttgart. Beide heiratheten sich; am 18. October 1857 wurde ihnen ein Sohn geboren, und sie lebten zu New-York in Frieden, bis der Secessionskrieg ausbrach und Präsident Lincoln 75,000 Mann Milizen unter die Waffen rief. Der Trommelschall fuhr auch dem tapfern Franken in die Glieder; er folgte dem Rufe und zog in den Krieg. Im Verlaufe desselben fand seine Frau mit dem Kinde Zuflucht bei einem Arzt Dr. Schulze, dem sie das Hauswesen führte. Als aber die Kämpfer heimkehrten, warteten Frau und Kind vergeblich auf den Gatten und Vater; man zählte ihn zu den Todten, und nachdem fünf Vierteljahr vergangen waren, wählte Dr. Schulze die junge Wittwe zur Frau. Er war Besitzer von zwei Häusern im „Blumenthal“ (Avenue 8 und 9, Street 36). In dem einen derselben saß die Familie eines Abends, als die Thür aufging und – der Todtgeglaubte eintrat. Er suchte sein armes Weib – es trat ihm als stattliche Frau Doctorin entgegen. Welch ein Wiedersehen! Wie hatte das Schicksal mit diesen Menschen gespielt! Der unglückliche Mann blieb aber auch in diesem Kampfe Sieger – über sich selbst: er sah, daß die Seinen wenigstens im Glück lebten, und schied von ihnen auf Nimmerwiedersehen. Dr. Schulze zog mit seiner Familie 1866 nach Deutschland, zunächst nach Gera, dann nach Stuttgart, Ludwigsburg und endlich nach Eisenberg bei Jena, von wo er allein nach New-York zurückreiste. Die Frau kehrte mit dem Kinde nach Stuttgart zurück, wo sie 1874 starb. Der Sohn, der nun in Amerika zwei Väter hat, steht in Deutschland allein da. Seine Sehnsucht zieht ihn nach seinem rechten Vater. Dieser, Heinrich Karl Schmidt, soll erst in Californien Gold gegraben haben und jetzt zu Milwaukee im Staate Wisconsin in guten Umständen leben. Der Sohn, Julius Schmidt, ist jetzt in der optischen Industrie-Anstalt zu Rathenow beschäftigt. Werden Vater und Sohn sich wiedersehen?

20) Der zweite gesuchte Vater ist Michael Lang, 1810 in Brombach im Amte Lörrach geboren. Er heirathete zu Anfang der vierziger Jahre zu Sitzenkirch im Amte Müllheim, verließ aber seine Frau und seinen sechsjährigen Knaben 1847, um in Amerika sein Glück zu suchen. Erst spät kam an seinen Sohn Christian Lang, der jetzt Bäckermeister zu Kandern im Amte Lörrach ist, die Nachricht, daß sein Vater noch lebe, und zwar als wohlhabender Farmer in Ohio. Sollte das der Fall sein, so kommen ihm diese Zeilen vielleicht als Mahnung an seine Vaterpflicht vor die Augen. Man vermuthet, daß dem Sohne absichtlich seine Adresse bis jetzt vorenthalten wurde.

21) Der Handschuhmacher Otto Bleimann reiste aus Bunzlau in Schlesien 1871 mit dem Hutmacher P. Födsch nach Brisbane (Queensland) in Australien und hat seit circa drei Jahren nichts von sich hören lassen. Seine alte Mutter bittet um Nachricht über ihren Sohn.

22) Max Böhme aus Ronneburg war im Frühjahr 1870 an Eisenbahnbauten in der Nähe von Breslau beschäftigt und schrieb zuletzt im Juni aus Klein-Tschansch bei Breslau, daß er nach Rumänien gehen und dort beim Eisenbahnbau Stellung suchen wolle. Seitdem verschollen.

23) Dem Matrosen Friedrich Borgwardt, genannt Fred-Smith, der 1869 vor seiner Militärdienstzeit nach Australien entwich, dafür aber später mit Geld büßte, haben seine Geschwister 1877 unter seiner Adresse (Victoria bei Melbourne in Australien) die Nachricht über den Tod seines jüngsten Bruders, des Steuermanns Heinrich B., gemeldet, den Brief aber, und zwar erst in diesem Frühjahr, als unbestellbar zurückerhalten. Vielleicht finden diese Zeilen den Vermißten selbst oder Personen, die sein Schicksal kennen.

24) Zu Pedasi in Panama (Centralamerika) lebte um 1867 der zu Wolmirstedt bei Magdeburg geborene Leopold Paul Buschold, damals etwa dreiunddreißig Jahre alt und seines Zeichens Bildhauer. Auch über ihn bittet die Mutter um Kunde.

25) Friedrich Ehrhardt oder Friedrich Dieckmann (denn der Vermißte führt beide Namen) aus Mülheim an der Ruhr hat 1867 als Matrose in England auf einem Schiffe Dienste genommen, das nach Aden bestimmt war, aber auf hoher See verunglückt zu sein scheint. Neuerdings kam aus Sumatra die Nachricht, daß Ehrhardt dort als Herr Dieckmann in Diensten der holländischen Regierung stehe. Um nähere Kunde bittet seine Mutter, die jetzt zu Mishawaka, St. Indiana, St. Joseph County in den Vereinigten Staaten Nordamerikas lebt.

26) Friedrich Wilhelm Frömmig, praktischer Arzt und Geburtshelfer, geboren am 23. März 1817 in Leipzig, seit 1847 in Amerika, und zwar zuerst in Buffalo. Die letzten Nachrichten von ihm kamen in der Mitte der fünfziger Jahre aus Potosi in Bolivia (Südamerika), wo er sich am längsten aufgehalten zu haben scheint. Um nähere Kunde bittet sein in Leipzig lebender Bruder.

27) Zwei Brüder Franke aus Kreidelwitz, Kreis Glogau, werden von der Schwester derselben seit Jahren vergeblich gesucht: von Gustav Hermann, einem Schneider, kennt man nur als letzten Aufenthaltsort 1865 Berlin – und der Andere, Ernst Oswald, ein Tapezierer, schrieb das letzte Mal aus Schleiden im Regierungsbezirk Aachen 1870.

28) Wie wir aus einer Zuschrift des kaiserlich deutschen Consuls in Melbourne ersehen, ist von ihm, sowie auch von dem kaiserlich deutschen Consul zu Sidney nach dem jetzigen Aufenthalte des Knopfmachers Wilhelm Frenzel aus Eythra bei Leipzig vergeblich gesucht worden. Er war schon im Jahre 1856 (an seinem zwanzigsten Geburtstage, am 8. October) nach Amerika abgereist, erwarb sich erst als Goldsucher, dann als Photograph in Australien Vermögen genug, um sich Pferde und Wagen zu halten, verweilte oft in Melbourne, Sidney und anderen Orten und ist seit nahezu drei Jahren, zum schweren Leid seiner hochbetagten Mutter, verschollen.

29) C. D. Arnaldo Friedlein aus Leipzig reiste 1852 in Begleitung seiner beiden in Portugal gebornen Kinder, eines Knaben und eines Mädchens von sechs bis acht Jahren, nach Melbourne, um in Australien ein Geschäft zu begründen. Seitdem ist seinen Verwandten keine Kunde weder von ihm noch einem der Kinder zugekommen. Jede Notiz über sie würde sehr dankbar begrüßt werden.




Gefunden. Von den in Nr. 26 unter den „Vermißten“ als 12) eingereiheten Brüdern Mackrodt aus Kappeln in Schleswig ist der Eine als Arbeiter in einer Fabrik zu La Salle in Illinois gefunden und von der Sorge seines achtzigjährigen Vaters um ihn unterrichtet worden. Wir verdanken diese Nachricht einem Agenten und Collector der „Deutschen Gesellschaft“ in Chicago, Herrn John H. Moeller, dem wir hiermit unsern Dank aussprechen.

Auch der Sohn des Herrn Ed. Daelen in Düsseldorf, den wir als seit dem 24. April spurlos verschwunden anzeigten, ist gefunden, aber leider als Leiche. Der Vater desselben berichtet uns, daß die entseelte Hülle seines Sohnes am 9. Mai im Rhein bei Uerdingen zu Tage gekommen und dort begraben worden sei, und fügt hinzu: „Alle, die meinen Sohn gekannt, sind mit mir der Ansicht, daß nur ein Unfall den Tod desselben herbeigeführt haben kann.“




Die lichten Nächte. Die Mittheilungen eines unserer Leser über leuchtenden Nebel in mondfreien Nächten (S. 512 des laufenden Jahrgangs) hat uns eine Anzahl von Berichten über ähnliche Erfahrungen eingetragen. Erwähnenswerth ist vielleicht, daß mehrere dieser Beobachtungen sich auf Novembernächte mit milder ruhiger Luft beziehen. Eine Leserin, unweit des Bodensees, die, wie der erstere Einsender, durch Krankheit genöthigt ist, viele Nachtstunden am offnen Fenster zu verbringen, schreibt uns, daß sie die Erscheinung für die Durchleuchtung eines sehr dünnen Nebels durch Sternenschein halten müsse. „Lange Zeit,“ berichtet sie, „glaubte ich, das Zodiakallicht verursache diese jeweilige Erhellung des Nebels, bis ich vor ganz kurzer Zeit einmal an das Fenster trat und eine phosphorartig leuchtende, leichte Nebelwolke über den untern Theil des Pegasus und die Fische ziehen sah. Erstaunt blieb ich stehen, bis sie weiterziehend den Jupiter hellstrahlend hervortreten ließ, und ihr Leuchten verlor. Damit habe ich die oben ausgesprochene Ueberzeugung gewonnen. Auf diese lichten Nächte folgte immer Süd- oder Südweststurm.“ So weit unsre Correspondentin, deren Erklärung gewiß auf manche Fälle der lichten Nächte Anwendung finden mag. Da man aber bei Sternen- und Planetenschein, selbst im Hochgebirge und in Italien, wenn die Luft noch so klar ist, nicht lesen kann, so findet dieser Deutungsversuch des Räthsels schwerlich auf die Fälle Anwendung, bei denen man – so gut lesen konnte, wie der heilige Antonius bei seinem Heiligenscheine.



Kleiner Briefkasten.

Mariette F. in Hamburg. Sie wünschen eine Titelangabe der sämmtlichen Erzählungen von E. Werner. Hier das Verzeichniß in chronologischer Reihenfolge: „Gartenlaubenblüthen“ (Inhalt: „Ein Held der Feder“ – „Hermann“). 2 Bände. 2. Auflage. 6 Mark.– „Am Altar.“ 2 Bünde. 2. Auflage. 6 Mark. – „Glückauf!“ 2 Bände. 2. Auflage. 7 Mark 50 Pfennig. – „Gesprengte Fesseln.“ 2 Bände. 2. Auflage. 7 Mark. – „Vineta.“ 2 Bände. 7 Mark 50 Pfennig. – „Um hohen Preis.“ 2 Bände. 8 Mark. – „Frühlingsboten.“ (Unter der Presse.)

Dr. A. M. in Schw. Es freut uns, Ihnen dienen zu können. Der Schriftführer des „Wiener Sängerbund“ theilt uns auf unsere Anfrage mit, daß der Verein im November d. J. das Fest seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens in Wien feiern wird. Eine zahlreiche Betheiligung von auswärts, besonders der ehemaligen Mitglieder, wird sehr gewünscht.

Ein Abonnent in Chemnitz. Passende Namen für einen Fechtclub würden nach dem Muster der mittelalterlichen Fechtergesellschaften Bezeichnungen sein wie: „die Marxbrüder“ oder „die Luxbrüder“. Die „Marxbrüder“ – „Brüderschaft von St. Marcus vom Löwenberg“ – gehörten zu den ältesten privilegirten Fechtergesellschaften in Deutschland und hatten ihren Sitz in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main. Das Privilegium derselben wurde wiederholt erneuert, und zwar zuletzt von Rudolf dem Zweiten 1579 in Prag. – Ueber die „Luxbrüder“’ (jedenfalls nach dem heiligen Lukas benannt) mangeln sichere Mittheilungen. Ein derartiger Name von geschichtlicher Bedeutung, dünkt uns, wäre am passendsten. Vergleichen Sie übrigens auch unsern Artikel über die Nürnberger Fechterschulen (Nr. 35 von 1876)!

J. K. in Mannheim. Einen Artikel über die Londoner Bank finden Sie in unserem Blatte: Nr. 7 des Jahrgangs 1879.

H. R. in Hamburg. Den Marlitt’schen Roman „Goldelse“ finden Sie im Jahrgang 1866 unseres Blattes abgedruckt.

Aken. Leider nicht verwendbar.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 680. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_680.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)