7) C. Titius war nach Cic. Brut. 167 römischer Ritter, gewandter Redner und tragischer Dichter. Cicero stellt ihn mit anderen Rednern zusammen, die in den Jahrzehnten von den Gracchen bis zum Bundesgenossenkriege, zwischen 624 = 130 und 664 = 90 gewirkt haben, und formuliert sein Urteil über ihn so bestimmt (meo iudicio eo pervenisse videtur, quo potuit fere Latinus orator sine Graecis litteris et sine multo usu pervenire), als ob er in seiner Jugend ihn selbst noch gehört und nicht nur die orationes ... paene Attico stilo scriptae gelesen hätte. Damit verträgt es sich sowohl, wenn Fronto ad M. Caes. I 7 p. 20 Nab. Cato und Ennius und dann C. Gracchus und Titius poeta nebeneinander setzt, als auch, wenn Macrob. Sat. III 16, 14 C. Titius vir aetatis Lucilianae nennt (zur Epoche des Lucilius s. z. B. Plin. n. h. XXXVI 185, sonst Kappelmacher o. Bd. XIII S. 1617f.). Schwierigkeiten bereitet aber, daß die von Macrob. angeführten Proben der Beredsamkeit des T. einer Empfehlung der Lex Fannia sumptuaria entlehnt sind (Sat. III 13, 13: T. in suasione legis Fanniae. 16, 14–16: in oratione, qua legem Fanniam suasit), und daß dieses Gesetz schon 593 = 161 erlassen worden ist (o. Bd. VI S. 1994, 55ff. XII S. 2353, 44ff.). Meistens wird das Auftreten des T. als Redner so hoch hinaufgerückt, wird seine Einreihung unter die Redner der Generation des M. Antonius, L. Crassus, L. Philippus als ungenaue Behauptung Ciceros verworfen und gegen diesen seine eigene Angabe gewendet, daß T. von L. Afranius nachgeahmt worden sei (Brut. 167: quem studebat imitari L. Afranius poeta), dessen Blüte ungefähr in die Gracchenzeit fallen soll (s. die eingehende Erörterung von Fraccaro Studi storici N. S. I [1913] 123–132. Ähnlich wieder Malcovati Or. Rom. frg. II 57–59. 147–149). Doch dieser letzte Ansatz ist keineswegs sicher, und eine wahrscheinlichere Lösung der chronologischen Schwierigkeiten bietet die von Cichorius (Untersuch. zu Lucilius 265–267) vorgeschlagene, daß T. nicht für die Annahme der Lex Fannia im J. 593 = 161 gesprochen habe, sondern einige
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Jahrzehnte später für ihre Beibehaltung (gebilligt von Leo Gesch. d. röm. Lit. I 375, 4; von mir unter brieflicher Zustimmung von Cichorius gestützt durch den Hinweis auf den ähnlichen Fall bei Gell. XV 8 [o. Bd. VI S. 2074, 29ff.] schon Ilbergs Jahrb. XXIII 190). In der Gracchenzeit waren nach Posidonios (FGrHist 87 F 59 aus Athen. VI 274 C–E) nur drei Männer in Rom noch so gewissenhaft, die Lex Fannia zu befolgen, nämlich Q. Aelius Tubero, P. Rutilius Rufus, Q. Mucius Scaevola der Augur (o. Bd. XVI S. 431, 34ff.), so daß ihre Abschaffung damals leicht beantragt werden konnte; im J. 593 = 161 hätte eher der alte Cato sie empfohlen, als ein Ritter wie T., und desen ganze Schilderung der herrschenden Schwelgerei und Leichtfertigkeit paßt entschieden besser auf die Gesellschaft der späteren, als dieser frühen Zeit. Die drastische Schilderung ist durch ihre Übersetzung und Aufnahme bei Mommsen RG II 404f. (vgl. 455f.) allgemein bekannt geworden; sie ist erläutert von Fraccaro 128–131. Sonst beruht das Urteil über T. lediglich auf Cic. Brut. 167; seine Tragödien werden außerdem nur noch in einer Atellane des Novius (Com. Rom. frg.3 321 v. 67f. aus Non. 455, 14) erwähnt. Schanz-Hosius Gesch. d. röm. Lit. I4 137f.