Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Freund des Cato
Band VI,2 (1909) S. 20742077
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Favonius. 1) M. Favonius, der einzige bekannte Träger eines Gentilnamens, der auch später wenig verbreitet ist, doch villeicht einer der Nuceria genannten Gemeinden ihren Beinamen verschafft hat (Nucerini Favonienses in Umbrien, Plin. n. h. III 113; vgl. Schultze Zur Gesch. latein. Eigennamen 563). Die Errichtung einer Statue mit der Inschrift: M. Favonio M. f. leg(ato) popul(us) Agrigent(inus) in Tarracina (CIL X 6316 = Dessau 879; andere Favonii in Tarracina CIL X 6362) läßt vermuten, daß F. aus dieser Stadt gebürtig war. Er muß ums J. 664 = 90 geboren sein, war also nur um wenige Jahre jünger als Cato, aber nicht unbedeutend älter als Brutus (vgl. Plut. Brut. 34, 3), was bei der Beurteilung seines Verhältnisses zu ihnen und anderen Zeitgenossen nicht außer acht zu lassen ist. Seine Studien vollendete er in Rhodos, wo er in der Redekunst von Apollonios Molon (o. Bd. II S. 141ff.) unterwiesen wurde, jedoch mit so geringem Erfolge, daß nach seinem ersten Prozeß der Anwalt des Gegners spottete: dixit ita, ut Rhodi videretur molis potius quam Moloni operam dedisse (Cic. ad Att. II 1, 9). Eine Probe seiner Beredsamkeit liegt wahrscheinlich bei Gell. XV 8 in einem Ausfall gegen den Tafelluxus vor; daß dort der Name des F. statt des hsl. überlieferten Favorinus einzusetzen sei, wird allgemein angenommen; außerdem muß man aber auch einen Irrtum der Kapitelüberschrift bei Gellius darin sehen, daß die Rede eine suasio legis Liciniae sumptuariae von 657 = 97 gewesen sei; sie ist entweder gegen die Abschaffung dieses Gesetzes oder zur Empfehlung eines späteren (von 699 = 55 oder von 708 = 46) von F. gehalten worden und entspricht nach Form und Inhalt seiner ganzen Art. Zuerst trat F. 693 = 61 in der Volksversammlung auf, indem er mit Cato zusammen den Consul M. Pupius Piso heftig angriff, weil er den Religionsfrevler P. Clodius in Schutz nahm (Cic. ad Att. I 14, 5). 694 = 60 unterlag er bei den Wahlen zum Volkstribunat, klagte darauf einen seiner erfolgreichen Mitbewerber, Nasica, bekannter unter dem Namen Metellus Scipio, wegen ambitus an und bewarb sich für das folgende Jahr von neuem (Cic. ad Att. II 1, 9, s. o.). Seine Opposition richtete sich in dem nächsten Jahrzehnt vor allem gegen die Triumvirn; als Pompeius wegen eines Geschwüres eine weiße Binde ums Bein gewickelt trug, spottete F., es sei ja gleichgültig, an welchem Körperteil die Königsbinde getragen werde (Val. Max. VI 2, 7; ohne Namen des F. Ammian. XVII 11, 4; zur Zeitbestimmung vgl. Cic. ad Att. II 3, 1); als Caesar 695 = 59 die Beschwörung seines Ackergesetzes von dem Senat forderte, leistete F. als letzter der Senatoren den Eid, nachdem auch Cato sich dazu bequemt hatte (Plut. Cato min. 32, 3. Dio XXXVIII 7, 1f.). Gegen die Übertragung einer unumschränkten Gewalt an Pompeius in der Form der cura anonae 697 = 57 erhob F. im Senat seine Stimme (Cic. ad Att. IV 1, 7), und unerschrocken klagte er den König [2075] Ptolemaios Auletes an, daß er in Rom die gegen ihn Beschwerde führenden alexandrinischen Gesandten ermordet und viele angesehene Männer bestochen habe (Dio XXXIX 14, 1). Den Schmähungen gegen Pompeius im Senate 698 = 56 stimmte er bei (Cic. ad Q. fr. II 3, 2), und mit Cato war er 699 = 55 einig in dem freilich vergeblichen Widerstande gegen die von den Triumvirn ausgehende neue Verteilung der Provinzen (Plut. Caes. 21, 3. Dio XXXIX 34, 1. 35, 5 von einander abweichend). 700 = 54 trat er im Senate für die Freiheit von Tenedos ein (Cic. ad Q. fr. II 9, 2); als damals die argen Wahlumtriebe der Bewerber um das Consulat des nächsten Jahres ans Licht kamen, erwartete man, da Cato krank war, fast nur von F. eine freie Äußerung seiner Meinung (Cic. ad Att. IV 17, 4). Seine eigene Wahl zum plebeischen Aedilen für 701 = 53 wäre durch Stimmenfälschung hintertrieben worden, wenn Cato nicht eingegriffen hätte; dafür überließ F. auch diesem die Führung aller seiner Amtsgeschäfte, namentlich die Ausrichtung und Leitung der Spiele, sodaß er in der Gunst des Publikums weit hinter seinem Amtsgenossen C. Curio zurückblieb (Plut. Cato min. 46, 1ff., wohl übertrieben).[s 1] Ende des Jahres ließ ihn einer der soeben ins Amt getretenen Volkstribunen Q. Pompeius Rufus aus geringfügiger Ursache ins Gefängnis werfen, angeblich um sich an dem Senat für die gleiche Schande zu rächen (Dio XL 45, 4), vielleicht um F. vom Widerstand gegen die Übernahme des Consulats durch Pompeius ohne Kollegen abzuschrecken. In der Verteidigung Milos (26. 44 vgl. Ascon. Mil. 47f.) berief sich Cicero auf F., der im Anfang des J. 702 = 52 von Clodius die Drohung vernommen habe, daß Milo binnen drei Tagen nicht mehr am Leben sein werde; er rief nicht F. selbst als Zeugen auf, sondern Cato, der es von ihm gehört habe, weil F. gleichzeitig den Sodalicienprozeß gegen Milo einzuleiten hatte (Ascon. Mil. 48, vgl. Mommsen Staatsr. II 584, 2). Bei den Wahlen zur Praetur 703 = 51 fiel F. wieder durch (Cael. an Cic. ad fam. VIII 9, 5). Das war sein stetes Schicksal bei Ämterbewerbungen, weil seine Schroffheit auch die Freunde verletzte, so im Sommer 704 = 50 den Cicero, als er neben Cato fast allein gegen die für diesen beantragten Supplikationen stimmte (ebd. 11, 2. Cic. ad Att. VII 1, 7). Dennoch ist er zur Praetur gelangt, wahrscheinlich 705 = 49, in welchem Jahre die entschiedensten Anhänger des Pompeius und der Senatspartei die höchsten Ämter bekleideten. Denn wenn Vell. II 53, 1 den F. im J. 706 = 48 mit Recht als Praetorier bezeichnet, so bleibt kein anderes Jahr verfügbar. Dagegen erhobene Bedenken hat bereits Drumann (G.R.² III 35, 6) zurückgewiesen; wenn Willems (Le sénat de la rép. rom. I 514, vgl. 518) den weiteren Einwand erhebt, daß alle acht Praetoren von 705 = 49 bekannt seien, so beruht die Ansetzung des einen nur auf dem Text von Caes. bell. civ. I 12, 1: Thermum praetorem, und gerade hier ist ohnehin die leichte Änderung praetorium sachlich zu empfehlen (vgl. den Art. Q. Minucius Thermus), so daß der Platz für F. frei wird. Im Anfang des Bürgerkrieges 705 = 49 erinnerte er mit bitterm Hohne Pompeius an sein prahlerisches [2076] Versprechen, Armeen aus dem Boden zu stampfen (Plut. Pomp. 60, 3, vgl. 57, 4; Caes. 33, 2. Appian. bell. civ. II 37); trotzdem war er bei den Verhandlungen der Parteihäupter in Capua der einzige, der nichts von Verträgen mit Caesar wissen wollte (Cic. ad fam. VII 15, 2). Er scheint nicht mit Cato nach Sizilien, sondern gleich mit dem Oberfeldherrn nach Griechenland gegangen zu sein. Hier nahm er im Frühjahr 706 = 48 an den Operationen in Makedonien unter Metellus Scipio teil und wurde von diesem aus großer Bedrängnis befreit, als er am Haliakmon selbständig gegen Cn. Domitius Calvinus manövrieren wollte (Caes. bell. civ. III 34, 3—8). Auf seine Vorwürfe hin brach Metellus Scipio die bereits angeknüpften Verhandlungen mit einem Agenten Caesars damals wieder ab (Caes. bell, civ. III 57, 5). Im Lager von Pharsalos machte er die Herrschsucht des Pompeius für das Verzögern der Entscheidung verantwortlich (und verspottete dabei auch den Luxus seiner Parteigenossen, vgl. Plut. Pomp. 67, 4; Caes. 41, 2); doch nach der Niederlage begleitete er ihn mit Treue und Hingebung auf der Flucht (Vell. II 53, 1. Plut. Pomp. 73, 4f.). Wahrscheinlich bald nach dem Ende des Pompeius kehrte er nach Italien zurück; daß nicht alle Caesarianer mit der Begnadigung gerade dieses Gegners einverstanden waren, ist noch aus Ps.-Sall. ad Caes. de rep. II 9, 4 p. 140 Jord. zu entnehmen. Mit der Bemerkung, daß der Bürgerkrieg schlimmer sei als die gesetzwidrige Monarchie, lehnte er 710 = 44 die Aufforderung des Brutus, der Verschwörung gegen Caesar beizutreten, ab (Plut. Brut. 12, 2), war aber nach der Ermordung des Dictators einer der ersten, die sich zu den Verschworenen gesellten (Appian. bell. civ. II 119). Als deren Führer, Brutus und Cassius, Rom verlassen hatten und im Juni in Antium mit Cicero zusammentrafen, war auch er anwesend (Cic. ad Att. XV 11, 1). Damals war Cassius als Praetor beauftragt, in Sizilien Getreide aufzukaufen (vgl. o. Bd. III S. 1731, 44ff.); es wäre denkbar, daß F. ihn als Legat begleitete und wirklich kurze Zeit in Sizilien tätig war; dann könnte ihm damals die Statue von den Agrigentinern gesetzt worden sein, während sich sonst dieses inschriftliche Zeugnis für seine Legatenstelle den literarischen Nachrichten über sein Leben nirgends einfügen will. Anfang 712 = 42 war F. mit Brutus und Cassius in Sardes und drängte ihnen bei Zwistigkeiten seine Vermittlung in so lästiger Weise auf, daß er von Brutus auf das gröbste zurechtrechtgewiesen wurde (Plut. Brut. 34, 2—4). Bei Philippi wurde er gefangen und, da er bereits verurteilt und proscribiert worden war, ohne weiteres hingerichtet, nachdem er noch Schmähungen gegen Octavian ausgestoßen hatte (Suet. Aug. 13. Dio XLVII 49, 4). Ein Teil seines eingezogenen Vermögens kam an Maecenas, darunter auch der witzige Sklave Sarmentus (SchoL Iuven. 5, 3 richtiger als Porphyr, zu Hor. Sat. I 5, 51ff.); seine (unbekannte) Gattin war noch 717 = 37 am Leben (Sarmenti domina exstat Hor. a. O. 55); seine Tochter ist wohl Favonia M. f. sacerdos Cereris publica p(opuli) R(omani) Q(uiritium) (CIL I 1106 = VI 2182 = Dessau 3342). Wertvoll ist das Urteil des Tacitus [2077] ann. XVI 22: Tuberones et Favonii, veteri quoque rei publicae ingrata nomina. Sonst bezeichnen die Alten, besonders Plutarch, den F. stets als Freund (amicissimus Val. Max. II 10, 8. Plut. Cato 32, 3. 46, 1), Verehrer (ἐραστής Plut. Brut. 12, 2. 34, 2) und Nacheiferer Catos (aemulus Suet. Aug. 13; ζηλωτής Plut. Caes. 21, 3. 41, 2; Pomp. 60, 3; Cato 46, 1. Dio XXXVIII 7, 1) und stellen ihn wie ein Zerrbild dieses echten Freiheitsmannes dar (vgl. besonders Plut. Cato 46, 1; Brut. 34, 2ff.), was auf Drumann (G. R.² III 32—37) und das von ihm abhängige Urteil der Neueren stark eingewirkt hat (vgl. z. B. ,der Affe und Achselträger F.‘ Hirzel bei Gardthausen Augustus II 887; ,Prinzipiennarr und Phrasenheld‘ Pöhlmann S.-Ber. Akad. Münch. 1904, 55). Vielleicht hat die übertriebene Bewunderung Catos den späteren F. in ungünstigerem Lichte erscheinen lassen, als er in Wahrheit verdiente.


Anmerkungen Wikisource

  1. Siehe hierzu Korrektur unter Art. Scribonius 11 Seite 869, Z. 20.