Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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griechischer Fürst in Indien
Band V A,1 (1934) S. 371375
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4) Griechischer Fürst in Indien. Da keinerlei literarische Quelle vorliegt, was für die Mehrzahl der griechischen Herrscher in Indien gilt, sollen die Münzen, deren großer Bestand durch Neufunde stets vermehrt wird, die Möglichkeit bieten, eine Chronologie innerhalb der sichtlich rasch wechselnden, auch gleichzeitig im Westen und Osten des Indos regierenden Dynasten aufzustellen. Für T., dessen Münzen erst in neuerer Zeit durch veröffentlichte Stücke eine Bereicherung erfahren haben, liegt an Material vor:

Type I: Bilingue, silberne Hemidrachme, O: Gigant mit Schlangenfüßen, die in seine Hände münden, ℞: Helios und Mondgöttin Selene.

1. 1. Gegen 1841 gefunden, jetzt Bodleian Library, Oxford, 37 grains = 2,397 g, beschrieben und abgebildet bei Gardner [372] 171, pl. XXXII 7; erwähnt bei v. Sallet 131. Head HN2 843. Whitehead Catal. I 87 pl. IX x.
2. 2. In der Sammlung Guthrie des Münzkabinetts im Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin, beschrieben und abgebildet bei v. Sallet 131, Taf. IV 7, 8. 2,11 g.
3. 3. Dieselbe ebd.; 2,00 g.

Type II A: Bilingue viereckige Kupfermünze; O: thronender Zeus, rechter Arm ausgestreckt, ℞: schreitende männliche Figur mit Mantel und Spitzhut, links geschultertem Speer, rechte Hand ausstreckend. Beschrieben und abgebildet bei Whitehead Journal of the Asiatic Society of Bengal, Numismatic Supplement XIV (nicht eingesehen).

4. 1. Im British Museum s. Whitehead Num. Chron. 1923, 337 nr. 59 pl. XVII 5.
5. 2. Dieselbe im Panjab Museum, Lahore, s. Whitehead Cat. I 79, 640, pl.VIII 640.
6. 3. Dieselbe, eine niedrigere, aber längere Form, ebd. I 79, 641.
7. 4. Sir John Marshall fand eine solche Münze in Taxila, s. Whitehead Num. Chron. 1923, 337.

Type II B: O: wie in II A, ℞: kauernde nackte männliche Figur mit Kopfbedeckung, rechten Arm ausstreckend.

8. 1. Beschrieben und abgebildet bei Smith Journal of the Asiatic Society of Bengal 1898, part 1, 130; vgl. The Early History of India4 258. Head HN2 843. Whitehead Num. Chron. 1923, 336 nr. 58 pl. XVII 6.
9. ,Nach einer Cunningham gewordenen Mitteilung soll ein Tetradrachmon des Telephos existieren‘; v. Sallet 131.
10. ,It was a Kābuli Jew who had a didrachm of Telephos (Num. Chron. 1872, 167), of which nothing more has been heard.‘ Whitehead Num. Chron. 1923, 310, 18.

Für eine chronologische Einreihung bestehen keine anderen Anhaltspunkte als 1. die zeitliche Bestimmung der griechischen Herrschaft auf indischem Boden überhaupt, die wiederum durch die ungefähr feststellbaren Regierungsjahre einzelner Fürsten enger begrenzt werden kann, so daß für die Zeit des T. ein kleinerer Raum zur Verfügung bleibt; 2. die numismatische Analyse.

1. Unter den unmittelbaren Nachfolgern Alexanders d. Gr. in Indien ist für T. kein Platz. Wohl erscheint ein Träger dieses Namens unter den Hetairoi des Makedonen, der beim Zuge durch Gedrosien als Verpflegungsoffizier an einen Ort des Meeres vorausgeschickt wurde, um dort den Proviant für das nachfolgende Heer vorzubereiten (Arrian. anab. VI 23, 6; vgl. Berve Das Alexandereich I 191. II nr. 745). Natürlich bleibt die Identität dieses T. mit dem Fürsten T. außer Betracht. Des letzteren Regierungszeit kann nicht vor etwa 250 v. Chr., dem Beginn der Selbständigkeit Baktriens unter Diodotos, angesetzt werden; die Verwendung der Kharoṣṭhīschrift auf der Reversseite seiner Münzen erlaubt es nicht, T. vor Eukratides zu datieren, [373] wenngleich eine Münze des Agathokles die indische Schrift aufweist, Gardner 12 nr. 14, wie sie vorher bei Demetrios erscheint (ebd. 163 nr. 3. Whitehead Num. Chron. 1923, 317f. nr. 2); das sind schüchterne Anfänge. Auf der anderen Seite ist Hermaios der letzte Griechenfürst auf indischem Gebiete, dessen Verbindung mit Kujūla Kadphises seine Zeit um die Wende der christlichen Ära bestimmt (Smith Early History4 257. 259: 10 v. Chr. bis 20 n. Chr.; Cambridge History of India I 562: um 40 v. Chr.; vgl. 647f. Konow Corpus Inscriptionum Indicarum II part 1, Calcutta 1929. LXIV: 25 n. Chr.). In die Zeit zwischen Eukratides und Hermaios, das wäre das zweite Drittel des 2. bis gegen Ende des 1. vorchristl. Jhdts., müßte also T. zu setzen sein, allerdings sind innerhalb dieser Grenzen noch viele andere Namen unterzubringen.

2. Die Münzen des T. bilden zwei Gruppen, geschieden nach Münzbild und Münzzeichen, dem Monogramm. Zur ersten Gruppe gehören drei Exemplare der auf der Vorderseite einen schlangenfüßigen Giganten tragenden Münzen, deren Rückseite ein Paar, Helios und wahrscheinlich Selene, einnimmt; das Monogramm dieser Gruppe ist K. Die zweite Gruppe muß wegen des Bildes des Reverses in zwei Untergruppen geschieden werden: der einen (A) ist ein thronender Zeus auf der Vorderseite, eine schreitende Figur mit Speer auf der Rückseite eigen, das gleiche Münzzeichen wie in I aufweisend; die andere (B) trägt auf dem Obvers das gleiche Bild, aber auf der Rückseite eine hockende Figur, und hier ist das Monogramm . Auf allen Typen findet sich die gleiche Legende, und zwar: ΒΑΣΙΛΕΩΣ ΕΥΕΡΓΕΤΟΥ ΤΗΛΕΦΟΥ, ℞: in Kharoṣṭhī: Maharajasa kalanakramasa Teliphasa, ,(Münze) des Großkönigs T., dessen Verfahrungsweise trefflich ist‘, d. h. des Wohlhandelnden; weder dieser indische Titel (gegenüber den Lesungen von Lassen, v. Sallet und noch von Gardner hat sich die ursprüngliche von Cunningham als richtig erwiesen) noch sein griechisches Original, dessen Umschreibung er ist, wurde sonst von einem griechisch-indischen Fürsten verwendet, eine Annahme des ptolemäischen Vorbildes ist nicht unmöglich.

Tritone und schlangenfüßige Giganten treten in der indo-griechischen Kunst auf (s. Foucher L’art gréco-bouddhique I, Fig. 122–125. Smith A History of Fine Art in India and Ceylon 384 pl. 88. Grünwedel Buddhistische Kunst 125); ein Münzbild, das in Betracht käme, ist die Tritonfigur, in Fischflossen endend, mit Ruder und Delphin in den Händen, auf Bronzemünzen des Hippostratos (Gardner 60 pl. XIV 6; Whitehead Cat. I 77 pl. VIII 631); die T.-Münze zeigt gleichfalls Gegenstände in den Händen des Giganten, die zwar seine Füße sein mögen, wahrscheinlich aber mißverstandene, daher stilisierte Bilder des Delphins und Ruders vorstellen dürften, wie ja die Stilisierung der ganzen Figur, besonders an den Enden, stark zum Ausdruck kommt. Sieht man von der dekadenten Darstellung auf einer Münze des Huviṣka ab (Gardner pl. XXVII 4), so treten Sonnen- und Mondgottheit sonst nicht vereint auf, vor allem nicht in [374] so durchsichtiger Deutlichkeit wie bei T. Der der Gruppe II gemeinsame thronende Zeus ist aus zahlreichen Münzen bekannt: Heliokies (Gardner 166 pl. XXXI 1), Antialkidas (Gardner 25f. pl. VII 9 [= CΗI I pl. XXX 83c] bis 14. Whitehead Cat. 1167ff. pl. III 170. 172. 189; Num. Chron. 1923, 326 pl. XV 6), Amyntas (Gardner 61 pl. XIV 10. Smith Cat. I 31 pl. VI 9. Whitehead Num. Chron. 1923, 332 pl. XVI 7, wo Athene, nicht Nike gemeint ist), Pantaleon (Gardner pl. XXX 4. Num. Chron. a. O. 318 pl. XIV 3: Zeus mit Hekate?). Aber bei T. zeigt sich, ähnlich wie beim Giganten, offenbar ein Mißverständnis gegenüber dem ursprünglichen Vorwurf: die ausgestreckte rechte Hand soll nämlich die Nike tragen, die auf den Münzen der genannten Herrscher zu sehen ist, es handelt sich um den Zeus Nikephoros. Die Verschlechterung des Bildes schreitet weiter fort und führt zu abstrusen Formen bei Hermaios (Gardner pl. XV 1–7; vgl. 172, 2. Whitehead Cat. I pl. IX 649; Num. Chron. a. O. pl. XVII 9f. Smith Cat. I 32 pl. VI 12f. CHI I pl. VII 37. XXX 83 h), Maues (Gardner pl. XVI 9, vgl. 172, 1f. Whitehead Cat. I pl. X 15f. XV 1), Azes (Whitehead Num. Chr. a. O. pl. XVII 12), Spalirises (Gardner pl. XXII 2. CHI I pl. VII 38). Die Tatsache, daß Gruppe I Beziehungen zu Hippostratos verrät, erhält durch eine Münze dieses Herrschers (Whitehead Num. Chron. a. O. 336 pl. XVII 4) eine interessante Stütze, da auch hier der sitzende Zeus erscheint. Die Ausführung des Zeusbildes bei T., besonders die Betonung des Thrones, der auf den besten Vertretern des Typus nur reliefartig angedeutet ist (bei Agathokles: Gardner pl. IV 1. Whitehead Cat. I pl. II 41; Pantaleon: Num. Chron. a. O. pl. XIV 3), setzen diese Münzbilder wohl unbedenklich in die Zeit der ausgehenden Griechenherrschaft, unfern von Hermaios. Der ,schreitende Krieger‘ scheint eine verschlechterte Ausgabe des Bewaffneten auf einer Münze des Strato und der Agathokleia zu sein (Rapson in: Corolla Numismatica, Oxford 1906. Whitehead Cat. I pl. IX VII); vielleicht ist der Zeus auf den Azesmünzen (Gardner pl. XVII 8. Whitehead Cat. I pl. XI 36. CHI pl. XXX 83 j) damit in Verbindung zu bringen. Keinerlei Parallele besteht, soweit das publizierte Material reicht, zu dem kauernden Mann.

Dem thronenden Zeus begegnet man auf einer Kupfermünze des Eukratides (Rapsοn Journal of the Royal Asiatic Society 1905, 783f. Whitehead Num. Chron. a. O. 318f. pl. XIV 5), ebenda erscheint rechts die Andeutung eines Gebirges, wie man annimmt, das auch auf den Nummern 4 und 5 der T.-Münzen zu sehen ist. Während jedoch das Monogramm auf der Eukratidesmünze Pīlusāra bedeuten soll, stellt das Münzzeichen bei T. den indischen Namen Kāpišī dar. Ob das richtig ist, muß dem Verfechter dieser Ansicht, Whitehead Num. Chron. a. O. 318ff. überlassen bleiben. Das Monogramm tritt ähnlich bei Apollodotos (Whitehead Cat. I pl. IV 307) auf, identisch bei Maues (ebd. pl. X 20. XV 1) und ist den Gruppen I und II A gemeinsam, nur fehlt in I das angebliche Bergsymbol. [375] Die Type II B zeigt ein A über T, das auf Münzen des Maues (Gardner 70, 11. 12. 15f. 71, 20. pl. XVI 8f. XVII 1, 4. Whitehead Cat. I 100 pl. X 20) erscheint. Dieses Monogramm bietet vielfache Variationen: vgl. Whitehead Num. Chron. 1923, 313f., Cat I Tafel der Monogramme: nr. 1. Smith Cat. I pl. VII nr. 32. Für T. kommt der Prägungsort Taxila kaum in Betracht, eher läßt sich das für das umgekehrte Zeichen, , mit durchgezogenem und gebogenem A-Aufstrich behaupten, wie es auf Münzen des Hippostratos (Gardner 59, 1f. 60, 11–14) und des Azes (73, 4, vgl. 6f. 78, 56–69 usw.) vorkommt.

Da Hippostratos nach dem Tode des Maues regiert zu haben scheint, weil seine Münzen, wie eben bemerkt, von Azes nachgeahmt wurden (s. CHI I 572), Maues aber schon die Münzen des T. nachzuahmen scheint, dürfte T. in die Nähe des Hippostratos zu setzen sein, womit seine Zeit als das 1. Jhdt. v. Chr. zu bestimmen wäre (vgl. Whitehead Num. Chron. a. O. 337f.). Ein Bildnis des T. ist nicht bekannt.

Literatur: Lassen Indische Altertumskde2 II 351. v. Sallet Die Nachfolger Alexanders d. Gr. 134. The Cambridge History of India (= CHI) I, Cambridge 1922. A. V. Smith The Early History of India4, Oxford 1924. Louis de La Vallée-Poussin L’Inde aux temps des Mauryas et des Barbares, Grecs, Scythes, Parthes et Yue-tchi (= Cavaignac Histoire du Monde VI 1, Paris 1930). P. Gardner The Coins of the Greek and Scythic Kings of Bactria and India in the British Museum, London 1886. V. A. Smith Catal. of the Coins in the Indian Museum Calcutta, vol. I, Oxford 1906. Head HN2, Oxford 1911. R. B. Whitehead Catal. of Coins in the Panjab Museum, Lahore, vol. I, Oxford 1914; The Numismatic Chronicle, ser. V vol. III, 1923, 294ff.