Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Eibe (Baumart)
Band V A,1 (1934) S. 8790
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Taxus, die Eibe, Taxus bacata L., gr. ἡ μῖλος (bei Theophr.), ἡ σμῖλος (Kallimachos bei Ailian. nat. an. IX 27. Nik. alex. 624. Hesych.), ἡ μῖλαξ (Paus. VIII 17, 2. Ps.-Oppian. cyn. IV 261. Eustath. Od. XVII 310 p. 1822, 21), auch θύμαλον (Diosc. IV 80), θύμαλλον (Diosc. parab. II 144), 191. θύμιον (Ps.-Diosc. alex. 12) und κάκτος (Paul. Aeg. VII 3 s. σμῖλαξ), meist aber ἡ σμῖλαξ, lat. Taxus, ngr. ἥμερο ἔλατο, ital. libo, nasso und tasso. Identifiziert finden sich μῖλαξ (Schol. Apoll. Rhod. I 186. Sext. Niger bei Plin. n. h. XVI 51) und σμῖλαξ (Diosc. a. O. Galen. XII 127. Aët. XIII 64. Paul. Aeg. V 49) mit T. Die Etymologie von σμῖλαξ und taxus ist unsicher, vgl. Boisacq Dict. étym. 885. Prellwitz Etym. Wörterb.² 295. Walde Etym. Wörterb.² 765f Hehn Kulturpfl. u. Haustiere⁸ 531f. Der auch bei uns im Aussterben begriffene Baum findet sich heute in Griechenland nur sparsam auf höheren Gebirgen und meist strauchartig, so auf dem lakonischen Parnon, dem Chelmos im nördlichen Arkadien, dem Parnassos in den Karkariafelsen, dem Xerobuno und Delphi des mittleren Euboea, dem Oxya Thessaliens und wohl am häufigsten auf dem Tymphrestos im Nordosten Aitoliens (vgl. Fraas Synops. plant. flor. class. 256. Nyman Sylloge florae Europaeae 349). In Italien findet man ihn in den Wäldern der Gebirge und bisweilen in der Küstenregion, wie z. B. in Ligurien, auch auf den größeren Inseln, aber stets selten. Die Pfahlbauern der Schweiz verfertigten ihre Schlägel und Keulen besonders aus dem äußerst festen und dauerhaften Holz der Eibe, aber daraus auch Teller, Näpfe, Schalen und Kufen (Schröder in Westermanns Monatsheften 1895, 565). Bei Homer findet sich keine Kenntnis der Eibe, doch ist vielleicht die Il. II 647 erwähnte Stadt Μίλητος an der Nordküste Kretas nach μῖλος benannt; [88] der Kreter Miletos, welcher die von ihm gegründete Stadt Kariens nach sich benannte, soll von der μῖλαξ den Namen erhalten haben, weil er von seiner Mutter als Kind in einer Eibe versteckt worden war (Schol. Apoll. Rhod. I 186; vgl. Murr Die geogr. u. myth. Namen d. altgr. Welt, Progr. Hall (Tirol) 1890, II 17. Grasberger Stud. z. d. griech. Ortsnamen 243).

Die Eibe ist ein immergrüner Waldbaum (Theophr. h. pl. I 9, 3. Plin. n. h. XVI 80), ähnelt der Weißtanne (Theophr. h. pl. III 10, 2. Nik. alex. 624 mit Schol. und Eutekn. zu v. 611. Diosc. IV 79. Hesych. s. σμῖλος, s. den Art. Tanne). Es gibt von ihr nur eine Art; sie wächst aufrecht, wird jedoch weniger hoch als die Weißtanne und ist in viele Zweige geteilt; das Blatt ist ebenfalls dem der Weißtanne ähnlich, aber glänzender und weicher; die Rinde der auf dem kretischen Berge Ida wachsenden soll an Rauheit und Farbe der der κέδρος, d. h. wohl dem Zypressen-Wachholder, Iuniperus phoenicea L. ähneln; die Frucht ist rund, etwas größer als eine Bohne (κύαμος), von roter Farbe und faßt sich weich an (Theophr. a. O.). Von allen Nadelbäumen ist die Eibe am wenigsten grün [d. h. sie ist schwarzgrün] und trägt allein Beeren; sie ist von düsterem Aussehen und ohne Saft (d. h. ohne Harz; Plin. n. h. XVI 50). Sie schlägt später aus als andere Bäume (Theophr. h. pl. III 4, 2), blüht kurz vor der Sonnenwende (4, 5), die Frucht wirft sie nach dem Frühuntergange der Plejaden (nach 9.-14. Nov.) ab und gehört, wie die Arkader sagen, zu den Bäumen, welche ihre Früchte am spätesten reifen (ebd. 4, 6). Doch blüht heute die Eibe in Italien je nach der Lage schon im Januar bis April und reift dort ihre Frucht schon im August. Daher kann hier eine Verwechslung mit der Theophr. h. pl. III 16, 2 erwähnten σμῖλαξ der Arkader vorliegen (s. den Art. Eiche o. Bd. V S. 2045). Die Eibe liebt schattige Stellen (Theophr. h. pl. IV 1, 3) und den Nordwind (Verg. Georg. II 113) und verträgt Kälte (ebd. u. 257). Das Holz leidet nicht durch Fäulnis und Alter (Plin. n. h. XVI 212). Seit alters hat man daraus Götterbilder geschnitzt (Paus. VIII 17, 2). Das Holz der Eibe in Arkadien, wo sie wie in Makedonien sehr häufig ist, ist sehr dunkel und mehr rot, das der Eibe auf dem Ida, wo sie übrigens selten ist, sehr gelb und dem der (erwähnten) κέδρος ähnlich, so daß es von betrügerischen Händlern für das letztere verkauft wurde (Theophr. h. pl. III 10, 2). Dazu ist zu bemerken, daß nach heutigen Angaben das Holz einen nicht sonderlich festen, weißen Splint, dagegen ein schön rotgelb geflammtes und zu allerhand Holzfabrikaten, welche große Zähigkeit und Dauer haben sollen, taugliches Kernholz hat Man benutzt es zu Fournieren, Fußschemeln u. dgl. (Theophr. h. pl. V 7, 6), zu Bogen (Verg. Georg. II 448), Speerschäften (Grat. Fal. 130), schon bei der Belagerung Capuas waren letztere bei den Römern daraus gefertigt (Sil. Ital. XIII 210). Von der Eibe, also wohl von der Farbe des Holzes oder vielleicht der Blätter, war die Eibenfarbe, τὸ μῖλίνον χρώμα, benannt (Eustath. p. 1822, 23). Ob die Strab. IV C 202 erwähnten Riesenbäume an der Ligurischen Küste (Seealpen zwischen Nizza und [89] Genua) wirklich, wie Meyer Botan. Erläuterungen zu Strabons Geographie 20 vermutete, Eiben waren, ist zweifelhaft.

Was die giftigen Eigenschaften der Eibe betrifft, so enthalten Blätter und Samen ein scharfes Gift (vgl. Dragendorff Die Heilpflanzen 64), aber über die Giftigkeit der Früchte gehen die Meinungen auseinander; daß die Ausdünstung der Blätter, wie zum Teil behauptet wird, Übelkeit erregen können, ist zweifelhaft, doch hält dies Lenz (Bot. d. alten Gr. u. R. 389, 853) für möglich, wenn die Eibe frisch beschnitten sei. Danach sind die folgenden Angaben der Alten zu beurteilen. Man sagt, daß, wenn Pferde, Esel und Maulesel die Blätter fräßen, sie davon stürben, Wiederkäuer aber nicht (Theophr. h. pl. III 10, 2. Schol. Nik. alex. 611). Die Blätter sind offenbar auch gemeint, wenn es heißt, daß im Gebiet von Trachis (am Berge Oite) ein σμῖλος genannter Baum wachse, der die Tiere töte, wenn sie ihn berührten (Kallim. bei Ailian. nat. an. IX 27). Ebenso, wenn erzählt wird, daß unter der Eibe schlafende Menschen meist stürben, so in Aitolien, wo der Baum sehr häufig sei (Andreas med. beim Schol. Nik. alex. 611), in Arkadien (Sext. Niger bei Plin. n. XVI 51; bei Diosc. IV 79 steht Ναρβωνία, Gallia Narbonensis), der Schatten der in voller Blüte stehenden Eibe töte (Plat. symp. III 1, 3), der Rauch des Holzes die Mäuse töte (Plin. n. h. XXIV 116) und die Eibe wegen ihrer giftigen Ausdünstung nicht in den Garten gehöre (Colum. X 18). Auf die Blüte zu beziehen ist es, daß die Eibe den Bienen schade (Verg. Georg. IV 47. Colum. IX 4, 3. Pall. I 37, 2), da der davon gewonnene Honig schlecht sei (Serv. Georg. IV 47), namentlich die häufig vorkommende korsische (Verg. Ecl. 9, 30. Serv. ebd.), so daß auch der auf dem Helikon wachsende Baum, dessen Blüte durch ihren widerlichen Geruch die Menschen zu töten pflege (Lucret. VI 787), die Eibe gewesen sein kann. Die Früchte wurden von manchen Menschen gegessen, da sie angenehm und unschädlich sind (Theophr. h. pl. III 10, 2), doch in Arkadien sterben diejenigen, die sie essen (Sext. Niger bei Plin. n. h. XVI 51), so daß wegen der giftigen Eigenschaften der Eibe ursprünglich das Gift, welches jetzt toxicum heißt und worein die Pfeile getaucht werden, taxicum benannt war (Plin. n. h. ebd.). Wenn junge Hühner die Frucht der italienischen Eibe fressen, bekommen sie Durchfall (Diosc. IV 80); doch nur die Frucht der männlichen (obwohl nur die weiblichen Bäume Früchte haben können) ist schädlich, und besonders in Hispanien enthalten die Beeren ein tödliches Gift (Plin. n. h. XVI 50). In Gallien hat man sogar beobachtet, daß aus dem Eibenholz verfertigte und auf Reisen gebrauchte Weingefäße den Tod verursacht haben (Plin. n. h. a. O.). An andern Stellen wird nicht gesagt, welchem Teile der Eibe das Gift angehörte. So tötete sich mit dem Gift der Eibe, welche sich in Gallien und Germanien in großer Menge fand, Catuvolcus, der König der Eburonen (Caes. bell. gall. VI 31, 5). In Hispania Tarraconensis war es allgemein Sitte, aus der Eibe für Menschen tödliches Gift zu bereiten (Flor. II 33, 50). Einen giftigen Baum nennt sie Galen. XII 127; auch [90] Paul. Aeg. VII 3 s. σμῖλαξ). Sie führt getrunken Kälte im ganzen Körper, Vergiftung und schnellen Tod herbei (Ps.-Diosc. alex. 12. Aët. XIII 64. Paul. Aeg. V 49). Als Mittel gegen das Gift der oitaischen (Nik. alex. 624) und überhaupt der Eibe (Diosc. parab. II 144. Eutekn. zu Nik. a. O.) wird ein starker Trunk ungemischten Weines oder (Diosc.) Essig und alles, was gegen das Schierlingsgift hilft, empfohlen. Man glaubte, daß man dem Baume das Gift entzieht, wenn man in ihn einen ehernen Nagel eintreibt (Plin. n. h. XVI 51). Kaiser Claudius erließ ein Edikt, daß der Saft des Baumes T. das beste Mittel gegen Vipernbiß sei (Suet. Claud. 16).

Dem düstern Charakter der Eibe entsprachen einige religiöse Vorstellungen. Sie verbreitet auf dem Wege zur Unterwelt ein schauerliches Dunkel (Ovid. met. IV 432. Lucan. VI 642); am Kokytos wächst eine Eibe (Sen. Herc. fur. 694) von gewaltigem Umfange mit zahlreichen Ästen (Sil. Ital. XIII 595); in einem heiligen Hain der Pelopiden bei Mykenai befanden sich dunkle Eiben (Sen. Thyest 654), ebenso in einem düsteren Hain der Stadt Karthago, welcher der Dido geweiht war (Sil. Ital. I 83) und in einem solchen bei Massilia, welcher den gallischen Göttern geweiht war (Lucan. III 419). Die Eumenide wird bei Theben dem Amphiaraos nach seinem Tode mit einer verstümmelten Eibe die Sühne geben (Stat. Theb. VIII 9), und die Megäre setzt Verderben bringende Eiben zur Erhebung von Anklagen in Brand (Claudian. rapt. Pros. III 386). Die Stirn eines zum Opfer bestimmten Stieres starrt vom Laube der Eibe (Valer. Flacce. Arg. I 777); ihr Laub scheint überhaupt auch als Zeichen der Trauer um einen Toten aufgefaßt zu sein (Stat. silv. V 5, 29).

Über die Eibe sowie über σμῖλαξ (μῖλαξ) in der Bedeutung Stechwinde, Smilax aspera L., Zaunwinde, Convolvulus sepium L., Bohne und Eiche s. d. Art. Smilax. Bohne. Eiche.