Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Spitzes Steinchen, Gewichtssteinchen
Band II A,1 (1921) S. 907908
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Scrupulus, als Deminutivum von scrupus das spitzige Steinchen, im besondern vielleicht von je das Gewichtsteinchen. Die Form scripulus ist daneben wohl zu werten wie clipeus neben clupeus (Walde Lat.-etym. Wörterb.² 691). Dagegen [908] sind die vulgäreren neutralen Formen scrupulum und scripulum, von hier aus gesehen, Verbildungen, wie denn in den unter dem Namen des Valerius Probus gehenden Excerpta de nomine Keil (GL IV 212, 21) die Frage scrupulus hic an hoc scrupulum? unter Hinweis auf Cic. pro Rosc. 2, 6; pro Cluent. 28, 76 und Terenz Andr. V 4, 37 dahin beantwortet wird, daß consuetudo quidem hoc scrupulum, erudita vero hunc scrupulum dixit. Ähnlich in den Exzerpten aus Flavius Caper (GL VII 111, 50): scrupulus hic. In Wirklichkeit geht denn auch die neutrale Schreibung von einem ganz andern Wortstamm aus. Scriptula dicendum, non scripula heißt es bei demselben Caper (a. a. O. VII 106, 13), und noch deutlicher sagt sein Ausschreiber Charisius (ebd. I 81) scriptulum, quod nunc vulgus sine t dicit, Varro in Plutotoryne dixit. Scriptulum schreibt denn auch z. B. Volusius Maecianus (der juristische Lehrer Marc Aurels) in seiner metrologischen Distributio (Hultsch Metrol. script. II 65, 3 u. a.), entgegen Priscian,. Isidor, Balbus, die scripulus bevorzugen. Dieses Wort scriptulum ist Deminutivum von scriptum und bedeutet zunächst vermutlich das die kleinste Teileinheit auf dem Wagbalken oder auf der Maßskala darstellende Strichlein, danach dann das entsprechende Gewicht selbst.

Dieses Gewicht ist innerhalb des (römischen) Systems zu 1/288 (altem As oder) Pfund (libra, ca. 320–327 g) bzw. zu 1/24 uncia (ca. 26,6 bis 27,25 g) angesetzt (Varro de r. r. I 10 = Metrol. Script. II 52, 12. Volus. Maec. distrib. = ebd. 64, 15–27 u. a. m.); es hat also einen modernen Gewichtswert von etwa 1,1 g. Im ältesten römischen Sesterz ist es auch ausgemünzt worden (Willers Kupferprägung 39). – Die griechischen Ärzte der Kaiserzeit, die sich des römischen Gewichtsystems bedienten, bezeichnen das Gewicht als γράμμα (s. d.), haben mithin ersichtlich die römische Bezeichnung scriptulum vor Augen gehabt. Metrolog. Stellennachw. bei Hultsch Metrol. script. II Ind. 252 s. Bemerkt sei, daß E. J. Haeberlins Auffassung, der S. bilde im weitesten Umfange die Grundlage der mittel-italischen Gewichtsysteme (Ztschr. f. Num. Berl. XXVII 1909, 49ff.; Herodots Bericht über die persischen Tribute, S.-A. aus Frankf. Münzzeitung 1919, 42; Wien. num. Ztschr. 1920, 91), nicht haltbar ist.

Im römischen Flächenmaßsystem wurde der Name S. auf das 288tel des Iugerum (s. d.) übertragen (wie uncia auf das Zwölftel), Varro a. a. O. Meßwert ca. 8,7 qm. Von singulis scripulis horarum spricht Fronto ep. II 6 (p. 31,14 Naber). – Vgl. Christ Rh. Mus. XX 67, Hultsch Metrologie² 145ff. 84ff. und den Art. Scripulum.